Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37097#0261

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

Erschei nt täglich. Sonntags ausgenommen. - Preis mit Familienblättern monatlich 00 Pfg. in's Hans gebracht, bei der Expedition und
Anzeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. NeklmnezelleÄE^ ermäßigt - Für die Ansnabme .
borgeschrkb-nen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. - Anschlag der Inserate ans LL Pl^^ttafeln''derdenAftkasi^

Polen und Zentrum.
Jahrelang hat das Zentrum mit Aufopferung
seiner nationalen Gefühle die Polen unterstützt.
Vor dem Gegensatz: „Hie deutsch, hie polnisch!" schloß
es absichtlich seine Augen. In dem Polen sah es in erster
Reihe den Katholiken, dem die Unterstützung der deutschen
Katholiken zuzuwenden sei. Die Polen ließen sich das
gern gefallen, machten aber nie einen Hehl daraus, daß
ihnen vor Allem an der Unterstützung ihrer nationalen
Bestrebungen liege und daß sie die religiöse Gemein-
schaft mit den deutschen Katholiken nur insoweit schätz-
ten, als sie daraus Nutzen und Stärkung für ihre natio-
nalen Wünsche zögen.
In der letzten Zeit hat nun das innerlich unwahre
Verhältnis zwischen dem deutschen Zentrum und den Polen
einen bedenklichen Riß bekommen. Die nationalen An-
sprüche der Polen werden so groß, daß sogar der deutsche
Zentrumsmann, der in der nationalen Selbstverleugnung
doch gewiß Bedeutendes leistet, sie zurückweisen muß. So-
gleich aber spielt sich der Pole als der Gekränkte und
Verratene auf und kündigt dem deutschen katholischen Bru-
der in groben Worten die Freundschaft.
Bekannt ist der schmähliche Artikel des polnische»
Pfarrers Liß (zu deutsch: Fuchs) gegen den Kölner Erz-
bischof. Die ganze polnische Presse stimmt dem Pfarrer
zn, also nicht nur die radikale, wie das Zentrum zu
seinem Trost gern annehmcn möchte, sondern auch die ge-
mäßigtere. D:e polnischen Blätter schlagen geradezu gegen
den deutschen Ultramontanismus los.
„Der Kampf mit dem Ultramontamsmus", so schreibt
der „Dziemrik Berlinski" „und dem diesem nahe ver-
wandten Jesuitentum ist für uns ein Kampf um die
wahre katholische Religion, so wie wir Polen sie ansehen,
indem sie einen Teil unserer nationalen Existenz Mdet,
ein Kampf ohne Rücksicht auf die Verwünschungen und
Verdammungen derjenigen Leute, welche unsere Religion
mit ihrem ultramantanen ABC messen wollen, und uns
deshalb verdammen, weil wir wahre Katholiken sind, die
von keinem Ultramontanismus, keinem Jesuitentum und
Kosmopolitismus anderer Art angesteckt sind." .Genau
dieselben kirchenfeindlichen Ansichten vertritt Goinec
Wielkopolski, deru. a. folgende Programmpnnkte
aufstellt: Bekämpfung der Vorspielung von Loyalismus,
Bekämpfung des dauernden Zusammengehens mit irgend
einer deutschen Partei, und Gegnerschaft gegen den in-
ternationalen Klerikalismus.
Die Sprache des Pfarrers Ltß gegen Erzbi-
schof Simar von Köln, gegen die „Germania" und das
Zentrum wird immer deutlicher, sodaß sie einer Steige-
rung kaum mehr fähig ist. Pfarrer Liß erklärt in der
„Gazeta Torunska": „. . . Ich habe noch viel
schwereres Geschütz: wenn ich dieses gegen das Zentrum
auffahren lasse, dann werden die Zentrumsmänner in
ihrer ganzen Blöße erscheinen. Die ganze Welt wird
dann von ihnen mit Abraham a Santa Clara sagen:
Sie sind nicht wert, daß sie der Hund Le.Ich aber
werde mit Abraham a Santa Clara ausrnsen: Ja, sie
sind wert, daß sie der Hund be ....! Von „Beschimpfung",
„Dreistigkeit", „Gehässigkeit", „Verdrehung", „Ent-
stellung" n. s. w. zu reden, wie es das Zentrum thut,
das ist einfach so ein bischen Sand in die Augen gq-

Die Brieftasche.
