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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 241 - Nr. 250 (16. Oktober - 26. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44272#0407

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L7. Iichrgaug

Freitag, 28. Oktober 1980


TksWtSßklt: Wrlk Unkttßrrßt v.

-kslhistSßkßk: LZtttk 17.

eiöelbergkr Anrnger


ss-Aitikel,
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InkWt
aste rr.

Niemals hatte diese einen der Briese beantwortet, die
Gertrud gegen den ausdrücklichen Wunsch der Tante an
sic gerichtet hatte. Nur durch den Pfarrer hatte sic er-
fahren, daß Fräulein Meynert kränklich, aber leider doch
verschlossener und unzugänglicher geworden sei als früher.
Gertrud konnte sich denken, daß der milde gütige Pfarrer
Ditzius die Sachlage gewiß noch beschönigt haben werde,
und daß sic sich von dcr Tante keines freundlichen Will-
kommens zu versehen haben würde.
Sie klopfte an, aber niemand rics herein. Da klingtc
sic die Thür auf und schritt durch die wohlbekannten
Räume, durch den Hof, bis in den kleinen Garten. Wie
einsam und totenstill alles war; nichts regte, nichts be-
wegte sich, als wäre das ganze Haus ausgcftorbcn, und
als hätte der Tod sein düsteres Siegel auf das Doktor-
haus gedrückt. Die Ställe standen offen, sie waren leer;
aber dcr Hof und jeder Raum war wie sonst peinlich
sauber und ordentlich. Besorgte die Tante dies alles selbst?
Da saß sic an dem Tischchen in der Laube, wo sic beide
so oft zusammen gearbeitet hatten. Tief bückte sich die
hohe Gestalt über den Stickrahmen, und leise knirschend
glitt die Nadel durch den schweren Seidenstoff. Alles
war ganz so wie sonst. Träumte sic denn, daß sic von
hier als die Frau des armen Malers Kronau fortgc-
zogcn, und daß ein seltsames Schicksal sie, die arme
Stickerin, zur Gräfin Landskrvn, zur Angehörigen einer
der reichsten und vornehmsten Adelsgcschlcchtcr des Landes
gemacht hatte?
Die Arbeitende schien Gertruds Kommen nicht gehört

edlen.
cr Vorstand

London, 25. Okt. Die Abendblätter melden aus
Shanghai: Die Zollbehörden haben den Plan, die Zah-
lung dcr E nts chädi gungen scitms China an die Mächte
betreffend, ausgcarbcilet; danach sollen die Seezölle auf

ieteri
aye Nr. L5S,
> Tchneidcr-
Tchneidcr

Lllv!
s Abend pr

Der südafrikanische Krieg.
Klcnka, 25. Dkl. Das Rcutersche Bureau meldet
von vorgestern: Die Streitmacht Fr euch rückte gegen
Heidelberg vor und hatte täglich Scharmützel zu be-
stehen. OberstHauc mit dcr Zcomanry nahm 35 Buren
gefangen und erbeutete viel Vieh. General Paget machte
in 3 Tagen 65 Gefangene.
London, 2.5. Okt. Wie das Kricgsamt mittcilt,
hofft Lord Roberts etwa am l5. November Südafrika
zu verlassen.

Vermischte Nachrichten.
Mannheim, 24. Okt. jZeirungsaufschlag.s Sechs
der verbreitetsten hiesigen Zeitmigcu bringen an dcr Spitze
ihrer Blätter einen gemeinsamen Appell an ihre Leser und
Inserenten, in welchem sie die Notwendigkeit der Erhöhung
dcr Abonnements- wie dcr Inseratenpreise darlegen und
soll diese gemeinschaftliche Preiserhöhung von: k. Nov. ab
in Kraft treten.
L.x. Bruchsal, 25. Ott. sEin schöner Beweis)
für die Leistungsfähigkeit der hiesigen Viehhandlung von
Gcbr. Bcis sing er ist es, daß dieselbe in voriger Woche
bereits zum drittenmal einen größeren Transport von
Kühen Sinucnthalcr Rasse nach Amerika befördert hat.
Derselbe ist für eine große Brauerei in Philadelphia be-
stimmt.
Freiburg, 24. Ott. sZum angeblichen Mord.)
Die „Bad. Presse" schreibt: Nicht ohne Grund machten
wir unserer gestrigen Mitteilung über einen an der Frau
des Instrumentenmachers Kümcrlc begangenen angeblichen
„Raubmord" ein Fragezeichen. (Auch wir hatten die
Spitzmarke mit Fragezeichen vermerkt. Die Red.) Heute
nach sorgfältig cingczogener Erkundigung stellte sich heraus,
daß die bctr. Frau, welche schon längere Zett an Gehirn-
erweichung erkrankt ist, in einem unbewachten Augenblick
selbst Hand an sich gelegt hat.

