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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 161 - Nr. 170 (13. Juli - 24. Juli)
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Samstag, 21. Juli >894.

Nummer 188. ll Jahrgang.


nmger

für Heidelberg und Umgegend





Expedition: ^Lnnptstrnße Mr. LS.

Jnsertionöpreiör
die Ispaltige Petitzetle oder deren Raum 8 Pfg.,
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holung entsprechender Rabatt.

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Expedition: ^hcruptltrcrße Mr. LS.


GeleseirstesBlertt rn SterdL u. A-nL rrnd Ttingegen-.

G^ötzteV GvfslH füv Jirsevate.

AMk- Telepbon Anschlutz Nr. 102. "ME
Cntfeffelte Gewalten.
Wild entfesselte Elementargewalten haben in ver-
schiedenen Gegenden Bayerns große Verheerungen
angerichtet. Insbesondere sind eine Anzahl von
Gemeinden der Amtsbezirke Ebersberg und Erding
schwer heimgesucht worden. Am 14. Juli, Nach-
mittags 3 Uhr, erhob sich, wie bekannt, im Grenz-
gebiete der beiden genannten Bezirke plötzlich ein
theilweise von Hagelschlag begleiteter Wirbelsturm,
welcher in dem kurzen Zeiträume von kaum zehn
Minuten kolossale Verheerungen anrichtete. In den
Ortschaften Forstinning, Schwaberwegen, Moos, hl.
Kreuz, Unteraschbach, Hohenlinden, Forstern, Karls-
dorf, Sickenberg, Pullach, Ampletz, Hub, Kipsing,
Bocköd, Wetting, Mitterbuch, Oberbuch, Aitersteine-
ring, Tading und Salzburg äußerte das Unwetter
als Cyclon seine zerstörenden Wirkungen. In diesen
zusammen über 2500 Einwohnern zählenden Ort-
schaften wurden fast alle Wohnhäuser ihrer Dächer
beraumt, die Zimmerdecken durch den nachfolgenden
heftigen Regen durchweicht, die Scheunen fast alle
dem Erdbodengleich gemacht, die Futtervorräthe den
Unbilden der Witterung preisgegeben oder vom
Sturme weggeführt.
Der durch das Unwetter in den genannten
vberbayerischen Bezirken angerichtete Schaden über-
steigt nach vorläufiger Schätzung allein schon die
Summe von 500 000 Mark. Aber auch in Nieder-
bayern und Oberfranken wurde kolossaler Schaden
angerichtet. Die Einwohner der schwer betroffenen
Ortschaften befinden sich zumeist in ärmlichen Ver-
hältnissen und sind durch die über sie hereinge-
brochene furchtbare Katastrophe in ihrer Existenz
auf das Aeußerste gefährdet. Den Meisten von
ihnen, insbesondere in Oberbayern, fehlen die
Mittel, um ihre vom Unwetter fast ganz zerstörten
aber doch schwer beschädigten Wohngebäude wieder
herzustellen; die Ernte steht vor der Thüre, aber
die Unglücklichen besitzen keine Scheunen, um sie
zu bergen. Rauche Hülfe thut hier Noch, wenn
nicht zahlreiche Familien dem unverschuldeten
kirthschaftlichen Untergange preisgegeben werden
sollen.
Angesichts dieses Nothstandes thut die Bethäti-
gung des altbewährten Wohltätigkeitssinnes der
bayerischen Bevölkerung dringend Noth. Möge
Jeder, der dazu in der Lage ist, sein Scherflein
zur Linderung des großen Elends beitragen und
dabei beherzigen den Satz: „Wer schnell gibt, gibt
zweimal!"
* * .
*
Vorvorgestern waren der Bezirksamtmann von
Abersberg und der Bezirksamts-Assessor Kahr, als
derzeitiger Amtsvorstand des Bezirks Erding, hier

