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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 282 - 305 (2. Dezember 1901 - 31. Dezember 1901)
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erklären,' nach dem Grunde ihrer Wc'gerung befragt, die
Beantwortung deutscher Fragen sei ihnen von den Eltern
untersagt worden. Zum besseren Berständnis der
Weigerung sei hervorgehoben, daß an der Krotoschiner
katholischen Schule seit mehreren Jahren in den mittleren
und oberen (also auch in der zweiten Klasse) der Reli-
gionsunterricht in deutscher Sprache erteilt wird. Es
handelt sich auch hier um eine Beeinflussung der Kinder
von Außen. Zwei Mädchen erzählen z. B., daß ihre
Mutter die deutschen Katechismen zerrissen habe. Ein
Knabe sang kürzlich nach der Melodie: „Deutschland,
Deutschland über Alles" das bekannte verbotene polnische
Lied: „Noch ist Polen nicht verloren". Er will aus pol-
nischen Büchern und einer polnischen Winkeischule erfahren
haben, daß die Polen bald gegen die Deutschen losgehen
würden l
Coburg Gotha.
Coburg, 28. Dez. Der Kaiser verlieh dem
Staatsminister Hentig den Noten Adler-Orden 2.
Klasse mit dem Stern. _
Ans der KÄklss«her Zeitung.
-Sein- Königliche Hoheit der G roßh er z og haben dem
Hoflakaien Ernst Harms im Dienste des Herzogs von Cumber-
land die silberne Verdienstmedaille verliehen und den Ober-Post-
sekretär Adolf Mahlbacher, zur Zeit in Appenweier, zum
Postamt« in Bruchsal versetzt.
— Die ausgesprochene Versetzung des Stationsverwalters
Heinrich Peters in Heitersheim nach Meckesheim wurde zurück-
genommen. . „ . , ,
— Die 8uu I»i5s ^88ur8N66 Loeist^ ui London hat raren
Geschäftsbetrieb im Gioßherzogtum eingestellt. Die dem
seitherigen Generalagenten Julius Simon in Mannheim erteilte
Vollmacht ist erloschen.
Karlsruhe, 28. Dez. Der Großherzog
und dis Großherzogin beabsichigen, am Montag,
den 30. ds. vormittags, den Aufenthalt auf Schloß
Baden zu beschließen und nach Karlsruhe überzusiedeln.
Ausland.
Oesterreich-Ungarn.
Lemberg, 28. Dez. In der Abendsitzung des
galizischen Landtages brachte der Führer der Pol-
nischen Volkspartei, Stapiüski, einen Dringlichkeits-
antrag in der W r e s ch ene r> A f f ali r e ein. Der
Landtag möge den Polen Mitgefühl und Ehrfurcht aus!-
sprechen und zur Unterstützung der nationalen Märty-
rer 100 000 Kronen votieren.
Schweiz.
Zürich, 27. Dez. «Hier tagt seit 13 Tagen ein
int«ernation aIer Kongreß polnischer
Studenten aller europäischen Hochschulen. Besonders
stark sind Oesterreich und Deutschland vertreten; zahl-
reiche Delegierte sind aus Rußland eingetroffen. Die
Delegierten halten sich nach außen streng abge-
schlossen, die Verhandlungen werden geheimgehaltSn.
Basel, 27. Dez. An Dr. Herzl, den Präsidenten
des Zionisten-Kongresses, ist folgends Depesche ans dem
„Ich habe die in
Kongresses Seiner Majestät
mich, auf Befehl Seiner Kaiserlichen Majestät Ihnen
seine Höhe Befriedigung darüber auszudrücken." Di»
Depesche ist nnerzeichnet vom Oberzermonienmeister
Ibrahim Bey.
England.
