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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 281 - Nr. 290 (1. Dezember - 12. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44272#0545

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feige ungeheuerliche Anklage und somit auch nicht mehr an
den zu erwartenden Brief, der rechtzeitig heute nicht mehr
eintreffen konnte, Und mit dem starken Willen, vertrauen
zu wollen, war sic ihm heute Morgen cntgegengetretcn.
Ein gegen sie selbst gerichteter Trotz, die weichen Regungen
der Liebe und ihre Sanguinik unterstützten sie darin, —
Kaum war die letzte Dame nm die Allececke verschwun-
den, so wandte sich der Baron, der ihnen auf der Terrasse
stehend, nachgcschant hatte, nm und trat an seine Braut
heran, die an einem Tischchen dem alten Rate gegenüber
saß. Er fühlte sich beglückt durch Gisela's freundliches,
unbefangenes Benehmen. Gottlob, einige wenige Stunden
noch und sie war sein, von diesem Tage an, bis — nun,
wie cs das Schicksal wollte — bis zu seinem oder'ihrem
letzten Herzschläge.
Er betrachtete sie. Gisela trug ein Morgcnkleid aus
zartgelbem Kaschmir, das im Rücken ohne Anschluß ktt
weichen Falten niederwallte. Lange, weite, nach griechi-
scher Art vorn offene Aermel fielen hinter dem unbedeckten
Arm zurück.
Alles Gefällige und Schöne fiel Ulrich sogleich ins
Auge, Dies Gewand, das. jede der lebhaft- anmutigen
Bewegungen des Armes zur Geltung kommen ließ, ent
zückte ihn, und er sprach dies aus.
-. Gisela lachte. Es. war das erste, liebe Lachen nach
mehreren Tagen, und der Rat stimmte lebhaft zu. Der
wetterte gern gegen outricrtc Und besonders gegen gesund
hcitsschädliche Moden. Der Anblick einer zusammcngc-
schnürtcn Taille konnte ihn in Zorn versetzen.

Ar. 283.

Dienstag, Dezember 1900.

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Ni'iöklliergkr smrigrr.

InseratsirSlatt
für KeiöeLVerg unö HlrngegenL

^Krzergen: die 1-spaUrge Petitzeile oder deren Raum
SV Pfg. Lokale Geschäfts- und Privat-AnMgen be-
veutend ermäßigt. Reklamen 35 Pfg. Mr Auf-
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Erscheint täglich mit Ausnaduu! der Sonn- u. Feiertage.
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mit den Beiblättern 40 Pia. monatlich. Durch die
Post vievteliäbrtich 1 Mt. osn>e Bettellseld.

Deutsches Reich.

L.X. Badtil-Vadeu, 3. Dez. Zur Beglückwünschung
"cr Großherzogin zu ihrem heutigen Geburtsfest waren
Mgetroffen am Samstag Abend das Erbgroßhcrzogspaar,
sieiitc Prmz Karl und Gräfin Rhena, Prinzessin Wilhelm,
^rinz und Prinzessin Mar, Statthalter Fürst Hohcnlohe-
dchemburg, Graf Kanitz. der Commandeur des Augusta-
^giments. Gestern Abend brachte die Liedertafel „Aurelia"
Ständchen, das von den Herrschaften im Schloßporkal
^lgcgengenommcn wurde, wobei der Porstand, Skadtrat
^°ch, der Dirigent und viele Sänger ins Gespräch gc-
^len wurden. Heute Bormittag brachten die Großb.
schulen ebenfalls ein Ständchen. Im Ralhause fand die
^erliche Ncbcrgabe der von der Großherzogin gestifteten
^hrcnkreuze au Dienstboten für treue Dienste statt, wobei
Oberbürgermeister Gönner das Wirken und Walten der
Großherzogin, das nicht allein dem badischen Volke, son-
auch in gewissem Sinne der Menschheit zum Wohle
^reiche, hervorhob. Der Feier wohnte u. Ä. der Bvr-
^Nd des Fraucnvcrcins und Geh. Rcg.-Ral Haape au.
^Mc Abend findet großes Fcftkonicrt im Convcrsatious-
^v'c start. Die Stadt hat reichen Flaggcnschmuck an-
SNegk.