22- Roman von F. von Kapff-Essenther.
(Fortsetzung.)
Er hielt inne, und als Möhring nichts erwiederte, inachte
er eine verächtliche Gebärde. „Fauler Zauber, Geflunker!
Das Los war niemals das Ihre — das ist sicher, Sie großer
Damit »ahm er seinen Hut und ging ohne Gruß davon.
Möhring lachte bitter aus, So war seine liebevolle. Be-
mi'lhung tun den. Kollegen belohnt worden ! ^ lind so verstrickte
er, Möhring, sich in die eigene Falle. Dieser Mann, dem er
nnr Gutes erwiesen, durste ihm ins Gesicht sagen: „A>er
weiß, wo Sic Ihr Geld her haben. Sie Schwindler!" lind
Wer weis'), ob er der GinZige war, der das sagte? Denn
Möhring konnte ja niemand beweisen, woher er sein Kapital
genommen. Der geheimnisvolle Kapitalist ans der „Vossgchen
Zeitung" war ja nie mehr zum Vorschein gekommen.
Wird und muß nicht auch Bohnemann eines Tages fragen,
den der geheimnisvolle .Kapitalist immer sehr interessierte?
Kann nicht Ottilie ans bloßer Teilnahme einmal dieselbe
Frage stellen?
Allerdings er, Möhring, hatte bisher immer geantwortet:
»Ich habe ihn abgefiuidcn;" aber würde man sich diese
billige Ausrede immer so gefallen lassen? Es mußte ein-
mal zu einer Erklärung, zu einer Auseinandersetzung über
diesen Punkt kommen. Der Angstschweiß brach ihm bei dieser
Vorstellung aus.
Da saß er allein in seinem Bureau, in diesem prächtigen
"»genehm durchwärmten Bureau und sah dem Gespenst seiner
Schuld ins Auge. Dieses Gespenst war nicht, wie er meinte,
durch Erfolge zu bannen. Es kam immer und immer wieder.
Aanz unvermutet tauchte es vor ihm auf, vermmlelte ihm das
Tageslicht, machte sein Herz angstvoll klopfen. Wie war cs
Möglich, p->ß er bisher nicht daran gedacht hatte.

streut. Ich habt^weder verlangt noch verlange ichs jetzt,
baß Erzbischof Simar in den Blättern mit mir pole-
misiert, aber ich fordere, daß kein Geheimsekretär nach
dem Sprichwort „si feeisti, nega!" handelt. Fühlt sich
der Erzbischof durch mich beleidigt, so möge er mich in
Rom Mittagen, ich werde gern mich dorthin begeben,
um den väterlichen ilrteilssprnch entgegen zn nehmen. . .
Das Zentrum behandelt die Polen wie Heloten, so, als
wenn ungefähr die Nase für die Tabaksdose und nicht die
Tabaksdose für die Nase vorhanden wäre. . . Wein: der
„Kursier Poznanski" ausgerechnet hat, das Zentrum ver-
danke den Polen 10 Mandate, so ist es noch lange keine
Revolution, wenn die Polen endlich die Kinderschuhe ans-
ziehen und eigene Abgeordnete wählen, anstatt sich von
unsicher!, Patronen und Vormündern wie Herr Balle,
strem und andern am Gängelbande führen zn lassen. . .
Zwischen den Polen und dem Zentrum kann Frieden nnr
auf folgender Grundlage bestehen: In der Religion Ei-
nigkeit, in der Politik Freiheit und in allem andern Liebe.
Andernfalls wird sich das Wort bewahrheiten: Wenn sich
zwei zanken, freut sich und gewinnt der Dritte!"
