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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 204 - 228 (2. September 1901 - 30. September 1901)
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Dienstag, 10. September 1901.

Zweites Blatt.

43. Jahrgang. — Ir. 211.


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgebolt 40 Pfg. Durch die Voll be-
zogen vierteljährlich 1.35 M, ausschließlich Zustellgebühr.
«nzeigenpreis: 20 Pfg die lspaltige Petitzeileoderdereu Raum. Reklamezeile 40 Pfg Wr hiesige Geschäfts- und Privatauzeigen ermäßigt. - Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr 82

Sozialdemokratische Verblendung.
Der Karlsruher Mitarbeiter des „S chwäö. M e r-
t u r" veröffentlicht unter obigem Titel folgende kritische
Betrachtung des wirtschaftSpolitischeu Gebahreus desr
Sozialdemokratie.
Immer aufgeregter wird die Sprache der sozialdemo-
kratischen Blätter und Volksredner über die Bestrebun-
gen der Gegenparteien. Die Nationalliberalen treiben
Schindluderpolitik, das Zentrum treibt ein Gaukelspiel,
die Agrarier treiben Brotwucher. Besonders das
letztere Thema wird in jeder denkbaren Weise variiert.
Daneben macht sich aber öfters ein zweites Thema bs-
Merklich, das zu jenem nicht recht stimmen will. Es be-
rührt eigentümlich, wenn in sozialdemokratischen Blät-
tern spaltenlang auseinandergesetzt wird, was Staat
und Gemeinden alles thun sollen, um den Arbeitern das
Uetzerstehen der drohenden industriellen Krisis zu erleich-
tern und den Arbeitslos e n Verdienst zu schaffen.
Auch wenn man grundsätzlich dafür ist, daß alles Men-
schenmöglische geschieht, berührt es doch eigentümlich,
wenn zu dem Generalbaß des Brotwucherschwindels diese
sanfte Melodie der „Liebesgaben" angeschlagen wird.
Man muß sich wundern, mit welcher Freigiebigkeit die
Sozialdemokraten aus den Taschen anderer Leute für
die industriellen Arbeiter sorgen wollen, während sie mit
der größten Gehässigkeit über alle „Liebesgaben", die
anderen Erwerbsständen angeblich oder wirklich zuge-
dacht sind, Buch führen. Unsere Landwirte sollen nichts
bekommen, niag bei ihnen die Not so groß sein, wie sie
will! Die Einseitigkeit der sozialdemokratischen Bü-
strebungen kann nicht besser beleuchtet werden, als in-
dem man die soziale Lage unserer Kleinbauern und un-
serer ländlichen Taglöhner mit der Lage städtischer In-
dustriearbeiter vergleicht. Welcher Unterschied! Welche
Not und Entbehrung bei jenen und welche vielgestaltige
Beteiligung an höheren Kulturgeinissen bei diesen! Man
Möchte wirklich manchmal fragen: sind denn die Land-
arbeiter und Bauern nicht auch Menschen? Soll nur
der Landwirtschaft der nötige Zollschutz versagt werden,
obgleich man wohl weiß, daß die Industriearbeiter ihr
berhältnismäßiges Wohlbefinden nur einer maßvollen
Schutzzollpolitik verdanken, die auf Kosten der
Landwirtschaft ermöglicht wurde? Die leichtsinnige
Phrase, daß die landwirtschaftlichen Zölle nur den Groß-
grundbesitzern, den „Junkern" Stutzen brächten, den
Mittels und Kleinbauern aber nicht, wird durch die ein-
fache Thatsache widerlegt, daß die Bauern fast ohne
Ausnahme für die Erhöhung der Zölle sind, denn sie müs-
sen doch am besten wissen, was ihnen srommt. Die
Sozialdemokraten tragen aber dem Umstand absolut
keine Rechnung, daß die jetzigen Preise der landwirtschaft-
lichen Produkte keine Rente mehr abwerfen, und daß
eine Preiserhöhung notwendig ist, damit die Bauern
den Lohn ihrer mühevollen Arbeit finden und damit
sie im Stande sind, ihren Knechten und Mägden eigen
Lohn zu bezahlen, der diese auf eine dem Industriearbei-
tern ebenbürtige Stufe stellt. Wer empfängt - denn
bon der Wiege bis zum Grabe m e h r „Liebesgaben"
als der Industriearbeiter? Würde man alle Aufwen-
dungen streichen, die von den Gemeinden, den Bundes-
staaten und dem Reich für die Arbeiter bezahlt wer-
den, wie würden diese dastehen! Man denke nur an
die Volksschulen, an die Gewerbe- und höheren Schulen,
die den Söhnen der Arbeiter ein besseres Fortkommen

