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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 211 - Nr. 220 (10. September - 20. September)
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Nummer 2L1. H* Jahrgang.

Neuev

Montag, 10. September 1894


General-

*_
—— i
Abonnementöpreiö r
wö Sseittgem illustrirtem Sonntagsblatt: monatlich
40 Pfennig frei in's HauS, durch die Post bezogen
_ vierteljährlich 1 Mark obne Bestellgeld.
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._ Gxpoditiorr : Äcrrrptltrcrtze Wr. 23.

für Heidelberg und Umgegend
(Mürger-Zeitung).

Expedition: ^bauptstrnße °D!lr. 25.

Jnsertionöprciör
die lspaltige Petitzeile oder deren Raum 5 Pf-.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-

belesenstes Blatt in Stadt n. An»t Heidelberg und Bnrgegend. Grstzter Grsslg für Inserate.

DM" Bestellt "MU
letzt schon dm Neuen General-Anzeiger
sür das kommende Ouartal.

China, Japan, Frankreich.
Aus dem japanischen Lager dringt seit einer
stoche her kein Sterbenswörtlein in die Oeffent-
Weit üb^ die Operationen. Bloß von der ja-
^uischen Flotte hört man, daß dieselbe bald da,
ald dort vor den chinesischen Hafenorten auftaucht
den Herren in Pekmg recht viel Zähneklappern
.^ursacht. Die Landarmee des Mikado jedoch ist
lecher den Blicken des europäischen Beobachters
ollständig entrückt. Der japanische Generalissi-
ist mit Erfolg bemüht, den berühniten
^chlachtenphilosophen Moltke wenigstens im Punkte
Schweigsamkeit zu kopiren.
Weit redseliger erweisen sich die chinesischen
Silkes. Diese entwickeln zudem auch entschie-
kssis Dichtertalent. Mit schwungkräftiger Phan-
^sie mjrd in den von Peking ausgehenden Bulle-
ns j^es Vorpostengeptänkel zu einer „völker-
^rdenden Schlacht" herauögeputzt. Wer es der
4stübe werth fände, die in diesen chinesischen
"Schlachtenbeuchlen" aufgezählten japanischen Bei-
gste zusammen zu addiren, der käme zu dem über-
pichenden Ergebnisse, daß bereits die gesammte
v^ereSmacht des Mikado ins Gras gebissen. Die
gstvbe auf diese Addition wäre dann allerdings
den chinesischen Verlustlisten zu suchen, in
Elchen der berühmte „eine Tobte" aus den ruffi-
Kriegsbulletins von Anno Krim seine Auf-
^stehung gefeiert und mit geziemender Grandezza
°kbutirt.
Indessen scheint es, daß die chinesischen Ge-
sstraistäbler alsbald in die Lage kommen dürften,
sch mit ernsteren Dingen zu befassen, als mit der
Dichtung humorvoller Schlachtenbulletins. Neben
qstz Japanern dürfte nämlich ein viel gefährlicherer
"^»bcrpart auf dem Plane erscheinen.
. Der Franzmann hat mancherlei alte Rechnungen
China abzumachen, das sich als ein gar
Äscher Nachbar von Tonkin erwiesen hat. Gar
wel französisches Blut ist im Laufe der letzten
^ahre durch chinesische „Deserteure und Räuber-
nden" dort an den Grenzen von Tonkin ver-
^Istn worden. Die diesbezüglichen Beschwerden
ssud Reklamationen Frankreichs hatten bisher keine
^solze, da man sich in Peking stets hinter der
nsrede verschanzte: es seien eben „Deserteure
Räuberbanden", welche ihr Unwesen an den
sv^nzen treiben. Man mußte sich in Paris mit
°^er Ausrede zufrieden geben, da man am Ende
^gen dieses unkontrollirbaren Räubervolkes nicht
inen Krieg mit China anfangen wollte.
Zie verborgene Knnö.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit

von E. Von der Havc.
(Fortsetzung.)

