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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 204 - 228 (2. September 1901 - 30. September 1901)
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Mittwoch, 11. September 1801.

Zweites Blatt.

43. Jahrgang. — Ir. 212.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SO Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgebolt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzetlc oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
^ vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Pom Alldeutschen Verband.
, Am 30. und 31. August fand in Leipzig eine Aus-
Ichutz- und Vorstandssitzung des Alldeutschen Verbandes
statt.
Die bei Beginn der -reuen Resichsratstagung in
Oesterreich vollzogene Neubenennung der früheren
^adit'alen Partei (Schönerer-Wols-Gruppe) als „All-
deutsche „Vereinigung" hatte verschiedentlich zu teils
wirklichen, teils mit dem Zweck, den Alldeutschen Verband
Zu schädigen absichtlichen Mißverständnissen geführt;
aus diesem Grunde sah sich der Vorstand veranlaßt,
leine Stellung zu den deutschen Parteien Oesterreichs
Neuerdings klarzustellen, was durch folgende, einstimmig
angenommene Entschließung geschah:
„Der Alldeutsche Verband begrüßt freudigst die na-
uoncile Thätigkeit der alldeutsche Ziele verfolgenden Po-
utischen Parteien Oesterreichs, wenngleich derselbe als
Uichtpolitischer Verband keinen Einfluß aus diese Thätig-
wit genommen hat, noch besitzt.
^ Der Alldeutsche Verband wird entsprechend seinen
Satzungen nach wie vor für die Sicherung des
deutschen Volkstums in Oesterreich eiu-
Ereten und hält zu diesem Zwecke eine engere Organi-
sation derjenigen Länder innerhalb der Monarchie, die
Ehemals dem deutschen Bunde angehört haben und dem-
gemäß auch die im Linzer Programm bereits erhobene
Forderung nach Sonderstellung Galiziens, Dalmatiens
Und der Bukowina für nötig.
Er hält ferner ein engereswirtschastlicheZ
Pündnis des deutschen Reiches mit der österreichi-
schen Reichshälfte für im beiderseitigen Interesse gelegen
Und hofft, daß dieser Gesichtspunkt bei der bevorstehen-
den Neuregelung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei
der deutschen Reichsregierung eingehende Berücksichti-
gung finden wird."
Der letzte Satz des Beschlusses war das Ergebnis
Einer eingehenden Erörterung über die wirtschaftlich-
politischen Beziehungen zwischen dem deutschen Reich
Und Oesterreich und insbesondere die durch den neuen
deutschen Zolltarif geschaffene Lage. Die öster-
reichischen Redner hoben hervor, daß derselbe den Ge-
gensatz zwischen den wirtschaftlichen Interessen Oester-
reichs und Ungarns verschärfe und daß mehr denn je die
Zolltrennung Oesterreichs von Ungarn
jucht nur im deutschnationalen, sondern auch österreich-
Uchchatriotischen Interessen zu erstreben sei. Da aber er-
fahrungsgemäß die österreichische Regierung stets allen
Ungarischen Wünschen nachgegeben habe, so werde die
Erfüllung dieser Forderung sich nur durch schwere
Kämpfe, die das vereinte Zusammenwirken aller natio-
nalen Parteien Oesterreichs dringend nötig mache,
durchsetzen lassen. Sei die Zolltrennung von Ungarn er-
dicht, dann würde ein weitgehendes Entgegenkommen
doi einem Handelsverträge mit Oesterreich seitens des
deutschen Reiches durchaus im beiderseitigen Interesse
gelegen sein. Die reichsdeutschen Redner stimmten dem
Au und betonten, daß es der Hervorhebung des nationa-
wn Momentes gar nicht bedürfte, denn die Betrachtung
der Frage vom reinen Standpunkte des wirtschaftlichen
Interesses lasse schon erkennen, daß ein Handelsvertrag
Uut Oesterreich allein, selbst bei weitgehenden Konzss-
Uonen in Bezug auf Zölle doch für das deutsche Reich
große Vorteile böte. Der Handelsvertrag müsse außer-
pemdurch Abmachungen über Verkehrspolitik, Seuchen-

