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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

DOI issue:
Nr. 291 - Nr. 300 (13. Dezember - 24. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44272#0589

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Nr. 292.

1900.

Heidelberger Kreita^4,_DMmber.


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Feiertage. Als Beilagen das
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NeuerHeidelbergerAnzeiger
(27. Jahrgang.)
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Deutscher Reichstag.
Berlin, 13. Dezember.
Fortsetzung der Etatsberatung.
Abg. Hug(Centr-) tritt für größere Sparsamkeit und
Erhöhung der Matrikularbciträge ein, spricht sich aber
gegen eine Reichseinkommcnsteucr aus.
Abg. Frhr. v. Hodenberg (Welfe) tadelt aufs schärfste,
daß Krüger in Berlin nicht empfangen worden sei. Das
habe Deutschland mehr geschadet, als selbst der Empfang
es hätte thun können. Der Sieg des Reichskanzlers über
den Abg. Dr. Hasse sei nur ein Pyrrhussieg gewesen.
Abg. Dr. Hahn (Bund der Land.) Wir müssen
Uns hüten, England uns zu sehr zum wirtschaftlichen Vor-
bild zu nehmen. Vielleicht braucht der Reichskanzler die
Alldeutschen noch einmal. Der Empfang "Krügers hätte
wenigstens die Meinung nicht aufkommen lassen, daß wir
Uns fürchten.
Abg. Graf Roon (cons.) polemensirt gegen Bebel.
Abg. Stöcker (wild-cons.): Was die gegenwärtigen
gesellschaftlichen Zustände verdorben habe, sei die Verach-
tung der religiösen Gesinnung. (Zwischenrufe der Sozial-
demokraten, die der Präsident zu unterlassen bittet.) Er

Der Hochzeitstag.
Roman von H. Palmö-Paysen.
*8) (Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Laut, vernehmlich tönt wiederum des Pfarrers Frage:
»Vor Gott dem Allwissenden und in Gegenwart dieser
hristlichen Zeugen frage ich Dich, Gisela v. Belendorf,
willst Du diesen Ulrich v. d. Lüde als Deinen Ehemann
^Us Gottes Hand hinnehmen, ihn lieben und ehren, ihm
^Merthan sein in dem Herrn, in Freud und Leid ihn nicht
Erlassen und den Bund der Ehe mit ihm heilig und
Unverbrüchlich halten, bis daß der Tod Euch scheidet? Ist
Mches Deines Herzens Wille und Meinung, so sprich:
M." —
. Eine Totenstille tritt ein. Kein Laut läßt sich hören,
^in Paar unaufmerksame, im Hintergrund stehende Tan-
EU, halten erschreckt inne. Sie glauben, ihr unpassendes
.^ezischcl sei bemerkt worden. Wie weit war der Prediger
°enn bereits gekommen? — Ah, so weit — schon beim
^a." —
. Die Braut sieht zu dem Prediger auf. Sie trägt das
she „Ja" wohl auf der Lippe — aber cs scheint nicht
Grüber wcgkonunen zu können, denn es bleibt still, kein
Avrt wird hörbar. Durch den heiligen Raum hallt nur
bsiend das hüstelnde „äh, äh, äh" des Brautvaters.
. „Ist solches Deines Herzens Wille und Meinung",
'-cderholt des Predigers weiche Stimme in noch lauterem.

würde es für besser halten, wenn Dr. Graf v. Posadowsky
nicht versucht hätte, die 12 000 Mk.-Affaire schöner dar-
zustellen, als sie es ist. Auch er habe für die Weltpo-
litik gestimmt, jetzt habe er Briefe erhallen, aus denen
hervorgeht, daß die Kaiserin-Witwe dem regierenden Kaiser
deshalb so feindlich gesinnt sei, weil er dem Christentum
zugänglich war. Daß mäst Krüger nicht habe empfangen
wollen, sei bedauerlich. Es wäre besser gewesen, wenn
trotz des formellen Fehlers, den Krüger gemacht habe,
dieser in Berlin empfangen worden wäre. Wo cs sich um
große sittliche Fragen handelt, dürfe kein sittlicher Zwie-
spalt durch das Volk gehen. Er wünsche, daß Gott dem
Reichskanzler Kraft geben möge, etwas von christlicher
Harmonie in das Konzert der Großmächte zu bringen.
Abg. Graf Klinckowström (kons.): Die Landwirt-
schaft verlange nichts Unbilliges. Mit den Maßnahmen
der auswärtigen Politik könne man sich einverstanden er-
klären. Wenn Krüger nicht zu politischen Zwecken sondern
als Privatmann komme, werde man ihn empfangen können.
Es folgen verschiedene Bemerkungen zur Geschäftsord-
nung und persönliche Auseinandersetzungen. Die wichtisten
Teile des Etats werden der Budgetkommission überwiesen.
Nächste Sitzung:- 8. Januar 1901, 2 Uhr. Tages-
ordnung : Urheberrecht.
Der Präsident wünscht den Mitgliedern ein fröhliches
Fest-
Schluß halb 5 Uhr.