r. In jener verhängnisschweren Nacht, in welcher
, " meiner Heimkehr du mir im Treppenhaus entgegen-
m.est, um mir die grauenhafte Katastrophe mitzu-
.PUen, welche in unserm Hause sich vollzogen hatte, in
Nacht konzentriert sich das ganze Elend meines
s. us. Mit einem Freunde, den ich jetzt eher meinen
Mrnd nennen möchte, hatte ich den Abend verbracht,
es - tztz kann es nicht erinnern. Der Beamte wünschte
i, kestgestellt zu haben, aber alle Nachforschungen find
planst gewesen; ich konnte ihm wohl Anhaltspunkte,
ibw ^ne Gewißheit geben, und nur die letztere kann
cU nützen. Vermuthungen haben für ihn keinen Werth,
der » dir nicht sagen, wie maßlos ich mich selbst
machte, daß es so weit mit mir kommen konnte . . .
gkönnte alles so ganz anders sein ohne meinen
sf enzeulosen Leichtsinns welcher den Vater unverweiger-
wich verdammen ließ . . . Jertha, ich gehe jetzt
h., sich! Gieb mir den Trost mit auf den Weg daß
"sich nicht nicht so über alle Maßen verurtheilst,
rch mich selber verdamme!"
h Er hatte ihre Hände erfaßt und der Druck, mit
w Ne die seinen umschloß, sagte ihm mehr als alle Worte,
r »Hans, würde ich dann um deinetwillen das Vater-
verlassen haben?" stieß sie aus. „Thal ich das
wk einzig deßhalb, weil ich dich für schuldlos hielt?"
Thränen verdunkelten ihren Blick und auch in
den Augen schimmerte es feucht auf.
fan -All* schuldlos!" sprach er ihr nach, ihre Hände
H.N schmerzhaft umklammernd. „O, du Liebe, Gute,
alNsi — du zweifelst nicht an mir, du einzig und
Neig! Wie kann ich es dir danken? Jertha, ich bin
jj, UM werth, daß du mir das Opfer brachtest, das
Ozster, tun-H welches du dich selbst derHeim-
lm: Ä Vaterhause beraubtest. Ich habe es gelernt,
>nc Verbannung als eine gerechte Strafe auzusehen,

Nun scheint man aber in Frankreich Zeit und
Umstände für eine nachdrückliche Abrechnung wohl
geeignet zu erachten.
Die jüngste Gräuelthat der chinesischen „De-
serteure und Räuberbanden", die Ermordung des
französischen Zollbeamten Chaillet in Mon-Kay
und die Entführung der Frau und Tochter des
unglücklichen Opfers über die chinesische Grenze
bietet der französischen Regierung den traurigen,
aber — allem Anscheine nach — gar nicht un-
willkommenen Anlaß, dem Beherrscher des „Himm-
lischen Reiches" ein klein wenig Daumschrauben
anzusetzen. Frankreich verlangt von China nicht
bloö Bestrafung der Schuldigen und Entschädigung
für die Opfer des räuberischen Ueberfalles, wozu
man in Peking ohne Weiteres bereit wäre, sondern
auch — „Garantien" in Bezug auf die „Verhü-
tung der Wiederkehr" ähnlicher räuberischer Grenz-
beunruhigungen.
Derlei „Garantie-Forderungen" baben unter
allen Umständen einen sehr fatalen Beigeschmack.
Welcher noch so sehr wohlorganisirte Staat wäre
im Stande, sich auf solche Garantie-Leistungen zu
verpflichten, nämlich Haftung zu übernehmen da-
für, daß nickt irgendwo irgend einmal Raubge-
sindel einen Einbruch ins Nachbarland versuche!
Die chinesische Regierung am allerwenigsten. In
Paris rechnet man jedoch mit gutem Grunde dar-
auf, daß China zu jedem Opfer bereit sein werde,
nur um zu verhüten, daß sich den zudringlichen
Kriegsschiffen des Mikado etwa auch noch etliche
gepanzerte Seeungeheuer unter französischer Flagge
zugesellen. Und auf irgend einen solchen — „Ab-
standspreis" scheint man es in Paris abgesehen
zu haben, nicht aber auf inhaltslose Garantie-Ver-
heißungen.
Es wird, sich wohl in Bälde zeigen, wie hoch
Frankreich diesen Preis bewerthet, auf welche
Land- oder Hafenabtretung die Franzosen speku-
lirten. Billigen Kaufes dürfte China dabei nicht
wegkommen.
r^t^sOes UeM
EreeUn. 10 September.
Königsberg i. Pr., 8. Sept. Die „Ostpr.
Zeitung" meldet: Der Kaiser theilte mittels Erlaß
den Familien v. Auerswald, Dönhoff,
Dohna, Eulenburg und Lehndorff mit,
daß er je ein Fort der Festung Königsberg nach
ihnen benannt habe. Gestern Morgen begaben
sich Vertreter der Familie Eulenburg nach Fort 12,
jetzt Fort Eulenburg, wo sie von dem Komman-
danten und den Offizieren umhergeführt wurden.
Die Familienverireter richteten von dort telegraphisch
ihren Dank an den Kaiser.
Marienburg, 8. Sept. Der Kaiser fuhr
heute Vormittag 8 Uhr 38 Minuten mit Sonder-