H e s ü H n L.
Roman von H. von Gabairr.
26) (Fortsetzung.)
Gleich einem vernichtenden Faustschlaz hatte
Hans Ullrich das Vernonimene getroffen; sein stets
aufbrausender Charakter versank momentan in einen
völlig apathischen Zustand; wie betäubt starrte er
vor sich hin, bis die mitleidig klingende Stimme
seines Intendanten ihn weckte.
„Dey Herr Graf wird dort oben," damit deutete
nach den Schloßfenstern, „einen schweren Stand
haben, und wenn ich irgendwie dem gnädigen Herrn
zu Diensten sein kann, so bitte ich, über mich zu
verfügen. Allein, was kann ein schlichter Beamter,
den man an maßgebender Stelle so grimmig ver-
schwärzt, an dem man kein gutes Haar gelassen
hat, mehr thun, als durch Worte seine Ergebenheit
zu bezeugen?"
Statt aller Antwort schleuderte Hans Ullrich
Bauernrock und Filzhut weit von sich und herrschte
Merneg zornig an, den Pelz auszupacken.
„Ich muß dem Papa wenigstens menschlich
Unter die Augen treten, sonst denkt er, ich bin toll
geworden." Erließ sich den Pelz über die Schulter
werfen, drückte das graue Hütchen auf die dunklen
Uach Dandy Art gescheitelten Haare, warf das Haupt
hvchmüthig in den Nacken und verließ den listigen
Menschen, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Werneg's demüthige Haltung, sein unterwürfiger
Blick wechselte blitzschnell, als der Graf im Schatten
^r langgedehnten Vorderfront des Schlosses ver-
schwand. Er rieb sich frohlockend die Hände, klopfte

am Sitze der Kreisregierung und es wurde hierbei
ein Zentral-Hülfs-Komitee gebildet, das aus den
beiden genannten Beamten, den Bürgermeistern
der betroffenen Gemeinden, Mitgliedern des Distrikts-
rathes und sonstigen Vertrauenspersonen besteht.
Einen besonderen Sitz hat das Komitee nicht, da
es immer an den Orten zusammeniritt, an denen
es die Notbwendigkeit erfordert.
Das Zentralkomitee ist gestern bereits zusammen-
getreten und da auch die Behörden eine große
Energie bei der Hülfeleistung an den Tag legen,
so beginnen die Leute neuen Muth zu schöpfen.
Im Bezirke Erding sind nur zwei Gemeinden be-
troffen (Buch und Forstern) und doch beträgt der
Schaden über 300 000 Mark. Der Kirchtburm
von Forstern wurde eingerissen und mit der Glocke
durch das Kirchengewölbe auf den Hochaltar ge-
schleudert; die Kirchthürme von Tading und Pullach
sind stark beschädigt und werden theilweise abge-
tragen werden müssen.
In der Gegend von Straubing sind 25 Orte
vollständig verhagelt, in Ascha wurden durch den
Sturm viele Häuser abgcdeckt. In der Gegend
von Osterhofen wurden die Fluren von etwa 15
Ortschaften durch Hagel vollständig verwüstet; der
üppige Klee ist nur mehr eine unförmige Masse,
von Kraut, Kartoffeln, Rüben ist gar nichts mehr
zu sehen. In der Gegend von Engertsham wurden
nicht nur die Felder, sondern auch Wiesen, Gärten
und Bäume furchtbar zugcrichtct. An vielen
Häusern wurden die Fenster zerschlagen, die Dächer
ruinirt, Grabdenkmäler wurden demolirt und sonstiger
Schaden angerichtet.
Am Sonntag ging auch in Oberfranken ein
furchtbares Gewitter mit Hagelschlag westlich vom
weißen Main gegen Kulmbach zu nieder. Die
Schlossen richteten nicht unbedeutenden Schaden an
den Fluren und Feldfrüchten an. Noch mehrere
Stunden darnach waren die Wälder und Felder,
Furchen und Gräben in den Abhängen mit Hagel-
körnern in der Größe von Haselnüssen und Tauben-
eiern bedeckt. Die Gemeinde Ködnitz, insbesondere
aber die Ortschaften, Weiler und Einzelgehöfte
Spitzeichen, Heinersreuth, Pinsenhof, Hanghof und
Reißighof, zum Theile auch Waizendorf und Lin-
dau, sind schwer betroffen. Gelitten haben die
Sommerfrüchte und vor Allem die Hackfrüchte.