Londoir, 28. Dez. Wie der hiesige Korrespondent
des „Dundee Advertiser" erfährt hat Campbell Ban-
ner man als wirklicher Verantwortlicher Führer des
Liberalismus sich direkt mit Roseberyin Verbindung
gesetzt, in der Hoffnung, die Einigkeit in den Reihen
der Liberalen wiederherzustellen. Wie derselbe Kor-
respondent erfährt, ist Rosebery entschlossen, in seiner
abgesonderten Stellung zu verharren. (?)
Spanien.
Madrid, 26. Dez. In einem soeben erschienenen
Werke des. Abg. Jsern wird die Bevölkerung Spa-
niens, die angeblich nach amtlichen Quellen 18h^ Mil-
lionen betragen soll, aufgrund der bestehenden Häüser-
Zahl auf 311/2 Millionen geschätzt! Der große Unter-
schied soll sich durch Verheimlichungen zum Zwecke
von Steuerhinterziehungen u. s .w. erklären, die hier in
der That an der Tagesordnung sind.
Afrika.
.— Kitchener giebt folgende Einzelheiten über den
Kampf bei Tweefontein: Major Williams, der in Ab-
wesenheit Firmans den Oberbefehl führte, hatte am
südlichen Abhänge eines ziemlich steilen Berges sein
Lager errichtet. Die englischen Vorposten hielten den
Höhenzug besetzt und hatten sich ans der schon von der
Natur aus starken Sellung außerdem verschanzt. Es er-
gab sich, daß die Buren den Südabhang des Berges
hinaufkletterten und sich in der Nähe des Gipfels sam-
melten. Dann griffen sie die oben befindlichen Pikets
der Engländer um 2 Uhr früh plötzlich mit Uebermacht
mn Bevor die im Lager befindlichen Engländer aus den
Zelten herauskommen konnten, stürmten die Buren schon
durch das Lager und schossen die Leute, wie sie aus
den Zelten herausstürzten, nieder. Die, englischen Of-
fiziere schossen im Bemühen dem Ansturm Einhalt zu
thun, aber die Buren waren zu stark und hatten, nachdem
einmal die Pikets überwältigt waren, alle Vorteile für
sich. Die Zahl der Gefallenen und Verwundeten und
die jetzt in Elandsriverbridge in Sicherheit befindlichen
.Engländer beträgt etwa die Hälfte der ganzen Kolonne.
Die Uebrigen sind gefangen. (Nach ander-
weitiger Mitteilung sind es 700.) Ein entkommener
englischer Offizier berichtet: Ich sah zwei Wagen mit ge-
töteten und verwundeten Buren. Zur Verfolgung der
Buren ist leichte Kavallerie abgegangen. Es gelang aber
den Buren, in durchbrochenes Gelände zu kommen.
Nachdem die Buren Langberg erreichten, war es den
Engländern unmöglich, in solchem Gelände gegen den
überlegenen Feind irgend etwas auszn richten.
Amerika.
New York, 28. Dez. Washingtoner Berichte be-
sagen, laut „Frkf. Zeit.", daß Deutschlands Aktion
gegen Venezuela unmittelbar bevorstehe, und
daß wahrscheinlich eine Blokade der Häfen Lagnyara

und Maracaibo die erste Maßregel Deutschlands sein
werde. Venezuela werde sich auf passiven Widerstand
beschränken, da ein Eindringen der Deutschen ins Innere
anscheinend ausgeschlossen sei. Die Häfen seien fast
ganz in den Händen fremder Kaufleuts und Präsident
Castro erhoffe daher eine Intervention anderer Regiernn-
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 30. Dezember.
** Durchgereist. Der Regent von Sachsen Koburg-Gotha,
Erbprinz von Hohenlohe-Langenburg, traf vorgestern Nackt
12 41 Uhr aus Würzburg am hiesigen Bahnhof ein und setzte
12 58 Uhr seine Reise nach Straßburg fort.
b Städtischer Maskenball. Freunden eines fidelen Masken-
balles können wir verraten, daß der städtische Maskenball auch
dieses Jahr wieder abqehalten werden wird.
