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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 161 - Nr. 170 (14. Juli - 25. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44272#0057

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27. Jahrgang. Dienslag, 17. Juli 1800.
M^W »ksliiDß,«!^ „Ilm «klinstitzk II gkjchislH,!,: Wm Michih, 17.
zNeikirlhelgn' Amrigrr.

krutcnzcit sich freilich zur persönlichen Dienstleistung bei
scineiu Regiment stellen. Allein schon am zweiten Tag
meldete er sich krank und verlangte, ins Lazarelh ausge-
nommen zu werden. Dort hielt er sich wenigstens vor-
läufig sicher vor dem Ausmarsch uud brauchte nicht zu
fürchten, so schnell den bösen Dänen gcgenübcrzustehen, die
nicht nur auf fich schießen ließen, sondern höchst unnötiger-
weise, wie Xaver es auslegtc, auch wieder herübcrschossen.
Der Rcgimcntsarzt hatte ihn aber schnell durchschaut, und
da er ihm seine eigentliche Krankheit, das Kanoncnfieber,
aus den scheuen Augen hcrauslas, verordnete er dem Si-
mulanten gegen so schwere und komplizierte Ucbel, wie
Kopfweh, Magendrücken, Herzklopfen und „Laufigwerden
des Herzwurms" nun einmal und namentlich dann sind,
wenn sic in einem gequälten Menschenlcib gleichzeitig ihre
Verwüstungen anstellcn, ohne Verzug die richtige Medizin.
Nachdem Xaver unter sorgfältiger Aufsicht drei Tage im
Lazarett) bei strenger Diät verbracht hatte, war er mürbe
und der dünnen Wassersuppen so überdrüssig geworden,
daß er kerngesund zu seiner Kompagnie zurückkchrte.
Hierauf verlegte er sich darauf, „den wilden Mann
zu spielen." Er behauptete, geistesschwach zu sein, an hoch-
gradiger Vergesslichkeit zu leiden und kein Kommando im
Kopf behalten zu können. Dabei führte er sich unsauber
ans, störte die Rckrntcnübungcn durch die verkehrtesten
Bewegungen und brachte cs schließlich wirklich so weit, daß
man ihn vom Exerzieren entband und unter Beobachtung
bezüglich seines Geisteszustandes zu nehmen beschloß. Man
wollte vorerst nur in Xavers Hcimath noch Erkundigungen


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Unter den zahlreichen s Stadt gerichtet wurden, weil es hieß, cs ständen Un-


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cnstraßel.