Deutsches Reich.
Berlin, 21. Juli.
— Ueber die letzte Sitzung des Deutschen
Tabakvereins, in der, wie bereits gemeldet,
beschlossen wurde, den Mitgliedern die Ausfüllung
der vom Reichsschatzamt ausgegebenen Fragebogen
zu empfehlen wird jetzt näheres bekannt. Darnach
hat der deutsche Tabakverein durch seinen Vorstand

auf seinen Magen, wo eine reich mit Goldstücken
gefüllte, lederne Geldkatze verborgen ruhte und machte
sich schleunigst aus dem Staube. Seine Wohnung
fand er allerdings, wie eö nicht anders zu erwarten
war, in traurigem, verwüstetem Zustande, allein,
was lag an den einfachen Kirschbaum-Möbeln, mit
denen er den Leuten Sand in die Augen streuen
wollte? Vor der Hand lag ihm daran, nach zwei-
mal 24 Stunden ausgestandener Todesangst den
Körper zu strecken und die erfrorenen Glieder im
warmen Bett zu erwärmen, dann konnte er gelassen
seiner Entlassung, die nicht ausbleiben konnte, ent-
gegensehen. Sein sündhaft zusammmgescharrtes
Geld, an dem so mancher Schweißtropfen armer,
unglücklicher Leute klebte, genügte vollauf zu einem
bequemen Herrenleben. All' diese Gedanken flogen
durch Wernegs Kopf, als er vorsorglich, so gut es
gehen wollte, Fenster und Thüren verstellt und sich
dann mit einem befriedigenden Lachen niederlegte,
die schwere Ledertasche unter dem Kopfkissen ver-
borgen, den geladenen Revolver handgerecht neben
seinem Lager . . .
Hans Ullrich war wie ein Rasender davonge-
stürmt, um auf frischer That einen gewaltigen
Sturm über das schwache Haupt des greisen Vaters
heraufzubeschwören und die beiden widerwärtigen
Kerle — wie er Lendang Vater und Sohn nannte
— wenn nicht anders, mit Hunden von seinem
Grund und Boden jagen zu lassen. Sehr ener-
gisch setzte er den Fuß auf die erste Stufe der
breiten Freitreppe, auf deren Vorsprünge massive
Ständer angebracht waren, deren breit auslaufende
Enden durch mächtige Becken gekrönt wurden. Aus
diesen Schalen hoben sich, vom Winde getrieben,

einstimmig der Meinung Ausdruck gegeben, daß die
auf Anregung des Reichsschatzamtes gegenwärtig
durch Organe der Einzelnen deutschen Bundes-
staaten vorgenommene Befragung, ganz abgesehen
davon, in den verschiedenen Theilen des Reiches
ihrem materiellen Inhalt nach nicht einmal eine
einheitliche sei, in keiner Weise ein Material er-
geben würde, wie es im Interesse der Sache von
den Veranstaltern der Enquete gewünscht oder er-
wartet werde. Der Vorstand hat denn auch in
diesem Sinne an das Reichsschatzamt eingehenden
Bericht erstattet, er hat aber trotzdem seinen Mit-
gliedern empfehlend nahegelegt, die ihnen gestellten
Fragen selbst, soweit es nicht schon geschehen, nach
bestem Wissen und Gewissen zu beantworten,
wenn auch irgend einer echtliche Verpflichtung hierzu
heute so wenig wie 1878 bei dem damaligen En-
quete-Gesetz anerkannt zu werden vermag.
— FolgendeWarnung bctr. den Ankauf
von A nth ei lsch ei n en zu Jnhaberpa-
pieren mit Prämien bringt die „N. A. Ztg.":
Bereits im Jahre 1884 hatten die Minister
des Innern und des Handels in einem gemeinschaft-
lichen Erlasse auf Schädigungen hingewiesen, die
manche Personen dadurch erleiden, daß sie bei dem
Erwerbe von Lotterieloosen und Jnhaberpapieren
mit Prämien oder von Antheilen solcher Loose und
Papiere durch gewissenlose Gewerbetreibende und
deren Agenten in unredlicher Weise übervortheilt
werden. Das in dem Erlasse gekennzeichnete Ge-
schäft wurde von inländischen wie von ausländischen
Firmen, von letzteren insbesondere von der
„Kommandiköank Baerman, von Bruck und Komp."
in Brüssel und von der ehemaligen „Brüsseler
Zentralbank!" betrieben, die seit einiger Zeit ihr
Unwesen unter der Firma „Allgemeine Prämien-
und Rentenbank" von Rotterdam aus fortsetzt. Das
Geschäft vollzog sich früher hauptsächlich in der Art,
daß die Loose, Papiere und Antheile gegen Raten-
lungen zu schwindelhaften, den wirklichen Werth oder
den Börsenkurs um das Doppelte, Dreifache und mehr,
ja nicht selten bis zum Zehnfachen übersteigenden
Preisen an unerfahrene und leichtgläubige Personen
abgesetzt wurden, die sich durch trügerische Anzeigen
und Versprechungen hatten anlocken und verblenden
lassen. Inzwischen sind auf dem Wege der Gesetz-
gebung Handhaben gewonnen worden, durch die dem ge-
schilderten Unwesen wenigstens zum Theil gesteuert wer-
den kann. Der Verkauf von Antheilscheinen zu Jn-
haberpapieren mit Prämien, wenn dabei die Zahlung
des vollen Preises stattfindet, wird dadurch aber
nicht getroffen und es ist daher zu befürchten, daß
die in Betracht kommenden „Banken" u. s. w.
nunmehr mit besonderem Nachdruck diesen gestattet
gebliebenen Zweig ihres Geschäfts pflegen, zu diesem
Zweck bei der Bemessung der Antheile auf möglichst

