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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 251 - Nr. 260 (27. Oktober - 7. November)
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Neiöelberger Anzeiger.


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Donnerstag, I. Uovembrr 1S6V

87. Jahrgang
' AMMl«: wm »tvdch N.


Deutsches Neich.
Karlsruhe, .'N. Okt. Nach dem „Schwab. Merk."
verlautet mit großer Bestimmtheit, daß Zolldir. Seubert
Lum Nachfolger des Generaldirektors Eisenlohr ausersehen sei.
Karlsruhe, 31. Okt. Die Lan des v ersammlung
der kirchlich-liberalen Vereinigung Badens,
die hier unter dem Vorsitz des Stadtpfarrers Hönig aus
Heidelberg tagte, beschloß lt. „Str. P." auf Antrag
d-es Pfarrers Holdermann aus Rotteln die Mißbilligung
der Absetzung des Pfarrers Wein gart in Osnabrück und
verlangte den Zusammenschluß aller freigesinnten Protestanten
Deutschlands, damit derartige Maßregelungen nicht mehr
Vorkommen könnten.
U. N. Karlsruhe, 31. Okt. Wie wir zuverlässig er
fahren, wird Herr Geh. Oberregicrungsrat Max Föhren-,
dach in Karlsruhe an Stelle des Geh. Oberregicrungsrat
Reinhard zum Landeskommissär in Freiburg ernannt
ivcrden.
Wildparkstation, 31. Oft. Der Kaiser und die
Kaiserin traten heute Vormittag die Reise nach Hildes-
heim an, wo heute die Enthüllung eines Denkmals für
Kaiser Wilhelm I. stattfindet.
Hildesheim, 31. Oft. Der Kaiser und die Kai-
serin find heute um l'/z Uhr unter dem Jubel der Be-
völkerung hier cingctroffcn. Die Stadt ist festlich gc- >
schmückt. Nachdem die Tochter des Oberbürgermeisters
der Kaiserin einen Strauß überreicht und ein kurzes Ge-
dicht vorgetragen hatte, begab sich das Kaiserpar nach dem
Dcnkmalsplak. Das Wetter ist herrlich.
Hildesheim, 31. Okt. Auf dem Wege zum Dcnk-
vlal wurde das Kaiscrpaar jubelnd begrüßt. Beim Denk-
vral war eine Compagnie der 79er aufgestellt. Nach einer
Ansprache des Regierungspräsidenten fiel auf ein Zeichen
des Kaisers die Hülle unter Musikklängcn. Der Kaiser
besichtigte hierauf das Denkmal und sprach seine volle An-
erkennung darüber aus.
England.
London, 31. Oft. Gegenüber den ungünstigen Mel-
dungen über das Befinden der Königin Viktoria
erfährt der Berichterstatter des Reuterschcn Bureaus in
Aberdeen aus Balmoral, daß sich die Königin sehr wohl
befinde, nachdem sie die nervöse Aufregung überstanden
habe, welche der Tod des Christian Viktor von Schleswig
Holstein bei ihr verursacht hatte.
London, 31. Oft. Nach dem „Daily Telegraph" hat
^vrd Salisbury auf Rat seines Arztes und in An-
betracht seiner siebzig Jahre beschlossen, nur die Premier-
schaft zu behalten, das Portefeuille des Auswärtigen aber
Wie es endete.
Roman von Maria Theresia May.
sNachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Rhoden hatte sich in einen Sessel fallen lassen und
övrbjß ingrimmig die Spitzen seines Schnurrbartes. „Und
weiß Deine Frau, was Dich hierhergeführt hat?"
. Graf Landskrvn zuckte die Achseln. „Ich glaube nicht.
Übrigens besitzen ja die Frauen eine außergewöhnliche
Zähigkeit, zu erraten."
„Gewiß, darum war sie auch heute so erfreut, als sic
Dich sah", bemerke Rhoden sarkastisch.— „Aber Mensch",
fuhr er plötzlich auf, „Du begehst ja einen Doppclmord:
Hehst Du denn nicht, daß Dich Dein Weib liebt?"
Herbert sah den Freund erstaunt an. „Ich bin leider
Gegenteil überzeugt", sprach er traurig. „Doch genug.
Awarte mich hier, oder lasse Botschaft zurück, wo ich
^-lch finde. Lebe wohl."
Noch einmal hielt ihn der Baron zurück. „Und was
wird aus Dir, wenn sie Deinen Vorschlag annimmt?
Den« Du liebst sie; heute mehr noch das blühende herr-
sche Geschöpf als vor einem Jahr das schlanke Mädchen,
vs in so stolzer Schönheit uns cntgcgentrat. Was wird
vus Dir, wofür wirst Du leben?"
„Sorge nicht, Lothar", sagte Herbert und erhob das
5^upt. „Ich bin kein Schwächling, der sich eine Kugel
- "vch den Kopf jagt, weil ein Weib ihn verschmäht. Ja,
H liebe sie, — mehr als Du ahnen kannst, liebe ich sie.