ickr Km
a jungen streb-
. gegen sicherste
Gefl. Offen.
Spedition.

Jirseratenblatt
für «KeiöeMerg unö HLrngegenö

10 Prozent erhöht werden und ein weiterer Zuschlag von
5 Prozent, dcr an Stelle der Likinabgaben treten soll, ge-
macht werden. Auf diese Weise würden 50 Millionen
Pfund Sterling aufgebracht werden.
Shanghai, 25. Ott. Die „Times" meldet von
gestern: Admiral S c y m o u r ist gestern hier eingetroffen.
Der Fürst Nchtomsky reiste gestern nach Port Arthur ab.
Die Verbindung mit Peking ist äußerst
schlecht. Briefe erleiden eine Verzögerung von sechs
Wochen. Alle Versuche, die geschäftliche Thätigkcit in
Tientsin wieder aufzunchmcn, scheitern an den Schwierig-
keiten der Leichlervcrhältnissc in Taku.

Anzeigen: die l-fpallme PMzeite oder -wen
IS Pfg. Lokale GeMafts- und Privat-ANMgrn be-
deutend ermässigt. Reklamen 30 Psg. Mr Aus-
nabmc von Anzeigen an bestimmten Tagen wird nicht
garantiert. Gr-attsverdreiNlnp, durch SmcknLuschlag.

zu haben, bis diese rief: „Tante Friederike!" Da fuhr
Fräulein Mcpnert auf.
Wortlos standen Tante und Nichte sich gegenüber, und
Friederike richtete die brennenden, dunklen Augen mit
einem rätselhaften Ausdruck auf das blühende junge Ant-
litz. „Tante Friederike, ja erkennst Du mich denn nicht!?"
fragte Gertrud und näherte sich bewegt ihrer Verwandten,
um sic in ihre Arme zu schließen. Mit einer abwehrenden
Gebärde aber fragte Friederike Meynert in ihrer alten
schroffen Weise: „Wer hat Dich hcreingclasfen?"
„Niemand, Tante, es war offen."
„Dann habe ich leider heute vergessen zuzusperren.
Ich will niemand scheu und Dich am allerwenigsten. Wozu
kamst Du her? Was suchst Du hier?"
Die junge Frau wich bestürzt zurück. „Mein Gott,
Tante, Dich suchte ich, Dich wollte ich sehen. An den
Gräbern meiner Eltern wollte ich beten — ich komme
vom Friedhof!"
Da lachte Friederike Meynert laut auf. „Am Grabe
der Eltern beten!" wiederholte sie schneidend. Wie rührend
das klingt! Damit beruhigt sich wohl Dein gräfliches
Gewissen? Mich wundert, daß nicht die Erde unter Dir
zusnmmcngebrochcn ist, auf dcr Du gekniet hast, daß nicht
die Hand des Vaters sich aus dem Grabe erhoben hat,
um Dich von der Stelle zu weisen, die Du entweihtest . !"
„Um Gottes willenunterbrach Gertrud empört und
erschreckt die alte Frau, welche hoch aufgerichtct vor ihr
stand. Leidenschaftlicher Zorn sprühte aus den tiefliegenden
Augen, leidenschaftlicher Zorn klang schneidend aus jedem