Als die Nachtigall sang!
Von 8. Vürkner.
(Nachdruck verboten.)
Vollmondnacht im Rheinthal!
- Auf den äußersten Kanten der Rebenberge, die schwarz
V. den dunklen Nachthimmel hineinragen, glimmt bläulich
'"bernes Licht.
Leise, leise zieht sich's wie ein feiner Silberschimmer
mnab ins Thal. — Erst glänzen grünlich die Weinstockreihen
M- dann spielt ein Heller Schein um das Schieferdach der
sitzniannshäuser Kirche, und nun Hüpfen Millionen Lichtlein
Buzend, spielend auf den Wellen des Stromes. — Wie eine
SMlberburg steigt Schloß Rheinstein aus den düstern, epheu-
^wathsenen Felsschroffen des Ufers, silberncZ Licht spiegelt in
Fenstern des Pallas, spinnt zierliche Ranken zwischen dem
, Uengitter der hoch am Turme ansteigenden Wendeltreppe
"d malt Helle Ringel auf den Rasen des Burggartens,
r., Von den Rebenhügeln bringt der leise Lufthauch berau-
Menden Blütenduft und aus den Büschen kommt ein leise
lotender, unendlich süßer Ton:
„Ti — ü — ü —- ü — ü —ü — ü — ü — ü-Lit."
„Was ist das?" fragt eine leise, müde Stimme.
„Ol — Eine Nachtigall! — Die erste in diesem Jahre."
^ Der Antwortende dreht sich hastig um und schaut in
dl ^osicht der Fragenden. Sie stehen auf dem „Linden-
ksatze" des Rheinsteins, da, wo man kirchturmtief gerade
hinunter in den Rhein schaut.
. "Eine Nachtigall," wiederholt er. „Sie erkannten das
'"chr gleich?«
„Ich hörte noch niemals eine Nachtigall singen," sagt sie
cyB derselben Müden Stimme. »In den Tannen von
^"relenhuis nisten sie nicht."
ck^"Aoch nie eine Nachtigall!" Er wiederholt es halb mc-
nnisch und späht selbstvergessen in das schöne, bleiche Gesicht

Polizei u. a. ergänzt werden und würde dann einen
Schritt weiter zu dem erstrebenswerten Ziele einer Zoll-
union bedeuten, in die mit dem jetzigen österreichisch-
ungarischen Wirtschaftsgebiet einzutreten in absehbarer
Zeit für das deutsche Reich durchaus unthunlich sei. So
groß auch noch gegenwärtig die Hindernisse auf dieser
Bahn wären, die von Amerika her drohende Gefahr
werde doch notwendig zur Ubberwindung derselben
führen.

