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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 150 - Nr. 160 (2. Juli - 13. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44272#0005

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27. Jahrgang

Hkj^Dßkkk: Lrlttk KerlMch!7,

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Montag, 2. Juli 1MO.
LksPft^kßk: kLkkn Mnkntzr 17.

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GratiS-Berbrcitung durch Säulcu-Anscklag.
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Badischer Landtag.
Karlsruhe, 30. Juni.
Z, wcirc K ain m e r.
Abst. Biümcl berichtet über die Bitte der Vereine
für Homöopathie in Baden wegen Errichtung homöopa-
thischer Lehrstühle an den beiden Landesuniversitäten und
Einführung des Dispensirrechtes für die in Baden prak-
tizierenden homöovatischen Aerzte, sowie ihre Zulassung
als Kassenärzte bei den staatlichen Betrieben. Die Wünsche
der Pcrcnstn lassen sich dahin zusammcnfassen: l. Die
Kammer möge der Regierung den Wunsch zu erkennen geben,
daß für theoretischen und praktischen Unterricht im homöo
parisischen Hcilmethod c zu gestalten, der nicht die geeignete
Prüf«n g darin bestanden habe. 2. Die Kammer wolle
l ei der Regierung beantragen, daß an allen den Srlcn, wo
aus altäopatlsischen Apotheken ans allöopathischcn ArzneiiniUel
nicht in durchaus reeller Beschaffenheit bezogen werden
können, den homöopathischen Acrztcn daselbst das Dispcu-
sirrecht erteilt werde. 3. Die Kammer wolle die Regie
rnng zu der Anordnung veranlassen, daß der Homöopa
chischcn Heilmethode in den staatlichen Krankenhäusern und
in den Strafanstalten Eingang verschafft werde, nud daß
die homöopatischcn Acrzlc bei den Krankenkasse» staatlicher
Betriebe als Kassenärzte zugclasscn werden.
T er Antrag der K ommission geht auf Ucbc r w cisu u g
zur K en uinisna hmc, während das Untcrrichtsmini
sterium sich bereit zeigte, auf Grund dieses Antrages Er-
hebungen nach der Richtung anzustcllcn, ob die Homöo-
pathie sich schon soweit ausgebildet habe, daß ciu Bedürf
ms, wie cs hier ausgesprochen ist, vorliegc.
Der Vertreter des Ministeriums des Innern er
klärt, daß dieses nach Anhörung des medizinischen Mini
ücrialrcfcrcnlcn nicht in der Lage sei, aus irgend welche
Wünsche der Pctcnicn ciuzngchcu und der Homöopathie
in den Laudcsausialtcn Eingang zu verschaffen, da in ihr
nur ein großer Irrtum der Wissenschaft zu erblicken
ei- Kauz ungehörig seien auch die in der Petition ent
haltcncu Angriffe aus die Apotheken und die staatlichen
Ayothckcnvisilarioncn.
Dem Kommissionsantrag wird zugcstimmt.
Die Bitte des Verbandes der l a u d wi rls cha ft l i ch cn
Kredit- nnd Ko n s umvereiuc auf Bcsorgnng von
Nebenbeschäftigung bei diesen Vereinen durch die Volks
uhullchrcr wird der Regicruug in dem Sinne zur Kennt
msncchmc überwiesen, cs möge den Lehrern gestattet werden,
die Reclmcrstcllcn zu übernehmen, wobei die Vereinen eine
lalurarischc Äcndcrung dahin treffen müssen, daß die Rechner
licht mehr zu dem Verband gezählt werden.
Nächste Sitzung Montag 9 Uhr. Tagesordnung:

Wahlrechts a n träge, lind Aenderung- der Wcchlkreisein-
tcilung.
Derktfchcs Reich.
8.x. Karlsruhe, 1. Juli. Neber die Bitten der
Flaschenbierhändler, um Konzessionsertcilung zum
Betriebe eines Flaschcnbiergeschäfts und über die Bitte der
Wirte Badens um Maßnahmen gegen den immer
mehr übcrhanduchmcndcu Flaschcnbicrhandcl liegt ein gc
druektcr Bericht des Abg. Hoffmann vor. In Bezug
auf die gcsnndhcitspolizciliche Behandlung des Flaschcn-
bicrgcschästs (Reinlichkeit, Abfüllapparate:e.) geht der An-
trag der Kommission auf empfehlende Ucberwcisung,
in den sonstigen Punkten auf Uebcrgang zur Tagcsord
itnng. Die Kommission vertritt dabei die Ansicht, daß
für den Flaschenbicrhaudel, soweit er sich mit dem Ab-
füllen von Bier und der Lagerung von Flaschenbier be-
faßt, generelle Anordnungen zu erlassen seien. Was
die K onzcssi vnSPf! ich t des FlaschenbicrhaudclS bc
trifft, so weist der Bericht darauf hin, daß in den letzten
Tagen der 27. Verbandstag deutscher Gastwirte in Dort-
mund sich einstimmig gegen eine Konzessionspfiicht aus-
gesprochen hat. In Bezug auf eine weitere steuerliche
Heranziehung des Flaschcnbierhnndcls sei zunächst abzu-
warten, wie die von der Kammer beschlossene Besteuerung
der Warenhäuser von der Regierung gesetzmäßig behandelt
werde. Im allgemeinen darf aber auch bei diesen Einzel-
wünschen der Petenten darauf Hingelviesen werden, daß
die Regelung der Materie R eichs angclcgenheit ist, also
von den Landtagen der Einzelstaaten nur zum geringsten
Teil geordnet werden kann.
Frankreich.
Paris, 30. Juni. Auf dem internationalen
K o ngre ß für soziale A r b e i t crv crsi ch c rn n g erörterst»
gegen die Belgier, Holländer, Italiener, Skandinavier,
Russen und Finnen die Bestrebungen ihrer Länder in der
Frage der Wechselwirkung zwischen Versicherung und Ver-
hütung von Krankheiten, Unfällen und Invalidität,. Be-
sonders 2 französische Delegierte sprachen ihr Einver-
ständnis mit den Ausführungen der Deutschen aus.
Heute fand die Schlußsitzung statt. Es wurde beschloßen,
den nächsten Kongreß im Jahre 1902 in Düssel-
dorf abzuhaltcn.