London, 25. Ott. Dcr „Standard" meldet aus
Shanghai: Von gut unterrichrctcn nichttuilitärischcn Kreisen
wird erwartet, daß im Winter von den Chinesen ein
Versuch gemacht werden wird, Peking wieder zu
nehinc n.
Canlon, 25. Okt. „Daily Telegraph" meldet von
vorgestern: Die Aufständischen schlossen Huiksan ein und
eroberten, nachdem sie den kaiserlichen Truppen eine schwere
Niederlage bcigebracht hatten, die große Handelsstadt
Sa mischun. Heute brach ein Ausstand in Namhung
au dcr Grenze von Kwangtung und Kwangsi aus.
Peking, 25. Okt. Das Mosischc Bureau meldet
vom 23. d.: Graf Walder'scc und dcr dcuische Ge-
sandte FrcihcrrMu m m v. Schwarzcnstei n be-
sichtigten heute den ganzen Kniserpalast. Die Besichtigung
fand in Begleitung des Stabes Waldersccs, des Gesandt-
schaftspcrsonals und unter Escortc von zwei Kompagnieen
Sccsoldaicn statt.
Hongkong, 25. Ott. Das Rculcriche Bureau
meldet: Dcr Gouverneur erhielt eine Mitteilung, daß 400
Dorfbewohner aus dcr Nachbarschaft von Samtot-
schau im Distrikt Kweitschin die Rebellen in Pengkok an-
griffen. Die Angreifer verloren 200 Tote, die Rebellen
400 Mann. Späler brannten die Rebellen zwei Dörfer
vollständig nieder. 2000 Soldaten wurden den Dorfbc- j
wohnen: an: 21. zur Hilfe geschickt und stießen am 22.
mir den Rebellen zusammen. Das Resultat dieses Zu-
sammenstoßes ist noch unbekannt. Admiral Ho mit 2000
Mann kehrte nach Hongkong zurück, vorher brannten sic
Tschinschautin und Bialaulau nieder. Er ließ 500 Mann
in Pttigtschau zurück und beabsichtigt augenscheinlich keinen
weiteren Vorstoß, da die Rebellen'sich aus seinem Amts-
bereiche zurückgezogen haben. Die Rebellen in der Nach-
barschaft von Tichungfa sind 3000 Mann stark.
Peters b u r g, 25. O tt. Nach einem wegen Störung
dcr Tclcgraphcnlinien verspätet cingctroffencn Telegramm
dcr „Nowojc Wrcinja" aus Wladiwostok vom 21. d. M.
hat der Direktor des orientalischen Instituts gelegentlich
eines Vortrages des russischen Chirurgen Posdncijcw im
Institute die Mitteilung gemacht, dcr Kaiser von China
habe die russische Regierung gebeten, die von Russen er
obcrten Provinzen der Mandschurei, nämlich Figun, Sa-
chalin, Zizikar, Ninguta, Omosso, Gchrin, Mukden und
Jnkou unter ihren Schutz zu nehmen. Die Mitteilung
sei von den Studenten mit begeisterten Hochrufen begrüßt
worden.

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Deutsches Reich.
. X. Baden-Baden, 25. Okr. Heute Abend wird
? Großhcrzog den Fürsten Herbert Bismarck und Ge-
^in empfangen. Zur Abcndtafcl ist außerdem noch
Hessin Amely zu Fürstenberg geladen.
Merlin, 25. Okt. Die „Nordd. Allg. Ztg." berichtet:
^ Meldungen aus Dcutsch-Ostafrika lassen die
^ältuisse im Kilimandscharogcbict noch immer zu wün-
übrig. Die Strafcxpcdilion, welche Hauptmann
^Nucs :m Januar und Februar unternahm, vermochte
die Ruhe dauernd wiedcrherzustcllcn. Im Juli d. I.
Ttt:ahm .Hauptmann Johannes eine neue Expedition,
Ae erfolgreich verlief. Damir nach dem Abzüge der
zsppeu die Ruhe nicht wieder gestört werde, ist die
Endung einer dauernden Militär st ation am Merrr-
° beabsichtigt.
Berlin, 25. Okt. Die Abendblätter melden: Dcr
»iser ließ für den MoltkeSarkophag einen
Origen, rcichvcrgoldctcn Lcrbccrkranz nach Crcisau
M, der die Widmung trägt: „Dem Fcldmarschall
sie» Moltke sein treuer Kaiser Wilhcm II."
Kronberg, 25. Ott. Das Befinden dcrKaiscriu
Jcdrich ist fortgesetzt befriedigend. Die Kaiserin vcr-
täglich kurze Zeit das Bett.
bsskn a. d. R, 25. Okt. Der Kaiser ernannte den
Kommerzienrat Krupp zum Wirklichen Geheimen
Mit dem Prädieat Exccilcnz.
Q e st e r r e i ch - U u g a r «.
i Nien, 25. Okt. Die „Pclit. Corresp." meldet aus
daß das deutsch-englische Abkommen
? Wie in Wien vorher vertraulich mitgcteilt und freudig
^ißk worden sei.