8. II. Dem Expeditionsghilfen Weipert wurde auf dem
Gnadenwege 1 Monat seiner Strafe geschenkt. Derselbe wird
am 17. k. Mts. aus dem Gefängnisse entlassen. Er beabsichtigt,
Wieder in den Eisenbahndienst einzutreten.
* Die Verhandlungen der Heidelberger Schloßbau-Kon-
ferenz vom 15. Oktober 1901. Das Protokoll dieser Verhand-
lungen ist jetzt im Druck (G- Braun'sche Hofbuchdruckerei, Karls-
ruhe) erschienen. Es sind auf der Konferenz von den dreizehn
Teilnehmern alle Gründe, die sich für und gegen die teilweise
Wiederherstellung des Schlosses anführen lassen, vorgebracht wor-
den und in dem nun im Druck vorliegenden Protokolle sind die
Ausführungen der Redner zwar in Kürze, aber augenscheinlich
mit großer Treue wiedergegeben worden. Vorausgeschtckt wird
dem Protokoll eine Denkschrift, ans der hervorgeht, daß die Re-
gierung auf Seiten derjenigen Sachverständigen steht, welche den
Zerfall der Ruine voraussehen, falls nicht eine Wtederstellung er-
folgt. Da sie die Verantwortung für einen Zerfall nicht tragen
will, so ist sie der Meinung, daß die mit dem Friedrtcksbau be-
gonnenen Wiederherstellungsarbeiten auf weitere Teile des
Schlosses planmäßig auszudehnen seien. In den Restaurterungs-
plan einer in näheren oder ferneren Zukunft wären nach dem
Gutachten des Professor Schäfer alle den inneren Schloßhof An-
schließenden Gebäude einzubeziehen. Der Kostenaufwand für die
gesamten vorgcschlagenen Reftaurterungsarbeiten ist auf 3 Mill.
Mark geschätzt. Ueber die Restaurierung des Gläsernen Saal-
baus und den Otto Heinrichsbau ist ein Projekt ausgearbeitet.
Die Kosten würden für jenen 140 000 Mk., für diesen 470 000 Mk.
betragen. Beigefügt ist derVeröffentlichung auch das Protokoll jener
ersten Konferenz vom September 1891, sowie eine Abbildung
der Hoffassade des Otto Hetnrtchbaus nach dem Entwurf
von Oberbaurat Schäfer. Wir haben diese Abbildung in dem
Schaukasten unserer Expedition ausgestellt. Das Bild bestätigt,
was auch von Gegnern der Restaurierung auf der Konferenz ge-
sagt worden ist, daß nämlich die wiedcrhergestellte Fassade sehr
schön ist. Die Doppelgtebel drücken durchaus nicht auf den Bau
und das riesige Portal wird erst an der ausgebauten Fassade
verständlich, denn nun steht es mit dem Ganzen in schönster Har-
monie.
C> Schöffengerichtssttzung vom 28. Dezember. 1) Wegen
unerlaubten Fischens erhielten Georg Merke!, Maurer von Pe-
tersthal, 6 Mk. Geldstrafe oder 2 Tage Haft, Georg Brüny,
Tüncher von da, 4 Mk. Geldstrafe oder 1 Tag Haft, Karl Dörr,
Maurer von da, 6 Mk. Geldstrafe oder 2 Tage Haft; Wilhelm
Dörr, Taglöhner von P-tersthal, wurde von der gleichen An-
klage freigesprochen; 2) die Verhandlung gegen Ludwig Appel
in Darmstadt wegen Uebertretung straßenpolizeilicher Vorschriften
wurde vertagt; 3) Karl Heesch, Lolteriekollekteur in Hamburg,
erhielt wegen Uebertretung des § 79 P-St.G.B. 100 Mk. Geld-
strafe oder 10 Tage Haft; 4) Peter Augusttu, Gppser in Hand-
schuhsheiw, erhielt wegen Uebertretung bahnpoliz, Äorschr. 15 Mk.

