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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 256 - 281 (1. November 1901 - 30. November 1901)
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Zweites Blatt.

43. Jahrgang. — ür. 271.







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Erscheint täglichs, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Hans gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Ferusprcch-Anschluß Nr. 82.



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Uom Koöurger Kof.
Coburg 16. Nov.
(Berl. Lokalanz.)
Ein Reisebuch stellt die Behauptung auf, daß die
Coburgex alleweil fidel und von frohester Gemütsart
sind. Auch wird ihnen eine große Quantität witziger
Begabung nachgerühmt, die durch das vortreffliche Co-
burger Bier täglich neue Nahrung erhält. Das Un-
terhaltungsbedürfnis ist daher an allen Coburger
Stammtischen immer groß. Das zeitweilige Thema
aber ist ein besonders interessantes, jeder, der die Ro-
senfesseln der Ehe trägt, hält sich für berechtigt, als Sach-
verständiger sein Gutachten abzugeben. In allen Krei-
sen der Bürgerschaft wird das Ereignis des TageS- er-
örtert. Wer ist eigentlich schuld? Warum
Mußte es so kommen? Hatte nicht rechtzeitig vermittelt
werden können? Ist es wirklich unwiderrufliche Thatz-
sache? — Mein Gott, was wollen die Leute nicht alles
wissen!
Auf den Schlössern der Coburger Herzöge, dem Re-
sindenzschlosse, der „Ehrenburg" und dem Palais des
Herzogs Alfred, freundnachbarlich neben einander ge-
legen, flattern die Landes färben „Grün-Weiß" melan-
cholisch im Novemberwinde. „Zinn Abschiednehmen
just das rechte Wetter!" — In der Ehrenburg, einem ur-
alten, im Laufe der Jahrhunderte vielfach modernisier-
ten Monumentalbau von zwar würdig verwittertem,
aber ungemütlichem Aussehen, residiert der Regierungs-
Verweser, der Erbprinz Ernst zu Hohenlohe-Langenburg.
Der Prinz, dem das schwierige Mandat zufällt, die Ne-
gierung während der Minderjährigkeit des Landes-
herrn, des Herzogs Karl Eduard, zu führen und sie
dann in die Hände des rechtmäßigen Besitzers zu legen,
ist eine sympathische Erscheinung. „Könnten wir ihn
behalten!" sagen die Coburger, die durch die häufig
wechselnde Thronfolge der letzten Jahre ein wenig un-
ncher geworden sind, wem sie denn eigentlich angehören.
Der älteste Sohn des Statthalters von Elsaß-Lothrin-
gen nimmt es ernst mit seiner Sache; er hält sich nicht nur
„Regierens halber" in Coburg auf, sondern er arbeitet
wirklich vom Morgen bis zum späten Abend. .Wäh-
lend der so früh verstorbene Herzog Alfred trotz seiner
liebenswürdigen Formen niemals rechten Boden im
Volke fassen konnte, das in ihm nur immer den englischen
Admiral sah, genießt der Negierungsverweser den Kre/
dit eines echt deutschen Mannes, dem unbedingtes Ver-
stauen entgegengebracht wird. Seine Lebenshaltung ist
w der Hauptsache bürgerlich, wie er auch die Zivilklei-
wing nur bei besonders militärischen Anlässen mit der
Uniform vertauscht. Aber auch dann läßt er nicht
wel mit sich her machen. Unlängst bei einem Krieger-
berein zu Gaste, war ihm ein besonderer Ehrentisch re-
serviert worden. Er lehnte das entschieden ab und setzte
hch mit seinem Adjutanten mitten unter die Versamrn-
wng, was ihm die leicht begeisterte Bevölkerung hoch
mrechnet.
^ Man sagt von dem Regenten, daß er ein ebenso guter
Meist wie feiner Diplomat sei. Er wird jetzt Gelegen-
heit haben, seine Kunst in der Behandlung der so pein-
lichen Angelegenheit zu zeigen, die nicht nur die Höfe,
Mdern in hohem Maße auch die breite Masse des Vok-
beschäftigt. Der Regent soll sehr unwillig gewesen
mi, daß die geplante Scheidung seiner Schwägerin,

