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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 150 - Nr. 160 (2. Juli - 13. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44272#0045

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lttlg.
-Rock u. Bll

S7. Jahrgang. .
8'Il-WßiIr Ililiik Inlichch II.

Freitag, 13. Juli 1300.
GksihSfiHklle: llvim AMstich 17^

Frmrm'^' ^o.
pagnic.
.5. Juli frübl
ung.
aock, Mütze. I
Lcr HauvtN
Kiittim
pagnic.

Kuiccs vcrgcsscu machen: denn er stand fest ans den Füßen
und hinkte nickst iin geringsten. Dagegen gcricth seine
Trimme, die vordem so barsch und protzig geklungen, in
ein cigcnchümlichcs Zittern, als er begann: „Bitt' um
Verzeih', Herr Sergeant, bitt' um Verzeih; hab' Ihnen
wahrhaftig nicht 'kennt. Wisscn's - das rußige G'sicht
und — und das Schurzfell - und die lange Zeit —
sonst nun ja — Und wer hält' denken können,
daß ich hier gerade dem Herrn Sergeanten Fcderspiel ans
dem Chaiscrl 'raus zu Füßen fallen muß?"
Der Bursch versuchte ein Gelächter aufzuschlagcn; es
fiel aber so hölzern und gezwungen aus, daß er den
Versuch sofort wieder aufgab.
„Herr Sergeant!" fuhr er deshalb fort, „ich bitt'
Sic um ein paar Wort' im Vertrauen - unter vier
Augen. Können Sie den anderen Schmied nicht auf kurze
Zeit wcgschickcu? Oder ist er der Meister? Dann-"
„Der Meister bin schon ich, und wenn Du so 'was
Wichtiges und Geheimes mit mir zu bereden hast, will ich
Dich halt verhören, weil Du jetzt höflich bist und re-
dest wie ein Halbwegs vernünftiger Mensch. Mit Grob-
heiten und Großthun hättest Du aber nichts ausg'richt bei
mir; das merk' Dir! Anton!" richtete der Schmied hier-
auf das Wort an den Gesellen, „schau Dich ein wenig
um das Rad um und sich' nach, ob an dem Chaiscrl
nichts locker g'worden ist. Nachdem der Herr da andere
Manieren ang'uommcn hat, wollen wir ihn nicht ohne
Hilf' lassen, umsoweniger, als die Such' in unser Hand-
werk cinschlägt."

Als der Geselle wcggctrctcn war, um den Auftrag des
Meisters auszuführcn, wandte sich der letztere wieder dem
fremden Bauer zu.
„So", sagte er, indem er voranschritt, „komm' herein
in die Stuben! Jetzt sind wir allein und jetzund kannst
mir offerieren,*) was kein anderer Mensch hören soll."
Der Bursch stand dem Schmied in größter Verlegen-
heit gegenüber; er hatte den runden Filzhut vom Kopf
gezogen und drehte ihn mechanisch zwischen den Fingern.
Seine Augcu flogen unstät durch alle Ecken und Winkel
des kleinen Wohnraums, suchten aber schnell den Boden,
als sie auf die fragenden Blicke des Schmieds trafen, der
seine Eröffnungen erwartete. Ersichtlich fiel cs dem jungen
Bauern schwer, die rechten Worte zu finden. Endlich Hub
er mit einem tiefen Seufzer zu reden an: „Herr Ser-
geant - ", sagte er.
„Heiße mich einfach: Fedcrspiel!" unterbrach ihn der
Schmied. „Wenn ich mich vorhin selbst Sergeant nannte,
so gcschah's, nm Dir zu zeigen, woher ich Dich gleich
wicdcrerkaunt hab', nämlich au Deiner hcrstümmclten Hand.
Jetzund aber bin ich Dein Vorgesetzter nicht mehr, und
ich sag' Gottlob, daß ich's nicht bin. Denn Du hast da-
mals mir und dem ganzen Zug, dcu ich kommandirt hab'.
Schänd und Acrgcr genug gemacht."
Der Bursch schien, als er diese Worte hörte, einen
Erstickungsanfall zu bekommen. Sein Gesicht wurde puter-
roth, und als er, gleichsam um sich Luft zu verschaffen.

