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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 282 - 305 (2. Dezember 1901 - 31. Dezember 1901)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37097#1074

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herrscht hat. Als Grund des epidemischen Auftretens des
Typhi s wird angegeben, daß die Wasserleitung in Zarskoje
Szelo neuerdings aus einer anderen Quelle gespeist werde
als früher. (Nach einer anderen Version soll das- Leitungs-
rohr, das nach dem Palais fuhrt, durchbohrt worden seilt,
wodurch das Wasser unbrauchbar geworden sei.)

Aus StsdL NNÄ Land.
- Die Frage der Wiederherstellung des Schlosses Hat
schon, eine ganze Flut von Zeitungsartikeln und Broschüren
hervorgebracht. Die Kunsthistoriker sprechen sich durchweg
gegen, die Wiederherstellung ans. So hat dieser Tage, der
Professor der Kunstgeschichte an der Universität Stratzburg
Dr. G. Dehio in einer'bei Karl I. Trübner in Straßburg
erschienenen Broschüre: „Was wird aus dem Heidelberger
Schloß?" zu der Frage der Restaurierung Stellung genommen,
auch im ablehnenden'Sinne. „Miau denke sich," schreibt Herr
Prof. Dehio, „welchen Eindruck der funkelnagelneue Schüfe»
fche Ersatz-Otto-Heinrichsbau im Ganzen der Schloßruine,
machen wird! Er wird als eine schreiende Dissonanz dastehe».
Er und die ihn umgebenden Ruinen werden sich wechselseitig
unmöglich machen. Es wäre dasselbe, wie wenn man ans der
Akropolis von Athen einen einzelnen Tempel wieder auf-
bauen und alles übrige liegen lassen wollte, wie es ist. Wer
hier höhnisch von „Sentimentalität" und „Romantik" spricht,
beweist nur seinen gänzlichen Mangel an ästhetischem Takt.
Wcihnachtspackete flattern jetzt nach allen Windrichtungen
durch die Welt, überall Freude bereitend. Die Freude wird
allerdings häufig dadurch getrübt, daß die Wcihnachtspackete
nicht fest genug verpackt sind und das Geschenk somit in beschä-
digtem Zustande iu die Hände des Adressaten gelangt. Es
dürfte deshalb die Mahnung angebracht sein, bei Verpackung der
Weihnachtssendnngen recht vorsichtig zu Werke zu gehen. Au-
ßerdem mag noch auf eine einfache, sinnige „Ausschmückung"
der Weihnachtssendungen hingewiesen sein: man erhöht den
freudigen Eindruck sicher, wenn man die einzelnen Geschenke
in iveitzes Seidenpapier hüllt und die Packetchen dann mit
Taimenzweige verziert; auch der Boden der Weihnachtskiste ist
mit Tannenzweigen zu bestreuen. Diese Art der Verpackung
wird sicher angenehm überraschen und sie ist bei jedem Packet
anzuwcnden, zumal sie den großen Vorzug hat, nichts zu
kosten.
Vo. Kaiserpanoramn. Die Oberammergauer-Passions-
spiele sind es, die diese Woche das Auge des Besuchers an sich
fesseln. Jene Spiele, welche in der ganzen Welt bekannt sind
und zu denen jeweils Tausende und Abertausende von Men-
schen ziehen, werden uns hier in naturgetreuen Bildern ivieder-
gegeben. Zuerst erblicken wir das Panorama und die Umge-
bung sowie den Verkehr in Oberammergcm selbst, sodann wird
uns das Passionstheater und das Gedränge bei einer Vor-
stellung an den Eingängen gezeigt. Sodann kommt Jesus
und verschiedene seiner Jünger, das Abendmahl, die Geiselung,
vor Pilatus, die Kreuzigung n. s. iv. Jeder, dem nicht die Ge-
legenheit geboten, die Passionsspiele in Wirklichkeit zu sehen,
findet hier vollen Ersah und zwar für wenig Geld. Ein Besuch
des Panoramas kann bestens empfohlen werden.
8 Vom Lande, im Dez. (Fechtende Kunden.) Eine
mit jedem Tage zunehmende Wahrnehmung ist die fast zur
Landplage gewordene Zunahme der herumziehenden und fech-
tenden Handwerksburschen, der angeblich stellenloser! Knechte
und arbeitslosen und entlassenen Arbeiter. Zweifellos ist
keine Gegend hierin mehr heimgesucht, als die gesegnete Pfalz.