qualmende Pechfackeln, zischend im Schnee zu er-
löschen. Einen Augenblick stand der Graf und
schaute düster um sich, da hinkte eine gebückte, auf
einen knotigen Stock gestützte Frau näher, vertrat
ihm den Weg und streckte flehend die knochige Hand
nach ihm aus.
„Junger Herr, sind Sie der — der Erbe des
erlauchten Geschlechtes hier, so haben Sie Erbarmen
und hören Sie vorerst, was eine Unglückliche Ihnen
zu sagen hat," flehte sie mit stockender Stimme.
„Packt Euch zum Teufel," schrie der Aufge-
haltene. „Muß mir zu allem Verdruß auch noch
ein altes Weib an der Schwelle meines Hauses
über den Weg laufen? Fort, ich habe keine Zeit!"
Unwirsch faßte er die Bittende am Arm, um sie
aus dem Wege zu schieben. Allein, ob sie etwas
Derartiges vorausgesehen hatte, oder aber in diesem
elenden Körper die einstigen Kräfte noch nicht er-
storben waren, genug, sie blieb wie festgebannt stehen
sah dem Grafen ruhig in die zornigen Augen und
wiederholte ihr vorheriges Anliegen:
„Lassen Sie mich los! Was ich Ihnen zu
sagen habe, ist eine alte, schwere Schuld, sie brennt
wie ein höllisches Feuer, lange, lange hier drinnen
in der elenden Brust. Die Furien Hetzen und jagen
mich sündiges Weib von Ort zu Ort, ich kann
nicht eher sterben, bis ich die furchtbare Last los
geworden bin; ich lechze nach Vergebung begangener
Sünde, ohne die erwartet mich das böllische Feuer.
Hören Sie, junger Herr, hören Sie!" der schwere
Eichenstock fiel polternd auf die Steinstufen, das
arme, flehende Weib sank vor ihm auf die Kniee.
„Was gehen mich Eure Sünden an? Lauft
in's Dorf, der Geistliche wird euch geduldig an-