Die Wirren irr China.
London, 00. Juni. Admiral Seymour
graphicrte vi» Tschifn vom 29. Juni: Ich
den Truppen nach Tientsin zurückgekehrt.

außer Stande, Peking per Eisenbahn zu erreichen. Am
13. Juni wurden auf Misere Vorhut zwei Angriffe
durch Boxer gemacht, doch wurden dieselben mit erheb-
lichen Verlusten für die Boxer znrückgeschlageu. Auf un-
serer Seite gab cs keine Verluste. Am 14. Juni griffen
die Boxer den Zug bei Laugfang in großer Zahl und mit
großer Entschlossenheit an, sie wurden aber mit Verlusten
zurückgctriebcn. Ungefähr 100 wurden getötet. Unsere
Verluste betrugen 3 Italiener tot. Au demselben Nach-
mittag griffen die Boxer die britsche Wache, welche
zum Schutze der Station L o f a znrückgelasscn worden war,
au. Es wurden Verstärkungen zurückgcschickt und der Feind
wurde zurückgcschlagcn; 100 Mann wurden getötet, 2 un-
serer Matrosen wurden verwundet. Die Vorhut drang
vor bis Auting und kämpfte mit dem Feind am 13.
und 14. Juni. Seine Verluste betragen 175) Mann.
Keine Verluste auf unserer Seite.
Die ausgedehnte Zerstörung der Eisenbahn vor
uns machte ciu weiteres Vorrücken per Bahn unmöglich,
und ich beschloß, am 16. Juni nach changtsun zurück-
zukchrcn, wo ich ein Vorrücken nach Peking auf dem Flusse
organisieren wollte. Naci) meinem Abmarsch von Langfang
würden zwei zurückgeloffene Züge, die mir folgen sollten,
am 13. Juni von Boxern und den kaiserlichen Truppen
aus Peking angegriffen. Sie verloren 400 bis 500 Tote,
unsere Verluste betrugen 6 Mann tot und 43 verwundet.
Diese Züge holten mich bei schangtsun nm selben Abend
ein. Die Eisenbahn bei Aangtsun wurde ganz zerstört vor-
gefunden und der Zug war nicht weiter zu bringen. Die
Truppen hatten Mangel an Proviant und wurden
durch die Verwundeten behindert, was uns nötigte, uns
nach Tientsin zurückzuzichen, mit welchem Orte wir seit
sechs Tagen ohne Verbindung waren und von wo unsere
Zufuhr abgeschuitleu war.
Am 19. Juni gingen die Verwundeten und not-
wendigen Vorräte p e r B o o t ab. Die T r u p p c u in a r-
schirten dem Flusse entlang. Während des ganzen
Marsches am Flußlanfe entlang fanden wir Widerstand
fast von jedem Dorfe aus. Wenn die Rebellen in einem
Dorfe geschlagen waren, zogen sie sich auf das nächste
zurück und hcminteu in geschickter Weise unser Vorrücken,
indem sic gut gewählte Stellungen entnahmen, von denen
sie ost mit der Spitze des Bajonetts angesichts eines hef-

tigen, schwer zu loknlisireuden Feuers vertrieben werden
mußten. Am 23. Juni machte ich dann einen Nacht-
marsch nud kam bei Tagesanbruch gegenüber dem kaiser-
lichen Arsenal oberhalb Tientsin an, wo nach anfangs
test freundlichem Entgegenkommen in verräterischer Weise ein
mit heftiges Feller auf uns eröffnet wurde. Während unsere
Ich war > Leute auf deut gegenüberliegenden Ufer cxponirt waren.