Von allen Seiten kommen fast stündlich fechtende Brüder zu-
geströmt, von denen fast einer dem andern die Thüre in die
Hand giebt und jeder kommt mit einer andern Ausrede. Der
Kine ist ein stellenloser Kaufmann, der andere ein entlassener
Arbeiter, der dritte kommt aus der Klinik und ist so und so
lange dort gelegen, der vierte kommt ebenfalls dorther und
bittet um Reisegeld, um nach Hause reisen zu können. Alle
diese Angaben zu prüfen wgre zeitraubend, zumal der größte
Teil der Angaben, die sogar'öfters zu Papier porgezeigt werden
wollte man sie prüfen, auf Erfindung oder falscher Vorspiege-
lung beruhen. Man giebt ja einem ordentlichen reisenden
Hcmdwerksb urschen oder Arbeiter, namentlich gegenwärtig,
gerne eine Gabe, aber wenn die Zudringlichkeit einmal zu
bunt wird, so wird mau am Ende doch ärgerlich darüber.
Änd dazu hat man allen Grund, es ist gerade, als würde es
einer dem anderen stecken, wo man sicher etwas ordentliches
bekommt. Eine ganze Masse dieser fechtenden Brüder ist da-
bei, die absolut nichts zu arbeiten begehren, wenn man ihnen
Arbeit anböte, denn 1 ASark, sei sie auch nur pfennigweise
zusammengeholt, ist schneller herausgeklopft, als ein ganzer
Tag gearbeitet, abgesehen davon, daß sie alle zuerst das Orts-
geschenk abholen und dann erst das Klopfen beginnen. Es
sollte hierin den Brüdern von seiten der Polizei mehr auf
die Finger gesehen werden.
LL Karlsruhe, 16. Dez. (R o t st a n d s a r b c i t e n.)
In der Zeit vom 27. November bis 11. Dezember haben sich
beim städtischen statistischen Amt 300 arbeitslose Personen an-
gemeldet. Hiervon wurden 105 Personen dem Tiefbauamt
als zur Einstellung geeignet überwiesen, 137 haben Arbeits-
anweisungen erhalten, 124 sind bis zum 8. d. Mts. zur Ar-
beit erschienen. Im Verlaufe einer Woche wurden iu 200
Tagschichten bei einem Taglohn von 2 Mark für den Mann
63 Kubikmeter Geschläge (Schotter) her-gestellt. Für die Be-
arbeitung von Bruchsteinen zur Gewinnung eines solchen
Quantums Schotter hätte die Stadt dem bisherigen Schotter-
lieferanten in Dossenheim 96 Mark bezahlen müssen, sie mußte
-aber im vorliegenden Falle etwa 556 Mark für diese Arbeit
aufwenden. Die thatsächliche Arbeitsleistung beträgt sonach
nur etiva 29 Prozent des wirklichen Wertes des Aufwandes.
Die Mindestleistung eines Einzelnen beträgt für einen Tag
0,176 Kubikm., die Höchstleistung 0,951 Kiibikm., die Durch-
schnittsleistung 0,4 .Kubikm. Für 12 Wochen und 200 Ar-
beitstage bei einem Taglohu von 2 Mark würde sich ein Auf-
wand von 33 120 Mark ergeben. Es soll nnn versuchsweise
.ein gemischtes System von Taglohn- und Akkordarbeit einge-
führt iverden. — Von den bis zum 11. Dezember eingestellten
143 Arbeitern sind 100 bestraft nud zwar 70 mit Gefängnis
. und 30 mit Haft. Zur Schaffung weiterer Arbeitsgelegenheit
ist beabsichtigt, abgängiges Holz aus den städtischen Waldungen
.zerkleinern zu lassen und beim Bürgerausschuß zur Herstellung
des Bannwaldes als öffentliche Anlage die Bewilligung der
erforderlichen Geldmittel zu beantragen.
Aus Baden. In den a ch t l a n d w i r t s ch a f t l i ch e n
Wintersch n l e n des Landes werden im laufenden Winter
insgesamt 225 Schüler unterrichtet und zwar 144 im ersten
und 81 im zweiten Kurs. Die Frequenz iin Vorjahre belief
sich im ganzen auf 197 Schüler. — Wie Berliner Plätter mel-
den, hätte Professor Friedrich Kallmorgen in Karls-
ruhe einen Ruf als Leiter des Ateliers für Landschaftsmalerei
«n der Berliner Hochschule für die bildenden Künste angenom-
men. Er soll in Berlin Professor Eugen Bracht ersetzen. —
Die deutsche Glasmalere i-A usstelI u n g in Karls-
ruhe war von 15 288 Personen besucht. Die Abrechnung
«rgab einen Ueberschuß von 2696 Mark, wovon die Hälfte dem
Ministerium, die andere dein Kunstgewerbeverein zufällt.
