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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 241 - Nr. 250 (16. Oktober - 26. Oktober)
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Nr. 246

Montag, 22. Oktober 1900

27. Jahrgang

Neuer

GljiWßtk: llrtktt Rrlku-nße K.

Grs-ifMt: Lrtnt k<koM N.

Melberger Aiukmri'

en

Die Wirren in China

vov

von

fs-Artlkel,
cle, Fette,

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r nackt
N.

Hung-Tschang an den Grafen Waldersee wenden und ihm
die Schönheiten ihres Systems auseinander setzen. Das
Ganze sei nicht ernst zu nehmen; aber ein beklagenswertes
Anzeichen für die Geistesverfassung der chinesischen Unter-
händler sei es doch.
Washington, 20. Skt. Das Reuterschc Burean
meldet: Die chinesische Regierung stellte die Bitte, daß
die Verhandlungen in Peking beginnen möchten. Eine
Antwort auf die chinesischen Vorschläge erteilt das Staats-
departement bisher noch nicht. Es heißt indessen, daß
die Regierung die chinesischen Angebote nicht für aus-
reichend ansche. Der amerikanische Gesandte in Peking,
Cong er, teilte der Regierung mit, daß die Echtheit des
chinesischen Ediktes über die Bestrafung der Würdenträger
in Peking in Frage gestellt sei. Mae Kinley erhielt
einen Brief des Kaisers von China. In der Ant-
wort auf den Brief erklärt der Präsident, daß die Ver-
handlungen beginnen sollen, sobald die beleidigten Re-
gierungen davon überzeugt seien, daß der Kaiser imstande
sei, die Hauptocrantwortlichcn mit gebührender Strenge
zu bestrafen.

London Graf Hatzfeld und dem englischen Premicr-
!^trr Lord Salisbury wurde am .16. d. M. in
durch Notenaustausch folgende Vereinbarung
^scn: Die deutsche und die großbritannische Negierung,

Jirsevateirblatt
für Keiöewerg und Umgegend

müssen, die Zeit würde, wie er hoffte, die Sache leichter
ausgleichcn lassen.
Wie bitter rächte sich jetzt sein Zögern, warum hatte
er nicht früher eine Verständigung erzwungen! In welchem
Lichte würde er dem unglücklichen Mißtrauen Gertruds
erscheinen, wenn er jetzt um Liebe und Vergebung werbend,
ihr gcgenübertrat? Der Tag, der scheinbar alle Wirren
auf Schloß Landskron löste, zertrümmerte für den Schloß-
herrn jede Hoffnung auf Glück!
Jngeborg blickte auf und sah den Kampf in Herberts
Zügen; unmcrklich winkte fie ihm, sich seiner Frau in
diesem Augenblicke zu nähern, aber Herbert beachtete diesen
Wink nicht; es war auch zu spät. Der Geistliche öffnete
die Flügelthürcn und forderte die Familie auf, mit ihm
für die Sterbende zu beten, die mit ihrem Gott Frieden
gemacht habe. Erschüttert sanken alle in die Knice; der
Priester sprach voll tiefer Andacht das Gebet, das um
Gnade und Barmherzigkeit flehend, zu dem Allgütigcn
cmporsticg, und dann nahm die Gräfin Frankeuthurn,
welche still lächelnd, fast verklärt dalag, Abschied von allen,
und für jeden hatte sie ein Wort der Erinnerung, des
Dankes. Lange behielt sic die Hand der Gräfin-Mutter
in der ihrigen. „Ich bitte Dich", sagte sie eindringlich,
„vergiß unsere Freundschaft nicht; sei meiner Gertrud
eine Mutter! Willst Du?" — Und mit überströmenden
Augen stammelte die Gräfin: „Ja, Gabriele, ich will!"
Die Greisin wandte sich zu Herbert: „Daß Gertrud
gerade Dein Weib ist, gibt mir eine sichere Gewähr sür

