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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 291 - Nr. 300 (13. Dezember - 24. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44272#0607

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Heidelberger

Dienstag, 18. Dezember

1900

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Neuer Heidelberger Anzeiger

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16. Dez. Zu der Katastrophe wird noch

1. I.— ohne Zustellungsgebühr.

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Teil des Schiffsrumpfes zu.

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Das Schiff „Gneisenau" hatte
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Die Katastrophe rief in Malaga große
Die Vorstellung im Theater wurde ab-

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Ein Worlstreit, der ihn mit schreckensvollen Ahnungen er-
füllte — Ahnungen, die sein Herz vereisten.
Der mehrfach in ihm rege gewordene Verdacht, daß
auf Gisela's Wille bei der Verlobung sehr viel Zwang
vonseiten des ihm berechnend erscheinenden Vaters ausge-
übt worden sei, schien sich bestätigen zu wollen. Aber fein
Verstand und sein Gefühl sagten ihm, daß wenn es sich
in der Thai so verhielt, nicht dies allein, sondern etwas Ein-
greifenderes den seelischen Konflikt in Gisela herbeigeführt
haben müsse. Er kannte nicht viele Frauen, denn er hatte
sich sein Leben lang unter klirrenden Waffen, mehr auf
dem Felde, als in Fraucngemächern bewegt — aber er
kannte Gisela. Sie kannte er und wußte es auch, daß sie
ihn liebte. Dafür hätte er seine Hand ins Feuer gelegt.
Aber es war eine zarte, eben erst dem Keim entsprossene,
noch schüchterne Liebe, deren scheuer Zärtlichkeit er des-
halb mit unendlicher Zartheit begegnete.
Welch finstere Macht wollte ihm diese nun rauben?
Alles, was an Feuer und Kraft in ihm lebt, erwacht
und rührt sich und seine Stimme bebt in verhaltenem
Schmerz, als er vortretend jetzt das erste Wort in die
erregte Unterhaltung wirft.
„Mit Verlaub, lieber Schwiegerpapa", entschuldigte
er seine Einsprache, „gestatten Sie mir ein paar Worte.
Wir können uns diese schwere Stunde kürzen, wenn —"
er wandte sich jetzt Gisela zu, „wenn Du auch einmal

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Anzeigen:
die 1-spaltige Petitzcile oder
deren Raum 20 Pfg. Lokale
Geschäfts- und Privat-An-
zeigen bedeutend ermäßigt.
Reklamen 35 Pfg. Für
Aufnahme von Anzeigen an
bestimmten Tagen wird nicht
garantiert.

„Sprich", sagt sie und wendet ihren Kopf schnell wie-
der zurück.
Ulrich stellt sich Gisela gegenüber ans Fenster, wäh-
rend Herr v. Belendorf mit schleifendem Schritt hüstelnd
in den Hintergrund weicht.
„Ich brauche Dich wohl nicht zu versichern, daß ich
nach keiner Richtung hin, irgend welchen Zwang auf Dich
auszuüben gedenke. Du wirst ja nichts Gesetzwidriges,
Unedles thun wollen, nichts, was Du nicht mit Deinem
Gewissen verantworten kannst."
„Ich hoffe es."
„Wenn Du vor Gottes Altar die entscheidende Frage
mit „Ja" nicht beantworten kannst und willst und hier
aussprichst: „Ich will die Ehe überhaupt nicht beginnen,
so veranlassen Dich schwerwiegende Gründe dazu."
„Ja", tönt es ihm fest entgegen.
„Ursachen, die über Nacht, binnen vicrundzwanzig
Stunden — nein — in noch kürzerer Zeit in Dir ge-
reift sind — Deinem Verhalten nach in noch kürzerer
Zeit", betonte er weicheren Tones. „Du wirst das zu-
geben ?"
„Ja und nein", antwortet Gisela, wobei sich ihr Antlitz
tiefe Glut taucht.
„Möchtest Du Dich erklären."
„Ich kann das nicht in ein paar Worten thun."
„Das ist auch nicht nötig. Nichts darf Dich zur
Eile drängen. Aeußere gesellschaftliche Rücksichten kommen
in dieser Stunde nicht in Betracht. Sprich aus Deinem
Herzen heraus. Ich weiß, Du bist wahr — nun sei

