Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

DOI Heft:
Nr. 221 - Nr. 230 (22. September - 3. Oktober)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44272#0311

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Samstag, 29. September 1900

Neuer

«»MM: Mn Rlilichch H. »d

«MM,: Mm «Mch >?.

Neiöellmgrr Amnger

Zimmer

in dem sie aufgefordert wird, nach Peking zurückznkehren
und in dem ihr der Schutz Rußlands versprochen wird.

„Bitte hier", sagte plötzlich die sanfte Stimme Kle-
mcntinens, und sie drückte die Thür eines stattlichen Vor-
zimmers auf, aus dem man in die Gemächer der jungen
Gräfin gelangte. „Ich denke", sagte die junge Komtesse,
„Sie begeben sich sogleich in Ihr Toilettcnzimmer, cs ist
so lästig, im Reiscanzug zu sein."
Müde und apathisch nickte Gertrud, flüchtig streifte
ihr Auge die auserlesene Einrichtung der Räume; aber
nichtsdestoweniger bemerkte sic doch, daß trotz des auch
hier fühlbaren Reichtums alles viel wohnlicher und trau-
licher erschien als im linken Flügel bei der alten Gräfin.
Blumen, seltene Treibhnusblütcn sowohl wie heimische
Frühlingspflanzen dufteten und blütcn an allen Ecken und
Enden, alle Zimmer waren wohlig durchwärmt, und im
Boudoir flammten noch mächtige Buchenscheite unter dem
Gitter des Marmorkamins.
Enttäuscht bemerkte Komtesse Klementine, wie wenig
ihre Schwägerin von dem Arrangement der Zimmercin-
richtungsstücke Notiz nahm, und Klementine hatte sich doch,
schon dem Bruder zuliebe, soviel Mühe damit gegeben.
Immer wieder war sie hercingeschlüpft und hatte verän-
dert und gerückt; sic selber hatte die Topfpflanzen und
alle Blumen im Treibhaus ausgcwählt, welche in die
Gemächer der „jungen Gräfin" kommen sollten, und vor
einer Stunde noch hatte sie selbst den weißen Flieder im
Wärmhause abgcschnittcn, dessen zarte Trauben jetzt in
dem schlanken Gefäß von schillerndem venetianischcn Glase
in Gertruds Boudoir dufteten. Und wie verstohlen sie
dies alles hatte thun müssen; die Mutter hatte es nicht

zu deu Jubiläumsfestlichkeitcn nach England entsandt worden
war, ist auf Grund eines kaiserlichen Beschlusses gleich-
zeitig mit allen Ministern hingcrichtct worden, die den
Fremden freundlich gesinnt waren.
Petersburg, 28. Sept. Dem Gencralstab gingen
die Meldungen zu: General Rcnncnkampf kam am 24ten
d. M. mit zwei Schwadronen in Kirin au, erklärte die
Stadt für eingenommen und schlug sein Hauptquartier im
Palais des Generalgouverneurs auf. Die Forts wurden
besetzt und ein Schiff auf dem Sangariflusse zur Proviant-
beförderung bercitgestcllt. General Krischanowski wurde
Proviant eutgegengcschickt. Das vorhandene chinesische
Militär wurde entwaffnet. Krischanowski wurde angewiesen,
baldigst mit seiner Kavallerieabteilung nach Tschili zu
kommen.
Washington, 28. Sept. Dem „New-Aork Hcrald"
wird von hier telegraphiert: Während das Staatsdeparte-
ment einerseits bemüht ist, die Zerstückelung Chinas
zu verhindern, betrachtet cs das Departement auf der an-
deren Seite bei den vorliegenden Verhältnissen als unver-
meidlich, von den Mächten, die Territorien in China er-
werben würden, Bürgschaften zu erlangen, daß die Handels-
rechte der Amerikaner auch weiterhin geachtet werden. Das
Staatsdepartement ist auch willens, diesen Schritt eventuell
auch zu thun.
Peking, 28. Sept. Der Chinese, der beschuldigt ist,
den deutschen Gesandten ermordet zu haben, wurde
dieser Tage vor dem Kriegsgericht verhört. Da kein neues
Bewcismatcrial bcigcbracht werden konnte, beschloß der
Gerichtshof, daß es nicht gerechtfertigt sei, einen endgil-
tigcn Spruch zu fällen. Dementsprechend wurde das Ur-
teil vertagt, in der Hoffnung, weiteres Material bezüglich
des wirklichen Anstifters des Verbrechens zu erhalten.
Peking, 28. Sept. Der japanische General Fuku-
schima ist von Taku hierher zurückgekehrt. Der Direktor
der politischen Angelegenheiten, Uchida, ist mit Depeschen
von Tokio hier cingetroffcn. Die russische und deutsche
Gesandtschaft bleiben hier und warten die weitere Entwick-
lung der Dinge ab. Li-Hung-Tschnng wird dieser
Tage hier erwartet.
Peking, 28. Sept. Die „Times" meldet: Die
letzte Unternehmung hatte den Zweck, die Sicherheit in der
Umgegend von Peking zu erhöhen und die Verprovian-
tierung zu erleichtern. Das Blatt besteht darauf, es sei
notwendig, Paotingfu vollständig zu zerstören. Der Gegen-
satz der russischen und englischen Interessen stehe jedem
systematischen Versuche der Wiederherstellung der Eisenbahn
entgegen, was im übrigen eine leichte Arbeit Ware. Der
russische Gesandte richtete an die Kaiserin ein Schreiben,