sichern, nnd die nur einzig und allein nach dem Grund-
satz der Solidarität von den Steuerzahlern erhalten
werden. Ferner an die kolossalen Aufwendungen,
die der Staat und das Reich für die Arbeiter machen,
ungerechnet die Lasten der Unternehmer, die doch auch
in Betracht kommen. H undertma l m e h r erhält
der Arbeiter als er giebt, das beweist eure einfache
Rechnung. Und als Gegenäußerung dafür (Dank wird
nicht verlangt) diese leidenschaftliche Gehässigkeit, daß
kein anderer etwas bekommen soll, der
nicht ein Industriearbeiter ist, und die Mahnung an alle
„Genossen", die Taschen zuzuhalten, wenn einmal an
die Opfer Aller appelliert wird, nur einen der not-
wendigsten Stände zu erhalten und ihm ein menschen-
würdiges Dasein zu ermöglichen! Wie nun, wenn diese
Verleugnung des Solidaritätsgrundsatzes von der an-
deren Seite erwidert würde?' Wenn die Bauen: und
Bürger bei einer eintreteuden Jndustriekrisis sagen
würden: Nun bewilligen wir a uch nichts? Sie werden
es nicht thun, aber sie stellen sich irr den Augen sozial
denkender Politiker unendlich viel höher als die wüsten
Schreier gegen der: „Brotwucher" und die „Liebes-
gaben"! Wenn man dieses antisoziale Treiben Tag für
Tag mit ansieht, so kann man unmöglich glauben, daß
daraus etwas Gutes entspringen werde. Es muß zu
einer moralischen Niederlage der Partei führen, die selbst
sehr viel beansprucht, irr ihrem kurzsichtigen Neid aber
keinem andern etwas gönnt.

Aus Stadt mid Land
lü Schöffengerichtssitzung vom 7. Scpt. Vorsitzender: Herr
Referendär Junker. 1) Pauline Kämmerer, Kellnerin hier, er-
hielt wegen Landstreicherei und Unzucht 4 Wochen Haft und
wurde der Landespolizeibehörbe überwiesen; 2) Hermann Co-
molka, Taglöhner hier, wegen Landstreicherei 14 Tage Haft; 3)
die Verhandlung gegen Georg Merkel, Maurer von Ziegelhausen,
Anton Wilhelm Eppinger von Petersthal, Josef Haas, Tag-
löhner, und Joh. Eppinger von da wegen Körperverletzung,
groben Unfugs und Ruhestörung wurde vertagt; 4) Friedrich
Schlicksuvp, Tagiöhner hier, erhielt Wegendes gleichen Vergehens
7 Tage Haft; 5) Nik. Müller, Friedrich Müller. Karl Müller.
Georg Karl Müller, Bäcker Andreas Müller und Egidius Schwab,
alle in Gaiberg, waren wegen Ruhestörung angcklagt, Nikolaus,
Karl nnd Andreas Müller und Schwab erhielten eine Geldstrafe
von je 6 Mark oder 2 Tage Haft, die übrigen Angeklagten wur-
den freigesprochen; 6) Egidius Schwab, Zimmermeister in Gai-
berg, erhielt 5 Mk. Geldstrafe oder 2 Tage Haft wegen Ueber-
sitzens und 10 Tage Haft wegen Unfugs; 7) Heinrich Ballmann,
Tüncher von Rohrbach, wegen Uebertretung des 8 360 Ziff. 11
N.St G.B. 5 Mk. Geldstrafe oder l Tag Haft; 8) Friedrich
Robert Klein, Kellner hier, wegen Ruhestörung 7 Tage Haft;
9) die Verhandlung gegen Friedrich Räuchle, Schlosserlehrling
hier, wegen Uebertretung der W 120 u. 150 Ziff. 4 d. G.-Ordn.
wurde vertagt; 10) Johann Jost, Landwirt in Handschuhsheim,
wurde von der Anklage wegen Körperverletzung z. N. des Tag-
löhners Leonhard Metzger allda frcigesprochen; 11) die Anklage
gegen Georg Reinhard, Bäcker in Kirchheim, wegen Beleidigung
des Wirts Karl Aichele allda wurde durch Vergleich erledigt,
desgleichen 12) die Anklage gegen Phil. Saueressig, Mühlenbauer
Ehefrau in Waldwimmersbach, wegen Beleidigung des Wagners
Peter Layer allda.
(!) Ncckargcmünd, 8. Scpt. (Turnverein.) Heute
beging der hiesige Turnverein bei günstigem Wetter sein 25-
jähriges Stiftungsfest. Nachdem mehrere Nach-
barvcreine abgcholt waren, bildete sich der Festzug, der die
fahnengeschmückte Stadt passierte nnd am Festplatz Halt
machte. Hier begrüßte der Vorstand des Vereins, Herr H a f,
die erschienenen Vereine und Turnfreunde. Die Festrede,