Gg. Adam Beisel, Landwirt in Heddesbach, 10 Mk. Geldstrafe
oder 2 Tage Gefängnis und Peter Gärtner, Maurer von da,
15 Mk. Geldstrafe oder 3 Tage Gefängnis; 7) wegen Beleidi-
gung der Hetzer Phil. Rohleder Ehefrau hier und der Marie
Bergdoll Ehefrau hier erhielt Friedrich Wolf, Maschinist Ehe-
frau hier, 25 Mk. Geldstrafe oder 5 Tage Haft, Rohleder Ehe-
frau 5 Mk. Geldstrafe oder 1 Tag Haft; 8) die Anklage gegen
Gewerbelehrer Wurzel Ehefrau hier wegen Beleidigung des
Lokomotivheizers Lechner und des Expeditionsassistenten F. Gam-
ber hier, wurde durch Vergleich erledigt; 9) die Verhandlung
gegen Ludwig Jahn, Architekt in Neckargemünd, wegen Beleidi-
gung des Sind. Robert Edelmaier in Karlsruhe wurde vertagt;
10) in der Anklagesache gegen S. Uhlemann, Schausteller in
Dürkheim, wegen Körperverletzung zum Nachteil des Hermann
Sergcl. Schausteller in Mainz, wurde das Verfahren eingestellt.
* Rohheit. Ein junger Student aus Sachsen wurde kürzlich
spät Nachts von drei Fuhrleuten handgreiflich darüber belehrt,
daß man einen im Gang befindlichen Lastwagen nicht mut-
willig bremsen soll. Diese Erfahrung scheint den Thatendrang
des Genannten nicht genügend gehemmt zu haben, denn in der
Nacht zum 27. d. ließ er sich zu -er Roheit binreißen, mit dem
Stock nach dem Hund des Herrn Dr. Schmidt, der versehentlich
ausgeschlossen war und ruhig vor der Hausthür seines Herrn
auf Einlaß warlete, zu schlagen. Er traf das Tier so unglück-
lich, daß es ein Auge verlor. Diese neue That des genann-
ten Studenten wurde von einem Laternenanzünder, der zum Aus-
löschen der Laternen des Weges kam, bemerkt. Er verfolgte den
Uebelthäter und überlieferte ihn einem Polizisten. Die verdiente
Strafe wird hoffentlich nicht ausbleiben.
— Polizeibericht. Verhaftet wurden eins Kellnerin und
eine Kleidermacherin wegen Umherziehens, ein Dienstmädchen
wegen Diebstahls, ein Zigarrenmacher, em Taglöhner und ein
Dienstknecht wegen Bettelns und ein Hausierer wegen Ueber-
tretung der Gewerbeordnung. Wegen Unfugs kamen 7 Personen
zur Anzeige.
)I( Aus dem Weschnitzthal, 30. Dez. (Industriel-
les.) Die in Birkenau im Sommer d. I. eröffnete Kunst-
lederfabrik der Firma Cornelius Hehl in Worms ist in ste-
tem Aufschwung. Die Zahl der Arbeiterinnen nimmt mit
jeder Woche zu. Das Vorurteil, das man anfänglich dem Ein-
tritt in die neuerrichtete Fabrik entgegerrbrachte, scheint nun
geschwunden zu sein. Neben einem Verdienst von täglich
1.60 bis 2.26 Mark erhalten die jugendlichen Arbeiterinnen
den Morgen- und Abendkaffee gratis und ein bürgerlich ein-
faches Mittagessen wird für ein sehr mäßiges Entgelt verab-
reicht. Außerdem wird es den Mädchen ermöglicht, mindestens
einmal in der Woche in den eigens zu diesem Zwecke hergerich-
teten Badezellen ein Bad zu nehmen. In der Fabrik selbst
herrscht bei allen Arbeiten die peinlichste Reinlichkeit, und
bei den Arbeiterinnen wird vor allem auf Wohlanständigkeit
und sittlichen Lebenswandel gesehen, was nur dem Arbeitgeber
zur Ehre gereicht.
