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Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1900

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Nr. 211 - Nr. 220 (11. September - 21. September)
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daß Sie etwas genießen", bat der Marchese, nachdem sich
Gertrud auf einem kleinen, halb iin Grün versteckten Sofa
niedergelassen hatte.
„Ja, bitte", erwiderte sie leise; ihr brannten die Lip-
pen und die Zunge klebte am Gaumen. Herbert wollte
ihre Hand fassen. „Gertrud, Du bist krank", rief er in
tätlicher Angst; doch hastig zog sie ihre Hand zurück, ohne
einen Blick aus ihren Mann zu werfen.
„Nein, ich bin nicht krank", entgegnete sie laut und
sich aufrichtcnd. „Ich möchte nur einige Augenblicke
allein sein!"
Ungewiß blickte Herbert auf seine Frau; aber der
Marchese nahm seinen Arm. „Kommen Sie, kommen Sie,
Graf, ich verstehe ganz gut, daß die gnädige Frau für
einige Minuten vollkommene Ruhe haben will, Sic sagen
mir mittlerweile, welchem Wein Ihre Frau Gemahlin den
Borzug giebt." Dabei entfernte sich der Marchese mit
Herbert, welcher nicht widersprach.
Bei dem plätschernden Springbrunnen in der Mitte
des Gartens blieb der Italiener stehen. „Die schöne Frau
hört uns nicht mehr, Herr Graf", sagte er leise und
hastig, „und ich bitte Sie nun, mir wie ein Ehrenmann
dem andern eine Frage zu beantworten, die sehr indiskret
klingt, die ich aber thun muß,' da cs von ihrer Beant-
wortung abhängt, ob ich Ihnen so nützlich sein kann, wie
ich es gerne möchte."
„Fragen Sic, Herr Marchese!"
„Wer ist die Dame, die wir soeben verlassen haben?"
und der Marchese blickte ernst und fest dem deutschen

Herberts fragender Blick folgte erstaunt der Richtung,
welche das Auge des Marchese nahm, und traf das höh-
nische Gesicht des Engländers; mit einem Male wurde
dem Grafen klar, welchen schmählichen Verdacht William
Cosway hegte. Herbert hätte sich auf ihn stürzen und
ihn niederschlagen mögen, unwillkürlich that er einen
Schritt auf den Unverschämten zu, aber der Marchese
flüsterte ihm: „Um Gottes willen, nicht mehr, wenigstens
jetzt nicht", und die beiden Herren begaben sich schweigend
mit Gertrud in den Palmcngarten, welcher unmittelbar
an den Saal ansticß.
Herbert war so aufgeregt, daß er in den ersten Augen-
blicken die Sorge für Gertrud völlig dem Marchese über-
ließ, der mit einer gewissen Väterlichkeit des Betragens
ein stilles Plätzchen für die junge Frau aussuchte. Wie
schön es hier war! Brcitblätterige Musae hoben ihre
schlanken Stämme bis zur Glasdecke des großen Raumes;
wundervolle Königspalmen mit herrlichen, gefiederten Blät-
tcrkroncn, Schirmpalmen, deren einzelne Blätter sich
schützend über allerlei zierliche gußeiserne Sitze neigten,
Lianen, bunt und seltsam blühende Orchideen schlangen sich
um blinkende Eisenpfeiler, hier wie leis bewegte Vorhänge
niederwallend, dort sich zu reizvollem Triumphbogen ver-
bindend, und der ganze Raum mit seinem mannigfachen
Grün, seinen herrlichen Blüten war von Hellem und doch
wohlthuendem Licht erfüllt, das aus weißen Milchglas-
glocken strömte.
„Gestatten Sie, gnädigste Frau Gräfin, daß ich Ihnen
eine kleine Erfrischung besorge; es ist absolut notwendig,

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Wie es endete.
Roman von Maria Theresia May.
^Nachdruck verboten.;
(Fortsetzung.)
ih.^schreckt blickte Herbert auf Gertrud und überhörte
tz^sern Erschrecken völlig den malitiö'en Ton, welchen
auf die Worte „Ihre Frau Gemahlin" gelegt
der That, jeder Blutstropfen schien aus dem
Antlitz der jungen Frau gewichen zu sein, und die
offenen Augen glühten. Trotzdem stand sie äußerlich
hoch ausgcrichtct neben ihrem Sessel, nur die kleine
ljsj ' welche die Lehne umfaßte, zitterte heftig. „Du
^Erschrocken, Gertrud, ich bitte Dich, rege Dich nicht
s^^at Herbert eindringlich. „Sollen wir nach Hause
Via, nach Hause —" sagte sie tonlos.
lchyt H ehe Herbert der jungen Frau seinen Arm bieten
r, wat Marchese del Monti vor, welcher außer Mrs.
und den Beteiligten allein Zeuge der peinlichen
skyD gewesen war, und sagte mit ehrerbietigster Höflich-
"Ich bjjte, gnädigste Gräfin, mir zu gestatten, Sie
Palmcngarten führen zu dürfen; die Schönheit und
desselben dürfte jetzt weit günstiger auf Sie wirken
Hotelzimmer. Ich beanspruche diese Gunst als
ijy § für den Tanz, den Sie mir versprochen haben."
2 Arbe« gewendet, sagte er mit Nachdruck: „Ich halte
styA diel bester, wenn die Dame sich nicht gleich cnt-

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Nr. 220

27. Jahrgang

Freitag. 21. September 1900

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Anzeigen: die 1-spaltige Pctitzeile oder deren Raum
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nahme von Anzeigen an bestimmten Tagen wird nicht
garantiert. Gratisverbreitung durch Säulenanschlag.