kurze 15om-Geschütze, 2 Schnellfeuerkanonen und 6 Re-
volverkanonen. Die Besatzung betrügt 460 Mann.
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*
Berlin, 17. Dez. Dem „Tageblatt" zufolge wird
der Tod des ersten Offiziers des „Gneisenau", Berning-
Haus, bestätigt. Nach einem Telegramm desselben Blattes
hielt der Komandant Krc tsch mann bis zuletzt aus. Bei
ihm befanden sich mehrere Kameraden, die ihn nicht ver-
lassen wollten. Den Jubel der Zuschauermcnge errang
dieRettungzwcierOffiziere, die mit größer Geistes-
gegenwart und eiserner Ausdauer an einem Balken sich
festhietcn, bis Hilfe kam. Bei dem Rettungswerk zeichneten
sich die spanischen Lotsenführer Ramos und Llopisp aus.
Unter den Geretteten befindet sich der Marinepfarrer Kramm
und der Seccadett Heyroth. In der „Krcuzzeitung"
wird der Tod des Scckadettcn Berndt angczcigt.
Madrid, 17. Dez. Die Königin-Regentin
drückte anläßlich des Unterganges des „Gneisenau" dem
deutschen Kaiser ihr Beileid aus.
Madrid, 17. Dez. Bei der Rettung der Opfer
des „Gneisenau" sind, der „Franks. Ztg." zufolge, 12
Spanier ertrunken, deren Hinterbliebene im größten
Elend sind.
Madrid, 17. Dez. Die Agencia Fabra meldet,
unter den bei der Strandung des „Gneisenau" Er-
trunkenen befindet sich der erste Maschinist, der Schiffs-
ingenieur und einige Bootsmänner. Der Ort, wo das
Schiff sank, ist so gelegen, daß die Artillerie, die Geld-
kasse und vielleicht ein
retten sind.
Malaga, 17. Dez.
450 Mann Besatzung.
Hospitälern. Von den übrigen Geretteten sind 125 in
den Militärkasernen, 150 im Rathause untergebracht.
Malaga, 17. Dez. Die ganze Bevölkerung wett-
eifert mit den deutschen Bewohnern der Stadt in den
Bemühungen um die Pflege der geretteten Mann-
schaft des deutschen Schulschiffes „Gneisenau".
Alle Consulate liaben zum Zeichen der Trauer Halbmast
geflaggt. (Nach der neuesten Marine-Rangliste hatte das
bei Malaga gesunkene Schulschiff, die Corvette „Gneisenau",
2 Commandanten, 12 Offiziere, 2 Aerzte und 51 See-
cadetten an Bord; dazu kommen noch die Matrosen und
das übrige Schiffspersonal.) -
Malaga, 17. Dez. Der Bürgermeister richtete
an die deutsch e Bo ts ch aft in Madrid ein Telegramm,
worin er im Namen der ganzen Stadt sein Beileid
ausdrückt und bittet, das Telegramm der deutschen Re -
gierung mitzuteilen.

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kch. Durch die Postvier-
Üch 1 Mk. ohne Bc-
, stellgcld.

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ging in ihr vor? Was war es, was sich da vor > bas Wort an mich richten möchtest, Gisela.
! ' Ein scheuer Blick trifft ihn.

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reisen.
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chim UuLergEg der Gneisermri.
.Paris, 16. Dez. Aus Malaga wird über den
M der „Gneisenau" gemeldet: Vormittags 10 Uhr,
dem Augenblicke, als Kapitän K r e tzma nn die Revue
^hm, wurde das Schiff durch einen plötzlich losbre-
"jdcn Sturm gegen die Felsen am Eingänge des
^tts geschleudert und ging unter. Die Mannschaften
ffen sich in das Meer und klammerten sich an Hölzern
j Takelage fest. Ein großer Teil der Verunglückten
-. Das Hafenpersonal legte