Aus Stadt und Land.
(!) Prof. Egenolff st. Ein stattliches Leichengcfolge be-
wegte sich qm Sonntag Nachmittag 4 Uhr, um den so plötz-
lich aus dem Leben gerufenen Professor D. Egenolfst zur
letzten Ruhestätte zu geleiten, zum Schlierbacher Friedhof.
Außer Einwohnern des Ortes hatten sich zahlreiche Trauer-
gäste aus Heidelberg eingefunden, unter ihnen Oberbürger-
meister Wilckens, Geh. Rat Kehrer, sowie das Lehrerkollegium
des Gymnasiums Heidelberg mit einer großen Anzahl von
Schülern. Stadtpfarrer Honig entwarf in warm empfun-
denen Worten ein Bild des Verschiedenen: er schilderte sein
mutiges Ringen in den Kämpfen, die ihm das Leben gebracht,
sein glückliches Familienleben, sein wissenschaftliches Streben
und Wirken, seine patriotische Gesinnung. Gymnasiums-
direktor Böckel gab im Namen des Gymnasiums den Gefühlen
der Trauer Ausdruck über den Verlust des kenntnisreichen,
energischen und pflichttreuen Lehrers der Jugend und legte
einen Kranz auf das Grab nieder. Dasselbe geschah von
Schülern der drei Klassen, die der Verstorbene zuletzt unter-
richtet hatte; ebenso wurden Kränze von der Volksbibliothek
Schlierbach und vom Marineverein dem Andenken des Toten
gewidmet. Eine kurze Biographie des Verblichenen haben
Ivir an die Mitteilung von seinem Hinscheiden geknüpft.
Hier in Heidelberg wirkte er als Lehrer fast ausschließlich
des Griechischen und Lateinischen bis in den Mai dieses
Jahres. Die Schularbeit, die Unterweisung und Erziehung
von Pensionären, die wissenschaftliche Thätigkeit schien er
mit seiner robusten Gesundheit — er war nie eigentlich krank
gewesen — ohne Schwierigkeit zu bewältigen: da warf ihn
ein Schlaganfall nieder und die größte Schonung war geboten.
Zwar erholte er sich im Sommer auffallend schnell und seine
starke Natur schien die Oberhand zu behaupten; aber in der
Nacht vom 5. auf den 6. September machte ein Herzschlag
plötzlich seinem Leben ein Ende und entriß ihn seiner Familie,
der Schule, der Wissenschaft. Auf die Richtung und Art von
Egenolffs wissenschaftlicher Thätigkeit war von maßgebendem
Einfluß sein Straßburger Lehrer Studemund, von dem er
veranlaßt wurde, sich wesentlich den altgriechischen National-
grammatikern zn widmen. Seine besondere Befähigung für
diese Studien bewies seine erste größere wissenschaftliche Ar-
beit, die Schrift, mit der er sich an der Heidelberger Uni-
versität habilitierte. Dann verband er sich mit einer An-
zahl anderer Gelehrter zur Herausgabe einer umfangreichen
Sammlung, in der die Lehren dieser Grammatiker in einer
den jetzigen Anfprüchen der Wissenschaft genügenden Form
veröffentlicht werden sollten. Die Vollendung des von ihm
übernommenen Teils der Arbeit ist ihm leider nicht vergönnt
gewesen; doch hat er eine Menge der dazu nötigen umfang-
reichen und schwierigen Vorarbeiten erledigt und vor allem
den Plan und die Gesamtlage des Werkes in zwei höchst in-
haltreichen Gymnasialprogrammen dargelegt. Von der streng
wissenschaftlichen Methode seines Ärbeitens und der sichern
Beherrschung des weitschichtigen, zumteil recht spröden Stoffes
zeugen eine Reihe von kleineren Abhandlungen in verschie-
denen Zeitschriften, namentlich aber sechs sehr eingehende Be-
richte über die in den letzten Jahrzehnten erschienenen wissen-
schaftlichen Leistungen auf dem Gebiete der griechischen Gram-
matiker. Hier begnügte er sich, ebenso wie in sonstigen gele-
gentlichen Rezensionen, nicht mit einem Referat über das je-
weils Geleistete, sondern er wußte aus der reichert Fülle seiner
Kenntnisse und mit der ihm eigenen Klarheit und Schärfe