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cüh 7 Uhr
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mit einer Genauigkeit ohne gleichen zu stellen. Sie bietet
außerdem eine vorbereitende Lösung, die mit der Strenge,
deren Europa sich nicht entschlagen kann, ohne auf immer
seinen Kredit in China zu verlieren, diejenige Milde gegen
die Kleinen und Schwachen verbindet, die das schönste Erb-
teil der Zivilisation sein muß. Es ist deshalb zu hoffen,
daß die Mächte ihr einstimmig zustimmcn.
Peking, 20. Sept. Dem Reuterschcn Bureau geht
von hier die Meldung zu, die Abteilung des Generals
v. Hocpfncr griff am ll. früh die Stadt Liangthiang
an. Der Ort war voll von Boxer und kaiserlich
chinesischen Truppen. DieStadt wurde zunächst von
der Artillerie Hocpfners beschossen, die Thoren wurden mit
Dynamit gesprengt, es entspann sich ein Straßenkampf.
500 Chinesen wurden getötet.
Peking, 20. Sept. Der amerikanische Ge-
sandte äußerte sich, dem Reuterschcn Bureau zufolge,
am l4. d. Mts. dahin, Peking müsse von den fremden
Truppen solange besetzt bleiben, bis eine gewisse Regelung
der Verhältnisse erzielt sei. Andernfalls würde
jeder Nutzen der Expedition der verbündeten Truppen ver-
loren gehen.

Zellen. f >
in kökne. j

aus. Gegen Mittag begab sich der Präsident nach Marin-
villicrs, wo er das Frühstück einnahm.
Amerika.
Ntw-dork, 20. Sept. Die Arbeiter im Schuylkill-
Thal verhängten den Boykott gegen die Readingbahn,
speziell in Reading, Pottsville und Harrisburg-Gruben.
In diesem Distrikt wird die volle Zeit gearbeitet, obgleich
Präsident Mitchell von der Arbciterunnion erklärt, daß
die Streikenden Zuwachs erhielten.

Der südafrikanische Krieg.
Loudon, 20. Sept. Von Lord Roberts ist aus
Bclspruit die Meldung cingegangen, daß von 3000 Buren,
die sich nach Koomatipoort zurückgezogen, 700 die por-
tugiesische Grenze überschritten hätten. Die übrigen
zerstreuten sich, nachdem sic die schweren Geschütze und die
Feldgeschütze zerstört hatten. Vorn Burenh eer ist nichts
mehr übrig geblieben, als einige marodierende
Banden.
Louren^o-Marqucz, 20. Sept. Untcrm 19. d.
Mts. wird von hier gemeldet: Die Buren setzten eiycn
Ausschuß ein, welcher die aus Transvaal ankommenden
Flüchtlinge empfangen und mit Nahrungsmitteln
versehen soll. Den fremden Konsuln wurde mitgeteilt,
daß man erwarte, sic würden sich ihrer aus Transvaal
kommenden Landsleute annehmen. sDas ist das Ende
des Elfmonatekricges. D. Rcd.j
Lorenzo-Marques, 20. Sept. Das gemeldete
Gefecht an der potugicsischen Grenze war, wie
sich hcrausgestclll hat, nur ein Scharmützel zwischen Koffern
und Buren gewesen, welch' letztere sich in einer starken
Stellung 300 Uards von der Station Ressonc Garcia
befanden. Portugiesische Truppen patrouillircn in den
Bergen nnd beobachten scharf die Vorgänge.
Beira, 20. Sept. Der holländische Kreuzer „Gelder-
laub", geht, nachdem er hier Kohlen eingenommen hat