Ein Rettungsboot desHafens machte heroische Anstrengungen,
um den Verunglückten Hüffe zu bringen. Es gelang ihm
auch, 15 Schiffbrüchige aufzunehmen. Infolge der Ueber-
lastung der Schaluppe aber stürzte sie um und alle
15 ertranken. Die Zahl der Verunglückten wird auf
100 angegeben; darunter befindet sich auch der Kapitän
Kretzmann und 40 Kadetten. Die Verunglückten
wurden zmn Teil im Spital, zum Teil im Rathause
uittcrgeb acht.
Trauer hervor,
gesagt.
Madrid,
Folgendes gemeldet: Angesichts des Unwetters befahl
der Kapitän, nach dem Hafen von Malage zurückzufahren,
zuerst mit Segel, sodann mit Dampf. Um 11 Uhr vor-
mittags fuhr das Schiff gegen eine Klippe außerhalb des
Hafens und sank sofort. Bald waren nur noch die Mast-
spitzen sichtbar. Die spanische Hafcnbehörde und Private
boten Alles auf, die Schiffbrüchigen zu retten. Von den
sich an Balken und Hölzern Anhaltenden wurden Biele
mcereinwärts durch die Gewalt der Wogen fsrtgerissen.
Die Zahl der Toten wird auf 100 berechnet.
Biele Verwundete wurden im deutschen Konsulat und im
Spitale vor dem Stadthause untergebracht.
Madrid, 16. Dez. 40 Mann sind in einem
Rettungsboote mit dem Kommandanten ertrunken,
s-
q- q-
Seit am 23. Juli 1896 am Schantung-Borgebirge
der „Iltis" mit einem Hurrah auf den Kaiser in die
Wogen sank, ist die deutsche Flotte nicht mehr von einem
ähnlichen Unfall betroffen worden. Damals fanden 71
brave Seeleute den Tod, diesmal scheint die Zahl der
Opfer noch größer zu sein, denen die Geschichte unserer
Marine ein ehrendes Andenken bewahren wird, wie der
Mannschaft des Iltis und jenen 564, die am 31. Mai
1878 mit dem „Großen Kurfürst" im Kanaluntergingen.
Schwere Unfälle ereignen sich in jeder Marine, denn das
Wasser hat nun einmal keine Balken. Es wird aber doch
-die Frage aufzuwerfen sein, ob es noch länger angebracht
ist, das Leben ssn ein paar Hundert Schiffsjungen solchen
Men Kästen auznoertrauen wie unsere Schulschiffe sind.
Das Schiffsjungen-Schulschiff „Gneisenau" lief 1879 in
Danzig vorn Stapel. Es hat 2856 Tonnen Wasserver-
drängung, ist 74 Meter lang und 14 breit. Die Ma-
schine kann mit 2500 Pferdekräften dem Schiffe 13
Seemeilen Geschwindigkeit geben. Außerdem hatte das
Schiff, zum Unterschiede von den modernen Kriegsschiffen,
Segeltakelung. Als Bewaffnung führt das Schiff 14

Hwand in den Fluten.
He Aufopferung an den Tag und Dank seiner Bcmü- I
^m^onnwn^icl^^cMsche^sia^M^ercttc^wn^e^

(27. Jahrgang.)
Druck und^Berlag von G. Krifrndörfer. Verantwortlich: Hch. Geifendörfer.
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Heidelberger

Der Hochzeitstag.
Roman von H. Palm^-Paysen.
(Nachdruck derbsten.)
(Fortsetzung.)
Gisela hat ihre Absicht ja mit klaren Worten — er
dieselben vorhin für leere Worte — ausgesprochen.
Herr v. Belendorf glaubt auch Plötzlich die Gründe
wr zu kennen — obgleich es ihm nicht eiulcnchtet, warum
es dann so weit hatte kommen lassen. Mußte uun
H noch davon geredet werden, von diesem verwünschten
sief?!
Erregt im Zimmer auf- und nicderschreitend, mit der-
ben, verzärtelten Hand sein Battistluch aus der Tasche
^end und sich damit die feuchte Stirn betupfend, tritt
fetzt an Gisela heran. In seinen Augen liegt jener
Bernde Glanz, der darin aufzuflimmcrn pflegt, wenn
Mit scimr Beherrschung zu Ende geht.
> „Verstehe ich Dich recht — so willst Du mit Deinen
»Ncn sagen, daß wir Dich, äh, äh, zur Ehe — ge-
nügen haben. Das nimm zurück — das nimm zurück!"
m er außer sich vor Empörung.
, Der Baron hat bis jetzt unter mühsamer Beherrschung
sich gehalten. Wie glühendes Eisen hatten sich Gisela's
in seine gequälte Seele eingebrannt.
Sic stand vor ihm, wie ein großes, unlösbares Rätsel,
ging in ihr vor? Was war cs, was sich da vor
M abspiclte? Eine unbegreifliche, unverständliche Szene!
 
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