: iH? r

Zum Kanzlerwcchscl.
> Petersburg, 18. Oft. Die hiesigen Zeitungen be-
sprechen in anerkennender Weise die Politik des
Fürsten Hohenlohe und geben gleichzeitig dem Ver-
trau en Ausdruck, welches ihnen und dem russischen
Reiche die Person des neuen Reichskanzlers und
seine bisherigen Leistungen in der europäischen Politik
einflößen. Das „Journal de Saint-Pctersbourg" lobt
Bülow als einen Staatsmann, der in der vollen Kraft
der Jahre und des Vermögens stehe; er habe Beweise ge-
geben von seiner Tüchtigkeit, mit verschiedenen Gruppen
des Parlaments zu verhandeln, mit denen die Regierung
zu rechnen hat. Seine Beredsamkeit ist einschneidend,
Jeds seiner Worte ist geeignet, auf die öffentliche Meinung
Eindruck zu machen. Bülow har die wünschenswerte
Thatkraft und Erfahrung, um auf derjenigen Höhe zu
stehen, welche das Land von ihm erwartet. „Birschewija
Wjedomosti" sagt: In Rußland weiß jederman, daß Bülow
gute und freundschaftliche Neigungen zu Rußland hege.
Der „Herold" sagt: Bülow ließ niemals die Neigung
vermissen, ein herzliches Einvernehmen mit Rußland zu
pflegen. Er findet auf seiner Laufbahn dasVertraucn
der fr em den Regierungen zu seiner Per-
son und zu seinem Wollen und Können.
London, 19. Okt. In einem Artikel, welcher die
gegenwärtig der Entfaltung harrende internationale Frage
behandelt, sagt die „Times", der neue deutsche

von dem Wunsche geleitet, ihre Interessen in China und
ihre Rechte ans den bestehenden Verträgen aufrecht zu er-
halten, sind übereingekommen, für die beiderseitige
Politik in China nachstehende Grundsätze zu
beobachten: 1) Es entspricht den gemeinsamen dauernden
internationalen Interessen, daß die an den Flüssen und
Küsten Chinas gelegenen Häfen dem Handel und jeder
sonstigen erlaubten wirtschaftlichen Thätigkeit für die An-
gehörigen aller Rationen ohne Unterschied frei
und offen bleiben. Beide Regierungen sind einver-
standen, das ihrerseits für all« chinesischen Gebiete zu
beobachten, wo sic Einfluß ausüben können. 2) Die
deutsche und die großbritannische Regierung wollen ihrer-
seits die gegenwärtigen Verwicklungen nicht benutzen,
um für sich irgend welche territorialen Vorteile
auf chinesischem Gebiete zu erlangen. Sie werden
ihre Politik darauf richten, den Terrftoralbestand des
chinesischen Reichs unvermindert zu erhalten. 3) Sollte
eine andere Wacht die chinesischen Complikationcn benutzen,
um unter irgend einer Form solche territorialen Vorteile
zn erlangen, so behalten beide Contrahcnten sich vor, über!
cttvaige Schritte zur Sicherung ihrer Interessen in China
sich vorher untereinander zu verständigen. 4) Beide Re-
gierungen werden dies Ucbereinkommen den übrigen
betrili glen Mächten, insbesondere Frankreich, Italien,
Japan, Oesterreich-Ungarn, Rußland und den Vereinigten
Staaten von Amerika Mitteilen und sic cinladen, den darin
niebcrgclLgten Grundsätzen beizutrctcn.
Paris, 20. Okt. Der „Tcmps" äußert sich in der
schärfsten Weise über die von dem Prinzen Tsching und
Li-Hun g-Tsch ang an die europäischen Vertreter ge-
richteten Mitteilungen. Die Anerbietungen der chi-
nesischen Unterhändler, sagt das Blatt, streifen an
Cynis mus und seien sowohl dem Inhalte als auch der
Form nach absolut unzulässig. Es sei dringend notwendig,
China zu zeigen, daß seine Existenz auf dem Spiele stehe
und daß die Mächte keinerlei Neigung haben, sich von
den chinesischen diplomatischen Unterhändlern betrügen zu
lassen. In dem Vorschläge, das Tsung-li-Nameu,
das eine wahre Banditenhöhle gewesen sei nnd den
Baron v. Kctteler in einen Hinterhalt gelockt habe, wieder
zu eröffnen, könne man nur eine bedauerliche Schamlosig-
keit erblicken. Was den Gedanken eines Waffenstill-
standes betrifft, so müßten sich Prinz Tsching und Li-