gehalten durch Rittmeister Rens ch hier, führte der: Zuhörern
die Geschichte des Turnens und dann die Gründung des
Vereins nebst der Geschichte desselben in ansprechender Weise
vor, wobei auch ans den Vorteil des Turnens hingewiesen
wurde. Das „Gut Heil" des Festredners galt dem Vereim
Der weitere Redner, Bürgermeister Wittmann hob eben-
falls den großen Nutzen des Turnens hervor. Die gegen-
wärtigen, manigfachen Berufs- und Broterwcrbsartcn er-
heischten eine Ausspannung des Körpers, der Glieder; durch
Turnen werde sie herbeigeführt. Es traten dann die Fest-
fränleins auf die Bühne; Fräulein Rosa Beysel — über-
reichte unter herzlicher Ansprache für die Nereinsfahnc eine
schöne, kostbare Schleife. Auch der hiesige Militärverein wid-
mete der Vereinsfahne eine nette Schleife unter passender An-
sprache des Vorstandes, Herrn Earl Kühner. Es kamen rinn
die Hebungen an die Reihe, die bei den Zuschauern alle An-
erkennung fanden. Die Pausen füllten die Musik und der
hicsige Liederkranz durch ihre Vorträge ans. Abends war Fest-
ball im Prinz Carl und im goldenen Pflug.
80. Sinsheim, 8. Sept. (E i s e n b a h n p r o j e k t.)
Dieser Tage fand in Oestringen eine Besprechung über das
Eisenbahnprojekt Waibstadt—Sinsheim—Oestringen—Langen-
brücken statt. Die anwesenden Vertreter der Gemeinden
(Bürgermeister und Gcmeinderäte) erklärten sich nach ein-
gehendem Vortrage des Bürgermeisters Speiser von SinSheim
bereit, die Vorlage wegen der aufzubringenden Kosten für die
Vorarbeiten sofort dem Bürgerausschusse zu unterbreiten.
Die Ausarbeitung der Pläne und Kostenanschläge ist bereits
dem Ingenieur Karl Müller in Freiburg übertragen.
8dl. Karlsruhe, 8. Sept. (Denkmals-Enthül-
lung.) Am 18. Oktober findet nunmehr die Enthüllung
des Denkmals für den Prinzen Wilhelm statt. Die Statue
des Prinzen erhält über Lebensgröße auf einen: architektoni-
schen Unterbau. Sämtliche Mitglieder des großhcrzoglichen
Hauses werden zur Enthüllnngsfeicr hier erwartet.
80. Karlsruhe, 8. Sept. (I m st ä d t i s ch e n R h e i n-
hafen) sind an Gütern angekommen nnd abgegangen im
Mai d. I. 49 080 Doppelz., im Juni 102 905 Doppelz., im
Juli 191 688 Doppelz., im August 254 126 Doppelz. An
Hafengebühren wurden während dieser vier Monate zusammen
27 237 Mark erhoben.
8 dl. Pforzheim, 8. Sept. (D e r B r a n d st i f t e r) der
bor kurzem in: „Europäischen Hof" zweimal hintereinander,
aber ohne Erfolg, Feuer angelegt hatte, ist nunmehr in der
Pcrson des Goldschmieds Baier entdeckt und verhaftet worden.
Barer war früher als HanSbursche dort beschäftigt.
3dl. Stockach, 0. Sept. (Ausgrabungen.) Im
Gemeindewald von Wahlwies befindet sich eine Gruppe Hügel,
welche in diesen Tagen auf Veranlassung der Direktioir der
Gr. Altertümersammlnng durch deren Aufseher Herr» Eckert
untersucht wurden. Bereits haben sich drei derselben als
Grabhügel aus der alteren Eisenzeit erwiesen, ans welchen
Thongefüße und Zicrstücke aus Bronze entnommen werde»
formten. Skelettreste bewiesen, daß hier Bestattung und nicht
Leichenverbrenmmg im Branche war. Die Grabungen wer-
den noch fortgesetzt._
Handel und Verkehr.
si Mannheim, 6. Sept. (T a b ak b e r i ch t.) Die
Berichte aus den Prodnktionsgebieten lauten übereinstimmend,
daß wir es mit einer guten nnd großen Tabakernte dieses Jahr
zu thun haben werden. Die Preisbildung für d"ie künftige
Ernte ist schwer voransznsagen. Berücksichtigt muß werden,
daß der Tabakkonsnm infolge der schlechten wirtschaftlichen
Lage bereits ein schwächerer geworden ist, nnd eine weitere
Abnahme nicht ausgeschlossen scheint. Ein ferneres Moment,
welches für die Preisbildung von Einfluß sein wird, ist die
Lage unserer Banken, nnd das allgemeine Bestreben, die Kre-
dite möglichst einzuschränken. Die 1901er Ernte trifft also ans
eine ganze Reihe von Faktoren, welche den Gang des Ein-
kaufsgeschäftes ungünstig beeinflussen. Der Absatz der neuen
Sandgrümpen ist im Gange und werden dem Pflanzer 6

