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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 261 - Nr. 270 (8. November - 19. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44272#0463

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garantiert. Grakisvcrbreitnng durch Sänlenmischlag.

Das Eisenbahnntrglück bei Offenbach.
Frankfurt a. M., 9. Nov. Zu dem Eisenbahn-
unglück bei Offenbach meldet der „Franks. Gen. Anz.":
Die ilnglücksstelle ist die Strecke zwischen Mühlheim und
Dffcnbach, gerade gegenüber dem Orte Bucrgel, unmittel-
bar vor der Blockstation 11. Das Terrain ist frei und
von allen Seiten die Strecke bcgucm zu übersehen, bei
klarem Wetter. Gestern herrschte dichter Nebel und ver-
zerrte jede Aussicht. Diesem Umstande ist wohl auch das
Scschchcne Unglück in erster Linie zuzuschreiben. Andere
Faktoren mögen dabei mitgewirkt haben, so ist namentlich
das Hallen des V-Zuges auf offener Strecke
doch nicht völlig aufgeklärt. Bei Hellem Wetter hätte das
Unglück nicht passircn können. Die Führer konnten die
Hand nicht vor den Augen sehen. Der Lokomotivführer
Kes ankommenden Personcnzuges konnte auch die Lichter
As vor ihm haltenden V-Zuges nicht gewahr werden.
Thatsächlich sah er erst in dem Moment des Zusammen-
stoßes, daß die Strecke nicht frei war. Ucbcr die Ursache
As Haltens des V-Zuges kursieren verschiedene Gerüchte.
Nach einem soll eine Achse heiß gelaufen sein, nach einem
anderen soll der Führer des V-Zuges bemerkt haben, daß
kr ein Signal überfahren haben. Doch sind das alles
hur Vermutungen. Die Offenbacher Gerichte beschäftigen
sich bereits mit dem Unglück und auch eine spezielle Mi-
diftcrialkommissivn ist hier eingetroffcn, um die Ursache
Kes Unglücks zu crnntkeiln. Heine früh umstand eine
dichrc Menschenmenge den Schauplatz der grausigen Bor
Sänge, welche sich in der letzten Nachr abgespielt. Die
eisernen Gerippe der verbrannten O-Zugwagen waren drand-
Srfchwärzt und angesthmolzen, die dicken Eiseublechplatkcu
der Wände waren verbogen und rot vor Glut und Feuer.
Das Trümmerfeld war von Beamten und Polizei abgc-
iperrt. Unmittelbar 'nach der Katastrophe müssen sich
furchtbare Sc en en abgespielt haben. Ein Augenzeuge,
der Schaffner Harsche aus Berlin, der au Kopf und
Ärust Verwundet wurde, erzählt, er sei gerade im Korridor
des letzten Wagens Kes V-Zuges gewesen, in welchem, weil
ein Nichtraucher- und Fraucnwagcn war, meistens
Damen faßen.
Im hintersten Abteil soll ein junges Ehepaar gesessen
haben, das zu den ersten Opfern zählte. Auf einmal habe
einen furchtbaren Krach vernommen und im selben Augen-
blick einen heftigen Schlag gegen den Kopf erhalten, der
shn betäubte. Dann hätte er nichts mehr gewußt. Als
K wieder erwachte, habe ihn jemand am Arme gefaßt
knd in di« Ohren geschrien., er solle sich retten, der Wagen
Aenuc. Mit Mühe habe er sich aus dem Bereiche der
krümmer geschleppt, in denen es entsetzlich zischte, knatterte,