Sorgenkinder und KrZieHmrgssorgen.
(Schluß.)
Bon den h ä nsli ch-s o z ialen U r s a ch e n sind drei
besonders wichtige zu erwähnen. Die erste ist die m a n g e I-

hafrc Einsicht vieler Eltern in das Wesen und die
Geschäfte der Erziehung und Kinderpflege.
Der größte Teil des Erziehnngsgeschäftes liegt den Müttern ob.
Und was thun sie, um sich ans ihren schweren Beruf vorzuüc-
reiten? Eine falsche Prüderie verbietet ihnen, in der Braut-
zeit oder vorher an dergleichen zu denken; jüngere Mädchen
über ihre späteren Mutterpflichten zu unterrichten hält man
gewissermaßen für gefährlich, man glaubt die jungen Mäd-
chen damit zu verderben — und sind sie Mütter geworden,
w müssen sie sich auf Ammenweisheir und Nachbarinnenge-
chlvätz verlassen, sie haben kein Urteil über die zweckmäßige
körperliche und diätetische Pflege ihrer Kinder, noch viel we-
niger können sie die erzieherischen Fehler vermeiden, die im-
mer und immer weder geinacht iverden. zum Nachteil der
Kinder und Eltern. Es iväre z. B. eine Kenntnis des Verdau-
nngsvorganges notwendig, da dieses im Leben der Sorgen-
kinder eine Rolle spielt. (Man denke an die Reizbarkeit bei
Verstopfung!) Wie weit wir von solchen Forderungen enr-
ernt sind, mögen zwei Beispiele zeigen:
Eine Mutter giebt ihrem sexuell frühreifen Kinde, welches
wegen Verstopfung Reizzustünde in den Unterleibsorganen Hai,
nach weit verbreitetem Brauche, eine Aloepille; die Mutter
vermehrt die Reizzustünde, statt durch ein Wasserklystier die
Störung zu behebe», und legt vielleicht den Grund zu 'Schäd-
lichkeiten von größerer Bedeutung. Kleine Ursachen --- große
Wirkungen!
lieber die Beziehung von körperlicher Arbeit zu geistiger,
war jener Vater gänzlich im Unklaren, der seinen 13-jährigen
Sohn zwang, eine höhere Schule zu besuchen, wiewohl der
Knabe nicht zu bitten abließ u. versprach, er wvlle amSchrauP-
tock oder wo es sei, der tüchtigste sei», nur ans der Schulbant
halte er es nicht mehr aus. DerJunge blieb ein schlcchterSchüler
und endete durch Selbstmord. Hätte ihn der Vater eine Zeit
lang genügend körperlich beschäftigt, was in den Cntwickcliings-
jahrcn manchmal gebieterisch von der Natur verlangt wird,
o Härte er wahrscheinlich seinen Sohn sich glücklich entwickeln
ehe».
Mit Freuden sind daher alle Bestrebungen zu begrüße»,
die darauf Hinauszielen, junge Frauen frühzeitig als Volon-
tärinnen des Erziehungswesens auszubilden, ehe sie auf eigene
Faust die Verantwortung für ein Kind auf sich nehmen.
Ein weiterer sehr fühlbarer Uebelstand ist der Mangel
an häuslichem Sinn und E r z i e h n n g s w i ll e n.
Zwar find unsere modernen Ertvcrvsverhältuisse viel daran
schuld, das aufreibende, geschäftliche Leben nimmt des Mannes
ganze Kraft und Zeit in Anspruch und auch die Frauen müssen
mit Handaiilegcn, Berufe ergreifen oder in ärmeren Kreisen
in die Fabriken gehe»; immerhin dürften aber die jungen Män-
ner und künftigen Mütter darauf hingcwiesen werden, Freude
und Erholung nicht draußen, im Wirtshaus oder iu Gesellschaft
zu suchen, sondern in einem trauten Heim, und sich auch erwas
Sinn für die harmlosen Freuden und kleinen Jnceressen der
Kinderwelt zu bewahren.