Der Schmied von Pirk.
Erzählung aus der Oberpfalz von Fos. B aierlein.
l) (Nachdruck verboten.j
(Fortsetzung.)
Es ging aber nicht schlechter mit der Rosl. Als sic
mch achrzchnstündigcm Schlafe erwachte, befand sic sich
ei klaren Sinnen; die Geschwulst hatte nicht zugcuom
men, sic schien vielmehr etwas geringer zu sein, nur die
stark geätzte Wunde schmerzte sehr. Aber RoSl fand eine
hilf und trostreiche Pflegerin an ihrer Mutter, deren sor-
gende Hände stets bemüht waren, der kranken Tochter
Linderung zu verschaffen.
Die Bäuerin war das gerade Gegenteil ihres Mannes:
ihre/ sanften Züge verrieten nichts von dessen Hochmut
nnd brutaler Ucbcrhcbung, die schwarzen Augen blickten
mild und ruhig, und der Mund überraschte beinahe durch
seinen, unter der bäuerlichen Bevölkerung nur selten vor-
kommenden feinen Schnitt. Neber dem ganzen Angesicht
aber lagerte ein Hauch von müder Resignation; vielleicht
fühlte das Mutlerhcrz Kümmernis wegen des leidenden
Zustandes der Rosl, vielleicht auch litt die Frau unter dein
schweren Regiment und dem Eigenwillen ihres Ehchcrrn.
Nach drei Tagen konnte das Mädchen das Bett ver-
lassen. Die angewandten Mittel, mehr aber noch die
sngcndlichc Kraft des frischen, durch ihre Adern pulsieren-
den Lebens hallen die Gefahr fast beispiellos schnell be-
seitigt ; sobald die Wunde verheilt war, durfte die Gene-
sung für vollständig gelten. Bisher war zwischen Mutter

und Tochter die Rede noch nicht auf den Schmied gekom-
men, obwohl die letztere während der laugen Stunden,
die sie ohne die gewohnte Dichtigkeit hatte hinbringcn müs-
sen, sich in Gedanken sehr viel mit dem jungen Manne
beschäftigt hatte.
Als sic nun zum ersten Male wieder außerhalb des
Bettes am Fenster der Kämmer saß, die ihr und der
Bäuerin als Schlafgemach diente, begann sie nach einer
Pause nachdenklichen Stillschweigens plötzlich ganz unver-
mittelt: „Was ich Dich schon längst fragen wollt', Mut-
tert, der Vater wird doch dcmselbigen jungen Men
scheu, der mich damals heim'tragen hat, ein tüchtig's Trink-
geld 'geben haben!"
Die Bäuerin blieb einen Augenblick stumm, als brächte
sie die unerwartete Frage in Verlegenheit.
„Ich denk' kaum", sagte sie endlich zögernd.
„Nicht?"
Der Ton, mit welchem Rosl dieses Wort hervorstieß,
drückte eine große, aber unangenehme Verwunderung aus.
Warum nicht?" fügte sic hinzu, indem sie der Mutter
ihr bleiches Gesicht Mehrte, das die gespannteste Erwar-
tung langsam mit einer schwachen Röte überzog.
„Ja, was weiß ich? Ich bin doch nicht dabei g'wcsen!
Der Vater sagt, das wär' gar ein Wüster nnd Hütt' ihm
ein Schandmaul ang'hängt."
„Mutter! Das glaub' ich nicht", rief Rosl heftig.
„Still, Kind!" wehrte die Frau ab. „Du wirst doch
Deinen Later nicht wollen Lügen strafen! Glaub' mit-
nur, ich hättts cmch^lieber geseh'n, wenn die zwei gut aus-

einander 'kommen wär'n. Einen Kronenthalcr Trinkgeld
hätt' der Vater dem „Binggc-s" meinetwegen wohl geben
dürfen."
„Was hat denn der „Binggcs" dabei z'schaffcn bei
meinem Kranksein?"
„Ja so! Das weißt Dn noch gar nicht, RoSl! So
lang Du im Fieber und dann sinnlos g'lcgcn bist, haben
wir nichts reden können mit Dir über dicsclbige Geschicht'.
Nun, alsdann erfährst Du's halt jetzt. Der junge Schmied,
der Dich heim'tragen hat ans dem Wald, ist unser neuer
„Binggcs" 'worden; er hat dem Korbflechter-Hannes die
„Binggcs-Hütten" ab'kauft."
Das Mädchen sprang mit einem jähen Ruck vom
Stuhl auf; ihren Lippen entrang sich ein schmerzlicher
Schrei.
„Mutter!"
„Aha! Hab' ich uicht g'sagt, daß cs noch , zu früh ist
für Dich mit dem Aufsteh'n", meinte die Bäuerin be-
dauernd. „Gelt, jetzt hat's Dir wieder einen Stich
geben ?"
„Ja, ich hab' einen Stich g'spürt", antwortete Rosl,
indem sie die Hand fest anf's Herz preßte. „Kannst leicht
recht haben, Mutterl, daß ich zu früh, aufg'standcn bin.
Bring' mich lieber wieder z'rück in's Bett."
Als sic von der Frau sorgsam eingehüllt zwischen den
Kiffen lag, schlang sie die Arme stürmisch um den Hals
der Bäuerin nnd küßte sic auf den Mund.
„Laß' mich jctzt allein, lieb's Mutterl", fiüstcrtc sie,
 
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