abzugcbcn. Sein Nachfolger im Auswärtigen Amt wird
Lord Lansdowne, der bisherige Kricgsminister. Damit
wird die Thür zu einer größeren Umbildung des Ka-
binets geöffnet. Der „Daily Telegraph" spricht auch
im Leitartikel bereits von der Möglichkeit, daß das Mi-
nisterium des Innern und nach und nach noch einige an-
dere Ministcrsitzc freiwerdcn könnten. Das Interessanteste
bei diesen Mitteilungen ist vorläufig, daß die Frage der
Führerschaft im Untcrhause zunächst in der Schwebe zu
bleiben scheint. Arthur Balfur, der bisher bei Ab-
wesenheit oder Krankheit seinen Chef im Auswärtigen
Amt vertrat, und dort als mutmaßlicher Nachfolger galt,
bleibt anscheinend zunächst im Unterhaus, wahrscheinlich
weil augenblicklich Chamberlains Nachfolge in der Führer-
schaft des Hauses noch auf Schwierigkeiten stößt. Lord
Lansdownes Rücktritt vom Kriegsamt wird durchweg leb-
hafte Billigung finden. Die Frage seines Ersatzes in
diesem Amte war schon seit einiger Zeit Gegenstand stiller
Kämpfe.
Afrika.
Taugcr, 31. Okt. „Daily Mail" meldet, in Ma-
rokko sei eine weit verzweigte Erhebung der eingeborenen
Stämme gegen die Provinzialgouverncure im Gange. Der
Kaid Giluly bereitet mit 1200 Mann einschließlich Ka-
vallerie, einen Angriff gegen die Bergbewohner von Mak-
naffa vor welches 20 Meilen von Mogador entfernt ist.
Ein ernstes Gefecht werde erwartet.
Die Wirren in China.
Tientsin, 31. Oft. Es sind Vorkehrungen getroffen
worden für einen entsprechenden Polizeidienst in Pao-
tingfu. Eine internationale Kommission wurde unter
dem Vorsitze des Generals Bailloud gebildet, die er-
mitteln soll, wie weit die chinesischen Beamten an
der Nicdcrmctzclung der Fremden beteiligt gewesen
sind. Es wurde Befehl erteilt, den Gouverneur, den Pro-
vinzialrichtcr und zwei andere Beamte zu verhaften. Die
Sitzungen der Kommission fanden bisher im geheimen
statt. Die Ergebnisse der Verhandlungen werden nicht
veröffentlicht. Eine Kavallcrie-Aufklärungstruppc, welche
am 21. d. M. Paotingsu verließ, kehrte vorgestern Nacht
zurück. Sie hatte einen Zusammenstoß mit den
Boxern in Kutschang und tötete 20. Die Europäer hatten
zwei Verwundete. Eine italienische Aufklärungstruppc,
bestehend aus 16 Mann und einem Offizier, brach gestern
nach Jtschou auf. Es verlautet, daß die Truppe von
Boxern cingeschlosscn sei. Eine Entsatzkolonne von 150
Italienern und 60 englischen Kavalleristen geht heute ab.
Peking, 31. Oft. Die „Times" meldet vom 28.

Aber höher noch als diese Liebe, als Gertrud selber, steht
mir meine Selbstachtung. Und wofür ich leben werde?
— Ich werde meine Pflichten erfüllen, das ist doch selbst-
verständlich."
„Wie ein alter Römer", brummte Rhoden, nachdem
Herbert das Zimmer verlassen hatte. Es fiel ihm nicht
ein, fortzugchen, hier wollte er bleiben, bis der Freund
zurückkehrte. Als er vor prickelnder Ungeduld cs nicht
mehr aushalten konnte, setzte er sich an den Schreibtisch
und schrieb an seine Braut.
„Teuerste Jngeborg!
Daß cs Narren in der Welt giebt, habe ich zwar
immer gewußt; aber daß auch Herbert Landskrvn zu
ihnen gehört, diese Entdeckung machte ich erst heute, vor
zehn Minuten. Und ich kann seine Narrheit nicht hin-
dern! Hast Du mich schon in schlechter Laune gesehen?
Gewiß nicht, sollst es auch nicht. Aber in diesem Augen-
blick bin ich cs in einem solchem Maße, wie ich cs von
mir für unmöglich gehalten hätte. — — —"
Und in diesem Tone ging das Schreiben noch vier
Seiten fort und erzählte das Vorhaben Herberts, sich von
Gertrud scheiden zu lassen.
Während Rhoden in seinem Unmut so eifrig schrieb,
daß ihm der Schweiß auf die Stirn trat, stand Herbert
im Zimmer Gertruds. Die Kassette, welche er mitgc-
bracht, hatte er auf den Tisch gesetzt, seine Hände blieben
noch eine Weile, wie eine Stütze suchend, ans dem Deckel
liegen; denn diese starken Hände zitiertem „Ich bringe
Dir den Familienschmuck der Frankenthnrns. Der Wiener