Mannheim, 29. Dez. (Zu dem fingierten Raub-
anfall bei Fuchs u. Priester) ist noch zu bemerken, daß
das angebliche Opfer immer noch leugnet. Die Kriminalpolizei
hat den Fall von Anfang an mit Mißtrauen in die Hand ge-
nommen, hatte das Mädchen beobachten lassen und konnte eines
Tages feststellen, daß dasselbe in einem Warenhaus einen
Hundert-Markschein verausgabt hatte. Dieser Schein war, wie
auf Grund der Nummer ermittelt wurde, eine der gestohlenen
Banknoten. Weiteres Geld hatte die Verdächtige bei einer Spar-
kasse in der Umgegend untergebracht. Der junge Mann, den sie
damit betraut hatte, wollte jedoch nicht in Unannehmlichkeiten
kommen und gab das Geld heraus. Auch sonst fehlte es nicht
an Belastungsmaterial. Welch' großes Vertrauen das Mädchen
genoß, kann daraus genommen werden, daß ihre Prinzipale sich
heute noch nicht entschließen können, an ihre Schuld zu glauben.

80. Mannheim. 29. Dez. (Gewerbe-Ausstellung.)
Die Vorarbeiten für Sie erste Gewerbe-ÄuSnellung des organisierte»
Handwerks im Handwerkskammerbezirk Mannheim nehmen einen
sehr erfreuliches Fortgang. Die Anmeldungen laufen aus alle»
Teilen des Bezirks zah'reich ein Soweit sich bis jetzt übersetzen
läßr, wird dieselbe von den Mitgliedern der gewerblichen Ver-
einigungen mit nur selbstgefertigten Erzeugnissen reich beschickt.
Nach den bisherigen Anmeldungen werden vertreten sein: Aus-
steller aus Mannheim und den Amtsbezirken Heidelberg,
Schwetzingen, Weinheim, Wiesloch, Ederbach, Mosbah, Adels-
heim, Tauberbischofeheim, Einige Bereinigungen werden sich
mit Kollektivausstellungen beteiligen. Der Termin für die An-
meldung läuft mlt Ende dieses Monats ab.
6. di. Mannheim, 29. Dez. (Landesverrat) Einem
auswärtigen Blatte wird von hier gemeldet, daß vor einiger
Zeit der vei der hiesigen Stadtverwaltung anqestellie ehemalige
Bezirksfeldwebel Fißlcr von den Militärbehörden plötzlich ver-
haftet und in das Karlsrich-r Arresthaus in Untersuchungshaft
veibrackt worden sei. Fißler soll während seiner Dienstzeit beim
Bezirkskommando Bruchsal einem französischen Spion Mobil-
machungspläne gegen Hobe Bezahlung zugänglich gemacht haben
und sei kürzlich vom Kriegsgerichte in Karlsruhe wegen Landes-
und Hochverrats za 12 Jabren Zuchthaus verurteilt worden.
(!) Nnteröwishcim, 28. Dez. (Für die n orle ir-
den den Burenkinder und Burenfrauen) wur-
den an freiwilligen Gaben dem hiesigen Pfarramre die hüb-
sche Summe von 200 Mark übermittelt, welche auch schon un-
terwegs ist, um rechtzeitig an den Ort der Not zu gelangen.
Karlsruhe, 2< Dez. (Steckbrieflich verfolgt.) Der
Untersuchungsrichter erließ gegen den flüchtigen praktychen Arzt
Dr. Alfred Mayer einen Steckbrief wegen Betrugs.
