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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 241 - Nr. 250 (16. Oktober - 26. Oktober)
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Gertrud beugte sich zu der Kleinen nieder und sah
tief in die blauen Kinderaugcn, die groß und verwundert
zu ihr aussahcn. „Das ist Eure Jüngste, Gruber-Moni,
nicht wahr? -fragte sie freundlich und streichelte das blonde
Köpfchen. „Ich freue mich, daß Ihr die erste seid, die ich
in Böckstein treffe. Ihr seht gut aus, Moni, ich denke,
cs geht Euch auch gut." Prüfend überflog Gertruds Blick
den sauberen, ja festlichen Anzug des Weibes.
„Weil i mein Sonntagsgcwand anhab, meinen S'?
Ah, dös trag i nit alle Tag. I muß nur abi nach'»
Bad, nach Gastein zum Herrn Pfarr, er soll mir a
G'schrift machen, ob i an ncuchen Stall bauen darf. Der
alte, was i hab, is a wing z'klan und mit'n ncuchen
müasset i übers G'höft a wengerl rausrucken. Aber guat
geht mir's scho, fcll muß wahr sein; und wem verdank
ich's? Ja, ncmand andern, als dem liaben gnädgcn
Herrn und seiner Guatthat. No, was wir alle g'staunt
hab'», daß der Herr Maler Kronau so a hocher Herr is.
Na, so was haben all in der ganzen Gegend gesagt. Aber
i hab mir's immer denkt, der Herr Kronau muß was
B'sundercs sein. Und wic's Jhna g'frcut haben müasscn,
daß a Gräfin worden sein, Frcile, gelt na? Und alle
haben g'sagt, a so guat wie d' Frcile paßt ncmand zu
aner Gräfin, sie kann scho so was vorstelln. Und daß
der Herr Jhna so viel liab Hot, so a guakcr Herr!"
„Ihr habt wohl die Kränze auf die Gräber gelegt,
Moni?" fragte Gertrud in dem Bemühen, den Redefluß
der Bäuerin zu unterbrechen, der auf ein gefährliches Ge-
biet geraten war.
Moni nickte. Halt, ja, wissen S', für die große
Guatthat is's, was der gnäd'ge Herr mir schon than hat;
und weil Sie doch schuld dran find, da hab i mir dcnkt,
i bring die Blüamerln aufs Grab von Ihren Herrn

Vatern unc von Ihrer Frau Muattern. I bin nur a
dumm's Weib, abcr's thuat cim völli wohl, wenn ma
so a bifscrl d'zeigcn ka, daß ma dankbar is."
Gertrud reichte ihr gerührt und dankend die Hand,
und jetzt bemerkte die Gruber-Moni erst, daß die junge
Frau in tiefer Trauer gekleidet war. Auf die teilnahms-
volle Frage der Bäuerin, um wen die Frau Gräfin trauere,
erwiderte diese leise: „Um meine Großmutter!"
Die Gruber-Moni sprach in schlichter Herzlichkeit ihr
Beileid aus; ob die Verstorbene die Verwandte des Grafen
oder seiner Frau gewesen, danach fragte sie nicht. Die
Sonne stieg höher, und Moni mußte sich beeilen, um
rechtzeitig wieder hcimzukommen. So nahm sic Abschied
von Gertrud, nicht ohne sich nochmals erkundigt zu haben,
ob denn der „gnädige Herr" auch „nachn Bad" gekom-
men sei, „sie thät ihn zu viel gern schauen."
Als Gertrud ihre Frage verneinen mußte und auch
darüber keine Auskunft zu geben vermochte, ob der Graf
ebenfalls nach Gastein kommen oder sie wenigstens abholcn
werde, machte Moni ein bedenkliches Gesicht. „No halt
ja", sagte sie wie entschuldigend zu der jungen Frau, als
ob sic dieselbe noch immer als eine der Ihrigen betrachtete,
„wissen S', die großen Herrn Ham scho ihre besunderen
Gewohnheiten; aber liab hat der gnädige Herr Jhna do,
wenn cr Sie auch alleinig hat furtfahren lassen, sell muß
wahr sein."
Dann ging die Frau, nachdem ihr Gertrud noch hatte
versprechen müssen, im Falle sie sich länger in Gastein
aufhalte, sic gewiß „hoamzusuchen." Das Lenerl hatte
den schönsten Knix machen und der Gnäd'gen ein Busserl
geben müssen, und fest schlossen sich die rosigen Fingerchen
über dem Goldstück, das Gertrud in das Händchen ge-
drückt hatte.