.Trotzdem verlangsamte sich der zuerst schnelle, elastische
Zttk Gertruds, als sie dem Gebäude näher kam, das
Zfft ihr Vaterhaus gewesen. Ein sonderbares Bangen
""ch ihr Herz: „Wie würde die Tante sic empfangen?"

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn u. Feiertage.
?kls Beilagen das „Heidelberger BekksblaU" imd das
tige „JÄrtttEtt Eonrttagsblstt". Preis SS Bf«.,
den BekMttern 38 Psg. manatlich. Durch die
Hgff sikÄeliWMch 90 Wg. ohne BeftÄstM.

Die Wirren in China.
-Berlin, 25. Ott. Das Wölfische Bureau meldet:
japanische Regierung har bei den Mächten den
^«g gestellt, daß seitens dcr Kabinett die Erörterungen
, Vereinbarungen über die schwebenden chinesischen An-
^crrhcilcn den fremden Vertretern in Peking
fragen werden mögen. Die deutsche Regierung hat
' Anträge bereits zugestimmt.
, Baris, 25. Ott. Dcr „Tcmps„ meldet aus Peking
23. Okt.: Züngln ist nach Singaufu abgercift, um
Kaiser aufzufvrdcrn, sämtliche Häuptlinge dcr Boxer
Achten zu lassen. Während des Winters werden längst
. Eisenbahn keine Operationen vorgenommen werden.
? Besetzung der Linie von Paotingfu wurde ohne Kampf
i^geführt. Die Lage im Süden wird bedenklicher.

'r, Schreiner.
»Le»

iohloch Nr. 8„
t.
:n:
>orf NT. 374.

Mhilscn
Bcch,
rühlstraße 7 b.
»ienft
pens. Beamten
r Besuche sich
Ucr L. ,r kM

Wie es endete.
> Roman von Maria Theresia Mav.
sNachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
. Nichts regte sich weil und breit, nur dcr würzige
Ich der Luft strich flüsternd durch die Acste und Zweige;
öcm Walde tönte dcr Schrei eines Raubvogels, und
sctzt sich ein zierlicher Fink auf das Friedhofsgitlcr
schmetterte sein Morgcnlicd weit in die glitzernde
^Nenhcrrlichkeit hinaus. Sonst war alles still um die
weinende Frau. Allmählich versiegten die Thräncn,
nsi: einem tiefen zitternden Seufzer hob Gertrud den
zum blauen Himmel, von dem hell und strahlend
. Eonne herniederleuchtete auf die schöne Welt, die
, Wens hier Frieden atmete. Voll Majestät schauten
^Mächtigen, filberschimmcrndcn Gletscher vom fernen
^ont in das Thal, in ernster Würde erhoben sich die
»ufsteigcndcn Fclscngcbirge, und die ehrwürdigen alten
^Ntannen und Fichten badeten ihre Häupter im Sou-
h sich die junge Frau nach längerer Zeit erhob,
«Otte ihr Auge in stiller, innerer Befriedigung. In
Bex Brust fühlte sic, daß ihr die rechte Antwort gc-
d war.
 
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