*) Im Dialekt so viel wie „offenbaren".


e Wohnung

v—_
Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Feiertage.
Als Beilagen das „Heidelberger Bolksblatt" und das
heilige „Illustrierte Sonntagsblatt". Preis 25 Pfg-,
mit den Beiblättern 36 Pfg. monatlich. Durch die
,. Post vierteljährlich 00 Pjg. ohne Bestellgeld.

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ug'uach Mndschrcilml au dit BttudtsregimuMN.
or. Um zahl " krtlN, l-.
Der Turn'', Hw „Nordd. Allg. Zlg." meldet: Ltaarsickrctar Grar
saliouerl ' i 1 °w richtete an die Bundesregierungen ein vom
' " datiertes Rundschreiben, in dem cs heißt: Die
Vorgänge in China zogen wie überall in zivili-
Sonniag, de^Uf» Ländern, io auch in Deutschland in hohem Maße
teu z. Eintrag fff öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Die deutsche Nation
Ulk AlUl^ ) öurch die Ermordung des kaiserlichen Gesandten in Peking
cre Mitglieder!'^""öcrs in Mitleidenschaft gezogen worden. Die erste
Der Porstick sstUllicku Nachricht von einer aufrührerischen Bewegung in
Provinz Tschili stammt von Mitte Januar. Zunächst
jetzt au der Bewegung von den Vertretern der Mächte eine
, s nucre Bedeutung nicht bcigcmesscn. Die Gesandten
GwEci, ch dieser Ausfassung der Sachlage dadurch bestärkt,
... "o" den chinesischen geheimen Gesellschaften vom
ÜUrMMP s wßcn Messer und der Roten Faust im vergangenen Jahre
idermachcr. ^r Provinz Schnittling verursachten Unruhen durch das
IWWWMWM cm^ffchc Einschreiten des kaiserlichen Gouverneurs von
"und des Gencralgouvcrncurs der Provinz
Kunöo' h, "ll'chi Kai bewältigt werden konnten. Für den deutschen
» L* H-Hwr kam hinzu, daß in der Provinz Tschili außerhalb
Tientsin und Peking, die damals noch für ungefährdet
spezifisch deutsche Interessen von nennenswertem
ö" nicht direkt bedroht waren. Gleichwohl sahen sich
' °e diplomatischen Vertreter in Peking bereits nm 27. Jan.
!t bei der chinesischen Regierung Vorstellungen zu
, t Der deutsche, französische, englische und amerika
.ttlusi'cku Vertreter, denen sich später der italienische anschloß,
f 7»nn>'tl!! h ^"'kcn durch gleichlautende 'Noten die chinesische Regierung
Sekten von der Roten Faust und dem Großen
srösirre M -wffer durch Edikt als staatsgcfährlich und frcmdcnscindlich
ualiküteu ^jcichncn und ihre Mitglieder für dem Gesetz verfallen
efetzk, die' jB, "^'P'eu. Das Tsung-li-Bamcn ließ erst nach langen
siwis'alinech^ eine Veröffentlichung des Edikts erfolgen.
' c, ^w' unheilvolle Wirkung des offenbaren Mangels au
. Willen und der Lässigkeit der Pekinger Ccntralrc
brr Wischräsi'a.?"^ blieb nicht aus. Das endlich ergangene Edikt
rdcckcn, toaHH, " ^"ucn sichtbaren Erfolg. Die aufrührerische Be
i. Ferner l.., nahm immer größere Dimensionen au von allgc
' " wcindcnscindlichcm Charakter. Die Vertreter dcr-
i'chbrntt Da^wäffo? die Kriegsschiffe in den chinesischen Gc
die hatten, beantragten nunmehr bei ihren Regierungen
führe ich iZm Fh'h^ung lwn 'MarincdclachcmcntS von 00 Mann
brro Fabriken ^utzc der Gesandtschaften und der Schutzbefohlenen.
^^'7 Rundschreiben schildert dann die Enlsatzvcrsuchc und
ÜMIÜki jGigc Lage wie folgt: die militärische Lage hat
i HauptstraA,i>^ anscheinend dahin gestaltet, daß die Chinesen den
iche '^nerknnal bei Tientsin durchstachen, um den Anmarsch
ocizcr.JuN- Der Schmied von Pirk,
nurrc , Erzählung aus der S bcrpfalz von Jos. B aierlein.
chgemäß u. bib sNachdruck verboten.)
kcl, Lcipzis-, (Fortsetzung.)
des der Laudig.. aber besann sich der Bauer, daß er nicht allein
iges EintrA,. ' sondern daß die Scene Zuschauer hatte. Scheu blickte
wim. sich. Hatten der Knecht und der Unterhändler
Fcderspiel gesprochen?
doch nichts denn die beiden kehrten ihm den
E^MM^uckcu z». Der Knecht hatte seinen Sitz auf dem Bock ver-
ttokr^en ' sind machte sich mit den Pferden zu lhnn, der Koni
isarbeit safock^ °nar plauderte mit ihm. Drum wandte sich Verjünge
^-Urz entschlossen an den Kutscher und herrschte ihm
, , die Gäul' aus, Jackl, und bring' sic in einen
. Es muß ja in dem Dorf wohl ein Wirthshaus
muffigen 'siecht doch ein Kirchen d'rin. Und Sic, Herr Kom-
Umereffraßo . . '' ffchn'u auch cinstwcilcu mit und warten auf mich
och. i, Ich komm' nach, sobald ich die Chaisen hab'
guter Krchwah. Hetzen lassen. Wir haben da vor einer Schmieden
dauptffraßc Ä^. . lk Ku, und wenn cs etwas 'brochcu sein sollt', so
roßmantelg.^' 2 gleich rcparirt werden. Also, mach'vorwärts, Jackl,
NLklkN Köm ^°sscr an Ort und Stell' kämmen! Der Herr
' si'N'ari wird nicht allzu laug warten müssen auf mich!"
a, abgcscblone^ K'wchr die Pferde losgcspamtt und
H Begleitung des Unterhändlers eine Strecke weit von
" ' " ' , stelle des Unfalls wcggctricbcn, da trat der junge
h"üig auf dcu schmied zu. Die Erregung des
'gcnblicks mußte ihm die Schmerzen seines verletzten