Zhr Glück.
4) Skizze von V. Rittweyer.
(Schluß.)
Die Verwachsene schweigt jetzt nnd erst nach einer Weile
hebt sie nochmals an:
„Entschuldigen Sie nur, gnädige Frau, daß ich so ein
Ganges nnd Breites daher geredet Hab', von mir nnd meinem
Grab — es war gewiß nicht schicklich."
, „O, Sie haben keine Entschuldigung nötig, Liebe. Sie
haben mir sehr wohl gethan. Ich danke Ihnen herzlich. Und
ivcim Sie einmal im Amtsgericht einsprechen möchten und
i'ach „vr fragen, vielleicht kann ich Ihnen — kann ich Ihnen
"»ch etwas zu liebe thun. Und nun leben Sie Wohl. Noch
etwas — nach welcher Richtung liegt Wohl das sogenannte
Oorsthans? Ist es leicht zu finden?"
„O, da können gnädige Frau garnicht fehlen. Dort, der
Oerade Weg führt direkt hin. Sie sehen das Dach am Wald
dvii hier aus. Ein halbes Stündchen ist's nur."
«Ich danke sehr, da muß ich eilen!"
Frau Lucie geht raschen Schrittes den bezeichneten Weg.
Mcht nur mit am Boden heftenden Augen, wie vorher, nein,
wifrecht nnd mit leuchtenden Blicken um sich schauend. Sie hat
w ei» Dasein blicken dürfen, in ein so armseliges, wie es
Mnige gibt. Und sie fühlt sich wie verwandelt. Sie hat
Zuen Menschen kennen gelernt, dessen einziges irdisches Glück
WNn besteht, sein künftiges Grab zu Pfleger: und in stiller
»reudr der Zeit zu gedenken, da es ihm vergönnt sein wird,
gw't zu ruhen. „Ihr Glück" hat sie das genannt, die arme
Erwachsene! Ein Schauder überfliegt den Körper der jungen
A'm: mW dann wieder tritt ein frohes Lächeln auf ihr
sintlitz. Wie reich sie ist, wenn sie ihrer Wohnung gedenkt, die
w hell und licht nnd mit dem Nützlichen nnd Angenehmen aus-
Lrstaiiet ist, ,,„h ihres Gatten, der sie auf den Händen tragen