kleine Beträge — Hundertel, Zweihundertel, Fünf-
hundertel — hinabgehen und sich bei dem Verkaufe
der Antheilscheine ähnliche schwindelhafte Gewinne
zu verschaffen suchen werden, wie sie früher bei der
Veräußerung gegen Ratenzahlungen erzielt wurden.
Vor derartigem Mßbrauch mit dem erlaubten Handel
von Antheilscheinen zu Jnhaberpapieren mit Prä-
mien ist das Publikum eindringlich zu warnen.
Ausland.
Paris, 20. Juli. Deputirtenkammer.
Der Zustand ist gering. Die Berathung des An-
archist e n g e s e tz e s wird weitergeführt. Der An-
trag Rouanet, der für eine Anzahl Verbrechen das
Schwurgericht bcibehält, wird mit 316 gegen 156
Stimmen abgelehnt. Ebenso ein ähnlicher Antrag
Charpentiers mit 305 gegen 146 Stimmen. Rouanet
verteidigt seinen Antrag, die Aufreizung von Sol-
daten im Frieden vor dem Schwurgericht zu belassen
und führt den General Foy und Major Labordäre
an, nach deren Ausicht nur vor dem Feind abso-
luter Gehorsam herrschen müsse. Der Justizminister
widerspricht dem Anträge: die Aufreizung sei immer
scheußlich und müsse unter allen Umständen
unterdrückt werden. (Beifall.) Seit 1871, seit
dem Verlust der Provinzen Elsaß Lothringen, wendet
das Heer seine Blicke nicht auf den Bürger sondern
auf den Feind. (Beifall.) Nach den Bemerkungen
Montforts, Rouanets und anderer wird der Antrag
mit 426 gegen 76 Stimmen verworfen und dann
mit 297 gegen 205 Stimmen der Artikel 1 an-
genommen.
Rom, 19. Juli. Die „Agenzia Stefani"
meldet aus Massauah, eine starke Abtheilung
Derwische unternahm jüngst Streiszüge nach der
italienischen Ortschaft Karkabat, deren Einwohner
getödtet oder zu Sklaven gemacht wurden. Die
Reiterei der Derwische dehnte ihre Streifzüge bis
zu den Vorposten der von Agordat aus. Der
Generalgouverneur marschirte mit den verfügbaren
Streitkräften am 12. Juli gegen die Derwische,
kam am 13. in Dungaaz, am 14. in Naschest,
am 16. in Nekais und an demselben Abend in
Salderat an. Am 17. Juli erschien er unver-
muthet vor Kassala, das, wie bereits kurz ge-
meldet, nach heftigem Kampfe erstürmt wurde.
Die Streitkräfte der Italiener betrugen 2400
Mann, theils Eingeborene, theils Italiener,
darunter 54 Offiziere. Die Derwische erlitten
sehr große Verluste an Todten und Verwundeten.
Die Zahl ist noch nicht sestgestellt. Zahl-
reiche Fahnen und Kanonen wurden von den
Italienern erobert. Diejenigen Derwische, die
sich retten konnten, flüchteten gegen den Fluß Ad-
bara, der in Folge von Regengüssen angeschwollen
war.

hören und vielleicht Absolution ertheilen," Hohn
lachte der unbarmherzige Mann, „mich laßt unge-
schoren!" Er machte eine geschickte Wendung, um
sich schleunigst aus dem Staube zu machen.
„Erbarmen, Erbarmen, Hans Ullrich," stöhnte
die Frau und umfaßte seine Kniee.
Zornfunkelnd hob der Graf seine Hand.
„Schlagt mich nieder, zerschmettert mein altes
Haupt, aber zuerst hört — hört — ich war Eure
— Amme, in meinen Armen habt Ihr sanft ge-
legen, meine Brust hat Euch genährt, oh, daß der
Herrgott Sie lieber zu sich genommen hätte!" Die
zum Schlage gehobene Hand sank langsam nieder.
„Kommtmorgcn wieder," stieß er raub zwischen
den Zähnen durch, „denn all' das Winseln ist doch
nur auf eine Bettelei abgesehen. Geht in die
Küche und laßt Euch was zu essen geben, sagt, ich
hätte es befohlen!" In eiligen Sätzen sprang er
die breiten Marmorstufen empor. Oben angelangt,
blieb er stehen, zog seine Börse und klirrend fiel
ein Goldstück herunter. „Besorgt Euch im Dorf
ein Nachtquartier." Dann verhallten seine Schritte
in der weiten Halle. Nur mit Mühe gelang es
der gebrechlichen Frau, sich aufzurichten; Thränen
rollten von dem runzligen Gesicht. „Die Leute
haben also doch nicht gelogen," nickte sie wie geistes-
abwesend vor sich hin, „er ist ein böser, jähzorniger
Mann, er verdient keine Schonung. Wär's anders,
so ließ ich dem Teufel meine Seele, so aber, so
— Und wenn sie mich mit Hunden vom Hofe
Hetzen, und sie mich in den Thurm sperren, ich
will reden, in alle Welt hinaus will ich's rufen,
Hans Ullrich." — Da legte sich eine Hand schwer
auf ihre Schulter.
 
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