Inscvntent'lntt
M Keiöewerg unö Hlnrgegenö.

Anzeigen: die I spaltigc Pctitzcile oder deren Raum
15 Pfg. Lokale Geschäfts- und Privat-Anzcigcn be-
deutend ermäßigt. Reklamen 30 Pfg. Für Auf-
nahme von Anzeigen an bestimmten Tagen wird nicht
garantiert. Gratisverbreitunq durch Säulcnanschlag.
0-------'-——S

auf Peking von Süden her durch Uebcrschwcmmung zu
hindern und daß sicTientnn selbst von Norden und Osten
durch große andringcndc feindliche Hccrcsmasscn ernstlich
bedrohten. Das Schreiben verbreitet sich dann über die von
der deutschen und anderen Regierungen getroffenen Maß-
nahmen und bemerkt, die von Deutschland auszuscndcndc,
aus Freiwilligen zu bildende Brigade wird aus 8 Ba-
taillonen Infanterie, 3 Schwadronen Kavallerie, 4 Batte-
riccu Fcldartnlcric und den erforderlichen Spezialwaffen,
Musikkorps und Train bestehen. Mehrere militärischen
Maßnahmen sollen uns in Stand setzen, an der von allen
Mächten für notwendig erachteten militärischen Aktion in
China in einer der politischen Bedeutung Deutschlands an-
gemessenen Weise tcilznnchmcn.
Durch die Vorgänge in China wird der erfolgreiche
deutsche Missionszwcck, der blühende deutsche Handel und
in Schantung im Entstehen begriffene große deutsche wirth-
schastlichc Unternehmungen gleichmäßig bedroht. Diese ide-
alen und materiellen Interessen müssen wir mit allem
Nachdruck schützen. Unser Ziel ist Wiederherstellung der
Sicherheit von Person und Eigentum und die Thätigkcit
der Rcichsangchörigcn in China und die Rettung der in
Peking cingeschlossencu Fremden, Wiederherstellung und
Sicherung geordneter Zustande unter einer geordneten
chinesischen Regierung und Sühne und Gcuugthuung für
die verübten Unthatcn. Wir wünschen keine Auftheilung
Chinas; wir erstreben keine Sondcrvorthcile. Die kaiser-
liche Regierung ist von der Ucberzcuguug durchdrungen,
daß die Aufrechterhaltung des Einverständnisses unter den
Mächten die Vorbedingung für die Wiederherstellung der
Ordnung und des Friedens in China ist und wird sicher-
lich in ihrer Politik Viesen Gesichtspunkten auch ferner au
erster Stelle Rechnung tragen. Zum Schluß heißt es:
Vorstehend dargclcgtc Gesichtspunkte haben die volle Zn
stimmung dcS Bundcsrntsansschnsscs für auswärtige An-
gelegenheiten gefunden.