der Großherzogin Viktoria von Hessen, von ihrem Ge-
mahl vorzeitig in die Oeffentlichkeit gekommen ist. Er
hat es auch gutem Vernehmen nach übel vermerkt, daß
ein Besuch am Potsdamer Hof weiten Kreisen bekannt
geworden ist. Seit dieser Zeit legen sich die Hofkreise
eine doppelte Zurückhaltung in der Erörterung des
Sachverhalts auf. Auch das Herzogliche Hofmarschall-
amt, das mit Anfragen aus aller Welt überschüttet wird,
beobachtet diese Reserve. Man dementiert nicht auf An-
frage die sattsam bekannten Mitteilungen aber bestätigt
diese auch nicht. Nur ein Achselzucken ....
Im Palais des verstorbenen Herzogs Alfred, der
„Edinburg", geht es zur Zeit recht still zu. Die ru-
mänischen Herrschaften haben ihren Aufenthalt entgegen
dem ursprünglichen Programm abgekürzt und sich nach
Sigmaringen begeben. Prinzeß Marie, die älteste Toch-
ter des herzoglichen Hauses die seit acht Jahren an den
Thronfolger Ferdinand von Rumänien vermählt ist,
gilt als ein erklärter Liebling der Coburger. Die Prin-
zessin verfügt über die schöne Gabe des Humors und
war von jeher das lustige, belebende Element am Hofe.
Die Sympathie für die Frau Erbprinzessin hat sich auf
ihren Sohn, den kleinen Prinzen Karl, übertragen, den
die Mutter in erklärlichem Stolze überall auf Spazier
gängen und Ausfahrten mitnimmt. Das drollige Prinz
lein hat unlängst im Theater durch sein fröhliches Kna
benlachen sogar einem Lustspiel zu gesteigertem Hei
terkeitSerfolge verholfen. Man erzählt, daß es der immer
gutgelaunten Frau Prinzeß ein wenig trübselig gewor
den sei in dem jetzt von den Schleiern der Sorge um
sponnenen Ahnenschlosse. . . . Dort weilt zur Zeit die
Herzogin Witwe Marie mit ihren Töchtern, der Groß-
Herzogin Viktoria von Hessen und der noch unvermähb
ten Prinzeß Beatrice.
Großherzogin Viktoria von Hessen oder Melitta, wie
sie nnt ihrem Mädchennamen nach alter Gewohnheit hier
genannt wird, soll in dem elterlichen Hause keinen allzu
freudigen Empfang gefunden haben, als sie Mitte vori-
gen Monats Plötzlich mit ihrem Töchterchen aus Darm-
stadt hier anlangte. Die Ankunft erfolgte mittelst eines
gewöhnlichen langsam fahrenden Personenzuges so, daß
sich au diese immerhin auffallende Thatsache schon damals
allerlei Betrachtungen im Publikum anknüpften. Der
Umstand daß früher wiederholt Trennungen der Frau
Großherzogin von ihrem Gemahl erfolgt waren, gab
zn denken. Prinzeß Melitta hat wenn die Coburger
Chronisten zuverlässig sind, eine besonders sorgfältige
und strenge Erziehung gehabt, so daß der Posten ihrer
Gouvernanten kein leichter war. Es heißt jedoch, daß
der sehr selbständige Charakter der Prinzeß sich nicht
weich formen lassen wollte, und daß dieses Festhalten
an der eigenen Meinung auch in der Ehe eine unlieb-
same Fortsetzung gefunden hat. Aus kleinen Friktonen
wurden schließlich akute Spannungen bei ständiger Ge-
witterneigung; Kompromisse wurden nur vorübergehend
aufrecht erhalten und durch den Widerstreit der An-
sichten unterbrochen. Die Frau Großherzogin hat sich
in Coburg jedenfalls nach außen hin voll zn beherrschen
gewußt indem sie während ihrer diesmaligen Anwesen-
heit in der Öffentlichkeit, bei Bazaren, im Theater rc.
stets eine gute Stimmung offenbarte. Erst als Mittei-
lungen über dis Sachlage ins Publikum gelangtem
zog sie sich zurück. Seit dieser Zeit zeigt sich die Groß-
herzogin nur wenig öffentlich.