Berlin, 3. Dez. Der „Nordd. Allgem. Ztg." zu-
sflge ist zum Nachfolger des Fürsten Radolin für den
Michafterposten in Petersburg der kaiserliche Gesandte
I Brüssel, Graf Alvcnsleben, auscrsehcn.

Rußlan d.
> Livadia, 3. Dez. Der Zar verbrachte den gestrigen
und die Nacht sehr gut. 9 Uhr abends betrug die
^perwärmc 36,6, der Puls 72. Heute Morgen war
Befinden sehr gut; die Eßlust und die Kräfte neh-
zu. Heute Morgen betrug die Körperwärme 36,3,
"r Puls 66.

Deutscher Reichstag.
Berlin, 3. Dezember.
Auf der Tagesordnung steht die Centrumsintcrpella-
über die Kohlennot.
Abg. Dr. Heim begründet sic mit dem Hinweis auf
Mißstände auf dem Kohlenmarkt und schiebt dem
^Nisch-Westfälischcn Kohlcnsyndikal einen wescnt-
Txji dx,- Schuld zu, da seit besten Bestehen die
^lcnprcise ständig gestiegen sind, direkt Kohlen nicht mehr
^gclien und auch die Händlcrkonkurrcnz eingeschränkt
?^en sei. Hansel, Industrie und Landwirtschaft haben
der Preistreiberei der mit enormem Gewinn arbei-
ten Grossisten gelitten. Besonders erschwerend sei die
Mahmc der durch die billigen Ausnahmetarife bcgünstig-

Der Hochzeitstag.
Roman von H- Palme-Payscn.
sNachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
j^7)-cr alte Rat war noch ein schöner Mann, lang und
,Mk gebaut, gut konserviert, Haltung und Gang auf-
und elastisch. Er ähnelte dem Bruder gar nicht,
t reichlich hohe, kahlgcwordcne Stirn wölbte sich über
tssb klugblickcnden Augen. Er konnte sehr scharf und
blicken. Wenn er sprach, pflegte er die Lider ab
zu nicderzuscnkcn, als könne er dann seine Gedanken
konzentrieren. Der schon ergraute Bart, welcher sich
Mund und Wangen zog, das Kinn aber frei ließ,
hseich und üppig, wie beim Bruder, in langen Enden
Brust herab.
Gisela liebte den Onkel sehr. Mehr als den Vater,
h "6aß ihr unbeschränktes Vertrauen. Sie hatte sich da-
ss ^enzenlos auf sein Kommen gefreut und gestern noch
Absicht gehabt, ibn in ihre unruhige Seele, in alle
«.Quälenden Zweifel blicken zu lassen. Ucbcr Nacht war
«Mhigcr geworden und urteilte nun klarer und nüch-
über ihren Argwohn und die damit verbundenen
^Mc. Sic hatte Ulrich gestern durch ihr nervös er-
Wesen erschreckt, ihm Schmerz zugcfügt. Reue
i^. gn ihrem Herzen. Sic fühlte sich ihm gegenüber
iMch beschämt und sic schämte sich auch vor sich selbst,
war aus ihren Vorsätzen geworden, aus dem trotzigen
Ich will?