!kMW
aste 34«

Anzeigen: die l-fpatt»e Petitzeile oder deren Raum
15 Pfg. Lokale Geschäfts- und Privad-Anzeigen be-
deutend ermäßigt. Reklamen »tt Pfg. Für Auf-
nahme von Anzeigen an bestimmten Tagen wird picht
garantiert. Grmisverbreikmg dnrch Säulenanschlag.

Deutsches Reich.
Karlsruhe, 20. Okt. Wie der „Badische Landcs-
^tc" von wohlinformierter Seite wissen will, wird Staats-
minister Nokk am 1. Dezember in -en Ruhestand treten.
Staatsrat Eisenlohr, der Generaldirektor des badischen
Eisenbahnwesens soll um seine Entlassung nachgesucht
^ben. Hierzu geht der „Straßburger Post" von ihrem
^nrlsruhcr Correipondenttn folgendes Telegramm zu: Die
h°n der Centrums- und Demokratischen Presse heute mit
^vßcr Bestimmtheit gebrachte Nachricht, der Staatsminister
Nokk trete am 1. November vom Amte zurück, ist
^Nlvahr.
.. Homburg v. d. H«, 20. Oft. Der Kaiser ließ
ch heute durch den General v. Villaumc die Mannschaften
hftr in Garnison stehenden Bataillons vorstellen, die
> Winteruniform für die verschiedenen Waffengattungen
K chinesischen Truppen angelegt hatten. Die Kaiserin
der Kronprinz unternahmen am Vorniittag einen
5Vazierritt. Später unternahm das Kaiserpoar mit dem
^«»Prinzen einen Spaziergang. Zur Frühstückstafcs
u. a. geladen .Kriegsminister v. Goßler und General
i Villaumc. (Hestern Abend hörte der Kaiser den Vor-
^8 des Chefs des Civilkabincts v. Lucanus, heule Morgen
Vortrag des Kriegsminister v. Goßler.
si Berlin, 20. Okt. Reichskanzler Graf Bülow
Allere heute Vormittag dem russischen Botschafter
^afcu v. d. Osten-Sacken einen Besuch ab.
h Berlin, 20. Oft. Das Mitglied des Herrenhauses
Schönburg-Glauchau ist gestern Abend im
^vtcl Royal" gestorben.
H-o lland.
-.Haag, 20. Oft. Die Königin und ihr Verlobter
die Känigin-Mutter sind heute, von der Bevölkerung
^llich begrüßt, in der Residenz eingctroffen. Zum Em-
,^gc auf dem Bahnhofe war auch der deutsche Gesandte
Ebenen. Als die Königin und der Herzog Heinrich
ihrer Ankunft im Palais auf dem Balkon sich zeigten,
f^e ihnen lebhafte Kundgebungen entgegcngcbracht. Die
sJLlkcrung stimmte das Nationallicd „Wilhelmus von
tzwaurn" an. Heute Nachmittag erscheint das diploma-
Korps zur Beglückwünschung.