Etwa auf gleichein Standpunkt stehen die Blätter
„P r a e a" und „Dz renn ik Kn j a ws ki" die sich
die Bekämpfung des Zentrums zur Aufgabe stellen. Diese
Stimmen kann man durchaus nicht als neben-
sächlich behandeln, denn die demokratische Richtung
unter den Polen hat in letzter Zeit eine solche Aus-
breitung genommen, daß es überhaupt keine polnischen
Blätter inehr gibt, die mit vollem Nachdruck gegen sie
anfzutreten wagen. Der hochkirchliche „K n r y e r"
tonnte sich kaum zn einer lauen, rückhaltigen Verteidi-
gung der deutschen Bischöfe aufraffen. Nur: kommt auch
noch der sonst als verhältnismäßig gemäßigt bekannte
„O r e n d o w n i k" und wendet sich sehr t'nl>l>und ab-
weisend, ja, sogar etwas von oben herab gegen die Be-
schuldigungen, die die Germania in Sachen des Propstes
Liß erhoben hatte. Es sei, sagt das Blatt, durchaus
n i ch t >v ahr , daß zwischen dein polnischen Volke
und dein. Zent r u in F r e nndschaft bestehe. Die
ganze Freundschaft und das Wohlwollen der Polen gegen
das Zentrum beschränke sich einfach darauf, daß dis Polen
als' Katholiken die Pflicht hätten, in Gemeinschaft mit
dein Zentrum für die Lebensinteressen der katholischen
Kirche einzntreten. Das würden die Polen auch dann
noch thnn, wenn sie erst dem Zentrum seine sämtlichen
oberschlesischen Mandate wieder abgenonnnen hätten.
Was die Stellung des polnischen Volkes zu seinen Ober-.
Hirten anbelange, so werde sein Vertrauen zn den deut-
schen Bischöfe immer geringer, und wenn die Bischöfe
sich nicht bald änderten, würden die Polen grade so ans
ihr Wohlwollen verzichten, wie sie bereits auf das Wohl-
wollen der Regierung verzichtet hätten.
Das also ist die Art und Weise, wie die P o l e n die
s ch ü chternen Vorhaltungen der Ze n-
t r u in s p r e s s e b e a n t w o r t e n, die in sehr be-
scheidener Weise und nur deshalb erhoben worden wa-
ren, weil polnische Fanatiker den Erzbischof Simar in
unwürdigster Weise beschimpft hatten. Das Zentrum
tonnte jetzt bei einigem guten Willen erkennen, wohin
es mit seiner bisherigen antinationaten Haltung in der
Polensrage gekommen ist. Vielleicht, so meint die
„Köln. Ztg.", wird ihm diese Erkenntnis erst dann ganz
anfgehen, wenn es einige der Mandate in Oberschlesien,
deren Verlust der „Orendownik" ihm so siegessicher an-
tnndigt, eingebnßt haben wird. _

Ern Umschwung in der Segelschiffahrt.
Während die Zahl der Segelschiffe ununterbrochen
ziirmkgeht, hat man in letzter Zeit angefangen, grö-
ßere Segelschiffe zu bauen und ist jetzt bereits
aus einem außerordentlich hohen Tonnengehalt ange-
kommen. In Deutschland sind es hauptsächlich dis Fir-
men Laeisz-Hambnrg und Rickmers-Brcmen, die über
die größten Segelschiffe verfügen. Bekannt ist durch
seine außerordentliche Schnelligkeit der große Fünfinast-
segter „Potosi" der Firma Laeisz, die jetzt in Geeste-
münde einen noch größeren Segler in Ban gegeben hat,
der 8200 Tonnen Tragfähigkeit haben soll. Noch größer
als dieser neueste deutsche Segler ist ein in Amerika
für amerikanische Rechnung bestellter siebenmastiger
Schmier, aber dieser wird übertroffen von einem jetzt
in Ronen gebauten französischen Fünfmastsegler, der nach
seiner Fertigstellung mit einer Tragfähigkeit von 0000
Tonnen das größte Segelschiff der Welt sein wird.