wissen dürfen, daß sich Klementine um die Einrichtung
kümmerte.
Das Schweigen der jungen Frau wurde für Komtesse
Klementine endlich drückend, so überwand sie denn tapfer
ihre Schüchternheit und fragte, im Boudois ihren Schritt
anhaltend: „Ist Ihnen alles so recht — gefällt Ihnen
Ihr Heim?"
„O ja, cs ist alles sehr schön, sehr gut," entgegnete
sie zerstreut. Da blieb ihr Auge an einer Stelle der breit
vorspringenden Fensterwölbung haften. Hier hing in braun
gebeiztem, schon geschnitzten Rahmen, über den ein Strauß
künstlerischer Alpcnblumen befestigt war, ein für Gertrud
wohlbekanntes Bild, das erste Geschenk Herberts, das sie
au ihrem Verlobungstag von ihm erhalten hatte — das
Bild des Friedhofes mit den Gräbern ihrer Eltern.
Wie ein Kind streckte die junge Frau beide Arme da-
nach aus, als müßte sie es fassen und an ihr Herz drücken:
„Das Bild — Vater, Vater!" stammelte sie aufschluch-
zend. Die mühsam beherrschte Fassung war dahin, und
in heißes, leidenschaftliches Weinen ausbrechend, sank sie
auf den kleinen Sessel nieder, der in der Ecke unter dem
Bilde stand und barg ihr Antlitz in dem Kkfscn der
Lehne.
Erschrocken schaute Klementine auf diesen plötzlichen
Ausbruch des Schmerzes; aber wenn Graf Herberts
Schwester auch nicht mit einer besonders hervorragenden
Intelligenz begabt war, so besaß sic doch den Verstand
eines guten zärtlichen Gemütes. Voll innigen Mitgefühls

Der südafrikanische Krieg.
Prätoria, 28. Septbr. Das Rcutcrsche Bureau
meldet vom 26.: Wie gemeldet wird, rüsten sich die Ein-
geborenen in den Distrikten Zout-Pansbcrg und Peters-
burg, um den Buren beim Vorrücken in dieses Gebiet
Widerstand zu leisten. Lord Roberts meldet von gestern,
daß die Engländer Heilbronn wieder besetzt hätten.
Ebenso seien auch Lindley und Reitz wieder besetzt. Eine
Abteilung Buren hat die Picnaarstation angegriffen, wurde
aber zurückgeschlagcn.