welche ich durch meine Unwürdigkeit selber über mich
verhängte. Es ist eine harte Strafe, aber — mit seinen
Anschauungen konnte der Vater nicht anders handeln.
Er würde mir manches vergeben haben, vielleicht weit
Schlimmeres, wenn es nur die Ehre des Hauses Volk-
heim nicht blosstellte.. Vergehen, welche Angehörige
unserer Klasse nicht als solche ansehen, gleichviel, ob da-
mit die edelste Menschenwürde, die Würde des Weibes,
mit Füßen getreten wird, er würde sie nicht nur ent-
schuldigt, sondern vielmehr mit dem Mantel der Liebe
bedeckt haben. Mein Leichtsinn führte mich auf ab-
schüssige Bahn. Ich mißbrauchte den Namen, den ich
trug. Das Verhängniß that ein übriges, durch eine
düstere Katastrophe im tragweitesten Moment das selbst
auf mich herabbeschworene Unglück noch zu vergrößern.
Welche dunklen Mächten dabei die Hand im Spiele
hatten, ich weiß es nicht und vergebens zermartere ich
mein Hirn, es zu ergründen; aber das eine weiß ich
und das wisse auch du: daß ich keinen Theil daran
habe, daß es in Wahrheit das Verhängniß ist, welches
mich ereilte . . . Gäbe es eine Möglichkeit, damit alles
zu sühnen, freudig wollte ich mein Leben lassen, könnte
ich die theure Mutter aus dem Schlafe des Todes er-
wecken. Sie war in Wirklichkeit der Schutzgeist meines
Daseins, der gute Engel unseres Hauses .... Jertha,
ich gehe in die weite Welt. Wer weiß, ob ich jemals
Wiederkehre! Jetzt hältst du mich für schuldlos;-
gieb mir das Versprechen, daß, was auch geschehen
möge, du an mich glauben willst, so daß ich in allen
Lagen des Lebens das Bewußtsein in mir tragen darf:
eine Seele lebt, die nie an mir zweifelte und die auch
nie an mir zweifeln wird, — Jertha meine Schwester!"
Schluchzen erstickte seine Stimme, und mit aller
Kraft mußte sic ringen nach der Fähigkeit, sprechen zu
können, ehe es ihr gelang, ihm die Antwort zu geben,
nach der er lechzte.
„Ich glaube dir, Hans," stammelte sie, ,,'ch glaube
dir unverbrüchlich!
Er neigte sich in überwallendem Gefühl auf
ihre Hände und küßte dieselben voller Inbrunst.
Minuten des Schweigens vergingen. Dann erhob
Hans langsam das Haupt; sein Gesicht war todtbleich.

zug von Schlobitten nach Elbing, stieg dort nach
seiner Ankunft am Bahnhof um 9 Uhr zu Pferde
und ritt in das Manövergeländc des XVII. Armee-
corps. Die Manöver werden gegen einen markirten
Feind abgehalten. Nach dem Manöver fährt der
Kaiser nach Marienburg, wo um 6 Uhr das Fest-
mahl der Provinz stattfindet. Die Kaiserin
besichtigt im Laufe des heutigen Tages Anstalten
in Königsberg, trifft in Marienburg um 4 Uhr
45 Minuten Nachmittags ein und reiste um 9 Uhr
30 Minuten nach dem Neuen Palais ab.
Marienburg, 8. Sept. Dem heutigen Manöver
lag folgende Generalidee zugrunde : Eine Ostarmee
ist im Vormarsch gegen eine Westarmee begriffen,
welche die untere Weichsel überschritten hat. — Die
Anordnungen wegen der Abreise der Kaiserin
sind dahin abzeändert, daß die Kaiserin bis Mitt-
woch in Königsberg verbleibt u. am Mittwoch dem
Manöver beiwohnt. Der König von Würt-
temberg besucht morgen Trakehnen und fährt
erst am Montag aus dem Manövergelände nach
Schlobitten.
Marienburg, 8. Sept. Bei der gestrigen
Paradetafel trank der Kaiser auf das XVII. Armee-
corps, indem er den Wunsch aussprach, daß das
Corps auf der Höhe der gezeigten Friedensaus-
bildung bleiben, die Waffen so scharf und deutsch
führen und so geschliffen erhalten möge wie die
alten Ritter, die einst in der Marienburg waren.
Die Fürstlichkeiten reisten 8,20 Uhr mittels Sonder-
zuges ab. Der Kaiser übernachtete in Schlobitten,
die Kaiserin in Königsberg. Der Kaiser verlieh
dem Oberpräsidenten Staatsminister Dr. v. Goßler
die Krone zum Großkreuz des Rothen Adlerordens.
Elbing, 7. Sept. Die heutige Kaiser-
parade des XVII. Armeecorps verlief in ähn-
licher Weise wie diejenige des I. Armeecorps.
Nach dem Frontabritt beider Treffen erfolgte die
Uebergabe der Standarte an das.I.Leib-Husaren-
Regiment Nr. I. Der König von Württem-
berg führte dem Kaiser sein Kürassier-Regiment
Herzog Friedrich Eugen von Württemberg (West-
Preußisches) Nr. 5 vor. Die Kaiserin, welche
vor dem Kaiser das Paradeseld verließ, wurde
bei dem Betreten der Stadt von dem Oberbürger-
meister Elditt mit einer Ansprache und von einer
der Ehrenjungfrauen unter Ueberreichung einer
Blumenspende mit einigen Versen bewillkommnet,
worauf die Kaiserin huldvoll dankte. Der Kaiser
kehrte hierauf von dem Paradefelde zurück und
nahm nach Begrüßung durch die städtischen Be-
hörden auf dem Friedrich-Wilhelm-Platze einen
von der Stadt dargebotenen Ehrentrunk entgegen.
In der Ansprache gedachte der Oberbürgermeister
Elditt des früheren Besuches des Kaisers in
Elbing, dankte für die Bemühungen desselben
um die Wohlfahrt des Landes und die Erhaltung

