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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 171 - Nr. 180 (26. Juli - 6. August)
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vergessen, daß der Hof vor fünfundzwMzig fahren mit
meinen: HeirSksgut neu ist auf'bM't worden, und daß
mein geistlicher Herr Bruder M jeder Minuten, wann
er Nut Will, eine erste HyMhek d'rauf eintragcn lassen
kann?"
Der Vorsteher zuckle zusammen, wie von einem Pcit-
schenschlag getroffen.
Die Bäuerin wachte eine beschwichtigende Gcbcrde.
„Brauchst Äicht zu fürchten, daß ein fremder Mensch
'was davon erfährt," fuhr sie fort; „Dein Stolz soll nicht
drunter zu leiden haben, 's ist nur, daß Du merkst, wie
wir zu einander stehen, und daß ich von heut' an anders
aufdam'*). Bon heut' an nehm ich mich um mein Kind
au, weil ich die Mutter bin, und weil ich's dem Vater
allein, der so nebcndraus**) ist, daß er auf die Leut'
schießt und nur durch Gottcsbarmherzigkcit vor dem aller-
größten Verbrechen bewahrt 'blieben ist, nimmermehr an-
vertrau'. Ein Vater, der seine Tochter lieber als Leich'
sehen will, als daß er seinen Hochmut bändigen thät,
^verdient den Vatcrnamcn nicht. Drum hab' ich meine
Rosl, an der ich g'wiß auch soviel Teil hab' wie Du,
nach Hirschau g'schickt, damit der Hochwürden HcrrBcnc-
fiziat Rat und Hilfe bringt in derer Wirnis und Drangsal.
Und den Schmied Fedcrspiel hab' ich ihr zum Reise-
kameraden mit'gcben, weil ich ihn für einen braven und
ehrlichen Menschen halt', der nicht auf d' Leut schießt und

ff Auftrete.
*ff Verwirrten Sinnes, verrückt.

deswegen auch nicht zu fürch'M braucht, daß ihn heut oder
morgen die Schandarm abholcn. — So, jetzt weißt, wo
die Rosl und der Schstsied sind, und wcnn's Dir nicht
recht ist, dann mach's anderst! Daun spann halt das
Wagcrl ein und M's ab in Hirschau! Ich denk' aber
fast, Du wirst's bleiben lassen, meinem geistlichen Herrn
Bruder unter die Augen zu treten."
20. ,
Während die Bäuerin dem Vorsteher derart die Leviten
las, was zur Folge hatte, daß der an eine solche Sprache
und Zungenfertigkeit seines Weibes nicht gewöhnte Mann
verblüfft den Mund aufsperrtc und kaum ein Wort der
Erwiderung fand, — wurde auch im Studirzimmcr des
Hirschauer Herrn Bcncfiziaten ein sehr ernsthaftes und
wichtiges Gespräch geführt.
Dort saßen die Rosl und der Schmied, beide mit
Feiertagskleidern augethan, jedes in höchster Verlegenheit
auf der äußersten Ecke eines Holzstuhls, den sic aus Respekt
vor dem geistlichen Herrn nicht ganz zu benützen wagten,
und warteten geduldig auf die Antwort, die ihren Eröff-
nungen zuteil werden würde.
Was die jungen Leute dem würdigen Herrn eröffnet
hatten, werde ich wohl nicht wörtlich wiederzugeben brau-
chen. Sie hatten ihm erzählt, wie sie im Walde mit-
einander bekannt geworden, wie die Liebe sich in ihre
Herzen stahl, und wie sic gegenseitig den Schwur der
Treue tauschten. Dann hatten sie dargelegt, auf welche
Hindernisse ihre Liebe gestoßen war, weil der Schmied die


174

Mmrtag, M. Irür 1900

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9. Juli,

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Schneider.