schrie und jammerte. Aus den Fenstern des Waggons
streckten Frauen die Hände heraus und schrien entsetzlich
um Hilfe. Aber Niemand konnte retten, weil die Hitze
zu groß war und die Trümmer der Wagen ihre unteren
Gliedmaßen cingeguctscht hatten. Sic kamen langsam in
der Hitze und in den Flammen um.
Bald kam die Feuerwehr von Mühlheim, Bucrgel und
Offenbach, deren vereintem Bemühen cs endlich gelang,
des Feuers soweit Herr zu werden, daß man hinzu konnte.
Ein Hauptlehrer aus Mühlheim war einer der ersten,
welcher an die Unglücksstätte eilte. Bei seiner Ankunft
war das Schrecklichste schon vorüber, das furchtbare Schreien
in den brennenden Trümmern war verstummt und die
Opfer zu Asche verbrannt. Er kam gerade hinzu, als die
Dächer beider Wagen einslürztcn und die Feuerwehr mit
ihrer Arbeit begann. Das Militär sperrte den Platz ab,
um Diebstähle w. zu verhindern. An den Aufräumungs-
arbeiten nahmen auch Soldaten teil. Die verkohlten Leichen
wurden auf Bahren nach dem Friedhof verbracht. Auf
dem Friedhof zu Offenbach hatten sich heute Vormittag
eine große Menschenmenge versammelt, doch hatte Niemand
zu dem Leichcnhause Zutritt, in welchen! die Uebcrrcstc der
Getöteten aufgcbahrt werden. Bekohlte Knochen, einge-
brannte Kleidungsstücke, verstümmelte Gliedmaßen waren
die einzigen Reste der Unglücklichen. Es heißt, ein Kauf-
mann aus Mainz habe an einem Stück Kleid die Ueber-
rcste seiner Frau erkannt, doch war Genaues darüber nicht
zu erfahren.
Sonst ist bis zur Stunde noch keine Leiche erkannt.
Meistens werden die Verunglückten Frauen sein, auch soll
sich ein Offizier unter den Verbrannten befinden. Außer-
dem Schaffner Harschc-Bcrlin ist der Schaffner Kock
aus Frankfurt a. M. verletzt. Von den Passagieren haben
die Insassen des zweitletzten V-Zugwagen§ nur leichte
Verletzungen davongctragen, aber sämtliches Gepäck eingc-
bußt. Bon den Verletzten sind bisher bekannt geworden:
Frau Kouunerzienrat Lohe-Berlin, ferner ein Herr
Bernadowitsch aus Rußland und Weiuhändler Marx
aus Frankfurt a. M., der leider recht schwer verletzt ist,
indem er einen Beinbruch und andere Verwundungen er-
litt. Auf dem hiesigen Hauptbahnhofc treffen fortwährend
Angehörige und Bekannte derjenigen ein, die im Zuge ge-
fahren waren und Auskunft begehrten. Ucbcr die Jden-
dität der Leichen kann aber bis zur Stunde nichts gesagt
werden und der wirkliche Zusammenhang des ganzen Un-
glücks steht ebenfalls noch nicht unzweifelhaft fest.
Berlin, 9. Nov. Dem „Rcichsanzeiger" zufolge
reisten anläßlich des Eiscnbahnunfalles bei Offen-
bach der Minister der öffentlichen Arbeiten und der vor-
tragende Rat im Reichseisenbahnamt v. Misani nach der

Unfallstellc ab. Das Unglück entstand, dein „Rcichsanzeiger"
zufolge, dadurch, daß der Blockwürtcr telegraphisch die
Strecke freimcldcte, obwohl der V-Zug noch vor dem Block-
signal hielt.
Frankfurt, 9. Nov. Eiscnbahuministcr v. Thielen
begab sich heute Nachmittag nach der Uuglücksstätte bei
Offenbach. Nach Ansicht der Aerztc würde es sich bei
den gefundenen Leichen nm Uebcrreste von höchstens 5 bis
6 Personen handeln. Genau kann die Zähl noch nicht
angegeben werden. Eine Zusammenstellung der aus-
gegebenen Platzkarten des V-Zuges hat nach der „Frkf.
Ztg." ergeben, daß nur 5—6 Personen fehlen, ebenso die
im Schlafwagen befindliche Aufwartefrau. Eine der ver-
unglückten Personen ist als Frau des Inspektors Wolf
in Mainz ermittelt worden.
* » *
Nach der „Volksstimme" ist der Unglückwagcu ein
Harmonikawagen der Pfälzischen Eisenbahnen mit
der Nummer l756. Das Blatt gibt die nachstehende
Skizze der Gleisanlage bei Block 11:


Personen-Zug


Deutsches Reich.
Karlsruhe, 9. Nov. Der Eiscnbahnr c formver-
cin hielt gestern Abend unter dem Vorsitz des Herrn Ob.
Jng. Delisle eine gutbcsnchte Versammlung ab, in welcher
Herr Prof. Böhtlingk sich gegen die Stellungnahme
des Bad. Landtags in der letzten Session zum Eisenbahu-
büdget nahm. Ucbcr die Petition des Rcformvereins sei
im Landtag zur Tagesordnung hinweggcgangen worden.
Dieser habe nicht einmal das Verlangen gestellt, daß die
Gefahren sofort beseitigt wurden, welche in der von der
Bahnverwaltuug betonten Uebcrlastung durch Lokalzüge auf
den Hauptstrecken liegen und die kürzlich das Heidelberger
Unglück hcrbciführteu. Der Redner streifte die ans der
Petition des Vereins bekannten Forderungen, beschäftigte
sich mit dem Neubau des Karlsruher Bahnhofes und pro-
restirtc gegen eine Eiscnbahngemeinschaft init Preußen.
Weiter wies er auf den Mangel an genügenden Geleisen,