Söllingen (A. Durlach), 27. Dez. (Totschlag.) Gestern
Abend zwischen 8—9 Uhr wurde laut „Ldsw." dem 19 Jahre
alten Fabrikarbeiter Albert Mall zwischen Ber-Hmsen und
Söllingen mit einem Baumpfahl die Hirnschale ein ge sch!a-
gen, sodaß der Tod heute früh eintrat. 6 Verhaftungen wur-
den bisher vorgenommen.
80. Lahr, 29. Dez. (Englische Zensur.) Auch der
„Lahcer Hinkende Bote" hat keine Gnade gefunden vor der eng-
lischen Zensur in Südafrika. Wie unterm 29. Nov. aus Johan-
nisburg mitgeteilt wird, ist die dorthin gelieferte Partie des be-
kannten Volkskalenders mit Beschlag belegt worden. Der „Hin-
kende" wird sich über sein Mißgeschick zu trösten wissen.
Vonndorf, 26. Dezbr. (Ein Mordversuch) hat die Be-
wohner des Ortes Weizen in große Aufregung versetzt. Heute
Morgen während des Gottesdienstes drang dort der achtzehn-
jährige Dienstknecht Adolf Sutter in das neben dem Rathaus ge-
legene Haus des Bartholomäus Nußberger und überfiel die in
der Mehlkammer beschäftigte 50jährige Ehefrau des. Haus-
besitzers, indem er sie erst mit einem Revolver, der glücklicher-
weise versagte, bedrohte und dann das hilflose Wetb mit einem
größeren Messer bearbeitete. Gleichfalls fiel er über die herbei-
eilende 80jährige Schwägerin der Frau Nußbeiger her. Der
Thäter wurde nachmittags gegen 3 Uhr im Lenvacher Walde,
ungefähr IVs Stunde vom Thatort, von durch den Weizener
Bürgermeister ausgesandte Patrouillen festgenommen und der in-
zwischen in Weizen angekommenen Untersuchunzskommisston, be- >
stehend aus dem Staatsanwalt von Waldshut. sowie dem hiesigen
Amtsrichter und Bezirksarzt, vorgefüdrt. Bei der Vernehmung
verwickelte sich der zum Teil geständige Sutter in Widersprüche,
sodaß die Absichten seines Ueberfalls noch unklar erscheinen; man
vermutet, daß er einen Raub verüben wollte. Die Ehefrau Nuß-
berger trägt über 30 0) Wunden, ihre Zunge ist durchschnitten
und sie ist deshalb nicht vernehmungsfähig; ihre Schwägerin
trug leichtere Stich- an Stirn und Hinterkopf davon. Der
Thäter ist dem hiesigen AmtSgefängniß Angeführt worden.
80. Radolfzell. 29. Dez. (Ein Rabenvater.) Am Nach-
mittage des ersten Wclhnachtsseiertages tötete laut „Rad.
Ztg." v-r A r b - i t« r Scholl hier, gebürtig aus Dürrheim
bei Villinaen, seilt vierjähriges Töch t e r ch en durch Faust-
schläge an den Kopf. W„> ein Lauffeuer verbreitete sich dis
Kunde von der grausigen That dieses Rabenvaters, der sein Kind
schon wiederholt zuvor sehr schwer mißhandelt haben soll, durch
die Stadt und die Entrüstung der Bevölkerung war sehr groß.
Die Obduktion der Leiche, welche im Gesicht arg zerkratzt ist,
ergab eine innere Verletzung. Der Thäter sitzt in Haft.
Aus Baden. Dekan Lender in Sasbach wurde zum päpst-
lichen Hausprülaten ernannt. — Am rechten Rheinufer bei
Breisach fand man lt. „Breisg. Nachr." anfangs dieses Mo-
nats beim Ausschachten eines Brunnens in der Tiefe von 1'/,
Metern römische Kaisermünzen aus der Zeit von 350—361.

Theater- und Kunstnachrichten.