des Urteils stets Beiträge zur Lösung von Streitfragen oder
Anregung zu weiterer Forschung zu geben. In der: Abend-
stunden des letzten Tages, der ihm befchieden war, beschäftigte
er sich mit den Studien, an denen seine Seele hing. Denn
von Hoher Begeisterung für das klassische Altertum war
Egenolff jederzeit getragen; vertraut mit Sprache und Lit-
teratur der Griechen und Römer, war er für den sprach-
lichen Unterricht, der ihm zugewiesen war, wohl gerüstet. Er
war ein Mann von großer Energie, der auch seinen Schülern
ernste und gründliche Arbeit zumutete. Strenges Pflicht-
gefühl und treue Liebe zum Lehrberuf beseelte ihn in feiner
Thätigkeit? Warme vaterländische Empfindung bethätigte
er in der Schule und außerhalb; feiner glühenden Verehrung
für Bismarck verlieh er öfter, so auch in der Festrede zum 80.
Geburtstag des Reichskanzlers, Ausdruck; auch im letzten
Sommer führte er seine Schüler auf einem Ausflug zum Nie-
derwalddenkmal, und am politischen Leben unserer engeren
Heimat nahm er regen Anteil. Er war ein eifriges Mitglied
und ein thätiger Förderer des Alldeutschen und des Flotten-
vereins und gab seiner Sympathie für das unglückliche Buren-
volk öfter kräftigen Ausdruck. Jetzt hat der Tod mit rascher
Hand Kampf und Mühsal des irdischen Lebens von ihm ge-
nommen, und die milde Herbstsonne scheint über seinem
frifchcn Grabe. Möge die aufrichtige Teilnahme von Mit-
bürgern, Kollegen, Schülern der trauernden Familie ein klei-
ner Trost in ihrem schweren Leiden sein!
Stadt. Arbeitsnachweis-Anstalt Heidelberg. Monatsbericht.
Nach amtlicher Zusammenstellung wurden im Monat August
1901 im ganzen 1220 Gesuche eingetragen und zwar: 450 von
Arbeitgebern, 332 für männl. und 118 für weibl. Personen,
welche 684 Arbeitskräfte (560 männliche und 124 weibl.) ver-
langten und denen 813 Arbeitskräfte (726 männl- und 87weibl.)
zugewiesen wurden. Arbeitnehmer wurden 770 eingetragen
693 männl. und 77 weibl.), von diesen konnte 750 sofort Arbeit
nachgewiefen werden (665 männl., 65 weibl.). Befriedigt wurden
im ganzen 952 und zwar: 372 Arbeitgeber (320 männl., 52
weibl.) und 580 Arbeitnehmer, darunter 524 männl. und 56
weibl. Personen. Außerdem haben noch 821 Arbeitnehmer
(795 männl., 26 weibl.) bei der Anstalt um Arbeit nachgesucht,
die aber, da ihnen nicht sofort passende Arbeit nachgewiefen
werden konnte, auf einen Eintrag verzichteten. Wie sehr der
Andrang von Arbeitsuchenden bei der Anstalt ist, kann aus
obiger Zusammenstellung ersehen werden, kamen doch auf 650
offene Stellen 1488 Arbeitsuchende, während im gleichen Monat
vorigen Jahres auf 591 offene Stellen 957 Arbeitsuchende kamen.
X Patentbericht für Baden vom 3. September 1901, mit
geteilt vom Internationalen Patentbureau C. Kl eher in
Karlsruhe (Baden), Kriegsstraße 77. (Auskünfte ohne Recherchen
werden den Abonnenten dieser Zeitung kostenfrei erteilt.)
Die Ziffern vor den betreffenden Nummern bezeichnen die Klasse.
Patentanmeldungen: 6a. L. 28 273. Unterhalb der Sau
ungeordnetes Heizrohrsystem für Malzdarren. Theodor Bender,
Mannheim, Hafenstraße 12. Vom 20. Dezember 1900 ab.
Patenterteilungen: 49k. Nr. 124386. Lölhrohr. F. Speidel»
Pforzheim i. B. Vom 10. Oktober 1899 ab. 85 a. Nr. 124 372.
Maschine zum Sättigen von Flüssigkeiten mit Gasen, insbe-
sondere von Wasser mit Kohlensäure. G. Fließ. Karlsruhe i. B.
Vom 14. Januar 1899 ab. Gebrauchsmuster-Eintra.
gungen: 36 a. Nr. 159 245. Nach der Kaminseite zu erwei-
terter, durch eine Klappe regulierbarer Zugregler für Fcuerungs-
anlagcn. Georg Schwager, Konstanz. Vom 6. Juni 1901 ab.
68 a. Nr. 159226. Thürschloß mit zu beiden Seilen symmetrisch
auSgebildctem Nachtriegel. Otto Dreher und Fritz Stehler, Frei-
burg «. B. Vom 24. Juli 1901. 68s Nr. 159 227. Schloß-
kasten, aus einem Stück bestehend. Otto Dreher und Fritz
Biehler, Freiburg i. B. Vom 24. Juli 1901 ab.

Verantwortlich für den redaktionellen Teil F. Montua, für den
Inseratenteil Th. Berkenbusch, beide in Heidelberg.

mit
Uokkrissni, Gulags 25.