gestellt. Das Bataillon begibt sich dann nach Berlin und
von dort nach den Einschisfungshäscn.
London, 16. Juli. Gleichzeitig mit der Nachricht,
daß Schcng und der Gouverneur von Schantung nunmehr
das Ende sämtlicher Europäer in Peking zugeben,
erscheinen im „Daily Mail" und im „Daily Expreß"
längere Darstellungen über den letzten Akt der Tragödie.
Der Bericht der „Dail Mail" ist nach inneren Phantasie-
gemälde ohne Wert, und die „Expreß" Meldung stützt sich
augenscheinlich auf die vor zehn Tagen cingclaufene Schil-
derung und ist nunmehr ausgcfüllt durch Einzelheiten, die
damals der Bote hinzugesügt hat, nachdem Scheng die
Thalsachc als richlig cinräumtc. Nach seinen Angaben
harte Prinz Tuan die Absicht die Europäer lebendig zu
fangen und dann zu matcrn. Der Angriff auf die Le-
gationen wurde dem General Tungfusiang mit seinen mo-
hamcdanischen Truppen übertragen, der bemüht war, seine
Leute zu schonen und allmählig die Munition der Frem-
den zu erschöpfen. Gewöhnlich stockte nach den ersten 6
oder 7 Tagen der Angriff beim Anbruch der Nacht.
Die Europäer wurde.» vom Prinz Tsching mit Mu-
nition und Lebensmittel heimlich versorgt, bis Tuan diesen
Verkehr entdeckte nnd Tschings Truppen zurückschlug. Die
Europäer versuchten in der Morgenfrühe des 5. Juli
chinesischen Stils, also nm 1. Juli unseren Stils, sich
durchzuschlagen, nahmen Frauen und Kinder in die Mitte
und richteten unter den Chinesen ein großes Blutbad an.
Ein wütender Kampf folgte, die Boxer fochten wie wilde.
Tiere. Tuan ließ mit großen Kanonen nnd einigen son-
stigen Geschützen in das Gewühl feuern. Die Ausländer
erschossen selbst ihre Frauen und Kinder und kämpften dann
den letzten Bcrzwciflungskampf. Ein Teil der Ueberlc
bcndcn retteten sich in die britische Gesandschaft zurück,
wohin die Boxer folgten. Die letzten Kämpfer fanden in
den Flammen der brennenden Gebäuden ihren Tod.
Als kein Europäer mehr am Leben war, verstümmelten
die Boxer die Leichen in den Straßen, sielen dann über
die Quartiere her, in denen die Eingeborenen Christen
wohnten, metzelten die Männer, die sich ihnen nicht an-
schließen wollten, nieder, schändeten die Weiber und schlugen
den Kindern die Schädel ein, bis das Blut in den
Straßen der Tartarenstadt strömte. Der Bote, der diese
Greuel meldet, floh als Boxer verkleidet und sah noch
Meilen weit in der folgenden Nacht die Flammen der
brennenden Gebäude. In Shanghai und den übrigen
Häfen scheint nach übereinstimmenden Berichten eine neue
Panik zu beginnen, da bekannt wird, daß das Losungs-
wort der Boxer jetzt „Sturz dcrDinastie, Tod allen
Fremden" lautet. Tuan soll nut Vorbedacht den Massen-
mord angcstrebt haben, um die Möglichkeit einer neuen

bitautcr Weise in die Höhe gegangen; cS wurden für sechs-
jährige Ersatzzcit statt der früher üblichen sechshundert
Gulden jetzt nicht selten vier-, fünf- bis sechstausend ge-
fordert und bezahlt. Um je länger das bayerische Kontin-
gent in Schleswig-Holstein mit operierte, desto ungcmcsscncr
wurden die Ansprüche der Einstchcr, deren Weizen auch
deshalb mehr blühte, weil die Regimenter nur mehr ge-
diente Leute und Unteroffiziere mit der besten Konduitc
als Einstandsmänner aufnahmcn. In einer Zeit, wo man
keine Stunde sicher ist, Marschbefehl zu erhalten, führt
man dem Feind möglichst viele, in allen Fächern des
Dienstes ausgebildete Mannschaft entgegen.
Fünf- oder sechstausend Gulden für einen Ersatzmann
zu bezahlen, das Härte aber Xaver Dorngicbel niemals
übers Herz gebracht. Das wäre ihm schnurstracks gegen
den Strich gegangen; trotz seines bedeutenden Vermögens
würde cs der ihm «»vererbte schmutzige Geiz nicht zugc
lassen haben. Ebensowenig aber spürte er Lust, in den
Krieg zu ziehen. Wie half er sich nun aus der Klemme? —
Da cs leider überall Leute gicbt, die für klingenden
Lohn zu verbrecherischen Rathschlägcn bereit sind, so wandte
sich auch Xaver an einen solchen Ehrenmann. Es soll dies
der nämliche Unterhändler gewesen sein, welcher ihn heute
nach Pirk begleitete, um durch seine UÜberredungskünste
eine vorteilhafte Heirath für ihn zu Stande zu bringen.
In Gemeinschaft mit diesem wurde alsdann der saubere
Plan ausgeheckt, wie Xaver das Geld für einen Einstchcr
behalten nnd doch vom Militär sreikommcn sollte.
Vorerst mußte der Bursch zur vorgcschriebcncn Re