Heidelberg, 30. Dez. Das neue Jahr soll im Theater lustig be-
gonnen werden — es kommt an diesem Abende der tolle Schwank
„Frauen von heute" von Benno Jakobson zur Aufführung —
ein Stück, welches am Berliner Residenztheater in der vorigen
Saison einen stürmischen Lacherfolg erzielte und mehr als hundert-
mal in ununterbrochener Reihenfolge gespielt wurde. Seitdem
hat das lustige Stück, überall mit gleich großem Erfolge, die
Runde über die deutschen Bühnen gemacht. Nahezu unser ganzes
Lustspielpersonal ist an dem Abend beschäftigt, in den Hauptrollen
die Damen Heiter, Hohenau, Jungmann, Milde, Müller und
Schönberg und die Herren Bernau, Brandt, Feldner, Großmann,
Lassen, Rudolph, Schneider und Wiegner.
Heidelberg. 30. Dezember. Das Berliner Secessions-
theater (Ueberbrettel) unter artistischer Leitung des Baron
D. v. Liliencron wird Donnerstag, 2. Januar eine einzige
Gastvorstellung an unserem Theater absolvieren. In Karls-
ruhe, Mannheim, Köln n. s. w. haben die Darbietungen der Ge-
sellschaft geradezu Sensation erregt und unser Theaterpubiikum
Wied die Gelegenheit gewiß mit Freuden begrüßen, diese neueste,
modernste Erscheinung kennen zu lernen. Von hervorragenden
Kräften, die dem Ensemble angehören, nennen wir: Intendant
Prasch, der als Recitator ouftritt, Lina Aberhanell, Elfrtede
Printz, Kathaiina Angela, Paul Bechert, Gustav Textor, Otto
Plöcher. Es gelangen Recitationen vorwiegend heiteren Inhalts
von ersten Autoren verfaßt, Gesangssolovorträge, humoristische
Scenen u. s. w. in bunter Reihenfolge zur Aufführung. Die Vor-
stellung findet außer Abonnement und bet erhöhten Preisen statt.
Den Abonnenten der geraden Tour werden ihre Plätze am Mitt-
woch, 1. Januar, zum Vorkaufe reserviert gehalten.
Paris, 27. Dez. Die Direktion der Großen Oper ist infolge
der andauernden Erkrankung des Sängers Rcszcke außer Stande,
einen Termin für die Aufführung des Wagnerschen „Siegfried"
anzusetzen. Inzwischen studiert ein Herr Boguet die Titelrolle.

Heidelberger Bereinsangelegenhetten.
Weihnachtsfeier in Vereinen. Harmonie-Gesellschaft.
Eine in jeder Hinsicht wohlgelungene Weihnachtsfeier be-
scherte gestern Abend die Harmonie-Gesellschaft ihren Mitglie-
dern. Außerordentlich zahlreich waren diese erschienen, um
das Fest der Liebe und Freude zu begehen.
Säle und Galerie waren dicht besetzt. Ein mächtiger Christ-
baum gemahnte an des Tages Bedeutung und zu seinen
Fußen lagerten, säuberlich aufgebaut, die Gaben, die ihrer
Verlosung harrten. Das Programm des Aberrds war über-
reichlich, Nur ein Verein, der über ein ganzes Heer opfer-
williger, Mitwirkender verfügt, ist in der Lage, ausschließ-
lich mit eigenen Kräften ein solches Programm durchzuführen.
Es gab Mannerchöre, ein Konzert für Violine, herrlich gesun-
gene Lieder für Bariton, sowie ein Duett für Sopran und
Bariton, eine dramatische Dichtung „Christrosen" für Dekla-
mation, Soli und gemischten Chor mit Klavierbegleitung, sowie
zwei Theaterstücke: „Försters Töchterlein" und „Das erste
Weihnachtsgeschenk". Beide wurden so vorzüglich gespielt.
 
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