E. Geisendii'
wg.

Inserntenblntt
für «Keiöewerg und Wrngegenö

die kläglichen Schwächca.iwandlungcu, von denen Amerika
und England in den letzten Tagen, in begreiflichem Ge-
denken an die Verhältnisse auf den Philippinen bczw. Süd-
afrika, erfaßt waren, wesentlich zu der Stimmung bcigc-
tragen haben, aus der heraus der Kaiser seine scharfen
Worte sprach. Denn darüber kann doch nirgends ein
Zweifel bestehen, daß Deutschland, den man in solch wahn
witzig frecher Weise seitens Chinas zu begegnen wagte ab-
solut keinen Grund hat, seine pflichtgemäßen Maßnahmen
zum Schutze seines gefährdeten Ansehens nach dem jewei-
ligen Schwächcgcfühl anderer Staaten zu modifizieren!
Wir haben den Chinesen zunächst mit den denkbar schärfsten
Mitteln klar zu machen, daß die Macht des Deutschen
Reiches nicht an seine enge Grenze gebunden ist und daß
nirgends auf der Welt, wo cs auch immer sei, den Deutschen
Hohn gesprochen werden darf! daß dabei ganz andere
Saiten aufgezogen werden müssen, als in einem europäischen
Kriege, und zwar nach Maßgabe der speziell asiatischen
Anschauung ist selbstverständlich!
Wir freuen uns, daß Kaiser Wilhelm in unzwei-
deutiger Weise kundgcgcbcu hat, was frivole Schänder der
deutschen Ehre von uns zu erwarten haben. Das wird
auch recht heilsame Nebenwirkungen bei gewissen anderen
Leuten haben, die uns Deutsche auch heute noch nicht so
recht als wirkliche Großmacht zu Wasser und zu Lande
anschcn möchten! Bei uns in Deutschland kann, Gott sei
Dank, noch einkernig ehrlich Wort gesprochen werden, das
von der Gesamtheit des Volkes aus einem natürlichen und
gesunden Empfinden heraus auch richtig verstanden und ge-
würdigt wird.

Deutsches Reich.
Berlin, 28. Juli. Der amtlichen „Berliner Korrcsp."
zufolge ordnete der evangelische Obcrkirchcnrat mit aller-
höchster Ermächtigung an, daß in das allgemeine
Kirchcngcbct eine Fürbitte eingeschaltet werde für die
Hinterbliebenen der in China ums Leben Gekommenen,
für die dort verfolgten Christen und Missionare und für
die uachentsandtcn Truppen.
Berlin, 27. Juli. - Der Generalfcldmarschall Graf
Leonhard Blumenthal wird heute sein 90. Lebensjahr
vollenden. Der greise Herr erfreut sich ungetrübter geistiger
Frische. Er wird seinen Geburtstag im engsten Familien-
Krcisc bei seinem Schwiegersöhne Generalleutnant z. D.,
Ritter und Edler v. Octingcr, in Quellendorf bei Köthen
verleben; seine Tochter, die verwitwete Frau v. Möllen-
dorff-Krampfcr, wird dort bei ihm wcilcll.
Helgoland, 28. Juli. Die kaiserliche Nacht „Hohcn-
zollcru" mit dem Kaiserpaarc an Bord ging 4 Nhr früh

" rrsrrev

und.
den 28. Jul's
r im Bereis
Pelz)
Kneipe
anden an '
rneipwart^/

Die Wirren in China.
London, 28. Juli. Die Ansprache des deut-
schen Kaisers an die für China bestimmten Truppen
findet hier durchweg im Publikum zustimmende Auf-
nahme. Die Presse beurteilt sie zurückhaltend, aber doch
mit beifälliger Erwähnung, nur im „Daily Graphic" er
hebt sich eine bekannte für uns häufig säuerlich kritische
Stimme, die die Vereinigten Staaten auf Kosten des
Kaisers lobt, mehr Nüchternheit empfiehlt und erklärt, die
Mächte würden zwischen den Schuldigen und Unschuldigen
unterscheiden. Unter dein Hinweis auf Mohamcdaucr und
Japaner mahnt das Blatt schließlich, die Religion aus
dem Spiele zu lassen.
Hongkong, 27. Juli. Der Führer eines chinesichcn
Transportdampfers, der in Canton Kohlen cinnimmt,
erklärte, er fahre unverzüglich nach Shanghai, um Li
H'UUg-Tschang zu holen- Ist Canton sind überall
Plakate angeschlagen, in denen die Bevölkerung auf-
gefordert wird, sich zu erheben, die chinesischen Beamten

lmuilunsi
rüg: , War
. 2. QuaE lass,. '