Vermischte Nachrichten.
L. iT Mannheim, 28. Sept. sEin lOjähr. Rad-
diebs wurde gestern in Bensheim festgenommen. Der
Bursche hatte das bekannte Geschästsdreirad der Schuhhaud-
lung von Altschülcr am Markt von der Straße weg ent-
führt. Die beiden Rcklamc-Damcnstiefcl, welche in Glas-
kästchen an dein Rade angebracht waren, trug er an den
Füßen. Ueber die Persönlichkeit des jungen Abenteurers
ist man noch im Unklaren, da er verschiedene widersprechende
Angaben gemacht hat.
Mannheim, 28. Sept. s8-Uhr-Ladcnschluß.s
Die auf gestern Abend in den „Badner Hof" einberufene
Versammlung wurde durch Herrn Kern geleitet. Herr
Kern machte bekannt, daß der Verein selbstständiger Kauf-
leute in einer Vorbesprechung mit Majorität beschlossen
habe, den 8-Uhr-Ladcnschluß anzunehmcn, mit Rücksicht
darauf, daß eine llstündige ununterbrochene Ruhezeit ge-
währt werden muß, und daß vielen Branchen die Früh-
stunde von 7—8 Uhr viel wertvoller erachten als die
Abendstunde von 8—9 Uhr, da in dieser Zeit der ge-
schäftliche Verkehr kein nennenswerter sei. Hieran schloß
sich eine ziemlich lebhafte Debatte, in der namentlich die
Cigarrcnhändlcr sehr gegen den 8-Uhr-Ladenschluß oppo-
nieren. Die Versammlung nahm schließlich eine Reso-
lution mit Vz Mehrheit folgenden Inhalts an: „Alle
Vcrkaufsgcfchäftc sollen um 8 Uhr geschlossen werden.
Ausnahmen sollen zulässig sein insoweit, als 18 Tage vor
Weihnachten allen Samstagen, allen Tagen vor Neujahr,
Ostern, Himmelfahrt, Fronleichnahm und Pfingsten, die
Verkaufsgeschäfte abends bis 8 Uhr geöffnet bleiben dürfen.
Den Cigarrenhändlcrn soll allgemein das Offenhaltcn der
Verkaufslokale bis abends 9 Uhr gestattet sein."
M. Karlsruhe, 28. Sept. sWeihbischof Dr.
Knechts trifft morgen Samstag Abend halb 9 Uhr hier
ein, um am Sonntag Vormittag die Investitur des Herr^

shcim.
n ii 1 v rr
o Wohnyams
> sonstigem
verkaufen
MaurermeiS!

rr-
lerein-
ag von 3 Ubr
ou z. „Grüne»
sin mit Tanz-
werden hicrz»

incs .
Zimmer
n. Zu erfrag^
NeckarstraßeZ-

kMie.
terrich^
Ttolzc-Schrt^
Honorar (naK

Wie es endete.
Roman von Maria Theresia May.
Machdruck verboten.!
(Fortsetzung.)
hj, ^raf Korting pfiff ein paar Takte und schlug danu
kräftiger Hand seinem Neffen auf die Schulter.
T »Du bist ein ganzer Mann, Junge, und ich wünsche
Und Deiner Frau von Herzen alles Glück. Sie ist
ih^crschön, und wenn ihr Geist und Gemüt hält, was
Augen versprechen, so hast Du wirklich ein Kleinod
°Unen. — Ich werde ihre Farben tragen und ihr ein
H^Uer Ritter sein, und das wird sie sich trotz ihres
Uvkratenhasses gefallen lassen."
zy., "Ich denke auch, Onkel, zumal wenn der Ritter gleich-
^ein getreuer Ekkehard ist."
sy ^raf Körting lachte. „Sehr fein zurückgcwiescn. Na
hh?Ur ruhig, mein fünfzigjähriges Herz brennt jetzt nicht
iu heiß es auch unter Umständen noch schlagen
Ich übernehme gern auch die Ekkehard-Rolle."
kh ^vrntesse Klementine hatte ihre junge Schwägerin durch
m Ichöncn, mit farbigen Glasbildern geschmückten Kor-
? M die neu hergcrichteten Räume geführt, welche zur
rmg yxs jungen Ehepaares bestimmt waren. Schwei-
Dritten die beiden durch den Gang, Klementine ver-
ih^-sN die Frau ihres Bruders musternd, Gertrud mit
Peinigenden Gedanken beschäftigt, kaum das junge,
» Mädchen neben sich beachtend.

uemchr.
giric.
'früh 7 Uhr
-r 8'.
ltze.
arrptmaMsi

15 Pfg.
Pfg-
q.GeMk
ken,
Stück 5 Pfg-/
k. 2.25.
snrkcn,
d5Pfg.
KeNimtP
kt 2.

LlNZNSL
i vermieten Z,
Steingasse Nr>>
- 2 Pferde,
ichcr und Einsm
Bergstraße Nr-^
a E. Geisend»^
-lberg.