Unter so peinlichen Verhältnissen ist es noch stiller
als sonst am herzoglichen Hofe. Die Trauer um Her-
zog Alfred ist erst vor kurzem abgelaufen, aber Festlich-
keiten sind nach Lage der Sache vor der Hand ausge-
schlossen. Eine eigentliche Hofsaison haben die Cobur
ger seit langer Zeit nicht gehabt. Der Landesverweser
ist ohnehin kein Freund unnützer Aufwendungen; er-
hält gehörig den Daumen auf den Beutel und spart,
wo er nur kann. So sind jetzt mehrere Hofämter in ei-
ner Hand vereinigt, und auch dasjenige des Hoftheater-
Jntendanten wird durch das Oberhofmarschallamt ver-
waltet Herzog Karl Eduard wird dank dieser plan-
mäßig auf Einschränkung des Hofetats gerichteten Fi-
nanzwirtschaft dereinst wohlgeordnete Verhältnisse vor-
finden. Der junge Herr, der häufig von Groß-Lichter-
felde wo er zu seiner militärischen Ausbildung weilt,
nach Coburg kommt, hat sich schnell die Herzen erobert.
Die Damen namentlich sind von dem Landesherrn, den
die Husarenuniform allerliebst kleidet, ganz entzückt.
Herzog Karl Eduard repräsentiert bei Hofe die Jugend
ein glückliches Los, das er mit der unvermählten Toch-
ter Herzogs Alfreds, seiner Altersgenossin, der 17-
jährigen Prinzeß Beatrice, teilt — dem Prinzeßchen
Baby, wie die Coburger in ihrer familiären Ungezwun-
genheit sagen. Die Prinzeß, die immer lustig und guter
Dinge ist beteiligt sich an allen Wohlthätigkeitsbestre-
bungen und hat erst vor einigen Tagen aus einem Bazar
mit großem Erfolge die Verkäuferin gespielt.
Verantwortlich für den redaktionellen Teil F. Montua, für den
Inseratenteil Th. Berkenbusch, beide in Heidelberg.




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Fein gesponnen
oder
A) Das Fastnachtsgeheimnis.
Utninal-Roman von Lawrence F. Lynch. — Deutsch von E. Kramer.
(Fortsetzung.)
^ „Das dies eine von fünfzig sein könnte," unterbrach
Orriojv.
h- „Hm, ich lveiß nicht, ich wollte Ihre Ansicht darüber
AM. Lesen Sie es vor, junger Mann," wandte er sich an
Mchoff und überreichte ihm den Brief.
Dieser las:
„An den Herrn PolizeidirektorI
Mein Herr! Der Schreiber dieses ist ein Fremder und
en Begriffe ,die Stadt zu verlassen. Cr wünscht nicht, in
stjo traurige Angelegenheit verwickelt zu werden, und cmpfin-
iist es doch als seine Pflicht, Ihnen folgende Mitteilung zu
pochen. Kurz vor dem Verschwinden Miß Warhams war er
M eines Zusammentreffens zwischen einer Dame, auf
^Me die Beschreibung Miß Warhams genau paßt, und ei-
H^Mannes, den sie mit Joe anredcte. Dieser war der ver-
Hw. Mete Liebhaber der Dame. Sie stritten miteinander.
Mann stieß Drohungen aus und schließlich wurde eine
Zusammenkunft verabredet an demselben Ort. Dieser
,öer Totenfelsen genannt, sollte meiner Meinung nach
Aewstuäst werden. Das verschwundene Mädchen findet sich
^-Acht auf dem Grunde des Wassers, am Fuße des Felsens.
ich als Zeuge vernommen würde, so könnte ich doch nicht
gxjw aussagen, als dieses, und ich glaube daher, meine Pflicht
zu haben, wenn ich unterzeichne als ein
Freund der Gerechtigkeit."
NZ 'Ao wurde der Brief zur Post gegeben?" fragte Carnow,
^teinhoff geendet hatte.
or Direktor zeigte ihm das Kouvert, und als Carnow