möchte, der aber auch das Recht hat, — jetzt sieht sie's ein
— von ihr mehr zu erwarten, als sic ihm bisher gegeben, —
ja, das hat er. lind ihrer Eltern gedenkt sic, die ihr zärt-
liche Briefe schreibe», die sic Wiedersehen wird, sobald sie
cs wünscht. Ach ja, sie weiß cs jetzt, sic hat zu danken für
vieles, — ah, wie sie sich schämt, und sich freut, daß sie gut
machen kann, daß sie lebt. — O, wie schön dieses Leben :st!
Auch hier, lind nun zr: ihn:, ohne Zögern! —
Das ist ein Erstaunen, als unter die muntere schwatzende
nnd lachende Gesellschaft an, Forsthaus plötzlich die Frau
Amtsrichter tritt mit freundlichem Gruß und den etwas hastig
hervorgesprudelten Worten: „Da bin ich doch noch, Arnold,
ich — ich ^— fühle mit Wähler nnd da —"
„So ist's recht, liebe junge Frau," ruft der Pastor,
seine Gattin ist eben beschäftigt, ihren Jüngsten, der richtig
heult, zur Ruhe zu bringen. „Das ewige Zuhausesitze:: taugt
nichts. Sie müssen sich Herausreißen, dann werden Sie bald
sehen, daß es sich auch mit uns ganz gut leben läßt."
Frau Lucie wird etwas rot — sie liest in den feinen
Zügen des Geistlichen, daß er sie durchschaut Hai nnd eifrig
erwidert sie: „O, das weiß ich schon, Herr Pastor, nnd ich
hoffe, bald völlig hier eingcwöhnt zu sein. Es ist ja so
hübsch hier!"
Arnold traut - seinen Ohren nicht; er hat eben noch mit
ziemlich verstimmtem Gesicht zwischen den andern gesessen,
fast fürchtend, Lucie wolle sich nur einen Scherz mit der
Gesellschaft machen, aber nun, da sie ihm unter dem Tisch die
Hand drückt nnd ihn: zuflüstert: „Es ist mein Ernst, Arnold,
ich erzähle Dir nachher — o — ich habe so viel erlebt :»
der letzten Stunde I" da hell: sich sein Antlitz ans und er-
fühlt sich nun von schwerer Last befreit. Bein: Aufbruch laßt
das junge Paar die andern alle voraus nnd dann beginnt
Lucie, am Arm des Gatten hängend, ihre Beichte, — be-
richtet ihn: alles, was sie erlebt hat und schlicht mit den
Worten: „Nun, Lieber, soll alles anders werden. Du glaubst
nicht, wie thörichk ich mir schon während der Erzählung dcr

Armen erschienen bin nachher erst, als ich über alles nach-
dachte. Und wie unendlich reich ich mich mit einemmal fühlte!
O, Arnold, was muß man gelitten haben, um sein eigen Grab
als den höchsten irdischen Besitz, als einziges Glück zu be-
trachten! Aber uns, Liebster, soll aus diesem Grab neues
Leben blühen. Das verspreche ich Dir! Und nun verzeih'
mir, Arnold, daß ich Dir das Dasein so verbittert habe in
kindischem Eigensinn. Es scheint mir plötzlich so leicht, auch
hier glücklich zu sein, nnd die Menschen da vor uns, sie sind
garnicht so schlimm. Im Gegenteil! Alles hat mir recht
gut gefallen heute Abend, sogar die Pastorskinder. Paß aus,
Arnold, ich werde am Ende einmal garnicht wieder hier fort
wollen!"
— Ende. —

— Schnell gefaßt. Herr: „Ich habe eine Idee, eine herr-
liche Idee! . ." — Fräulein: „Schön, wann haben — wir
Hochzeit?"
— Drastischer Vergleich. Meyer har lange mit zwei
neuen Bekannte» Skat gespielt, ohne auch nur einmal zum
Stich zu kommen. Endlich springt er erregt ans, wirft die
Karten hin und schreit den Einen an: „Mit Ihnen kann mau
ja nicht spielen, Sie sind ia die reine Nähmaschine I" —
„Wieso?" fragen erstaunt die Partner. — „Nun, weil Sie
achtzig Stiche in der Minute machen!"

Hör', es klagt die Flöte wieder,
Und die kühlen Brunnen rausche»;
Golden wch'n die Töne nieder:
Stille, stille, laß uns lauschen!

Holdes Bitten, mild Verlangen,
Wie es süß zum Herzen spricht!
Durch die Nacht, die mich empfangen,
Blickt zu mir der Töne Licht.
(Klemens Brentano.)
 
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