'te hoi!
NM,
> Pfg-

Die Wirren in China.
»- London, 28. Sept. Die „Times" berichtet ans
istkiug vom 21. Sept.: Das Krankenhaus des rus-
Roreu Kreuzes wurde heute in Gegenwart der
^ysdcn Gesandten unter dem Vorsitz des russischen Bot-
Mtcrs v. Giers eröffnet. Die Anstalt ist sehr geräumig
sehr zweckmäßig eingerichtet. Die letzten Expeditionen
Innere haben eine ausgezeichnete Wirkung gehabt,
haben die Sicherheit der Umgegend von Peking ver-
und auch die Verproviantierung wieder ermöglicht,
mnichts wird von durchschlagender Wirkung sein, so-
nicht Paotingfu dem Erdbodcng le ich gemacht
Die Christen in Tschcngting (südlich von Paotingfu)
M anderen den Generälen wohlbekannten Orten sind bc-
j^ht. Vierzig der bedeutendsten chinesischen Beamten, die
^Peking zurückgeblieben sind, haben heute eine Adresse
den Kaiser und die Kaiserin gerichtet, um diese zu
^y, nach Peking zurückzukehrcn. Schangyehuang, der

. Paris, 28. Sept. Der gestern veröffentliche Brief
Dreysus findet bei den Nationalisten ganz den Ein-
zug, der zu erwarten war. Die „Libre Parole" nennt
„das Ultimatum dcS Verräters". Die „Autoritc"
^det, daß der Brief von Trarienx und die Antwort
Dreysus ein abgekartetes Schauspiel seien. Roche-
nennt den Unglücklichen „den ewigen Juden der Gc-
^llsshle". Der „Solcil" jammert um den bedrohten
'Jgerlichcn Frieden. „Müssen wir denn wieder in die
^ye niedersteigcn und die abscheuliche Balgerei aufs Neue
Finnen?" klagt der „Gaulois".
Italien.
tz. Rom, 28. Sept. Der Papst empfing heute zahlreiche
^Zer und Pilgerinnen aus Rheinland und Ungarn.

n.
riiitfin
Zu erfragen
aptstraße Nr^>
!inantelg.17,2T^
Oktober d.
i unserem Ha»
in 3 Zimmel
Zartengcnuß
nk Heidelberg

<» 8 t « r»
ifstraße 33._,
he
vLIvrr
izcr, Junge«'
ei-, Fabrik- »
tere in jcdc*
gemäß u. billig"
st Leipzig,
n3l.Gegr.l8b'
s der LandnR
:cs Eintreffen'
nnes mit 150 >
wird ein
Mjüver
t) gesucht, Nh
5 Mille. GA
IW an die
Kühe darrnll^
wegen WcgS^
Stift Neubu^

Deutsches Reich.
st r.gl.» ! Konstanz, 28. Sept. Der König von Rumänien,
Fürst-Erbprinz und Prinz und Prinzessin Friedrich
Hvhcnzollcrn mit Gefolge sind auf Schloß Mainau
getroffen.
-.. Wildparkstation, 29. Sept. Die Kaiserin ist heute
7 Uhr hier cingetroffcn und hat sich nach dem neuen
^iais begeben.
München, 28. Sept. In Gegenwart des Prinz-
enten, der Prinzen und Prinzessinnen des königlichen
Milses wurde heute Vormittag der Grundstein zu dem
dem verstorbenen Rentner Mathias Pschorr gestifteten
^nkmal Kewer Ludwigs des Bayern in feierlicher Weise
^rgt.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Feiertage.
Als Beilagen das „Heidelberger Volksblatt" und das
8seitige „Illustrierte Sonntagsblatt". Pnis 25 Pfg.,
mit den Beiblättern 36 Pfg. monatlich. Durch die
Post vierteljährlich Ni. Wg.vbue DejMaeld.
Iirfep«rteirk»l«rtt
für «SeiöeWsrg rmö Wrngegenö.
>-- - > «
Anzeigen: die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
13 Pfg. Lokale Geschäfts- und Privat-Anzeigcn be-
deutend ermäßigt. Reklamen 30 Pfg. Für Auf-
nahme von Anzeigen an bestimmten Tagen wird nicht
garantiert. Gratisverbreitung durch Säulenanschlag.
>
 
Annotationen