Während die Entwickelung der französischen Dampser-
stotte nicht recht vorwärts geht, sind es gerade die Fran-
zosen gewesen, die in den letzten Jahren in: Ban sehr
großer Segler an der spitze marschierten, eine Erschei-
nung, dre mit den der französischen Schiffahrt bewillig-
ten Prämien in Verbindung steht. Wie es scheint, ha-
ben bisher die mit allen modernen Einrichtungen, ein-
schließlich Hilfsdampfmaschinen, ausgerüsteten Riesen-
segter keine schlechte Rente abgeworfen, weil ihr Betrieb
sich mit Rücksicht auf die ungeheuren, von ihnen bewegten
Waremnassen recht vorteilhaft gestaltet. Sollten diese
großen Segler in Zukunft noch zahlreicher erbaut wer-
den, so würde damit aller Voraussicht nach ein schwerer
Schlag gegen die mittlere Segelschiffahrt, Briggs und
Barkschisse, geführt werden, während die ganz kleinen
Segler, die zumeist nnr dem örtlichen Verkehr dienen,
von diesein Wettbewerb kaum berührt werden würden.
Aus Ltadt und Land
) I ( Von der Bergstraße, 14. Ang. (Z w e t s ch g e n e r n t e.)
Heute haben die Unterkünfte der Großhändler mit dem Ber-
ner gewöhnliche Zwetschgen werden 6 Mk. bezahlt. Bliebe der
packen und Verschicken der Zwetschgen begonnen. Für den Zent-
Preis derselben ans dieser Höhe stehen, so wären sie für dieses
Jahr gut bezahlt, cs ist aber zu befürchten, daß der Preis der-
selben bald sinkt, da es deren eine Menge giebt. Die Bäume
hängen zum Brechen voll und sind vielfach gestützt, nm nicht
auseinander zn brechen. Infolge der Menge der Früchte
sind sic gegen sonstige Jahre, wo die' Bäume mir müßig voll
hängen, im Wachstum etwas zurückgeblieben, sie sind also etwas
kleiner. Da aus dieser Frucht das edle Zwetschgenwasscr ge-
brannt wird, so böte sich für Branntweinfabrikanten die beste
Gelegenheit sich reichlich hiervon einzukaufen und cinzulegen.
Kommende Woche wird das Versenden vollständig im Großen
beginnen.
Aus Baden. Wie der „Bad. Landesztg." mitgeteilt wird,
hat der kürzlich versto.bene Direktor der großherzoglichen Kunst,
gewerbeschulc Götz dieser namhafte Geldmittel vermacht, deren
Zinsen für Preisaufgaben an Schüler verwendet werden sollen.
Dem Kunstgewerbemuseum, dessen Ausgestaltung eine seiner
Lieblingsaufgaben war, hinterließ der Verstorbene ebenfalls eine
Stiftung, bestehend aus e uer Reihe kunstgewerblicher Gegenstände
und Werke seiner eigenen Hand. — Der Erbgroßherzog und die
Erbgroßberzogin haben für die Brandbeschädigien in Tennen-
bronn 200 Mk., und der Fürst von Fürstenberg 1000 Mark
gespendet. — Kurz vor der Station St. G e o r g e n sprang
am 12. d. der Landwirt Math. Hönntnger von Brigach aus dem
Schnellzug und erlitt so schwere Verletzungen, daß er bewußtlos
auf dem Bahnkörper liegen blieb, wo er nachts 1 Uhr gefunden
wurde. Er hatte keine Zuschlagskarte gelöst und um der ihm

Er hatte sich über seine Lage getäuscht, betäubt durch die
Glücksfüllc der letzten Zeit. Unzerreißbar umstrickte ihn der
Bann seiner Schuld. Sie wird, sie muh ihn eines Tages zn
Falle bringen. Schon sitzt sie ihm ans der Brust, wie em
Alp. Er ächzt — er stöhnt. Ihm ist, als müßte er verrückt
werden. . .. .
Und doch — cs gäbe noch Rettung: das Geld znrnck-
zahlen! Er könnte die zehntausend Mark jetzt entbehren,
wenn auch nicht ganz leicht. Zurückzahlen und er war
gerettet. Sich a» die Behörde wcndeu das ging nicht mcch an.