ruhen bevor. Alle Ausländer sind zum Wachtdicnst Unbe-
rufen, den sic mit größtem Eifer lbatcn. Wachtposten sind
ausgestellt, um die Eingeborenen zu überwachen. Die Schiff-
besatzungen find bereit, nötigenfalls sofort zu feuern, aber
eine Notwendigkeit dazu ist noch nicht cingctrctcn.
Tschifu, 16. Juli. Der kaiserliche Konsul gab
dem General-Gouverneur von Schantung die
Botschaft des de u tsch en K a i scrs bekannt, die Geld-
preise für die Befreiung eines jeden in Peking cingc-
schlosscncn Fremden verspricht. Der Gcncralgouvcrncur tclc
graphicrtc dem Konsul zurück, die Einschließung der Fremden
gehe ihm sehr zu Herzen. Die Versuche zur Befreiung
seien an dem Ausstand in Tschili gescheitert. Er würde
jedoch nach besten Kräften den Versuch machen. Die deutsche
Missionsanstalt in Tsining ist unversehrt.
Wien, 16. Juli. Der „Neuen Freien Presse" zufolge
werden zum Schutz der österreichisch-ungarischen Untcrthancn
in China noch zwei Kriegsschiffe, der Kreuzer „Karl VII."
und das Torpedoboot „Aspern" nach den chinesischen Ge-
wässern abgchcn.
München, 16. Juli. Die bayerischen Freiwilligen
für das ostasiatischc Expeditionscorps sind heute hier cin-
gctrosfcn und werden zunächst zu einem 800 Mann starken
Bataillon des 4. ostasiatischcn Infanterieregiments zusammcn-

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ohnung im
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Baugcsch.

Paris, 16. Juli. Im heutigen Minist errate
äußerte sich der Minister des Auswärtigen über die Lage
in China: Das einzige Telegramm, das heute Vor-
mittag aus China cingcgangcn ist, rührt vom franzö
fischen Konsul in Shanghai her nnd ist vom 9. Juli
datiert. Der Konsul teilt mit, daß dem Taotai von
Shanghai ein kaiserliches Dekret zugcgangcn ist, wonach
die Behörden angewiesen wurden, die Boxer hinzu
richten und die Frcmdcn zu s ch ü tzcn. Das Dekret
sagt weiter, alle Geschäfte mit Ausländern in den Provinzen
seien so zu behandeln wie früher. Der Kriegs-, der Nia
rincminister und der für die Colonien machten Mitteilungen
über die Entsendung von Verstärkungen nach China, die
planmäßig vor sich gehen.
Tschifu, 16. Juli. Wolffs Tclcgraphenburcau meldet:
Hier war gestern die Nachricht verbreitet, daß das Fort
nnd die C hin c scnsta dt von Tientsin am lll d.
M. von den Verbündeten unter japanischem
Oberbefehl mit schweren Verlusten genommen
wurde. Angeblich kämpften auch Truppen desSchantung-
korps gegen die Verbündeten.
Tschifu, 16. Juli. Das „New-Aorker Journal"
meldet, daß die Geschütze im Hasen gestern auf die

Tie Wirren in China.
!dere? "H"' ^ili. Der Chef des KrcuzcrSgcschwa
ibcm !^P'"phiccrc Ta kn: In der Nacht zum 11.
den die Chincicn das Ostarscnnl von Tientsin, wur-
D' al^r ziirückgctricbcn. Gleichzeitig besetzten die Japaner
i'-nilll"*^ der Chincsenstadr. Folgendes ist das Bild der
j^.-'Onickui, Lage in Tientsin: Die Russen halten das
""d baS Lager am linken Pcihouscr südlich
I^fer anderen Nalionencn stehen am rechten
svwi' ^^cisc ch dm ihnen gehörigen Niederlassungen,
^Die ""^ersten Südostcn der deutschen Niederlassung,
äcrk r hoben die Hauptaufgabe, den Pciho zum
läqi,^' mir Taku offen zu halten. Dieser ist ungehindert,
Cb;n g^cn Artillcricnnchscndnngcn nach Tientsin. Die
ßadl^" ^llcn die veraltetere Citadcllc in der Chinesen
bcm Lager südöstlich davon, der Telegraph von
ych /'Giichcn Lager nach Taku ist wieder hcrgcstcllt.
seinem Stab befindet sich in Tientsin.

suchten Dänemarks entnahmen, crsch
nfabrik ^».Deutschland Kricgslicdcr, und das
raße. stammverwandt" wurde auch im k
idrhen Zroßm gcsungcn.-Dann trafen Nachrü
. gründlich
4t, ch St.

