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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 161 - Nr. 170 (14. Juli - 25. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44272#0061

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Folgen zu erwarten stünden, daß er dagegen als untaug-
lich seinen Abschied aus dein Heere zugcbilligt bekommen
würde, — konnte sich Xaver kaum mehr fassen. Die gute
Nachricht mußte ohne Verzug seinem Bruder mitgctcilt
werden. Was würde der für Augen machen, wenn er er-
fuhr, wie billig er sich vom Militär losgcschraubt hatte!
Er hatte keine sechstausend, — nicht einmal sechshundert
«Gulden für einen Einstandsmann bezahlt und gleichwohl
Lrm er jetzt für immer frei und ledig! — Allerdings,
Mei Finger der rechten Hand hatte die Sache gekostet,
— Mein so viel Geld für so wenig Fleisch!! Sechs-
tausend Gulden sind doch auch nicht von Blei!
Persönlich schreiben konnte Xaver nicht. Seine rechte
Hand, mit welcher er überhaupt nur ganz kuriose Krähen-
füße, die er Buchstaben nannte, zu machen verstand, war
wund, mit der linken konnte er aber die Feder ganz und
garnicht führen. Darum diktierte er einem im gleichen
Krankenzimmer untergcbrachten und in der Genesung be-
griffenen Soldaten mit leiser Stimme ein Bricflcin an
seinen Bruder, nachdem er dem aushclfendcn Schreiber für
seine Dienstleistung ein „Douceur" versprochen und ihn
aufs eindringlichste gebeten hatte, von dem Inhalt des
Briefes keinem sterblichen Menschen je etwas zu offenbaren.
Der Brief aber lautete wie folgt:
Lieber Bruder!
Dieser Zettel ist von mir, ich habe ihn von einem
Kameraden schreiben lassen, weil ich eine böse Hand habe
und mußt ihn augenblicklich verbrennen, sobald ihn gelesen

hast, von wegen dem, weil es mit dein Hcrzwurm nichts
gewesen ist, sic hätten mich verhungern lassen und doch
nicht frcigcmacht, und von wegen dem wilden Mann bin
ich losgckommcn vom Exerzieren, aber sic glauben nicht
recht daran und haben ans Landgericht geschrieben und die
Gemeinde, und habe mir also nicht anders mehr helfen
können und um frei zu werden von der Militär!, zwei
Finger abgehackt und ist mir gut geglückt und sic haben
mir jetzt meinen Abschied versprochen, wenn ich ausknriert
bin und hab ichs doch gescheit gemacht, weil ich frei komm
und keinen Einstehcr brauch. Lieber Bru — —"
So weit hatte der rekonvaleszente Soldat unter sehr
gemischten Gefühlen das Diktat Xavers nicdcrgeschrieben,
als er in seiner Arbeit unterbrochen wurde. Die Thür
des Krankenzimmers öffnete sich, ein Lazarett-Unteroffizier
erschien und befahl mit lauter Stimme „Achtung" !, und
ihm auf den Fersen folgend betrat den Raum der Oberst
und Regimentskommandeur, welcher eine unangesagte In-
spizierung des Militärpcrsonals vornahm, um sich durch
einen Augenschein über den Krankenstand der Mannschaften
zu vergewissern. Erwartete inan doch täglich die Ordre zur
Ergänzung der in Schleswig-Holstein stehenden bayerischen
Truppenteile, weshalb jedes Regiment die dienstfähigen
Leute möglichst zusammcnhielt, und wo cs nur immer an-
ging, auch leichtere Kranke oder Genesende in die Kasernen
zurückberief.
Kaum hatte Xaver Dorngiebcl den Obersten erblickt,
da griff er nach dem Papier, welches das offene Geständ-
niß seiner schweren Schuld enthielt, riß cs seinem schrei-





ir:
W6886I', Onltui'-
riker. 2. IMtisne
LU-(Lrt.U8s6vvvrk-
!6vd.-, 8tl'LS86N'
Ztejnmetn-'I'eLÜ-
isotmle. Stagl,s-
>Hni8k6llUW

tammc
i, Lutherstraßsii
hshcim.

