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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 281 - Nr. 290 (1. Dezember - 12. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44272#0573

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okal-Anzeiger

Neuer Heidelberger Anzeiger

und erbeutete zehn Pferde. Ein

«SW

Kapstadt, 8. Dez. Feldmarschall Lord Roberts
ist hier eingctroffen.

weißem Hemd, gez. H. W., wollener Unterjacke, hell-
grauen Uuterbeinklcidern, braunen Socken und schwarzen
Zugstiegcln.
L.IT Rothenberg (Amt Wiesloch), 8. Dez. (Auf
jämmerliche Weises verlor Donnerstag Nacht das
fünfjährige Kind des hiesigen Fabrikarbeiters Bez sein
Leben. Es stieß an eine hängende Petroleumlampe, die
ihren Inhalt über das Kind ergoß die Kleider fingen Feuer
und das arme Geschöpf wurde derart mrbrannt, daß cs
nach wenigen Stunden starb.
8.X. Lahr, 6, Dez. (Unaufgeklärter Unglücks-
fall.j Wie der „Lahrcr Ztg." gemeldet wird, wurde
gestern morgen die Leiche des Müllers B. von Seelbach
mir abgetrenntem Kopfe auf einem Geleise des Dinglingcr
Bahnhofs liegend, aufgefunden. Ucbcr die Ursache des
Unglückssalles ist noch nichts bekannt.
Waldmichrlbach, 9. Dcz. jFeucr.j Vorgestern
Nacht um 1 Uhr, während der Sturm fürchterlich heulte,
ertönten die Fcuersignalc. ES brannte in einem allein
stehenden Hause im Gebirg, dem Anwesen des Franz Einig.
Als die Feuerwehr zur Stelle kam, war das ganze An-
wesen in Folge des Sturmes ein Raub der Flammen ge-
worden. Der Eigentümer wurde verhaftet, weil er ver-
dächtig erscheint, den Brand selbst veranlaßt zu haben.
Wiesbaden, 8. Dez. s„W underdoktor" !j Die
seinerzeit gemeldete, ein gewisses Aufsehen erregende Ver-
haftung des Bicbricher Wunderdoktors Karl Müller war
hauptsächlich veranlaßt durch einen Fall von Geburtshilfe,
welche M. einem Dienstmädchen in Bicberich halte ange-
dcihcn lasten, das er längere Zeit auf Wassersucht be-
handelte. Der Bicbricher Wundermann war ein einfacher
Fabrikarbeiter, der als solcher eine ausgedehnte „Praxis"
als Namrarzt hatte. Müller heilte vorzugsweise mir
Thec und Salben aus Hunde-, Katzen-, Hammels- und
Schweinefett. Aber auch Massage wandte er an. Mit
dieser suchte er das Dienstmädchen einer bekannten Bicbricher
wohlthätigcn Dame zu kurieren, das seiner Ansicht nach
an Wassersucht litt, dessen Körperfülle aber, wie sich dem-
nächst ergab, auf ganz andere Ursachen zurückzuführen
war. Er wurde in der Nacht zum 28. Juli d. I. zu
diesem Mädchen gerufen, das er schon längere Zeit be-
handelte, nachdem er in Folge Besichtigung des kleinen
Fingers der linken Hand und des rechten bcstrumpften
Fußes auf „Wassersucht" diagnostizirt hatte. Thee, Pulver,
Massieren mit gesalbten Händen, Brunnenkrcsseesscn und
alle ähnlichen Verordnungen Müllers erwiesen sich gegen
die „Krankheit" des Mädchens als vergeblich. Er probierte
es deshalb auch mit Magnetismus. Den Magnetismus

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die 1-spaltige Petttzcile oder
deren Raum ÄO Pfg. Lokale
Geschäfts- und Privat-An-
zeigen bedeMcnd ermäßigt.
Reklame!» 35 Pfg. Für
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kAlttt". Pr-is .!<» Pfz.,
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MbtlÄH. DurchdiePostoier-
Khriich 1 Mk. ohne Be-
U stell geld.

Vermischte Nachrichten.
Karlsruhe, 9. Dcz. s300 Mark Belohnung)
werden ausgesetzt von der Familie des am 5. Januar d.
I. bei Maxau in geistig unnachlctcm Zustande in den
Rhein gegangenen hiesigen Kaufmanns Heinrich Wesch,
für die Auffindung der Leiche desselben. Der damals Ver-
unglückte konnte trotz angestrengter Nachforschungen bisher
nicht aufgefundcn werden. Infolge des Hochwassers haben
nun die Angehörigen neue Hoffnung, daß der Leichnam
vielleicht doch uoch gefunden wird. Wesch war 42 Jahre
alt, 1.72 M. groß, trug starken dunkler Schnurbart und
war bekleidet mit bräunlichen Beinkleidern, grauer Weste,

(London, 8. Dez. Ein Telegramm Lord Kitch c ne rs
Bloemfontein von heute meldet: General Knox mcl-
ft Rucksfield, daß die Streitmacht DewctS, nach-
st sie vergeblich versuchte, die Kommassiebrücke zu for-
welche englische Truppen besetzt hielten, unter Zu-
lassung von 50 Pferden, vielen Gepäckwagen in nörd-
Richtung abgcrückt sei. Der Durchbruch» er such
der Kapkolonie ist mißlungen und Dcwet
fallen Seiten hart bedrängt.