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Nr. 249. 27. Jahrgang- . Donnerstag, 25. Oktober 190V.
-- «kMtstst: dlm N. , - . «MIM: Inm Lstchch v. .)

VeistMerger AnreMr.


Zrrm 100. Geburtstage des General-FeldmarfchaUs Graf von Moltke.

^adcmic in Kopenhagen und ward 1819 dänischer Leut-
Aber schon drei Jahre später trat cr in preußische
Lenste über und zwar beim 8. Lcibrcgimcnt in Frank-
. U a. O. Dier zeickmclc cr sich bald so aus. dan 1832

Am 26. Oktober werden es 100 Jahre, daß der
,sifneral-Feldmarschall Hclmuth Karl Bernhard Graf von
Moltke in Parchim in Mecklenburg-Schwerin als Sohn
sis damaligen preußischen Hauptmanns a. D., späteren
Jnischcn Generalleutnants Viktor von Moltke und seiner
E^au Henriette geb. Paschen das Licht der Welt erblickte,
siü einem solchen Tage ziemt sich wohl ein kurzer Rück-
fück auf das Leben und Wirken dieses Mannes, der sich
unschätzbare Verdienste für sein Vaterland erworben hat.
Moltke besuchte von 1811—1817 die dänische Laudkadctten-

. - ». Hier zeichnete cr sich bald so aus, daß 1832
zwr Aufnahme in den Gcneralstab erfolgte. Drei Jahre
?tauf machte cr eine Reise nach dem Orient, welche ihn
Sultan Mahmud nahcbrachtc und zur Folge hatte,
er, für mehrere Jahre beurlaubt, der Ratgeber des
Altans wurde bei den von diesem beabsichtigten milirä
.sichen Reformen. Auch war Moltke Teilnehmer an dem
isikischcn Feldzug gegen Mchcmcd Ali (1839), wo dcr
sieche Oberbefehlshaber freilich seinen verständigen Rat
schmähte und dafür bei Nisib geschlagen wurde. Nach
siahmuds Tode hcimgckchrt, trat Moltke in den Gcncral-
zurück, ward 1842 Major, 1845 Adjutant bei dem
. Rom lebenden Prinzen Heinrich von Preußen, und
isich dessen Tode Ende 1846 Adjutant beim Gencralkom-
l^dv am Rhein. 1848 zum Abtcilungsvorstand im
Zsißcn Gencralstab ernannt, war Molrke 1849—1855
des Gencralstabs des 4. Armeekorps und dann Ad-
->vnr des Prinzen Friedrich Wilhelm, späteren Kaisers
^drjch. 1858 rrat cr au die Spitze des Gencralstabs
Armee und 1859 erhielt cr den Rang eines General
^vants. Um die Ausbildung der Gcneralstabsoffizicrc
zsihrb rr sich durch eigene Vorträge cixmw wie durch
Leitung und Ucbcrwachung ihrer Arbeiten große Vcr-
hsistc. Der Operaeionsentwurf für den deutsch-dänischen
^8 war großenteils sein eigenstes Werk, wie cr denn
sfsi Ende April 1864 Gcncralstabschcf des Prinzen
^rich Karl, Oberbefehlshabers der Verbündeten, ward.
Erwarten glänzend entfaltete sich Moltkc's stra-
^chc Begabung in dem deutschen Krieg 1866. Im Juni


des Jahres zum General der Infanterie ernannt, be-
gleitete cr den König m das Feld und wohnte der ent-
scheidenden Schlacht bei Königgrätz bei. Nach derselben
leitete cr auch dcn Vormarsch der Prcußcn gegen Wien
und Olmütz und führte die Verhandlungen in Nikols-
burg, welche dcn Waffenstillstand vom 2. August zur Folge
hatten. Als Auszeichnung für seine Verdienste ward ihm
vom König der Schwarze Adlcrorden und von der Nation
eine Dotation verliehen. Unermüdlich thätig, betrieb cr
sofort die Beseitigung der Mängel in der Organisation
und Taktik der preußischen Armee, welche sich 1866, na-
mentlich bei der Kavallerie und Artillerie Hcrausgcstcllt
hatten. Zugleich bereitete cr alles für den erwarteten
Enlschcidnngskampf mit Frankreich vor, und arbeitete einen
genauen Mobilmachungs- und Feldzugsplan schon 1868
aus. Derselbe bewährte sich bei dem Ausbruch des Krieges
1870 aufs glänzendste. Die ohne alle Störung bewerk-
stelligte Beförderung der Heeresmasscn auf der Eisenbahn,