vor ihm, aus dem tiefblaue Auge» weit in die Ferne zu
schauen scheinen.
„Wie Mondlicht in einer Schneewüste!" Sagte nicht so
der lustige Assessor neulich, halb bewundernd, halb ärgerlich.
„Da versteh' einer die Weiber, und mm gar diese da. —
Bildschön, mit Luxus überhäuft, mit einem Gatten, der wirk-
lich famos Skat spielt, — könnte das angenehmste Leben von
der Welt haben und kapriziert sich darauf, die Eisprinzessin zu
spielen. Brrr! — Hat man sie denn schon einmal lachen
hören? — Und ihr Lächeln? — Es friert einem schon ordent-
lich beim Gedanken an dies Lächeln."
Die meisten der Herren, die nach der Table d'hote! in
Bad Aßmannshausen im Rauchzimmer versammelt waren,
hatten zustimmend zu dieser Kritik genickt. Nur der kluge
alte Gehcimrat machte ein gar seltsames Gesicht dazu. „Schön
und kalt! — Da fallen sie nun alle über die arme Frau her,
die durchaus glücklich sein soll, weil sie mit kostbaren Fetzen
behängt ist und der Herr Gemahl gut Skat spielt. — Na, ich
muß gestehen, einen fataleren Kunden, als diesen Mynheer
Johannes Jakobus van der Daelen Hab' ich noch selten ange-
troffcn. Armes Frauchen! — Wer weiß, was sie gelitten, ehe
sie's glücklich zur „Eisprinzessin" gebracht hat. Uekrigcns,"
und der alte Arzt nickte bedeutsam, „er gefällt mir garnicht,
der Herr van der DaelenI Heute ist sein Gesicht wieder unheim-
lich bläulich! Der starke Bordeaux ist ja das reinste Gift
für ihn. Lange dauert das nicht mehr! Und ganz plötzlich
wird's kommen. —"
Und zu dem jungen Doktor gewendet, hatte er halblerse
hinzugefügt: „Blöder Bursche! — Alle Frauenaugen können
lächeln! — Und diese Augen einmal in Glück und Liebe auf-
strahlen zu sehen, müßte dem Beglückten Götterwonne sein."
Der junge Doktor hatte oft und oft in den letzten Tagen
an diese Worte gedacht. — Auch in diesem Augenblick denkt
er daran und auch in diesem Augenblick denkt ersich dasselbe,
was er sich dann jedesmal gesagt: „Thorheit, Tyorheit!"
Und doch konnte er den Gedanken nicht bannen, er kam
immer wieder.-

Derweil singt im Busch die Nachtigall und Frau Cornelia
van der Daelen lauscht gesenkten Hauptes.
Nach einer Weile hebt sie den Kopf:
„Die Deutschen sind ein sonderbares Volk. Sie be-
dauern mich Wohl gar darum, daß ich noch nie eine Nach-
tigall hörte. — Aber es müssen so viele leben ohne Nach-
tigallengesang."
Sie sagte es mit einer harten, fremden Stimme, dann
deutet sie seitwärts nach der Felswand, an der Fackeln in die
Höhe klettern und fröhliche Stimmen laut werden.
„Sie hätten mit den andern nach dem — dem Schweizer-
haus gehen und mich allein hier lassen sollen. — Sie werden
wohl zwei Stunden hier verweilen müssen. Ich bin keine an-
genehme Gesellschaft."
„Keine angenehme Gesellschaft?"
Doktor Wallaut schaut unwillkürlich auf das schmale, rei-
zende Antlitz, das unter dem rötlichblonden überreichen Haar-
gekräusel so weiß leuchtet wie die kostbaren Spitzen um den
schlanken Hals, und lächelt ein wenig.
Sie hat den Blick und das Lächeln gesehen und richtig ge-
deutet. Aber nur ein ungeduldiges Achselzucken ist die Ant-
wort. Dann horcht sie wieder nach den Büschen.
Und wieder singt die Nachtigall, — singt das uralte, ewig
neue Lied, das hohe Lied der Liebe. —
Derweil sinnt Doktor Wallau angestrengt nach. Schon
viele Tage verfolgt ihn der Gedanke, daß er dies Gesicht»
diese ganze liebreizende Erscheinung schon einmal gesehen.
-— Aber wo? — Jünger war dies Gesicht damals, anders das
Haar geordnet, aber ganz gewiß dasselbe. — Wo nur.
„Sie wohnen das ganze Jahr auf Daelenhuis? fragt
er endlich, da die Stille drückend wird. „Ist die Umgebung
^ Sie schaut mit großen Augen in den silberglänzenden, leise
rauschenden Strom zu ihren Füßen.
(Fortsetzung folgt.)
 
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