d. M.: Eine Meldung aus chinesischer Quelle besagt
Prinz Ai, dessen Hinrichtung die Mächte verlangt hatten,
sei tot. Die Gesandten stehen der Meldung skeptisch
gegenüber.
Changhai, 31. Okt. Li-Hung-Tschang tclegraphirte
an Changschitung, die Friedensverhandlungen nähmen einen
befriedigenden Fortgang. Den anderen Persönlichkeiten teilte
Li-Hung-Tschang das Gegenteil mit und sagt, cs wäre besser,
für alle Fälle Vorkehrungen zu treffen.
Der südafrikanische Krieg.
Prätoria, 31. Okt. Das Reutersche Bureau meldet:
Die Verhandlungen mit Botha sind erfolglos
geblieben. Präsident Steijn lehnte es ab, einen Par-
lamentär zu empfangen.
Kapstadt, 31. Oft. Da die Buren zahlreiche
Angriffe aus die Eisenbahn in der Nähe von Bcnters-
burgroad ausführtcn, griff General Hunter den Feind
an, ohne daß Widerstand geleistet wurde, und warf ihn
aus Ventersburg hinaus.
Vermischte Nachrichten
Mannheim, 31. Okt. sE rwisch t.s Der Buchhalter
des Hotels „Pfälzischer Hof" Wilhelm Christ, welcher
am 11. September nach Unterschlagung von 3660 Mk.,
flüchtig gegangen war, wurde gestern hier cingcliefert.
m Mannheim, 31. Oft. Wer Verein selbst-
ständiger Milchhändlerj in Mannheim, der Milch-
händlerverein Ludwigshafen, der Verein Milchgenossenschaft
Karlsruhe und Umgebung, und der Heidelberger
Milchhändlervercin haben zusammen einen „Süddeutschen
Verband des Verbandes deutscher Milchhändlervercin" ge-
gründet. Die Organisation bezweckt, das Publikum mit
guter reiner Milch zu versorgen.
Karlsruhe, 30. Okt. fZuderPlankschenProzeß-
angelegenheits erfährt die Bad. Pr., daß der Anwalt
der Plank'schen Kinder für dieselben an das Großh. Land-
gericht in Karlsruhe ein Armenrechtsgesuch gerichtet
hat. In dem Letzteren wird nachgewiesen, daß nach Abzug
der Schulden re. den Kindern durch die Beträge der Lebens-
und Unfallversicherung ein Vermögensstand von 14 000 M.
verblieb, der auf 8 Kinder, davon 5 minderjährig, verteilt,
pro Kopf ein Vermögen von ea. 1800 M. mit jährlichem
Erträgnis bei 4 Prozent mit 72 M. crgiebt. Die Kinder
von denen der älteste Sohn Fritz gegenwärtig in Bayreuth
bei Frau Cosima Wagner studiert und der dritte, Rudolf,
in München, seien darum jetzt schon zum guten Teile auf
fremde Mildthätigkcit angewiesen und die Kapitalien müßten
schon jetzt angegriffen werden, sodaß sie bald keinen eigcnt-

Juwelicr, dem Deine Großmutter den gesamten Schmuck
zur Reinigung übergeben hatte, ist seinem Auftrage durch-
aus gerecht geworden. Ich habe vor Zeugen die Schmuck-
stücke revidiert, es stimmt alles genau. In Deinem
Namen übernahm ich den Schmuck wieder, stellte die Em-
pfangsbestätigung aus und beglich die Rechnung."
Gertrud, die in begreiflicher Aufregung dem Besuche
ihres Mannes entgegengesehen hatte, hörte erstaunt zu.
Herbert nahm einen zierlichen Schlüssel aus seiner
Brieftasche. „Das ist der Schlüssel zu der Kassette",
sagte er und reichte ihn Gertrud. „Verliere ihn nicht",
betonte der Graf. „Er ist sehr kunstvoll gearbeitet, und
ein Ersatz würde schwer zu beschaffen zu sein."
Schweigend nahm die junge Frau den Schlüssel und
verschloß ihn in ihrem Reise-Necessaire.
„Eines der Etuis enthält eine Rubin-Garnitur, die
berühmt ist. Der Juwelier versicherte, daß ihm noch
selten gleich tadellose Steine vorgekommcn seien", sagte
der Graf langsam. „Vor einem Jahre hattest Du noch
keinen Rubin gesehen, jetzt besitzest Du deren auserlesene.
Und Du öffnest die Kassette nicht einmal?"
„Wozu?" fragte Gertrud, zu ihrem Manne auf-
blickend.
„Wozu? — Um Deinen Schmuck anzuschaucn."
Sie lächelte flüchtig. „Ich habe zwar seit einem Jahre
gelernt, daß es thöricht ist, jeden Menschen zu verurteilen,
der Schmuck trägt; ich habe auch die ästhetische Schön-
heit von Schmuckstücken würdigen gelernt; aber beim An-
blick gerade dieser Kassette müßte ich mich fragen, wie
 
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