Der Schmied
Erzählung aus der Oberpfalz vor ^.^ruck verboten.
(Fortsetzung.) und Eng-
Trotz der droycndcn ahiucn, erschallten
land zu Gunsten Dänernarts cun ; Dmll
""^mmverwaM ein von
. .. Schlachten nnd nnd DupM,^^^^
»zählte sich von Ocvcncc, C , . diese Lncge
auch von schweren Kplcrn, . ..tackten
-schm Kontingente gekostet. „stgsschaupkatz ver
Derartige Berichte vorn.^Z^Mchte und hcfng^
Km Xaver Dorngicbel viele -^entart gab cS
V, rechts- kerzllopscn. Dort drautzcn ' s- doch ll^te
achlech blaue Bohnen zu tosten, ne ^lchc
Lrdcnlcben allzu lieb, als datz ^zgcu. Wenn
Ulüi huschen die Rippen schtctztN lsill ^rr auch .
vlt' les er meint, der Bursch hatte' 1 ^dings A '
teher zu stellen brauchen, 1» B da^ (ich^emM)^
>och sand die Ausführung dc^ .^igM 1
/orhabens an Xavers Gcrz d ) pake,
Wie ich nämlich schon o' bedeutend wchv. "
krtegszesten ein lLinstandSNtaM ^^ncs bc
»eN B aber, wo von allen bayerischen H.!
Mr^L '4ngcn drohten, nnd nn^i wirklich
-MW Tsts im Felde stand, war der 4

Tentsches Reich.
/'ttliii, 16. Juli. Die „Nordd. Alla. Zlg." schreibt:
->ech dcn Nachrichten aus Kamerun bestätigt cs sich,
Vaupttnaun v. Besser am 7. Juni ein glückliches
,chechr gegen die Ekoi bestand, v. Besser wurde
s-m rcchlcu Arm und der linken Hand verwundet, doch
j/Gwn die Verletzungen erfreulicherweise nicht ernster Na-
>-l icin, da er die Führung der Expedition nicht nicdcr-

> -.. »
Anzeigen: die 1-spaltige Petitzeilc oder deren Raum
15 Pfg. Lokale Geschäfts- und Privat-Anzeigen be-
deutend ermäßigt. Reklamen 3V Pfg. Für Auf-
nahme von Anzeigen an bestimmten Tagen wird nicht
garantiert. Gratisverbrcitung durch Säulenanschlag.
--:-—tz

Stehen. "
! Ab 16. Juli. Die vom Minister Lcpgucs gestern
der großen Oper veranstaltete „Gala-Loir«c",
! der Weltausstellung, zu der das diplomatische
/s/G und die Kommissare der Weltausstellung geladen
sf.^/'' bcrlicf äußerst glänzend. I'uuei veu zuaneiu;eii
^G'4cn befand sich auch der deutsche Staatssckrcrär
v. Posadowsky, der, wie Reichskommissar
j /^stnd Rcgicrungsrat Lcwald in der Loge des dcut-
'cichäsroträgcrs der Vorstellung beiwohnten.

Erschein! täglich mil Ausnahme der Sonn- u. Fcicrlage.
Als Beilagen das „Heidelberger Bolksblatt" nnd das
Ktzttige „Illustrierte Sonntagsblatt". Preis 25 Pfg-,
um den Beiblättern 3ti Pfg. monatlich. Durch die
Post vierteljährlich 00 Pfg. ohne Bestellgeld.

Frankreich.
iharis, Just. Der „Tempo" schreibt über das
--undschrciben des deutschen Staatssekretärs Grafen v. Bütow,
j.Z'cr habe in seiner meisterhaften Darstellung die Grund-
> -uiammcngcfaßt, die die Handlungen seiner Regierung
-'/'M. Man müsse ohne jeden Hintergedanken die Rich-
Gewürze /-eit dieser Haltung und die Aufrichtigkeit beglückwünschen,
lhsvlHcll, Kaiser Wilhelm die Absicht bekräftige, auf der
urchig einmütigen Entscheidung dcrMächtczu bc
ckenstr.28.'

für Keiöewerg und Wmgegenö
 
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