der Aufmarsch der drei Armeen am Rhein sowie die Lei-
tung der Äricgsopcrationcn selbst erfüllten alle Welt mit
Bewunderung und Vertrauen in seine Leitung. Am
28. Oktober 1870 wurde Moltke in den Grafcnstand er
hoben, am 22. März 1871 erhielt er das Großkrcuz des
Eisernen Kreuzes, und am 16. Juni desselben Jahres
wurte cr zum Armcefcldmarschall ernannt; er erhielt auch
eine bedeutende Dotation, die cr zur Stiftung eines Fa-
milienfideikommisses verwandte, und wurde von zahlreichen
Städten zum Ehrenbürger ernannt. Auch politisch war
Graf von Moltke thätig. Er gehörte seit 1867 dem
Reichstag des Norddeutschen Bundes, dann des deutschen
Reiches und seit dem 28. Januar 1872 dem preußischen
Herrcnhause an. Aufsehen erregte seine formell und sach-
lich meisterhafte Rede über die politische Lage und die
militärischen Pflichten des deutschen Volkes am 16. Februar
1874 im Reichstag. Als cr am 9. August 1888 auf sein
dringendes Verlangen seine Entlassung als Chef des Gcne-
ralstabs erhielt, wurde er zum Präses der Landcsverthci-
diguugskommissiou ernannt. Moltke war seit 1841 mit
der Stieftochter seiner Schwester Marie v. Burt vermählt,
doch war seine Ehe kinderlos. Er starb ani 24. April
1891 in Berlin und wurde auf seinem Gute Kreisau in
Schlesien beigcsetzt. Seine Vaterstadt Parchim errichtete
ihm ein Denkmal (von Brunow), das am 2. Oktober 1876
enthüllt wurde, und gründete in seinem Geburtshaus«: eine
Moltkc-Stiftung. Seine vielseitige, tiefe und edle Geistes-
bildung prägt sich auch in seinen Werken aus. Die ge-
sammelten Schriften und Denkwürdigkeiten des Gencral-
Fctdmarschalts Graf Hclmuth v. Moltke erschienen in
Berlin (1891—93); dann folgten die militärischen Werke,
herausgegcben vom Gencralstab. Ein Schiff dcr deutschen
Marine trügt den Namen „Moltke". Das Andenken an
dcn großen Paladin des alten Kaisers, an dcn hervor-
ragendsten Mitbegründer des deutschen Reichs, dcr bei
seinen hohen Verdiensten um das Vaterland sich durch die
Einfachheit und Bescheidenheit seines Charakters so vor-
teilhaft auszeichnckc, wird im deutschen Volke erhalten
bleiben, so lange dasselbe sich überhaupt noch einer Dankcs-
pflicht, die cs seinen großen Männern schuldet, bewußt ist.


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Geiseudörfek

Wie es endete.
Roman von Maria Theresia May.
INachdruck verboten.)
(Fonsctznng.)

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^^stveit der Maricnkapclle in Böckstein, die von ihrem
ky, Hügel, von Hellem Morgcnsonnenschcin übergossen,
Üblich ins Thal schaute, hielt ein Wagen. Eine junge
in elegantester Traucrkleidung stieg aus und begab
sil Uachdem sic dem Kutscher einige Weisungen erteilt
sh ' auf den Friedhof. Zwischen zwei besonders gc-
Gräbern in der langen Reihe kniete betend eine
auf jedem der Gräber lag ein frischer, offenbar
Angelegter Kranz von Vergißmeinnicht und weißen
Anemonen. Unweit dcr Betenden saß ein kleines
h ' rin Mädchen, im Grase und spielte mit Feldblumen,
ih./Ȋiicrin war schon aufmerksam geworden, da dcr
hielt. Jetzt, als die Dame direkt der Stelle zu-
' wo die Bauersfrau kniete, sprang sic auf.
niei, o mei, sein Sie's denn wirkst, o liabs Freile,
h I Fra«, soll s sage!" rief sie mit Hellem Jubel in
^ümmc und in dcn Augen. „Na so a Freud' hält
ih, ^ut gar nie a mal tramt. Sagn's nur grad, wo
> s denn so af amal daher?" Kräftig schüttelte sie
^,»ndlich dargcbotene Rechte dcr jungen Frau und
stch als echte Mutter gleich zu dem spielenden
' „Geh her, Lenerl, gib fcin's Patschcrl dcr schön
Frau; siagst, dös is 's Freile, der Du selbiges
s h,. Almblumerln bracht hast, wic's von uns furt than
no? Und dcr gnädige Herr, mei, is cr nöt
wRa?

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;c Nr. 264.
 
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