Deutsches Reich.
Streikklausel. Der Einführung der Streikklausel in
die Verträge über Bauarbeiten tritt der preußische Arbeits-
minister mit derselben Begründung entgegen, wie es die
badische Regierung gethan hat. Er erklärt, es sei nicht
mit den Staatsinteressen vereinbar, jenen Wünschen in der
beantragten Allgemeinheit Rechnung zu tragen, er behalte
sich vielmehr von Fall zu Fall die Entscheidung vor, wie
weit der Ausstand der Arbeitnehmer oder die Sperre der
Arbeitgeber gerechtfertigten Anlaß biete, die Unternehmer
von ihren vertraglichen Verpflichtungen zu entbinden, Frist-
verlängerung zu gewähren oder die verwirkte Convcntional-
strafe nachzulassen. Die Behörden sollen jedoch möglichst
an der bisherigen Praxis festhalten und den durch unver-
schuldete Arbeitskämpfe hervorgerufenen besonderen Verhält-
nissen Rechnung tragen.
Das neue Gewehr. Das sozialdemokratische Central-
organ berichtet von einem neuen Gewehr, das von einem
Skandinavier erfunden sei und in seiner genialen Kon-
struktion wie auch durch die Durchschlagskraft seiner Ge-

gleichsam sanft mahnendem Ton — es scheint, als wolle
ihm dabei der Atem stocken — „so sprich: „Ja."
Fast wird ihm das Wort von den Lippen abgcschnit-
ten, so hastig, so überstürzend tönt dieses Mal in seine
Frage hinein, gleich einem Schrei aus zerrissener Seele,
ein deutliches, festes, entschiedenes „Nein." — —
Man erzählt sich droben, wo die Wogen der Nord-
und Ostsee schäumend an den Strand rauschen, von fürch-
terlichen Wettern, von Stürmen und Windschauern, die
mit unheimlicher Schnelle und Urplötzlichkeit dahergebraust
kommen, dem heiteren Himmel ein Trauergewand Über-
werfen, und mit fürchterlicher Kraft und Zerstörungswut
über die verfinsterte Erde herfallcn, der Menschen Bau-
werke zermalmen, Häuser, Kirchen; an die Felsen greifen
und mit unwiderstehlicher Gewalt so lange daran rütteln,
bis selbst diese ins Wanken geraten.
Fallwettcr nennt der Nordländer diesen Alles zer-
schmetternden Sturmriesen.
Das „Nein" der Braut in der kleinen, poetischen
Dorfkirche, über die der Himmel blaute und die Sonne
goldig nicderschien — wirkte ungefähr so, wie ein Fallwettcr.
Erst eine beklemmende Schwüle, eine angstvolle Stille,
die Ahnung von etwas Furchtbarem, das gleich kommen
würde, und schneller und jäher noch hereinbrach, als man
dachte, dann ein Schreck für Alle, nur in der Wirkung
verschieden.
Auf den Bräutigam übte dies unerwartete so bestimmte
„Nein" eine geradezu versteinernde Wirkung aus, Mutter
und Schwestern der Braut standen wie gelähmt da. Herrn