Die Bedeutung, die wir dem s chIechten Beispic l
beimessen müssen, ist verschieden; sehr schwerwiegend ist es,
wenn es von den Eltern selbst ausgcht. Die KinSer sind über-
aus feinfühlig für kleine Ungehörigkeiieu oder eheliche Dif-
ferenzen. Das Beispiel von unartigen Kameraden kann aller-
dings auf schwache, haltlose Kinder ungünstig wirken, für wohl-
erzogene braucht man cs aber nicht sehr zu fürchten. Man
kennt Beispiele genug, daß Kinder andere für eine Ungezogen-
heit zurcchtwiesen.
Aus alle» aufgeführten Schädlichkeiten, manchmal aus
mehreren gleichzeitig, können den Eltern Sorgenkinder erwach-
sen. Wie sehen n „ n s o l ch e K i n d e r aus, woraus
erkennt man ihre Krankheit? Früher legte man
einen großen Wert auf gewisse äußere, körperliche Symptome,
die sogen. „Degenerationszeichen". Hierher zählen Schädel-
Verbildungen, angewachscne Ohrläppchen, steiler Gaumen,
Haarwuchs an abnormen Stellen, Hühnerbrust, Schwimm-
hautbildungen zwischen den Fingern, Schielen, Stottern n. s. f.
Aber viel normale Menschen tragen einige dieser Zeichen; sie
werden daher nur erst in Verbindung mit geistigen Störungen
richtig.
Eine große Bedeutung kommt dagegen gewissen s y mpt o-
matischen Ae u ß erunge n der in Rede stehenden Krank-
heiten zu. Die Kinder sind unsicher, stolpern leicht, gehen mit
Werkzeugen ungeschickt um, beim Greifen fassen sie daneben.
Sehr verdächtig sind auch Fingcrsaugen, Nägelkane», Wund-
kratzen, Unreinlichkeit, Reizbarkeit, Zorn- oder Liebkosnngs-
ausbrüchc, Störungen der Sinnesempfindimgen, Stumpfheit.
Findet inan solche Symptome, etwa noch zusammen mit kör-
perlichen Störungen, so ist das eine Mahnung zur Untersuchung
des Kindes, um es womöglich vor größeren Gefahren zu be-
hüten.
Bestimmte Type n von Sorgenkindern kehre» dem Fach-
mann immer wieder. Am schärfsten charakterisiert sich der
Typus m y x ö d e m a t ö s e r Idioten, als deren Krank-
heitsursache wir bereits die Schilddrüsenerkrankiing kennen
gelernt haben. Auch den Typus der E r n ä h r u n g s g e-
störten, die sich passiv, schlaff Verhalten, haben wir bespre-
chen. In äußerlichem Gegensatz zu ihnen stehen die Erregten.
Sie scheinen oft aufgeweckt, lebhaft und nur der Fachmann
erkennt in ihnen die Krankheit. Hierher zählt man auch die
Wunderkinder, die erfahrungsgemäß ihren Eltern mehr
Sorge als Freude machen. Häufig verkannt wird insbesondere
die Gruppe der sehr bcdauernswerten'Kinder, die an psychischer
Taubheit leiden. Sie hören nicht schärfer als andere Men-
schen, aber in ihrem Gehirn können sie mit dem Klange, dem
gehörten Wort, keinen Begriff verbinden; sie erscheinen daher
ungehorsam und bleiben, wenn nicht rechtzeitig geeignete Be-
handlung eintritt, schwachsinnig.
Zum Schluß noch einige Worte über E r z i c h n ngs -
sorgen. Viele Sorgenkinder, besonders blödsinnige, epi-
leptische und solche, die an Veitstanz leiden, iverden in keiner
Schule ausgenommen. Für den Blödsinn und Veitstanz ist
das sicher richtig; letzterer kann durch Suggestion anstecken,
indem er zur Nachahmung führt, und durch Spott, psychische
Erregung oder gar Verkennung der Krankheit die Heilung
verzögert wird. Aber für die armen Epileptiker dürfte die
Bestimmung etwas hart sein. Wenn der Lehrer während
des Aufenthalts unerschrocken bleibt und Hilfe leistet, iverden
es ihm gutherzige Kinder ohne Gefahr bald nachthun. Gleich-
wohl soll hieraus keine allgemeine-Folgerung gezogen iverden,
denn Epileptiker neigen manchmal zu gefährlichen Handlungen,
die sie ohne Bemerken in einem Dämmerungszustand begehen.