Der südafrikanische Krieg.
kLondon, 8. Dcz. Lord Kitchencr telegraphierte
st Bloemfontein: Wie Strcifwachcn berichten, ist die
Geitmacht Dewets von Odcndaldrift in östlicher und
Köstlicher Richtung abgcgangen. Knox verfolgte
(Und erbeutete ein Geschütz und einen Mnnitionswagen.
bei Dcwetsdorp gefangenen Engländer sind mit Aus-
Me der Offiziere wieder frei gelassen worden, sind jedoch
st! nicht hier eingctroffen. General Macdonald ist
^ganzen, um den Befehl in Alivaalnord zu liber-
alen. Während die Engländer am 5. in der Nähe
k Vorposten bei Belfast auf Ersuchen eines Fcldkorncts
kVurcn unter dem Schutze der Parlamcntärftaggc einige
Men auslicfcrtcn, griffen hundert Buren einen kleinen
ftstcncn Vorposten an. Dieser hielt in heißem Feuer
stö, bis er entsetzt wurde. Die Buren flohen und ließen
stb Toten zurück. Die Engländer hatten keine Verluste.
Strcifwache berittener Infanterie stieß gestern in der
M von Tabanchu auf eine Abteilung Buren, nahm
Buren gefangen
l wurde verwundet.
(London, 8. Dez.

1^2 HeidellreLAeL" r«. Dezember

(27. Jahrgang.)
Druck und-BeMg von G. Gerlendörfrr. Berantwortstch: Ach. Geltendorfer.
Geschäftsstelle: Untere Ueckarstrntze Ur. 17

Deutsches Neich.
b Berlin, 8. Dez. Wie die „Norddeutsche Allgemeine
M«g" hört, hat Generalmajor v. Licbcrt, da seine
Innung zum Divisionskommandeur bevorsteht, die Ent-
sag von seiner Stellung als Gouverneur von Deutsch-
afrika beantragt. Dem «»trag wird Allerhöchsten
M Folge gegeben werden. Als sein Nachfolger auf
Gouvcrncurposten in Oftafrika ist der Hauptmann
k Großen Generalstabe Graf Götzen, der bekannte
Maforscher, in Aussicht genommen.
Rußland.
i Livadill, 8. Dez. Der Kaiser fühlte sich in den
r Stunden sehr gut. Er verbringt einen Theil des
kSes außer Bett. Die Kräfte wachsen zusehends,
f^peratur und Puls find normal.

Die Wirre« in China.
London, 8. Dez. Nach einer heutigen Meldung
deS „Standard" aus Shanghai teilte der Telegraphen-
direktor Sch eng mit, General Tungfuhsiang gehe,
den kaiserlichen Erlassen gehorchend, nach Kansu. Die
Palastbeamten kündigen die angebliche Abreise der Kaiserin
von Singan als für den 12. d. M. bevorstehend an; der
Kaiser werde geradewegs nach Peking gehen.
Washington, 8. Dez. Eine Depesche aus Peking
vom 6. d. M. meldet, die Gesandten hätten ein Schreiben
des bekannten Reformers Kangyuwei erhalten, worin
dieser sagt, China habe ein großes Unglück betroffen, durch
die Schuld der Kaiserin-Witwe. Kangyuwei betont,
alle Chinesen, welche das Völkerrecht kennen, bedauerten
die Ermordung v. Kettel ers. Kwangyuwci schlägt
vor, die Kaiserin und ihre Ratgeber zu den Friedcnsvcr-
handlungcn nicht zuzulasscn. Der Kaiser müßte wieder
eingesetzt und die reaktionären Beamten verhaftet werden.
Auch die sogenannten frcmdcufrenndlichcn Bicckönigc im
Süden müßten wachsam im Auge behalten werden. Wenn
der Kaiser wieder eingesetzt werde, so würde das ganze i
Reich sich freuen. Die Freunde des Kaisers bestehen aus
den aufgeklärtesten Frcmdenfreunden in China, welche sich
dannach sehnen, daß die westliche Kultur ihre alte ver-
dränge. Kangyuwei betont, er sei zu der Durchführrnug
seiner Aufgalie durch ein geheimes Edikt des Kaisers, im
Jahre 1898 ernannt worden. Der Kaiser habe sich da-
mals zu diesem Zwecke an die auswärtigen Mächte ge-
wandt. Wäre zu jener Zeit auf ihn gehört worden, so
hätte sich das inzwischen Vorgefallcnc leicht vermeiden
lassen.