Der Heren stein.
Eine Lüffacl« Erzählung von Ar, Ferd. Tamborinj.
1) Machdruck verboten/!
1.
Meine Muller pflegte eine ihrer vielen Erzählungen,
Ae sic uns Kindern in den Dämmerstunden zum Besten
Ab, mit den Worten einzuleiten:
„Aus meiner Jugendzeit, meine Lieben, schwebt mir
°fk ein Stein vor, der an einem Kreuzwege errichtet war."
, Diese Geschichte von dem „Stein am Kreuzwege"
Arten wir stets gern, schon aus dem einfachen Grunde,
^eil sie sehr lang war und sich aus zwei Abende ver-
teilen ließ.
, Mir geht es nun gerade wie der Mutter: auch ich
Abe im späteren Alter noch oft an diesen „Stein am
Kreuzwege" gedacht und mir im Geiste die Einzelheiten
Ar sonderbaren Geschichte vorgcführt, die ich nunmehr zu
Nutz und Frommen einer späteren Generation nicdergc-
'chriebcn habe.
„ Die Geschichte hat einen recht einfachen Anfang, denn
A führt uns an einen Kreuzweg im Walde, also eine
stelle, an der sich zwei Wege kreuzen. Das ist nichts
Auffallendes und kann oft beobachtet werden; cs ist auch
Lichts besonderes, daß gerade an diesem Kreuzungs-
Ankte ein Stein aufgerichtet war, denn es gicbt solcher
Steine oder auch wohl hie und da Kreuze au Wegen im
Ätschen Lande gar viele. Aber wenn uns solch ein auf-
hrrjchteter Stein am Wege begegnet, so sagen wir uns

auch: Das hat etwas zu bedeuten, das ist ein Mal, ein
Dcnkzeichcn für irgend eine Begebenheit. Ist es ein
Kreuz, so wissen wir, daß vielleicht an dieser Stelle ein
Mensch seinen letzten Atemzug that oder gar hier begraben
wurde. Meist verbindet die Volkssage damit eine kleine
Geschichte, die nicht selten für die Lebenden recht lehr-
reich ist.
Schon viele solcher zerfallenen Steine oder Kreuze
habe ich gesehen, oft so zerfallen und zerstört durch Wind
und Wetter, daß sic die ursprüngliche Gestalt ganz ver-
loren hatten; — und immer mußte ich stehen bleiben bei
einem solchen Mal oder Denkzeichen und mich fragen:
Wer war cs, der hier vergessen von aller Welt eines
vielleicht schnellen Todes starb? Mir siel denn auch stets
die Geschichte der Mutter ein, die ich fast mit jedem dieser
Steine in Verbindung brachte.
Allerdings hatte meine Mutter gesagt, daß der „Stein
am Kreuzwege", der in ihrer Geschichte spielt, ein gar-
seltsamer Stein gewesen wäre: er war hoch, so hoch wie
ein erwachsener Junge von dreizehn Jahren, dabei schwarz-
lich-grau, ganz verwittert, und an der einen Seite zeigte
er Vertiefungen, als habe dereinst an dieser Stelle eine
Inschrift gestanden. Auch der Ort, wo er stand und
vielleicht jetzt noch steht, war sonderbar: dichter Wald um-
gab ihn, der eine Weg war tief in das Erdreich gesenkt,
eine Art Hohlweg, und an den Abhängen wuchs wildes,
undurchdringliches Gestrüpp.
Da ich die Stelle genau kannte - die Mutter hatte
mir die Oertlichkeit genau beschrieben , so habe ich sie

bei meinen Fußwanderungen in späteren Jahren, die ich
durch das schöne Westfalcnland machte, aufgesucht. End-
lich, nach langem Suchen, fand ich den Punkt; aber wie
hatte sich das verändert? Von der nahen Kreisstadt
kommend, führte mich eine schöne Chaussee in das nun-
mehr stark gelichtete Gehölz ; in diesem fand ich bald zwei
Wege, die sich kreuzten, aber sic lagen nicht mehr tief, wie
die Mutter erzählt hatte, sondern ziemlich hoch; gerade
von der Stelle aus, wo noch der Stein steh«, hat mau
eine schöne Aussicht durch die Waldlichtungen auf die
Dörfer und Gärten der Gegend.
Als ich neben diesem alten, grauen, verwitterten Steine
stand, kamen mir allerlei Gedanken: an ihm vorbei führte
der Weg, den meine gute Mutter so oft; ach, so oft! —
zur Schule gemacht hatte. Hier halte sic jeden Tag den
Stein gesehen, und hier hatte sie, die nun auch schon
lange der Rasen deckt, oit beobachtet, wie der Stein mit
frischen Blumen geschmückt war. Ja, noch mehr: wenn
sie oft des Abends den Weg zu machen hatte, um im
Dorfe Einkäufe zu besorgen, so saß oft neben dem Stein
ein altes Mütterchen, die Hände gefaltet, betete cs in-
brünstig. Dies alte Mütterchen war keine Bettlerin, —
nein, die Frau war zwar einfach, aber sehr sauber gc-
Ileidet und sie nahm keine Gabe, wenngleich der eine oder;
andere, der sic nicht kannte, ihr eine solche bot.
Betete sie für einen ihrer Angehörigen, der vielleicht
au dieser Stelle begraben wurde? Oder flehte sic vielleicht
selbst um Vergebung einer schweren Sünde, die sie einst
begangen?
 
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