Haben die Ettern ihre Sorgenkinder glücklich in der Schule,
jp erwachsen leicht Differenzen zwischen Schule und Eltern-
haus, das Kind bleibt zurück und es kommt zu manchen trau-
rigen Szenen im Familienleben. Vor allem werden die Sor-
genkinder für die Familie erst recht eine Last, wenn sie von der
Mutterliebe verwohnt werden, ihre Geschwister tyrannisieren
oder verderben, und cs ist dann ein Segen, wenn der Arzt die
Bande durchtrennt, die das Kind noch an das Hans fesselten
und cs der Anstaltsbehandlmig überweist. Hierbei macht nun
der Arzt oft die Erfahrung, daß Elter» über besondere Vor-
fälle im Leben des Kindes, die für Erkennung und Behandlung
seiner Krankheit von Bedeutung wären, nur wenig Sachdien-
liches Mitteilen können, da das meiste vergessen ist. lieber wich-
tige Dinge wie Sturz, Verdauungsstörungen, Geschwüre, Ent-
zündungen rc. sollte daher Buch geführt iverden!
Der Erzieher tritt an das kranke Kind heran, mit allem
Hoffen, mit dem größten Vertrauen, gerade umgekehrt wie der
Finauzmann, der sein Geschäft mit vorsichtigem Mißtrauen
beginnt. So manches Kind, das sonst in geistiger Nacht ver-
kommen iväre, ist dadurch gerettet worden, lind was können

und sollen wir ihm geben? Wir erziehen es streng individuell,
wir suchen ihm einen eigenen festen Willen, einen Charakter
zu verleihen, es mit seinen Kameraden und Geschwistern ver-
träglich, zu kräftiger Bethätigung und Hilfsbereitschaft fähig
zu machen, und iverden gut thun, ihm idealen Sinn, Religion
einzupflegen. Dann wird es, wenn es die Menschen irren
sieht, doch noch die geheiligte Person Gottes haben, der es
zustrebt. Wrr selöst aber müssen, so gut wir können, für die
Kinder vorbildlich sein. Dazu bedürfen wir vor allem an-
deren der Selbstsucht, wie sie ja auch der Verein gegen
Mißbrauch geistiger Getränke pflegen hilft, ganz im Sinne
des Dichterwortcs:
„Der kann sich manchen Wunsch gewähren, der nur sich selbst
und seinem Willen lebt; jedoch wer and're wohl zu leiten
mutz fähig sein, viel zu entbehren."
Bei der sich an den Vortrag anschließenden lebhaften Dis-
kussion bestätigten die anwesenden Mediziner Prof. Dr. Krä-
pelin und Medizinalrat Mittermaier und Kürz aufgrund
ihrer Erfahrungen die Ausführungen des Redners und führ-
ten lehrreiche Beispiele an, die darthaten, wie notwendig in
manchen Fällen eine frühzeitige lleberweisung geistig abriormer
Kinder in besonderen Schulen ist.

Kleine Zeitung
— Köln, 16. Dez. Heute Morgen ist Professor
Düntzer gestorben. (Joh. Hcinr. Jos. Düntzer war am
12. Juli 1813 zu Köln geboren, hat also das hohe Alter
von über 88 Jahren erreicht. Nach Beendigung seiner
Iniversitütsstudien habilitierte er sich 1837 in Bonn für
klassische Litteratur und wurde 1846 Bibliothekar an der
öffentlichen Bibliothek des katholischen Gymnasiums zu
Köln. Düntzer hat eine umfangreiche schriftstellerische
Thätigkeit entfaltet. Am meisten bekannt geworden ist er
durch zahlreiche Arbeiten über die klassische Epoche unserer
Litteratur, besonders über Goethe.)
— Bastide (bei Bordeaux), 16. Dez. Gestern stieg
der Luftschiffer Mousset in seinem Ballon auf. Der
Ballon platzte in einer Höhe von 200 Metern und sank
mit rasender Geschwindigkeit. Mousset wurde aus dem
Korbe geschleudert und stürzte in dir Garonne. Mehrere
Matrosen eilten zu seiner Hilfe herbei und zogen ihn
unversehrt aus dem Wasser.
— Saint Paul (Minnesotta), 15. Dezbr. In den
letzten 43 Stunden herrschte in den Nord west staaten
die st r engste Kälte, die je im Dezember beobachtet wurde.