Der Hochzeitstag.
l Roman von H. Palms-Pahsen.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
k»Du denkst an Ulrich — Du sorgst Dich um Ulrich",
mlle Gisela, und ihre Augen weiteten sich in trauriger
Zunderung.
l »Ja, mir ist es, als wüßtest Du seinen Manncswcrt,
großen und guten Eigenschaften nicht genügend zu
Mn — „überhaupt — —" sie zögerte und wider-
c°cnd kam es über ihre Lippen: „Ich glaube, Du hast
f satalen Brief noch immer nicht ganz vergessen."
Gisela starrte in die Ferne, in die Bäume draußen
Rn.
tt»Allerdings, noch nicht ganz", wiederholte sie mccha-
„Aber ich werde mich bemühen, darüber hinwcg-
fiblnen", fügte sie, sich aufraffend, hinzu. Warum die
A^er ängstigen, es war ja doch alles zu spät und nicht
stszu ändern!
s urau v. Belendorf küßte die Tochter.
^»Mein liebes Kind", sagte sie innig, „Dir fehlt Wclt-
Menschenkenntnis und der Liebe schlimmster Feind ist
k Mißtrauen. Hüte Dich davor. Und nun sei frohen
laß Dich von Deinen Schwestern schmücken und
s Ulrich nachher mit Liebe und Vertrauen entgegen."
Gisela zwang sich ein Lächeln ab und sagte so munter
' resolut es ihr in diesem Augenblicke möglich war:

„Du kennst mich ja, Mama, mich, meinen festen Willen
und auch etwas von meiner Thatkraft zum Handeln."
Selten mochte eine Braut so schnell angckleidet und ge-
schmückt und dabei in allem so schnell befriedigt worden
sein, wie die heutige. Es war Gisela alles recht und gut
genug, wenn es nur schnell ging und kaum war eine
Stunde verstrichen, so stand sie in dem kostbaren Spitzen-
kleide, im Brautschleier und Kranz in ihrer ganzen Jugend-
frische und Jügendschöne da und mußte sich der Schwestern
Entzücken und Bewunderung gefallen lassen. Atlas und
Seide hätten sic „großartiger" nicht machen können. Nicht
leicht eine schönere Braut wäre zu finden gewesen, eher
eine glücklichere, denn statt jener seligen und zugleich feier-
lichen Gchobenheit, von der eine glückliche Braut zu solcher
Stunde hingenommen wird, war ihr nichts anzuschen, nur
Unruhe, Zerfahrenheit und eine Sehnsucht sich allein über-
lassen zu sein, die sich augenblicklich in den ungeduldigen
Worten kundgab: „Nun geht, bitte, jetzt, laßt mich allein,
denkt an Euch, an Euren Schmuck und Putz. Die Zeit
eilt und habt Dank für Eure Hülfe und Liebe." Sie
reichte beiden die Hand und Gerda küßte sie dabei.
„Eins noch!" rief sie dieser nach, „ehe ich es ver-
gesse — wenn — wenn in meiner Abwesenheit —" sie
lachte kurz und bitter dazwischen aus, „was sage ich —
Abwesenheit! Ich komme ja niemals wieder —!"
„O, doch, süße Gisela, besuchsweise! Und oft, sehr
oft", warf Gerda zärtlich dazwischen.
„Wenn also nach meiner Abreise ein Brief an mich
cintreffcn sollte, — ich binde es Dir auf die Seele,

Gerda — so sende mir denselben sofort nach — gleich-
viel, wo wir weilen. Für die richtige Adresse werde ich
sorgen. Sehnsüchtig warte ich darauf —"
„O —" ries Gerda, „gut, daß ich noch daran denke!
Ein Brief ist da für Dich, vielleicht der erwartete. Ehe
Papa die Post erhielt, sah ich nach, um —"
„Bitte zur Sache, — wo — woher —
Gerda war bereits in das Nebenzimmer und dort
an den Schreibtisch geeilt.
„Verzeihe," sagte sie zurückkehrcnd, Gisela den Brief
überreichend, „daß ich mich erst so spät daran erinnere!
Nun wird Dir die Zeit nicht lang werden! Soll ich
Ulrich sagen, daß Du bereit bist, ihn zu empfangen und
soll ich Dich hinüberbeglcitcn, Lina rufen, daß sie Dir
die Schleppe trägt? Es ist kein Mensch da — sie sind
Alle beim Ankleiden — ich wette, Ihr könnt noch eine
Stunde allein miteinander sein — soll ich?"
Grscla schien gar nicht zugehört zu haben. Sie hielt
den Brief in der Hand und starrte darauf nieder: „Der
entscheidet," sagte sie vor sich hin, dann aufdlickend: „Gerda
— bitte — laß mich allein. Ich vertrage kein Wort
mehr, so nervös bin ich."
Und dann ist sie allein.
Ihre Hände zittern und erbrechen ungeschickt dciS
Couvert. Ein eng beschriebener Brief kommt zum Vorschein.
Gisela's Augen irren im Zimmer umher, sie sicht sich
nach einem Sitzplatz um. Ihre Knice zittern. Achtlos
lätzt sie die Schleppe über den Boden schleifen und etwas
gm Schleier zerreißen, als sie sich ohne Vorsicht aus einen
 
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