Die Wirren in China.
Shanghai, 20. Sept. Das Rcutcrschc Bureau
meldet: Die Berliner Meldung, daß der deutsche Kaiser
vor Eintritt in die Verhandlungen die Auslieferung
der Anstifter zu den Verbrechen wünsche, ruft hier hohe
Befriedigung hervor. Nachdem die Sicherheit Shanghais
nunmehr gewährleistet wird, stellen die Konsuln die regel-
mäßigen Versammlungen ein. Wie aus Shanghai vom
19. d. M. weiter gemeldet wird, soll Li-Hung-Tschang
gestern Abend vor Taku ciugetroffen sein. Die Wusung-
Forls grüßten seine Flagge bei der Einfahrt mit 19
Schüssen. Die fremden Kriegsschiffe nahmen den Salut
nicht auf. Der Telcgraphcndircktor Scheug ist nicht
mit Li-Hung-Tschang abgcrcist, sondern befindet sich
noch hier.
Shanghai, 20. Sept. Ein höherer Mandschu-
beamtcr der Provinz Aunan kam, wie der „Standard"!
erfährt, am 9. d. M. mit 8000 Mann der Provinz Huan
in Talungfu in der Provinz Schausi an und teilte der
Kaiserin-Witwe mit, daß noch größere Truppen-
massen sich unterwegs befänden. Die Kaiserin gab dem
Danke Ausdruck für die ihr von den Vieckönigen und
Gouverneuren erwiesene Treue. — Wie die „Times"
meldet, begab sich Admiral Seymour nach Taku; man
glaubt, er werde mit dem Gesandten Mac Donald zu-
sammentreffen.
Paris, 20. Sept. Der „TcmpS" führt in seiner
Besprechung des deutschen Rundschreibens aus: „Seit
Wochen erwartete man ein beruhigendes Wort, und das
Rundschreiben Bülows ist dazu augethan, diese Beruhigung
hcrvorzurufen. Es zeigt, daß die Mächte die wesentlichen
Bedingungen des zu lösenden Problems nicht aus dem
Auge verloren haben. Es bezeugt ferner das Vorhanden-
sein eines grundsätzlichen Einverständnisses unter der Mehr-
zahl der Verbündeten. Es zerstreut endlich die Befürch-
tungen, die gewisse Auslegungen eines seitens Rußlands
erfolgten Schrittes hatten entstehen lassen." Nachdem als-
dann der „Tcmps" den Text der Note in diesem Sinne
erörtert hat, erklärt er: „Sic hat das Verdienst, die Frage

gesucht,
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Deutsches Reich.
Darmstadt, 20. Sept. Das feierliche Leichen-
begängnis des Prinzen Heinrich von Hessen hat
Ate Vormittag unter Teilnahme des Großhcrzogs, des
Stofen Nidda (ältester Sohn des Verstorbenen), des Prinzen
Asons von Bayern, als Vertreter des Prinzrcgcnten, des
x'Mcrals v. Lindequist, als Vertreter des Kaisers, des
Alvmatischcn Korps, vieler Standcshcrrcn, der Spitzen
Civil- und Militärverwaltung auf der Roscnhöhc statt-
^stlndcn. In Aschaffenburg wurde die Leiche auf Befehl
Großhcrzogs von drei Offizieren in Empfang genommen.
Frankreich.
Chartres, 20. Sept. Die städtischen Behörden
Opfingen gestern Abend die französischen und frcmd-
"ndif ch en Os fizicrc. Der Bürgermeister, derKriegs-
Anistcr nnd der russische General Vouliarsky hielten An-
suchen. Es herrschte ein sehr herzlicher Ton. Am frühen
Morgen strömte heute eine große Volksmenge nach Amilly
die Truppen in einer Stärke von 97 000 Mann mit
iA 000 Pferden Paradcaufstellung genommen hatten.
A 9 Uhr traf Präsident Loubct in Begleitung des
Acgsministcrs, sowie mehrerer Senatoren und Abgcord-
An ein und begab sich zu Wagen nach dem Paradefcldc,
er von General Brugtzrc empfangen wurde. Nach
- "rbcimarsch der Truppen ließ sich der Präsident die
südländischen Offiziere vorstcllcn.
l ChartrcS, 20. Sept. Der Parade bei Amilly wohnte
t c Präsiden: Loubct auf einer Tribüne bei, umgeben von
A Ministerpräsidenten, den Präsidenten der Kammer,
A Ministern und vielen hochstehenden Persönlichkeiten.
A fremdländischen Offiziere hielten zu Pferde neben der
Abünc. An der Spitze der Truppen ritt General Brugcrc,
An folgte die aus dem 5. und 9. Armeekorps gebildete
Adarrncc unter dem Befehl des Generals Lucas, woran
A die aus dem 4. und 10. Korps bestehende Nord-
Att u„tcr General de Ncgricr anschloß. Die vorzüg-
A Haltung und gute Richtung der vorbcimarschiercndcn
Appen wurde durch Beifallsklatschen und Hochrufe auf
A Armee begrüßt. Tic fremdländischen Offiziere be-
AStcn sich lebhaft hieran nnd zeichneten besonders die
AZadc Le Louv-Dcsaney, bei der sic einen großen Teil
O ^Manövers mitgcmacht hatten, durch Beifall aus. Nach
A Vorbeimarsch formirte sich die ganze Artillerie als
tzArie und gab Salven auf die Tribünen ab, fvas großen
Adruck auf das Publikum machte. Den Schluß der
Aadc bildete eine von 80 Schwadronen unter Führung
leeres und de Negricrs gerittene Attacke. Begeistert
^wle die Menge Hochrufe auf die Armee und Loubct
 
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