s tcn K oh len aus fuhr, während gleichzeitig im Jnlande
< mit der Kohlenabgabe zurückgchalten worden sei, Nur der
milde Herbst habe eine Krisis verhindert. Auch die staat-
lichen Werke hätten es nicht viel besser getrieben. Bei
der großen Bedeutung des Kohleuvcrbrauchs im Haushalt
müsse man an Abhilfe denken. Als Abhilfemittcl fällt
neben etwaigen Maßnahmen für die Zukunft wie Export-
verbot in den Handelsverträgen oder Ausfuhrverbot, die
wenigstens zeitweise Aufhebung der besonderen Ausfuhr-
tarife und Verbilligung der Einfuhrtarife auf. Es werde
aber auch an eine Gesetzgebung für die Syndikate zu den-
ken sein, welche diese zur Verhütung neuer Ausschreitungen
unter Aussicht stellt.
Minister Brefeld: Er könne die Einzelheiten nicht
kontroliercn, die der Vorredner vorgebracht hat. Auf die
Syndikatskreisbildung, den Zwischenhandel und den Klein-
handel habe die Regierung keinen Einfluß. Die Ursachen
der Kohlennot sind zu suchen im Ausfall der englischen,
sächsischen und böhmischen Kohle und in dem gesteigerten
Bedarf der Industrie. Die inländische Kohlcnproduktion
erhöhte sich im letzten Jahre dementsprechend um 10 Mil-
lionen Tonnen. Wenn der Zwischenhandel höhere Preise
hake, als die Gruben und die Großhändler, so sei das
nicht verwunderlich. Der Zwischenhandel steigert aber die
Preise bis ins wucherische, und dies besonders sn nächster
Nähe der Gruben, beispielsweise in Oberschlcsicn, wo von
den Gruben direkt abgekauft und fortgesandt wurden, so
daß der Zwischenhandel freie Hand hatte. Zeitungs-
klagen und Versammlungen wirkten ferner, daß jeder Ein-
zelne sich gegen die Kohlennot durch Versorgung auf längere
Zeit schützen wollte, wodurch der Konsum ständig gesteigert
wurde. Gruben und Großhändler haben, wie die Preis-
aufstellung zeigt, die Preise nicht über Gebühr erhöht.
Thielen begründet die Notwendigkeit der Ausfuhr-
tarife mit dem Wert für die Produktion und die Not-
wendigkeit der Stabilität der Bcfördcrungstarife. Wäh-
rend die Verkaufspreise variabel, seien die Hochkonjunk-
turen immer nur von kurzer Zeit. Er halte es deshalb
für unrichtig besondere Maßnahmen zu ergreifen, also Aus-
iiahmctarifc zu schaffen, Tariefe aufzuheben oder zu er-
höhen. Er sei überzeugt, daß die einheimische Produktion
in beschbarer Zeit zn mäßig sinkenden Preisen ihren Be-
darf werden decken können.
Abg. Richter (fr. Volksp.,: Die Minister hätten
eher so sprechen sollen wie heute, dann wäre die Panik
vermieden worden. Die Kohlenversorgung sei ebenso wichtig
wie die Zucker- und Brannlwcinversorgung. Besseres
statistisches Material sei nötig. Die Nachfrage sei ge-
stiegen, aber das Angebot habe sich verringert. Ein Aus-
fuhrverbot sei unmöglich, da Deutschland kein einheit-

liches Kohlengcbict bilde. Die Mitteilung einer Tarif-
übersicht wäre wünschenswert. Man solle allerdings Ver-
brauchsgenossenschasten einrichten, aber nicht solche, die
den landwirtschaftlichen Verbänden ausgcliefcrt wären.
Abg. Graf Kanitz (eons.) ist im allgemeinen niit
den Ausführungen des Abgeordneten Heim einverstanden
und schließt mit der Aufforderung an die königlichen
Gruben, mehr Kohlen an die Verbraucher abzugcben. Das
Gemeinwohl stehe über den Sondcrintcrcssen. Lains
pubOaa 8NM6ML Io;. (Lebhafter Beifall bei den Sozial-
demokraten.)
Mittwoch l Uhr Tolcranzantrag des Centrnms.
Schluß 6 Uhr 4.3 Minuten.