An einigen Plätzen fiel die Temperatur auf 59 Grad
unter Null nach Fahrenheit gleich minus 39.4 Grad
Celsius. Mehrere Hirten sind erfroren; in Wyoming sind
zehn Hirten im Sturm ums Leben gekommen, viel Vieh
geht zu Grunde.
— Die Zeitungspreisliste für 1902 weist 8663 in deut-
scher Sprache in Deutschland erscheinende Zeitungen auf. Von
diesen Zeitungen erscheinen 1979 einmal, 898 zweimal, 1275
dreimal, 118 viermal, 6 fünfmal, 1635 sechsmal, 128 sieben-
mal, 96 zwölfmal, 13 dreizehnmal, 6 achtzehnmal und 3
neunzehnmal in der Woche.

Kandel und Berkehr.
Mannheim, 16 Dezbr. (Produktenbörse.) Per IM Kilo.
Weizen Pfälzer 17,25 bis 17 50, Norddeutscher —bis —
Azima 17.50 bis 17.75, Theodosia 17.75 bis 18.—, Saronska
17.75 bis Girks 17.25 bis 17.50, Taganrog 17.50 bis
17.75, rumänische 17.00 bis 17.50, amerikanische Winter 17.85,
M —. —, amerikan. Spring bis —, Kannsas H
17.85 bis 18.—, Kalifornicr 17.85 bis 18-, La Plata 17.2S
bis —. Walla-Walla 17 75 bis —. Bahia blauca 17.75 bis
—, Semence Russe 17.75 bis —, bis —, Kernen 17L0
Roggen Pfälzer 14.50 bis —Norddeutscher 00.00 bis 0000,
Russischer 1475 bis —Gerste hiesiger Gegend 15.75 btS
16.00, Pfälzer 16.00 bis 16.50, Ungarisch- —bis —.—
Futtergerste 13 — bis —, Hafer Badischer 15.00 üts 16.00,
Württemberg« —bis —, Norddeutscher 16 50 bis 16 75,
Russischer 16 - bis 16.75, Amerikaner 15 50 bis 16.25, MaiS
Amerik. mixed 14 50 bis —La Plata 14.50 bis —. MaiS
Donau 14.50 bis —, Kohlreps deutscher neuer 27.50 blS
—.—, Wicken —bis—.—, Deutscher Kleesamen I 105.— biS
110.—, Psälzer —bis Deutscher II 90.— bis 97.—,
Amerikaner 90.— bis 95.—, Lucerne 92.— bis 95.—, Provence
103. - bis 105.—. Esparsette 30.00 bis 30 50, Leinöl mit Faß
6800 bis . Rüböl mit Faß 65.00 bis —, bei Waggon
83.00 bis —Petroleum Amerikany 18.50 bis —« bei
Waggon 22.10 bis —, in Fässern 23.00 bis —-
Russisches 15 80 bis —bei Waggon 20.40 bis —. i«
Fässern 21.70 bis —70er Rohsprit 39.—, SOer Rohsvrit
23 50. Rohsprit versteuert 105.50.
Weizenmehl 00 0 1 2 3 4
28.00 26.00 24.00 23.00 2200 20.00
Roggenmehl 0: 23.00, 1: 29.60
Tendenz/ Weizen und Roggen ruhig, Gerste, Hofer u»"
Mais unverändert._^
Verantwortlich für den redaktionellen Teil F. Montna, für den
Inseratenteil Th. Berkenbusch, beide in Heidelberg.
mit
Hotkrissur, LniaZs 25^
Oisssrtationsn sto. vrsrüsn »als sorgkültigsto null billigsts am
gsksrügt im 8«I»rvN»-Ia8titat H. Xvumt !«»
_
Li!m. vM LSMA8 kuMMüll,
bringt ststs ä»8 ölsnssts »ul äsm 6obiots äsr Lemst!
in smkkwbsr,8o?eis boobapartsr ^.u.skäkrrv>»
LUIigs kreise ch: krampte Leälennog._>
Lostömgsriobtst« Rspnrstui'wsi'IrsiLLtls kür
kliixel, kmilia«»8, ünrmsnmiv^
Ltimmungon vsrüen gut, rein susgokübrt. §
Äsdr. Iran Anekk. V. KSntlivr, Lauxtstr. ^
TM- Phil. Gutermann ^
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