'Ess^Nr^^ st Selbstkostenpreis abzuMben. Die Palicrc,
diirtnx.

?er Schmied vou Piek,
-r'-hmnx aus der Oberpfalz «von Jws. B aicrleiu.
jMchdruck verboten.!!
(FortfetzmiK.)
Bestellungen iDer
. es njj« - nach war nun das allerdings richtig,
rave>>, - "ch nichts mehr daran ändern. Die zwei
thShcttN. blstr"" . "> — unrettbar verloren, und der Hcil-
.. emsimg. gdz^ ' . "si übr-g, den Handstnnipf zu säubern, kunst-
lteckLgasie und die Wunde ihrer Heilung ent-
laufen Mi würde jetzt seinen Zweck wohl sicher
chwcinc^ wncn stin^ "nd unbeanstandet vom Militär los-
heim, Uferstrastz Soldaten > " wa-s will man Mel anfangcn mit
hshcim. , cinen '"°ber ein Gewehr mehr regieren,
u. Flicken Per, nirlu " ' "^lcucrn kamt? Allein in der Freude
öbiugsgasse A^i^ sich sichstausmd Gulden gerettet, sondern
'mieten izu haben verhaßten Dienst in der Armee be-
ne Wohnung and Lchlüutu^ iunae Bauer trotz seiner Pfifsig-
ung und allevhißen, Pg.. /M einer verhängnisvollen Dummheit
uMühlthalstr^sch , °",^r Wonnegefühl konnte er die Zeit seiner
Zttcsdienst. jg,, dam >' "Atens die ihm angeborene Prahlsucht
' i.^sFöchstvert»m Gchcimniß selbst zu verrathen und so
«err «Ltanw „ ich ans Messer, nämlich einer empfindlichen
- /w^achdcn' kam aber folgendermaßen,
von den das Wundficber überstanden
sein '^äreu die Versicherung erhalten hatte, daß
und seine Gesundheit keine nachteiligen

-- .. Tcutschcs Reich.
^^dsuhe, 16. Juli. Bei der Beratung der Ein
kV L.auarbcilcr Badens nm Abstellung der Miß-
Pfd. 4t)Pfg.h Baugcwcrb'c wurde von mehreren Rednern
siufjo' darüber Beschwerde geführt, daß die Palicrc
Hauptstr, .j 'c Arliciicr zuw. Kicrtrinkcn vcrtcivcn, weil sic ein
haben. Das Großh. Ministerium des
Mn eine Verfügung erkviffen, wonach die
^.^k^rkten sind, Speisen und Getränke an Ar
e hi<j> j <-'clvuiviicuprcis avzuMven. Die Palicrc,
^stic n " den Lieferanten an Sveiicn und Getränken
iV«knsvk^l?i^es ^gürung für ihre Mhcwaltung in Fonu
UUUlslaUt ^"' ^»gen «Rabatts erhielten, frnd aber nicht gesonnen,
itcrc^^""-^ umsonst zu besorgen und das Risiko ohne
> 'stch zu nehmen. Sic weigerten sich daher,
den Getränke den Arbeitern auf Vorschuß zu
treu -^beiter wandten sich hierauf an ihre Bau-
»K Nitte, den entsprechenden Vorschuß zu Leisten,
aber rundweg ablehntcu; gleichzeitig aber erhielten
Üvkkv0r1stcn Weisung, den seitherigen Modus bcizubc-
s rrc':, eventuelle Bcsnwsungcu ivollcn dix Bau-
ok0lk) . Rckurswcg cinschlagen. — Eine weitere Vcr-
d Ziegelgasse 'M ' ls. des Großh. Ministeriums des Innern weist die
an, der Bestellung von Armenärzten seitens
"wc AusmcrUamkcit zuzuwcndcn And auf
er, matt und ^,rhan<6. überall da hmzuwirkcn, wo ein Bedürfnis
u billigen stt. Der Ausschuß der Apotheker ist benach-
ekx ? cs stehe nichts im Wege, daß Lic Apo-
Bezirksamt folckp: Gemeinden namhaft machen,
« eit n I^Les ihrer Ansicht Lie Bestellung eines Armcn-
k^Uj U l^^nvcndig wäre.
rcrricht im E
<khina.
l Juli. Nach der Einnahme VM Tientsin
' "griff der Verbimdctcn auf Peking vor-
au 1 An «.I werden. - Auch in maßgebenden Kreisen nimmt
liciic cmzigc Unterschied zwKchcn den
ist ^^^ukcn und den Boxern in der Kleidung zu
c^cu^Fa^ N-Juli. Der Mhcf des Krcuzcrgoschwadcrs
ctztcrc in "siw aus Takn Lmn l4.: Die Verbildeten
ur-b. Mts. von allen Bcfcsti-
chen'-U.Gegr.t^. Tientsin Lu ßc.r einer; die Wegnahme
iiacs Eintreffen wird erwartet -nach dem Eintreffen der
befindlichen russischen Geschütze.
krlkOfli Uocu, k7. Fuli. Heute wurde vou den Licr-
flich zu kombinierter «Angriff auf die Eingcbosrncn-