Mög^ uns die Engländer mit ihrem pharisäischen
brühe lassen!
Hc^ gras, l 'chaUt bald eine gllichc Tonart von jenseits

Abstand zu nehmen!
UK.Ruhe"lassen!'". "
° nyaui vmo eine gum;c ^onarr von iciycns
? die Wassers herüber. Dann wird cs Zeit sein,
- gä'ngc ö" erinnern, die mit der systematischen
der Indianer in Verbindung stehen.
festen Ucberzcugung, daß aH'ädc auch >

uden ersu^
zu erschcE
r VorflanZ ...

amen
neu .
> ^.Elhafkcn heuchlerischen Phrasen zu knüpfen, so
dir Engländer uns einmal die Frage lieantwortcn,
» l'e jemals noch, geschweige denn in
elchen Kämpfen mit Eingeborenen, Gc-
M. gemacht und Pardon gc g eben ha ben?
:ten nach siegreicher Schlacht Massenmorde
tstraße I37>k-. »er, ^ncn die Menschheit schaudert; so noch
Gemeinde-Nach Besiegung des Mahdi, so vor einigen
»ste. Ii, , b als sic die Völkerschaft der Matcbclc gründlich
"na' . öcklfchoi" ctc n. Auch inuß hier an die Dum-Dum-
Wy, erinnert werden und au die Art und Weise, wie
0 Uhr: ihre Anwendung gerechtfertigt: daß cs sich im
„Mb Mit barbarischen Völkern nicht darum handeln
adlpsi stg' ^n Gegner für den Augenblick, sondern
wre" Kandi^^tx " k amPf u »fähig zu machen! Ganz Europa
gas Schärfste protestiere», ehe sich England
wsdienst. .'ffz in seinem Raubkrieg gegen dasKul-
usikalisch-litw i, I t b^. Puren von der Anwendung der Dum-

unter dem Salut der Stationsbattcrie vor der Düne vor
Anker.
Oesterreich-Ungarn.
Pest, 28. Juli. Die Judcnauswanderungen
aus Rumänien find in's Stocken geraten, weil die Re-
gierung Cauadas die weitere Ausschiffung rumänischer Juden
untersagte. Ueber tausend Juden, die sich gegenwärtig
auf der Reise nach Canada unter strenger Polizeibewachung
in Pest befinden und die zum Teil schon bis nach Wien
gelangt waren, von dort aber hierher zurückgesandt wurden,
müssen nun au die rumänische Grenze abgcschoben werden.
Die Auswanderer gebärden sich hierüber ganz verzweifelt,
einige haben Selbstmord versucht.
Griechenland.
Athen, 28. Juli. Die griechische Presse meldet: Der
Sultan sandte Mazim Bey nach Saums, um einen Streit
aufzuklärcn, der zwischen dem Fürsten und den Sa-
mte rn ausgebrochcu ist. Der Fürst behauptet, cs bestehe
eine Verschwörung, um einen griechischen Prinzen zum
Fürsten zu machen.
A in erik a.
New-Orleans, 27. Juli. Der Neger, der die
Krawalle verursacht hat, wurde gezwungen, das
Haus, in das er sich geflüchtet hatte, zu verlassen. Er-
würbe erschossen, nachdem er st Gegner getötet, 4 tödtlich
verletzt hatte. Heute Vormittag wurden von der Menge
eine Schule in der Ncgerstadt und stO Negcrhütten nieder
gebrannt.