den Namen Roseville entziffert hatte, breitete er eine Karte
aus und suchte darin die Orte Uron und Roseville auf.
„Ganz in der Nähe!" sagte er, „genau, wie ich dachte!
Hinter dem Brief steckt was! Was wollen Sie damit anfan-
gen, Herr Direktor?"
„Ich ließ Sie hierher bitten, um diese Frage nnt Ihnen
zu besprechen."
Sie waren bald einig. Cariww und Steinhoff beschlossen,
auf einige Tage nach Roseville zu gehen, unter dem Vor-
gehen, dort fischen zu wollen. Bei dieser Gelegenheit sollte
dem Totenfelsen und Warhams Farn: ein Besuch abgestattet
werden.
Noch an diesem Abend befanden sie sich auf dem Wege
nach Roseville und am nächsten Morgen machten sie es sich
in den Räumen behaglich, die eben erst von Mr. Jermyn ver-
lassen worden waren.
Roseville und Uyton lagen kaum vier Meilen auseinander
und die beiden Detektivs waren deshalb nicht wenig überrascht,
daß die Leute dort nicht das geringste Interesse an Bertha
Warhams Flucht und an der Ermordung ihrer Stiefmutter
bekundeten.
„Nun, Dick," sagte Carnow am zweiten Wend nach ihrer
Ankunft. „Sind wir Wohl einen Schritt weiter gekommen?
Die Menschen hier sind geradezu apathisch."
„Ja," erwiderte Steinhoff, „sie scheinen nur bei einem
Gesprächsthema aus dem Schlaf zu erwachen, und das sind
ihre Aristokraten auf dem Berge. Was diese thun und wen
sie bei sich sehen, bildet das Hauptinteresse der ganzen Stadt.
Das Unglück brach über den alten Warham herein, als. man
hier damit beschäftigt war, eine große Familienzusammen-
kunft, die auf dem Berge stattfand, zu beobachten. Das
außerordentliche Interesse für die romantische Licbesaffaire
eines Aristokraten drängte jedes andere Ereignis in den
Hintergrund. Wir wollen den Totenfelsen in Augenschein
nehmen und dann direkt auf unser Ziel losgehen."
„Das heißt, wir wollen unsere Maske fallen lassen und
mit dein AuShorchen beginnen?"

„Ja, das meine ich."
„Geht jetzt bei den vornehmen Herrschaften etwas be-
sonderes vor?"
„Gewiß! Der erwachsene Sohn von einem der Nabobs
ist nach langer Abwesenheit ganz unerlvartet nach Hause zu-
rückgekehrt. Er scheint eines hübschen, armen, aber stolzen
Mädchens wegen gekommen zu sein, der Schwester des Heraus-
gebers der einzigen Roseviller Zeitung."
Carnow stand auf und regte sich.
„Morgen wollen wir dem Totenfelsen einen Besuch ab
statten," sagte er.
In der Frühe des anderen Tages fahren die beiden
Freunde den Fluß hinunter. Beim Felsen angelangt,
sahen sie sofort, wie günstig gelegen für ein Rendezvous die
Oertlichkeit war, und wie leicht Bertha Warham hier der Erde
Lebewohl gesagt haben konnte. Sie überzeugten sich, daß
auf dem Grunde des Wassers am Fuße des großen Felsens
kein. Leichnam lag. Dabei fanden sie auch den unterirdischen
Trichter, dem das Wasser, wie von einer unsichtbaren Macht
gezogen, geschwind und lautlos zuflotz.
„Wenn der Schreiber des anonymen Briefes uns auf
eine falsche Fährte locken wollte," meinte Carnow, als sie
sich anschickteu, nach Roseville zurückzukehren, „so hätte er-
es nicht geschickter anfangen können. Ist seine Geschichte aber
wahr und Larsen und Bertha trafen hier zum zweiten Male
zusammen, dann könnten wir das Suchen ruhig aufgeben.
Ein Körper, der hier hinabgeworfen wurde, mußte in die un-
terirdische Strömung hineingeraten und treibt jetzt vielleicht
irgendwo im Innern der Erde umher."
„Vielleicht war es gerade die Absicht des Briefschrcibcrs,
daß wir zu diesem Schluffe gelangen sollten," erwiderte Stein-
hoff.
„Das mag sein."
(Fortsetzung folgt.)
 
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