Die Wirren in China.
London, 3. Dez. Der „Standard" meldet aus
Shanghai vom 2. d. M.: Es geht das Gerücht, der
Kaiser kehre unverweilt nach Peking zurück. Ferner
wird gemeldet, die Kaise r in-Wittw e werde ihm folgen
wenn der Empfang ein derartiger sei, daß er sie beruhigen
werde. Das Gerücht scheint seinen Ursprung in der Auf
forderung zu haben, welche der Kaiser neuerdings an alle
Vicekönigc gelangen ließ, worin er sic ersuche, dcrKaiserin-
Wittwe vorzustcllen, daß cs das ratsamste sei, nach Peking
zurückzukchren.
Peking, 3. Dez. Graf Waldcrsec meldet: nach
dem Hissen der deutschen Flagge auf den Minggräbcrn
und Bestrafung mehrerer nahe gelegenen Dörfer wegen
Christcnmords kehrte das Detachement Gayl, bisher sflorck,
in einzelnen Kolonnen über Langfang, Schakokhoeng, Tang
schau, sämtlich etwa einen Tagcmarsch nördlich von Peking,
nach Peking zurück. Der Zug nach Kalgan hatte
weitgehenden Erfolg und hat mehrere tausend Mann
regulärer Truppen unter zwei Generälen in wilder Flucht
aus der Provinz Schanti getrieben. Aorcks Leiche ist in
Peking cingetroffen. Die vorläufige Beisetzung wird am
Mittwoch erfolgen.
Tientsin, 3. Dez. Auf Grund kategorischer
Befehle des Kaisers von Rußland werden die Russen
die Bahn von Schanhaikwan nach Peking den Deutschen
übergeben. Die Urkunden, welche die Uebcrgabe der
Eisenbahn betreffen, wurden heute Vormittag unterzeichnet.

Der südafrikanische Krieg.
London, 3. Dez. Nach einem Telegramm Lord
Kitchcncrs aus Bloemfontein vom l. Dezember meldet
General Paget über das Gefecht bei Bronksh o rt-
spruit vom 29. November: Die Truppen rückten gegen

Ulrich jetzt zu verdächtigen, heute an ihrem Hochzeits-
tage bei einem Manne, besten Zuneigung und höchste Ach-
tung er besaß - - jämmerlich! Unrecht, schlecht wäre cs
wesen und weh hätte es ihr gcthan. Denn — sie begriff
nicht, wie sic sich dessen plötzlich bewußt geworden — das
kühle, hemmende Gefühl in ihr, dem sie den Namen Re-
spekt gegeben, das war Ulrich gegenüber im Schwinden
und heute auch die geheime Furcht vor ihm. Freier und
sicherer schaute ihn ihr offenes, oft so kühn blickendes Auge
an und heiß flutete es in ihr auf, wenn sic seinen war-
men Blicken begegnete. Vielleicht war etwas von dem in
ihm verborgen gehaltenen Feuer plötzlich in ihre Seele
übcrgesprungcn.
Er halte sich am gestrigen Abend zu keiner weiteren
Zärtlichkeit hinrcißen lassen, als daß er tröstend auf sie
eingesprochcn und ihr kniend die Hände geküßt hatte. Am
Vorabend ihrer Hochzeit waren sie ohne Gutnachtkuß aus-
einander gegangen und doch hatte es in ihm ersichtlich heiß
gebrannt. Sic dankte ihm im Stillen für seine Zartheit,
konnte sich gleichwohl nicht überwinden, ihm dafür ent-
gegen zu kommen, worauf er augenscheinlich gehofft. Mor-
gen wollte sic um so herzlicher gegen ihn sein. Die Augen
waren ihr aufgegangcn: er liebte sic, liebte sie voll heißer
Leidenschaft.
Und die Eltern vermeinten ihn zu kennen, besser als
sie! Sie kannte ihn jetzt — seit gestern.
Bereinigte er in sich zwei Naturen? Eine glühende,
leidenschaftliche und eine kalte, grausame?! Sie mochte,
wollte an letztere nicht mehr denken, nicht mehr an die
 
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