Schmied von Pirk.
nft. ' "'-Mutig Kus der Qbcrpfalz von Ios. B aierlcin.
o- Juck, , jNachdruck verboten.)
t mit sire . (Fortsetzung.)
)r. Stubenv^stKr,. ZvrncSadcr auf des Vorstehers Stirn schwoll
"iakoniffetst "'Wal mächtig au.
. k- brach er plötzlich los, „Du hast sö 'was
block 47. 'r sxH'wcr meinem Rucken? Und getraust Dip noch,
Glicht hinein cinz gestehn?"
- P a !ftys^ ffy !chicn, als ob das Poltern Md Schreien des
w. Je "sichen Mannes auf die bisher so dcmüthigc und
stbclstunde " plötzlich allen Einfluß verloren hätte. Sic
s- s „"w hoch auf, schaute dem Vorsteher fest in die
ftibUsllmde begann dann langsam, jedoch in einem Tone,
itler ^hngcr noch niemals aus seines Weibes Mund
ch im :
ff' .„.ff ihj^. einmal Bauer! Du möchtest gern wissen, ob
hr: LEWS Mrau', Dir in's G'sicht 'nein zu g'stch'n, daß
stbelstunde.^,.-" wdcl mit dem Schmied nach Hirschau g'schickt
c llirckr- "8 s"' 'ch hab's 'than und lhät's wieder, wcnn's
> M. I " sollt'. Und in Dein G'sicht 'nein sag' ich
Trinitatis, ' r> ^os anderes, jetzt gleich zu dieser Stund'! —
o r longc Jahr' her ein braves und untcr-
ckhr: Lcseg Weib g'wcscn, ich hab' Dir gehorsamt in allem
> ^ 8'wurrt; ich hab' g'schluckt und 'nuntcrg'würgt,
' auch an'than hast in Deinem Jähzorn. Ich
H iNxj^ ""ch niemal's vorg'schmisseu, daß Du eigentlich
. " ' Geld 'worden bist, was Du bist! Oder hast

dpi-R-eF w kraftvollen Worte, mit denen der deutsche Kaiser
' -kdchsst erste Abteilung des nach China ausreisenden

-_
^Effchcmr täglich mit Ausnahme der Sonn- n. Feiertage,
zffs Beilagen das „Heidelberger Bolksblakt" und das
1'Mge „JUusiriertc Sonntagsblatt". Preis Pjg ,
w» den Beiblättern Pfg. monatlich. Durch die
Peü vicrteliäbrkich !><> Pfg- obne Bestellgeld.

G —. - -.—.-
Anzeigen: die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Pfg. Lokale Geschäfts- und Privat-Anzeigcn be-
deutend ermäßigt. Reklamen 30 Pfg. Für Auf-
nahme von Anzeigen an bestimmten Tagen wird nicht
garantiert. Gratisverbreitung durch Säulenanschlag. .
o-----o

.Kein Pardon!
kraftvollen Worte, mit bene» der deutsche Kaiser

ff"ouSkorps verabschiedete, habe» nicht nur in Dcutsch-
- '^bst, sondern nach Lage der Dinge, wie zu crwar-
"'eit über dessen Grenzen hinaus das größte
b'.iop^ Wenige stimmen nnscrm Kaiser bcdin-
slciss o«, viele wissen zu mäkeln und zu tadeln, die
hüllen sich in ein beredtes Schweigen oder bc-
' Richtigkeit der Wiedergabe der kaiserlichen An-
erLetzteres ist nach der offiziellen Ausgabe
tjiglffsbe durch das Wolff'schc Dcpcschcnburcau nicht mehr
'w- Es lag also in der Absicht des kaiserlichen Rcd-
s und der deutschen Diplomatie, daß diese neue
i w Wendung gegen China in aller Welt
cisst-'w werde, um Zeugnis abzulcgcn dafür, daß das
Jchl fcni von jeglicher Schwächcanwandluug,
lylj^wuüt ist, sich dnrch die verlogene chinesische Divio
, ^uschiu, wsscn und scst entschlossen ist, mit den
' 'w Mitteln das gekränkte Recht und die wüsten
' »u sühnen.
'ft einzelne englische Blätter sich bereits der Kaiscr-
lfti^ ^wächügi haben, um daran die jenseits des Kmmls
 
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