stadt unternommen. Die chinesischen Stellungen wurden
von 40 .Kanonen der Verbündeten beschossen. Die Ver-
bündeten erlitten sehr schwere Verluste. Acht
chinesische Geschütze wurden erbeutet. Der Feind
wurde nach einem heftigen Gcschützfcucr aus dem westlichen
Arsenal vertrieben, doch hielt man cs für unmöglich heute
in dir Stadt e inzudr ingcn. Eine starke gemischte
TruPpcnmacht liegt dicht vor den Mauern der chinesischen
Stadt. Morgen wird wahrscheinlich der Sturmangriff
unternommen werden.
London, 17. Juli. Der „Daily Mail" wird aus
Shanghai vom 17. Juli, 6.lO nachmittags gemeldet: Die
verbündeten Truppen nahmen ihren Angriff auf die um-
mauerte CH i ncsc ustadt von Tientsin am Sams-
tag den 14. Juli morgens wieder auf und cs gelang ihnen,
eine Bresche in die Mauer zu schießen und alle Forts zu
u chme n. Die Chinesen wurden völlig geschlagen. Die
Verbündeten nahmen von der Chincsenstadt und ihren Bcr-
tcidigungswcrkcn Besitz. Die Gcsamtvcrlustc der Ver-
bündeten in den Kämpfen uni Tientsin am Donnerstag
Freitag und Samstag beliefen sich auf ungefähr 800 Tote
und Verwundete.
Petersburg, 17. Juli. Im Hauptstabe sind fol-
gende Meldungen cingclaufen: Aus Nikols Koje im Uffuri-i
gebiet wird vom 11. Juli gemeldet: Die Lage in der
Mandschurei ist kritisch, da diechiucsischen Truppen
zusammen mit den Boxern operieren. Die Bewegung
ist zweifellos national, die Regierung steht ihr sympathisch
gegenüber. Am 9. Juli beschloß Japan eine Division
nach Taku zu senden- Die Einschiffung begann am 19.
Juli. Der Hauptingenicur der mandschurischen Bahn
meldet, daß die Eisenbahubcamtcu und Schutzwachen sich
nach den Grenzstationen zurückgezogen haben. Hieraus
wurden die Bahnstationen geplündert, die Vorräte zerstört
und die Verbindung mit Chabarowsk zerstört.
London, 17. Juli. Eine Shanghaier Depesche des
„Daily Mail" vom 16. ds. liczeichncl cs als ein sehr
ernstes Merkmal der Lage, daß nach amtlichen chinesischen
Quellen es den Boxern nahe gelegt wurde, sich nach
Süden zu begeben. Es heißt, daß beabsichtigt werde,
Tschinghaugpo am Großen Kanal zum Zielpunkt von
5 Regimentern zu machen, die nach diesem Platze gehen
und sich unterwegs ergänzen sollen. Die Depesche meldet
ferner, daß in Niutschwang ein ernster Kampf bevor-
stehe, da die Boxer dicht bei der Fremd enni cd er-
las sung stehen. Die Russen hätten die Straßen ver-
barrikadiert und die russischen Bankbeamten Geld und
Wertpapiere nach Porth Arthur gebracht.