schosse alle anderen Systeme hinter sich lasse. Mit dem
neuen Gewehr habe das deutsche Lehrinfanteriebataillon
Versuche gemacht, und mit einem so glänzenden Erfolg,
daß probeweise eine der Divisionen des Hannoverschen
Armeekorps damit ausgerüstet werden soll. Dagegen wird
von gut unterrichteter Seite mitgcteilt, daß die Ausrüstung
mit diesem Gewehr unbegründet sei. Das Gewehr habe
große bellistische Vorzüge, entbehre aber der Kricgsbrauchbar-
keit; sogar in der Heimat des Erfinders hat man davon
abgesehen, die Armee mit dem neuen Gewehr auszurüsten.
Wildparkstation, 13. Dez. Der Kaiser hat sich heute
Vormittag nach Hannover begeben.
Hannover, 13. Dez. Der Kaiser traf um 2 Uhr hier
ein und fuhr alsbald nach dem Schlosse. Sodann begab
sich der Kaiser zu Pferde nach dem Waterloo-Platze, wo
die Garnison in Parade stand. Nach der Abnahme der
Parade kehrte der Kaiser ins Schloß zurück. Prinz Rupr echt
von Bayern traf hentc Nachmittag 3 Uhr hier ein.
Berlin, 13. Dez. Das Obercommando meldet aus
Peking vom 10. d. M.: Die Reede von Taku ist
zugefroren. Der Oberbau der Eisenbahn Aangtsun-Pekin g,
ist fertiggestcllt.
Kiel, 12. Dez. Die mit dem Dampfer „Köln" aus
China zurückkehrenden Offiziere und Mann-
schaften trafen abends um 5^ Uhr hier ein. Zum
Empfange war das Prinzenp aar Heinrich anwesend.
Der Admiral v. Köster hielt eine Ansprache, in der er
der Tapferkeit der Heimgekehrten seine Anerkennung zollte
und ein Hurrah auf den Kaiser ausbrachte, in das die
trotz des strömenden Regens zahlreich anwesende Menge
begeistert einstimmte, während die Musik „Heil dir im
Siegerkranz" spielte. Nachdem der Oberbürgermeister im
Namen der Stadt begrüßt hatte, ließ sich die Prinzessin
Heinrich mehrere Verwundete vorstellen und erkundigte sich
nach ihrem Befinden und ihren Verhältnissen. Sodann
maschierte der Zug durch die reich beflaggten und glänzend
beleuchteten Straßen, von der Menge begleitet, nach der
Caserne. Die Verwundeten und Kranken folgten in mit
Blumen geschmückten Wagen, denen die Krieger und Mili-
tärvcreine sich anschlossen, die zum Empfange erschienen
waren.
Hamburg, 13. Dez. Auf Anregung des hiesigen
Hilfsausschusses für die Buren fand gestern Abend im
großen Saale des Conventgartens eine imposante Kund-
gebung für Transvaal statt. Die etwa 2000 Teilnehmer-
zählende Versammlung sandte ein Telegramm an den
Reichskanzler, in welchem derProtest der Versamm-
lung gegen die bisherige Behandlung der Burenfrage Seitens

v. Belendorf traf das „Nein" wie ein Keulenschlag. Ver-
wirrung ringsum! Hatte man recht gehört — oder sich
verhört?: Ein Irrtum ein Mißverständnis war nicht
glaubhaft.
Und wenn doch, so wäre der unaufmerksame Zuhörer
selbigen Augenblicks des Richtigen belehrt worden.
Mit gänzlich farblosem Antlitz und schwankendem
Schritte sah man Gisela vom Altar wcgtreten und dem
Ausgange der Kirche zuschrciten.
Und dann rollte ein Wagen von dannen, der Braut-
wagen, in dem der Bräutigam fehlte, in dem nur die
Braut saß, still, blaß und thränenlos.
Nur einer, ein Einziger unter Allen war in der Kirche,
den Kopf nicht verlor, der sofort thatkräftig in den schweren,
den Bräutigam geradezu zermalmenden Conflikt cingrisf:
Der alte Justizrat.
„Gisela ist krank — Gisela weiß nicht, was sie gethan —
gesagt hat," betonte er mit halblauter aber fester Stimme,
mit diesen Worten sich zugleich auch an den Prediger-
wendend. „Ich habe ihr diesen Morgen bereits eine sehr-
große Nervosität angesehen und auch Ihnen mein lieber
Neffe, soll dies, wie ich hörte, am gestrigen Abend ausge-
fallen sein. Unvorsichtig, daß keine Rücksicht auf Gisela's
Zustand genommen und die Hochzeit nicht aufgeschobcn
worden ist! Um Gottes willen nur Ruhe — Besonnenheit
— cs wird sich Alles klären und wieder zum Besten
werden."
Dies und ähnliches sprach er auch zu andern, die es
weiter kolportierten, unter diesen, als eifrigste, die Tante
 
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