Erscheint täglich nnt Ausnahme der Sonn- n. Feiertage.
AlS Beilagen das „Heidelberger Volksblatt" und das
bseitige „Illustrierte Sonntagsblatt". Preis 25 Pfg.,
mit den Beiblättern 36 Pfg. monatlich. Durch die

Niemals — bis zu dem Tage, da die Gräfin
S churn Gertrud als ihre Enkelin anerkannte, nie-
> heute — da sein Weib, die arme Stickerin aus
si, °tfe Böckstein, die Erbin von Millionen geworden,
lindem, wie er jetzt wußte, ein Verdacht gegen ihn
Lroßgezogen war, der jede Verständigung nun

löck 47.
cktober
: Predigt i
gsschule.
belstunde
. Oktober,
ibelstund« vo«
Ruprecht.
) im neue»
t
:: Sonntags
ibelstundc vov
Ruprecht.^.
Kirche.
20.
rinitatis, dev
00,
r: Lesegottes''

Wie es eudete.
Roman von Maria Theresia Map.
jNachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
!^Ud Herbert? — Er war in der Mitte des Gemaches
geblieben, als Gertrud zu sprechen begonnen, und
e^it dem Aufgebot seiner ganzen Willenskraft zwang
keinen Schritt vorwärts zu thuir. Und doch hätte
der geliebten Frau hinstürzen, sie an sein Herz
und ihr sagen mögen, daß sie nur an seiner Brust
dürfe, daß jede Throne ihm gehöre! Eine rasende
Icht auf Jngeborg erfüllte ihn in diesem Augenblick,
Gertruds Arme freiwillig um dem Nacken der
«hx " schlangen und Jngeborg mit den Lippen das
lß braune Haar berührte. Er liebte sein Weib mit
lx Leidenschaft, die ihn selbst oft beängstigte, und er
8ehoffl, nein er hatte gewußt, daß er Gertruds
bild Vertrauen wieder gewinnen würde; und trotz
lz abweisenden Kälte der schönen Frau, die ihn oft-
!, banienlos verletzte, so wenig er sich dies auch merken
ur er in dieser Zuversicht niemals wankend ge-
lfl ", NI:_r.:» ... - <-

2 Uhr: Herr ^-üerlin, 20. Okt. Zwischen dem deutschen Botschafter
»ienst.
crr Stadtvikar
rrlach.
aus.
Uhr: Herr
-heim.
cktober
Christenlehre-
-ergottesdienst-
chneider.
femeinde-
ist.
Oktober
lit Kinderlehre
Stubenvoll-
akonissH^

' R:. -.
emeiudc-
lste.
Oktober,
) Uhr: Herr
pfr. O. Honig-
> Uhr: Herr
rdtpf. Schrick-
»ienst.

Am Tage der Ankunft der Gräfin Frankeuthurn, und
nachdem dieselbe ine Gastzimmer gebettet war, benutzte
Herber! die Abwesenheit seiner Frau aus ihren Zimmern,
um, wenn möglich zu ergründen, warum Gertrud ihm in
Hut und Mantel gegcnüberstand, als er die Treppe cm-
porkam, und was eigentlich die Unordnung in ihren
Zimmern zu bedeuten habe.
Herbert betrat das Boudoir seiner Frau; da lag der
Brief noch, den er gesehen hatte, als sie aus ihrem An-
kleidezimmer trat. Er nahm den Bries auf und sah zu
seiner Verwunderung, daß er an ihn gerichtet war; schnell
erbrach er ihn und überflog seinen Inhalt, doch schon nach
wenigen Zeilen mußte er sich setzen, und dunkle Glut über-
flog sein Gesicht.
Das war es also! Er hätte alles andere für mög-
lich gehalten, nur das nicht. Er machte sich die heftigsten
Borwürfe darüber, daß er der Frage seiner Mutter da-
mals nicht größere Beachtung geschenkt hatte; würde er
dies gcthan haben, so wäre seine Mutter nicht dazu ge-
kommen, etwas zu thun, was ihn seiner Frau gegenüber
in ein Licht stellen mußte, das die bösesten Schatten auf
ihn warf. Einen zweiten Fehler beging er aber nun da-
durch, daß er nicht sofort, nachdem er den Inhalt des
Briefes seiner Frau kannte, zu seiner Mutter ging, ihr
Vorhaltungen machte und energisch verlangte, daß sie
wicderricf, was sie ihrer Schwiegertochter über ihn gesagt
hatte. Er glaubte den Ereignissen im Hause Rechnung
tragen und seiner Mutter augenblicklich Ruhe gönnen zu
 
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