„Jertha," sprach er, „was dich heute nach der
Leichenhalle führte, es war derselbe Todte, an dessen
Rekognoscierung dem Beamten so viel gelegen und der
auch unser Ziel war, nutzlos, wie ich zu meinem
Kummer gestehen muß; er war mir wckdfremd!"
„Wie auch mir," erwiederte Jertha, „aber wäh-
rend ich vor ihm stand, hatte ich das entsetzliche Ge-
fühl, vor dem Mörder unserer Mutter zu stehen!"
Sie schauderte wie unter einem Schüttelfrost. „Hans,
wenn dieser Mensch trotz alledem doch mit dem Tode
der Mutter in irgend einer Verbindung gestanden
haben sollte!"
Er zuckte die Achseln.
„Wer kann das wissen," sagte er müde. „Jeden-
falls ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen; wäre, sie
das, man würde nicht solchen Werth auf die Feststel-
lung seiner Persönlichkeit gelegt haben, daß man ihn
über die gewöhnliche Frist in der Leichenhalle stehen
ließ."
Jertha nickte tiefsinnend.
„Es ist ein Geheimniß, ja," sprach sie. „Hans,
bei deiner Ehre, warst du nicht mehr m der Nähe
unseres Hauses oder in diesem selbst? Du gebrauchtest
nicht das gekentert aufgesundene Boot, welches die
H.
Mit einem Ruck hielt mit den letzten Worten zu-
gleich der Wagen. Der Beamte sprang vom Bock und
der Kutscher öffnete den Schlag.
„Treten Sie unbesorgt ms Haus," ließ der Be-
amte, an der Thür des Wagens erscheinend, sich ge-
dämpften Tones vernehmen. „Sie haben nichts zu
befürchten!" . ,
Gerade, als die drei m dem Gefährt befindlichen
Personen ausstiegen, schritt ein junges Mädchen auf
dem schmalen Trottoir vor dem Ramsen'schen Hanse
vorüber. Sie musterte die Aussteigenden mit großem
Blick; mit unverhohlenem Interesse richteten sich ihre
Augm auf dm jungen Mann in der Semannskleidung;
flüchtig nur streiften sie die ältere, tiefverschleierte
Dame und das junge Mädchen in deren Begleitung.
Wie gebannt aber blieben sie haften auf dem Beamten,
der feitswürts des Wagens neben dem Kutscher stand.

Fünfzehntes Kapitel.
In eiserner Faust.
Ueber dem Volkheim'schm Hause lag es wie schwere
Wetterwolken, welche jeden Augenblick ihre zündenden
Blitze herabzusenden drohten.
Den Großhandelsherrn hatte der plötzliche Tod
seiner Gattin, der überdies auf so mysteriöse Weise
sich verzogen hatte, jäh getroffen; der unvermeintliche
Unwerth seines Sohnes, von welchem er überzeugt sein