Bergen, l 2. Juli. Gegen 10 Uhr traf unter donnern-
den Salutschüssen das norwegische Panzergcschwadcr
hier ein und fuhr an der „Hoh cnzo l lcru" vorbei, aus
der Kaiser Wilhelm stand, nm dann vor Anker zu
gehen. Das Geschwader besteht ans drei Panzerschiffen
und einem Kreuzer und wird vom Vizeadmiral Kroct
befehligt. Dieser machte, nachdem das Geschwader vor
Anker gegangen, dem deutschen Kaiser seine Aufwartung.
Bergen, 12. Juli. Der Kaiser erledigte heule Vor-
mittag Rcgicrungsgcschäfte mit den Kabinctsvertretcrn und
besuchte dann das norwegische Panzcrqeschwadcr. Das

Essen wurde beim deutschen Konsul eingenommen. Das
Wetter ist schön.
Türkei.
Konstantinopel, 12. Juli. Nach einer aus der Haupt
stadt von Cypcru, Levkosia, im Jildispalaste eingelau-
fcucn Nachricht ist dort eine aufrührerische Bewe-
gung gegen die Engländer ausgetreten. Die Königin
von England sei hiervon verständigt und es sei ihr nahc-
gclcgt worden, sich an den Sultan zu wenden. Einige
Mitglieder der Rcvolutionspartci sind verhaftet worden;
sodann war die Ruhe wieder hcrgcstcllt. Doch fürchtet
man, daß die Unruhen aufs neue auSbrcchcu werden, wenn
nicht entsprechende Anordnungen getroffen werden. In
hiesigen englischen Kreisen ist von einer derartigen Be-
wegung nichts bekannt.

Tie Wirren in China.
Karlsruhe, 11. Jnli. Dem Anfang August ab-
gehenden Transport des Expeditionskorps nach O st-
asicn wird ein starkes Kommando von Offizieren, Be-
amten und'Mannschaften vorangchcn, um die Ausschiffung,
die erste Unterbringung und Verpflegung, sowie die Ab-
nahme der angetansten Pferde vorzubercitcn. Zum Führer
dieses Kommandos ist der zum Gcncralslab des 14tcn
Armeekorps gehörende Major v. Falk en Hayn bestimmt,
der nach früherer mehrjähriger Verwendung als Militär-
iustrnklcnr in China und beim Kommando in Kiaulschou
die Kenntnis der Orksvcrhältnissc und Sprachcnkcnntnisse
zur Seite stcheu. Major v. Falkcnhayu ist bereits vor
mehreren Tagen nach Berlin berufen worden.
B crlin, 12. Juli. Das Zcntralkomitc der deutschen
Vereine vom Roten Kreuz "veröffentlicht einen Auf-
ruf, wonach sein Anerbieten der Unterstützung der amt-
lichen Sanitätspslcgc vom Rcichsmarincamt angenommen
wurde. Die erste Sendung von Materialien, Stellung
von Freiwilligen und Errichtung eines überseeischen Laza-
retts ist in Vorbereitung. Beiträge nimmt die Hauptkassc
der Scchaudtung entgegen. Die Bildung weiterer Sam-
inclstcllcn ist erwünscht.
Petersburg, 12. Juli. Das Amtsblatt veröffent-
licht folgendes Telegramm ans Nikolskojc im Ussurigebiet
vom 5. d. M.: Es verlautet gerüchtweise, daß in Mukden
der französische Bischof ermordet wurde und die
Missionsgebäudc niedcrgcbranntsind. Ueber das Er-
scheinen von Boxer band en in Ticling und von Agi-
tatoren in Arbin sind viele übertriebene Gerüchte im Um-
lauf. Ein hoher chinesischer Beamter in Tieling über-
sandte dem Chef des Eisenbahndistrikts eine Bekanntmachung
 
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