Dem „Globc" wird aus Shanghai, 17. Juli gemeldet:
Ich höre aus guter Quelle, daß 100 000 Mann chine-
sischer Truppen, die mit Mauscrgcwchrcn und moder-
ner Artillerie ausgerüstet sind, jetzt an drei Orten in einer
Entfernung vou 40 englischen Meilen von Shanghai
lagern. Diese Truppen werden dazu dienen, Shanghai
zu belagern, wenn die Franzosen oder eine anderer Nation
Truppen landen oder die Wusuug Forts nngrcifen sollten.
Vom Landen kleiner Truppcn-Abteilungcn ist jedenfalls ab-
zuratcu. Sollten Feindseligkeiten entstehen, so würde ein
zahlloser Pöbel den Belagerern helfen.
Das Schicksal der (^nropäcr in Peking.
Wien, 16. Juli. Der demnächst nach China ab-
reisende Dolmetscher Freiherr von der Goltz erhielt Kennt-
nis von einem Briefe, welcher vor wenigen Tagen von
Lady Macdonald aus Peking in London cintraf. Diese
schildert die Lage, wie sie ganz gefährlich wurde. Diener
der Gcsandschaft, die 20 Jahre im Hause waren, wurden
plötzlich drohend und unverschämt. Alle Damen besahen
sich mit Gift, das sie beständig in ihren Kleider
trugen. Herr v. d. Golz nimmt als sicher an, daß sie
nicht lebendig in die Hände der Feinde gefallen seien. Er
glaubt ferner, daß einzelne Mitglieder der Gesandtschaften
entronnen seien, denn die Gcsandschaft, in die sich alle ge-
flüchtet hatten, besteht aus zwölf Häusern, in denen viele
Verstecke vorhanden seien. Frau und Fräulein Giers
reisten im Mai von Peking ab, alle andere blieben zurück,
sicher auch Frau von Kettler; befragt, was mit Peking
geschehen würde, wenn die Europäer es entnehmen, meinte
Goltz, die Mauern und Thore würden abgerissen, der
kaiserliche Palast zerstört nnd ein großer befestigter Stadt-
teil für die Gesaudschaften aufgcführt werden.
Brüssel, 17. Juli. Eine Depesche des belgischen
Vertreters in Shanghai vom 16. Juli Abends bemerkt,
dem Taotai von Shanghai ging noch keine Bestätigung
der allgemeinen Fremdencrmordung in Peking zu..

Der südafrikanische Krieg.
Prätoria, 17. Juli. Meldungen des Rcutcrschen
Bureaus. Lord Roberts entsandte am 16. Juli eine
Streitma eh t, nm die Buren vou den Kopses im Norden
und Nordwcstcn der Stadt zu vertreiben. Die Buren
räumten indessen ihre Stellungen, ohne einen Schuß zu thnn.
Vermischte Nachrichten.
Bretten, 16. Juli. sEin ruchloser gemeiner
Bubenstreichs wurde in der vergangenen Nacht in der
Gärtnerei des Herrn Josef Schcurich verübt. Einx

_ 27. Jahrgang.
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