des Friedens und erneuerte das Gelöbniß un-
wandelbarer Treue und unbegrenzter Liebe. Nach-
dem der Kaiser von einer der Ehrenjungfrauen
einen mit einer Ansprache in Versen überreichten
Blumenstrauß entgegengenommen hatte, dankte
er in huldvollen Worten für den Empfang. Um
13/4 Uhr begaben sich die Fürstlichkeiten nach
Marienburg.
Elbing, 8. Sept. Auf die gestrige Ansprache
des Oberbürgermeisters bei dem dem Kaiser ge-
reichten Ehrentrunk erwiderte der Kaiser: „Ich
trinke auf das Wohl und das Gedeihen Elbings,
den Fleiß der Bürgerschaft und die Treue seiner
Bewohner."
Halberstadt, 6. Septbr. Die Stadtbehörden
hatten beschlossen, dem Fürsten von Bismarck
die Urkunde über die Verleihung des Ehren-
bürgerrechts durch eine Deputation überreichen
zu lassen. Auf eine Anfrage und nach Einsendung
des künstlerisch ausgeführten Ehrenbürgerbriefes
ist, wie nachträglich bekannt wird, folgendes
Schreiben erfolgt:
„Fr ied ri ch s ruh, 4. Juli 1894.
E. Hochwohlgeboren sage ich verbindlichsten
Dank für die ehrenvolle Zusendung des Bürger-
briefes, der durch seine glänzende Ausstattung
ein Beweis der Entwickelung des Kunstgewerbes
in der Stadt ist. Ich bin hocherfreut, der Nach-
barstad t meiner altmärkischen Heimath als Bürger
anzugehören und hoffe Ew. Hochwohlgeboren, so-
bald meine Gesundheit wieder mehr befestigt, um
die Ehre Ihres Besuchs bitten zu dürfen. Zur
Zeit hat mir Herr Professor Schwenninger Ent-
haltung von gesellschaftlichem Verkehr empfohlen
und ich gedenke in den nächsten Tagen in die
Ruhe von Varzin überzusiedeln. Nach der Rück-
kehr wir^ es mir bei gutem Gesundheitszustände
ein Vergnügen sein, die Herren zu begrüßen.
gez. v. Bismarck."
Austlmö.
Lemberg, 8. Sept. Bei dem gestrigen Em-
pfang der Abordnung des Adels durch den Kaiser
Franz Joseph sagte der Landmarschall San-
guszko: wenn der Adel in Treue für den Thron,
sowie in Pflichtbewußtsein und Opferwilligkeit
andere Klassen der Nation zu übertreffen suche,
so bilde er ein Bindeglied zwischen alter und
neuer Zeit und bewahre seine Berechtigung in
der Gesellschaft. Der Kaiser erwiderte: wenn der
Adel unter Berufung auf gleiche Pflicht und Ar-
beit beanspruche, bei Lösung der der Dynastie,
dem Staate und dem Lande gestellten Aufgaben
mit gutem Beispiele voranzugehen, so gereiche ihm
dies zur Genugthuung und bestärke ihn in der
Ueberzeugung, daß der Thron in dem galizischen
Adel eine feste Stütze finden werde.
Dieses Gesicht hatte sie schon gesehen. Wo? Ihr Hirn
mit der Frage zermarternd, eilte sie vorbei und trat
in das Nebengebäude ein, unter dessen Eingang sie
zögernd stehen blieb und den Blick auf die Besucher
des Ramsen'schen Hauses zurückwandte, vor welch' letz-
terem der Wagen wartend stehen blieb.
„Seltsam," flüsterte sie. „Wo sah ich den Men-
schen doch schon?" . .
Und mit der Frage eilte sie die Stufen ms dritte
Stockwerk hinauf, und zu dem Schnurren des Ma-
schinenrads erklang bald Trud'chens Helle Stemme m
gewohnter Weise, wie ein munteres Vögelem, fernes
sorglosen Daseins sich freuend, in ollen Variationen
seine Lieder schmettert. ,
Der Wagen vor dem Ramsen'schen House mußte
ziemlich lange warten, ehe endlich dw Harmthur sich
öffnete und die Personen, welche vorhin bei Truochen s
Vorüberschreiten in dasselbe hinerngegangen waren,
wieder auf der Bildfläche erschienen.
Jertha hatte den Schleier zuruckgeschlagen, auch
Fran Wilsemann; beider Angesichter zeigten Spuren
von Thränen, in ihren Augen schimmerte es noch feucht,
aber ihre Blicke waren nicht hoffnungslos.
Noch einmal ein Händedruck, em Winken, ein
Grüßen hin- herüber, ein letzter Blick der Insassin en
des Wagens auf den jungen Mann m der schmucken
Seemonnstacht unter dem s-nngang des Hauses, — noch
einmal ein letztes Lebewohl und das Gefährt rasselte
davon mit monotonem Gerauich.
Jertha war es, als gingen die Räder über ihr
Herz, alles ertötend, was darin war an Leben und
Liebe. .
 
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