Er war strafbar im Sinne des Gesetzes, wegen S»»»-
Verheimlichung. Ottilien tvar er schuldig, diese surchtvare
Möglichkeit zu vermeiden. Vielleicht aber war c» thuiilich,
anft andere Weise den Unbekannten zu finden. Und auf der
Stelle wollte er noch alles mögliche versuchen. Er ersann
einen ganzen FeldHugsplan, nm den unbekannten Besitzet -er
Brieftasche ausfindig zn machen.
Zunächst entwarf er eine Zcitnngsmmonce, in welcher er
deutlich und doch möglichst vorsichtig den Verlnstträger anfrief.
Er bezeichnet-' den Tag und die Straße, wann und wo die
Brieftasche gcfnndcn worden, beschrieb sic auch ganz genau,
verschwieg aber de» Betrag. Statt seines Namens natürlich
nnr eine ganz geheimnisvolle Chiffre.
Nun drückte er ans den Knopf der elektrischen Klingel,
um den Diener zn rufen. Sofort aber besann er sich eines
Bessern. Der Diener durfte keine Ahnung von der Sache
haben. So nahm er Hut und Stock, eilte fort und nach einer
entfernten, sehr belebten Straße und griff dort einen intelli-
gent aussehenden Dicnstmann auf, den er damit betraute,
die Annonce in sämtlichen großen Zeitungen mifnebmen zn
lassen, ebenso für ähnlich lautende Anschläge an den Plakat-
säulen zn sorgen. Eine etwaige Meldung sollte nach den
Zeitnngsbnreans oder dem Hanptpostamte gesandt werden.
Mit dem Abholen gedachte er dann wieder eine» anderen
fremden Dicnstmann zn betrauen.
Mit heimlichem Zittern und Beben wartete er die nächsten

Tage ab, er wartete mit der Angst eines Verbrechers. Von
entfernten, stark besuchten Kaffeehäusern und Gastlotalen aus
sandte er fremde Boten nach dem Postamte und nach den
Zeitungsexpeditione».
Alle kamen aber mit leeren Händen zurück. Cs war kein
Brief für den Herrn cingc'laufcn.
So scheiterte diese letzte Hoffnung! Er konnte nicht ar-
beite» — sein Kopf glühte. Selbst in der Gesellschaft Otti-
liens mußte er sich zwingen, aufmerksam zu sein und heiter
zu scheinen.
Noch einmal persnchte er dieselbe Sache von neuem. Er
wiederholte Inserate und Säulenanschläge, setzte für den-
jenigen eine Belohnung aus, der etwas von der Brieftasche
wußte — aber kein Mensch schien etwas davon zn wissen,
niemand meldete sich. .Keine Kunde, kein Anhaltspunkt —
nicht der armseligste Strohhalm, nm sich in seiner dumpfen
Verzweiflung daran Zn klammern!
Jede Anspielung, die sich irgendwie ans den Wechsel seines
Geschickes bezog, erschreckte ihn auf den Tod. Er hatte keine
ruhige Stunde mehr und verfiel immer mehr und mehr.
' Auch Ottilie fühlte sich bedrückt. Aengstlich frng sie,
was ihm sei, was ihm fehle. Aber schon die bloße Frage
schien ihn unangenehm zn berühren; denn er gab eine ver-
worrene fast unwillige Antwort; und so machte sie keinen
Versuch mehr, in sein Vertrauen zn dringen.
Ein kleiner Zufall machte die peinliche Stimmung, in
der er sich befand, zu einer unerträglichen.
Sein künftiger Schwiegervater war jetzt 'immer überaus
artig gegen ihn. Herr Bvhnemaim hatte nicht nnr vergessen,
daß Möhring einmal sein Maschinenmeister gewesen, auch
die häßlichcisiSzcncn, die zwischen ihnen stattgcfnnden, waren
ans seinem Gedächtnis verwischt. Für Bvhnemann war
Möhring ganz und vollkommen der wohlhabende, der ange-
sehene, der willkommene Schwiegersohn.
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen