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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 201 - Nr. 210 (29. August - 8. September)
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Nummer 208. H Jahrgang.


Donnerstag, 6. September t«S4.

General-GAn;eiger

».

»

für Heidelberg und Umgegend

Expedition-. Hauptstraße Ur. 26.

Ab onnementöpreiS r
mit Sseittgcm tllnstrtrtrm SountagStlatt: monatlich
tv Pfennig frei in's HauS, durch die Post bezogen
vicrtcljäbrlich 1 Mark ohne Bestellgeld.

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Jnsertionsprcrör
die lspaltige Petitzeile oder deren Raum k Pfg.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wreder-
bolung entsprechender Rabatt.
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Expedition: Hauptstraße Ur. 25.

belesenstes Vlntt in Stadt rr. Anrt und LTingegend. Gröszter Evfslg fnv Inserate.

HU" Telephon-Anschlutz Nr. 1(12. ^WU

Um 34 W.
für den Monat September kostet der
Nene
General-Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
(Bürger-Zeitung)
Nebst Jllustr. Sonntagsblatt am Postschalter
abgeholt.
(Vorn Briefträger ins Haus gebracht 13 Pfg. mehr.)
In Heidelberg und den nächsten Orten der
Umgebung kostet der „Neue General-Anzeiger für
Heidelberg und Umgegend"
monatlich nur 40 Pfg.
frei in s Haus.
Bestellungen werden von unfern Trägern und
Trägerinnen sowie von allen Po st an st alten
fortwährend angenommen.
Warenzeichen.
Die Wahl eines entsprechenden Zeichens zum
Schutze der Waarenbezeichnungen ist in der Regel
von größter Wichtigkeit, weßhalb es bei dem nahe
bevorstehenden Inkrafttreten des Gesetzes zum
Schutze der Waarenbezeichnungen nicht ohne In-
teresse sein dürfte, aus die Wahl einer geeigneten
Schutzmarke unsere verehrten Leser aufmerksam
zu machen.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß unzählige
Zeichen als Waarenschutz eingetragen werden, die
ihrem Zwecke durchaus nicht entsprechen, die so
wenige individuelle und markante Züge an sich
tragen, daß sie sich dem Gedächtnisse des Kon-
sumenten nicht einprägen können. Und das sollten
sie doch in jedem Falle!
Mit zwingender Gewalt muß sich das Zeichen
dem Käufer aufdrängen, ohne dessen Zuthun,
denn das Publikum ist viel zu bequem, um
Zeichen auswendig zu lernen und nimmt auch viel
zu wenig Interesse daran. Hastet aber ein präg-
nantes, originelles Zeichen im Gedächtniß, so
wird der Kaufende unwillkürlich stutzen, wenn
ihm die Waare ohne das wohlbekannte Zeichen
vorgelegt wird: Er wird nach seinem Zeichen
verlangen. Darauf beruht aber das Wesen und
der Werth einer Schutzmarke.
Als besonders geeignete Waarenbezeichnungen
Möchten wir in erster Linie Phantasieworte em-
pfehlen, mit denen man im Auslande (z. B. in

Are verborgene Kcrnö.
Krimmal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von der Have.
27) (Fortsetzung.) -
Da ging die Thür aus. Nina trat ein. Das Ge-
räusch ließ den Kaufherrn zusammegzucken, sich auf-
rassen und aufrichten.
„Sehen Sie nach Madame Baumgart," sagte er,
mit Anstrengung nur seine Erregung bemeisternd. „Sie
ist ohnmächtig geworden."
Die Zofe trat heran; sie hatte schon das Nö-
thige mitgebracht, die Bewußtlose zum Leben zu wecken.
Im selben Moment aber, als sie sie berührte, öffnete
die Hausdame langsam die Augen.
„Wo — bin ich?" hauchte sie.
Unwillkürlich trat Nina um zwei, drei Schritte zu-
rück. Das veränderte Aussehen der Hausdame fiel auch
ihr auf.
Diese saßte sich an die Stirn, wie sich besinnend,
und mit sichtlicher Anstrengung beugte sie sich vornüber.
Dabei erst schien sie das Papier in ihrer zusammen-
gekrampften Hand zu entdecken, und ein rascher Blick
flog zu dem Großhandelsherrn hinüber.
Sie sah dessen gefurchtes Gesicht, welches auf einen
Sturm schließen ließ. Aber er kümmerte sich offenbar
gar nicht um sie; vor dem neusten Ereigniß trat alles
für ihn in den Hintergrund; dem alten Johann win-
kend, verließ er, von diesem gefolgt, das Gemach.
Die Hausdame richtete einen fragenden Blick auf
die Zofe. . ,
„Ist etwas geschehen?" fragte sie stockend.
Das Mädchen zögerte sichtlich mit der Antwort.
„Ja," gab sie dann zurück, „allerdings, — das
Fräulein ist fort!" . .
Wäre eine Bombe hinemgeplatzt mitten ins Zim-
mer, sie hätte keine größere Wirkung erzielen können.
Wie neu belebt, stand die Hausdame plötzlich auf ihren
^üßen; zugleich traf ein metallen-harter Ton der Zofe

England) gute Erfolge erzielt hat. Nach den
neuen Gesetze sind solche Worte auch bei uns ein-
tragsfähig, was als erheblicher Fortschritt be-
zeichnet werden muß. Denn Worte prägen sich,
wenn sie für den betreffenden Konsumentenkreis
nicht allzu phantastisch klingen — manchmal aber
auch gerade deßwegen — dem Gedächtniß am
unmittelbarsten ein. Niemand wird sich „Löwen-
bräu" für „Spatenbräu" vorsetzen lassen und
umgekehrt. („Spatenbräu" darf als eintragsfähig
angesehen werden.) „Bockbier", das ebenso prä-
gnant ist, würde an sich eintragssähig sein, muß
aber als Freizeichen betrachtet werden. Geeignet
sind auch „Nabobsauce" (von einer nach altem
Gesetze eingetragenen Marke), „Million"-Lampe,
„Santha"-Thee, „Kodak"-P!atten (photographische)
„Heureka"-Hemd, „Koh-i-norr"-Bleistist. Das ge-
wühlte Wort darf keinerlei Angaben über Eigen-
schaften oder Herkunft der Waare enthalten, noch
zu derselben in irgend einer anderen begrifflichen
Beziehung stehen. Auch hüte man sich vor Frei-
zeichen ; z. B. werden Kombinationen mit „Löwen-",
ebenso wie das Bild eines Löwen als Freizeichen
gelten müssen.
Wählt man figürliche oder bildliche Darstell-
ungen als Waarenzeichen, so achte man vor Allem
daraus, daß das zweckmäßig aus wenigen kräftigen
Zügen gebildete Markenbild ein originelles, ihm
eigentümliches Gepräge erhalte. Wir haben
Marken gesehen, die fast Kunstwerke der Klein-
malerei genannt werden konnten, aber recht schlechte
Schutzmarken waren, und wieder andere, aus
wenigen, oft unkünstlerischen Strichen bestehende,
aber treffliche Schutzmarken. Es soll damit natürlich
nicht gesagt sein, daß eine gute Schutzmarke nicht
auch ästhetisch befriedigen könne, aber die Marke
soll vor allen Dingen prägnant sein. Man ver-
meide, wenn thunlich, alles Beiwerk, welches die
wesentlichen Züge der eigentlichen Marke ver-
dunkeln könnte. Insbesondere können wir die
ost angewendeten rechteckigen, mit allerhand
Rankenwerk, Emblemen, Medaillen ec. ausgefüllten
Rahmen nicht gutheißen, weil bei wesentlich anderer
Detaillirung deren Gesammteindruck leicht nach-
gebildet werden kann, ohne daß sich hiergegen
immer mit Erfolg einschreften ließe. Solchen
Marken fehlt eben ein markig hervortretender,
unwillkürlich in die Augen fallender und dem
Gedächtnisse sich einprägender Ausdruck. Empfohlen
worden sind Darstellungen von Menschen und
Thieren, Körpertheilen, geometrischen Figuren,
gewerblichen Erzeugnissen: indessen sei darauf
hingewiesen, daß Adler, Löwen, Pferde, Bären,
Hähne, Sterne, Kreuze, Anker, Pentagramme in
sehr vielen Variationen schon vorhanden sind.
Wie man eine Lebensweisheit, oder einen

„Legen Sie Ihrer Phantasie Zügel an," sprach
Hella. „Dergleichen mag in den englischen oder fran-
zösischen Romanen Vorkommen, im wirklichen und zu-
mal in dem nüchternen deutschen Leben ereigneten sich
solche Dinge nicht. Fort! Als wenn das nur so leicht
wäre! Verschwunden gar! Als wenn.das möglich
wäre! Wachten Sie nicht bei ihr? Uebertrug ich
Ihnen nicht die Aufsicht über das Fräulein, daß sie
keinen Schritt thun konnte, ohne daß Sie es bemerkten?"
Das Mädchen senkte das Haupt.
„Das thaten Sie allerdings, Madame," sagte sie,
und ich blieb auch treu auf meinem Posten, in der
Gaderobe des gnädigen Fräulein; aber ich weiß selbst
nicht, wie es gekommen ist, — ich bin eingeschlafen
und als ich erwachte, fand ich die Thüren zu Fräulein
Volkheim's Zimmern abgeschlossen. In nichts beun-
ruhigte mich das jedoch; ich dachte, das Fräulein habe
die Ruhe gesucht und ich verharrte auf meinem Posten.
Da kam Johann, um das Fräulein zu rufen; — wir
pochten umsonst; — Johann öffnete mittels eines
Hauptschlüssels die Thür und — wir fanden die Räume
leer, — das Fräulein war fort, verschwunden!"
Die Hausdame schien sich etwas gefaßt zu haben;
sie sprach wenigstens mit größerer Ruhe, als sie er-
widerte : „Das ist mysteriös, wie manches, was seit
kurzer Zeit in diesem Hause vorgeht; finden Sie das
nicht auch, Nina?"
Die Zofe nickte.
„Mir ist oft ganz gruselig zu Muthe," sagte sie.
„So auch die letzte Nacht, als ich in der Garderobe
des Fräuleins saß. Da war es mir als träte die todte
Frau Volkheim hinter mich und legte mir eine eiskalte
Land gerade aufs Herz. Ich zog das Tuch über den
Kopf, um nur ja gar nichts zn sehen, denn — lachen
Sie mich nicht aus! — ich hatte die Vorstellung, daß
etwas zur Thür hereingekommen war. Dabei muß ich
die Besinnung verloren haben — vor Angst. Als ich
wieder zu mir kam, war mir alles ein wüster Traum!"
Frau Baumgart lachte nicht; sie setzte im Gegen-
theil oie ernsteste Miene auf.
„Wenn Geister wandeln," sagte sie leise, „so be-
deutet das allemal, daß sie ein Eeheimniß mit ins Grab

anderen, des Behaltens werthen Gedanken mit
wenigen Worten in einem scharf Pointirten Vers
oder Spruch ausdrückt, so soll auch die Schutz-
marke in wenigen, scharfen Zügen ein dem Ge-
dächtnisse unauslöschliches Denkzeichen sein!
Deutsches Reich.
Berlin, 6. September.
— Die „Nationalzeitung" meldet: Professor
ErnstCurtius empfing zu seinem achtzigsten
Geburtstag (2 Sept.) ein Handschreiben des
Kaisers, in dem der Kaiser den Geburtstag des
Gelehrten einen nationalen Feiertag nennt, unter
Bezugnahme auf die Einweihung der Sarkophage
des Charlottenburger Mausoleums den Jubilar als
den von Kaiser Friedrich erprobten Berater und
Freund bezeichnet und ihm den Kronenvrden erster
Klasse verleiht.
— Ueber die Verhaftung der Frau Jsmert
wegen Verdachts der Spionage hat ein Berichter-
statter des Pariser „Figaro" in Pagny und Metz
Nachforschungen angestellt. Danach gibt der
Mann der Verhafteten zu, daß man bei seiner
Frau zwei militärische Schriftstücke und einen
Zünder gefunden hat. Er erklärt aber, er sei
überzeugt, oaß sie diese Gegenstände blos an sich
genommen habe, um einem französischen Offizier,
der sich im Reichslande beobachtet wußte, einen
Gefallen zu thun. Der Oberstaatsanwalt Haas
sagte, es sei Sache des Reichsgerichts, zu ent-
scheiden, ob Frau Jsmert verfolgt oder entlassen
werden solle. Die Untersuchung gegen Metzer
Einwohner, die der Mitschuld verdächtig sind und
bei denen eine polizeiliche Haussuchung stattge-
funden hat, schwebe noch. Für besonders schwer
halte der Oberstaatsanwalt den Fall nicht.
Karlsruhe, 4. Sept. Bei der Versicherungs-
anstalt Baden sind im Monat August 1894
212 Rentengesuche (47 Alters- und 165 Jnva-
lidenrentengesuche) eingereicht und 180 Renten
(46 und 134) bewilligt worden. Es wurden 38
Gesuche (4 und 34) abgelehnt, 134 (32 und 102)
blieben unerledigt. Außerdem wurden in schieds-
gerichtlichen Verfahren 1 Alters- und 2 Invaliden-
renten zuerkannt. Bis Ende August sind im
Ganzen 7283 Renten (4551 Alters- und 2732
Invalidenrenten) bewilligt bezw. zuerkannt worden.
Davon kamen wieder in Wegfall 1757 (999 und
758), so daß auf 1. Sept. 1894 5526 Renten-
empfänger vorhanden sind (3552 Alters- und
1974 Jnvalidenrentner). Verglichen mit dem 1.
August 1894 hat sich die Zahl der Rentenempfänger
vermehrt um 138 (28 Alters-und 110 Jnvaliden-
rentner). Die Rentenempfänger beziehen Renten
im Gesammtjahresbetrage von 691597 Mk. 44
Pfg. (mehr seit 1. August 1894 16 934 Mk. 16

Pfg.) Der Jahresbetrag für die im Monat Aug-
bewilligten 47 Altersrenten berechnet sich auf
6018 M. 60 Pfg. und für 136 Invalidenrenten
auf 16507 M- 20 Pfg., somit Durchschnitt für
eine Altersrente 128 M. 6 Pfg., für eine Inva-
lidenrente 121 Mk. 36 Pfg. Für sämmtliche bis
1. Januar 1894 bewilligten Renten betrug der
durchschnittliche Jahresbetrag einer Altersrente
129 Mk. 42 Pfg-, einer Invalidenrente 117 M.
44 Pfg.
Karlsruhe, 3. Sept. Die neuen Vorschriften
über die Errichtung von Kommissionen zur Prüfung
von Na hrung s m i ttel ch em i k er n an den
beiden Landesuniversitäten Heidelberg und Freiburg,
sowie an der hiesigen technischen Hochschule treten
am 1. Okt. d. Js. in Kraft. Die Prüfung zer-
fällt in eine Vorprüfung und in eine Hauptprüfunz,
die Hauptprüfung wieder in einen technischen und
in einen wissenschaftlichen Abschnitt. Sowohl die
Vorprüfung wie die Hauptprüfung werden von
einer unter Leitung eines Verwaltungsbeamten
stehenden Kommission vorgcnommen. Vorprüfungen
finden in jedem Studienhalbjahr statt; die Haupt-
prüfungen beginnen jährlich im April und enden
im Dezember. Neben der sonstigen Vorbildung wird
für die Vorprüfung der Nachweis einer durch fünf
Halbjahre fortgesetzten Arbeit in chem. Laboratorien
verlangt. Vom Nachweis der Vorprüfung (behufs
Zulassung rur Hauptprüfung) sind u. a. befreit
unter gewissen Voraussetzungen Apotheker, welche ihre
Prüfung mit dem Prädikat sehr gut bestanden
haben. Zu einem Hauptprüfungstermin werden
nicht mehr als vier Kandidaten zugelassen, für die
Vorprüfung ist eine Gebübr von 30, für die
Hauptprüfung eine solche von 180 Mk. zu ent-
richten. Nicht ohne sprachliches Interesse ist in der
Verordnung der Gebrauch des Wortes „Prüfling"
statt Kandidat, wenn auch wohl vermöge alter Ge-
wöhnung die letztere Benennung noch mit unter-
läuft. Die Mitglieder der Prüfungskommission und
der Vorsitzenden werden alljährlich durch das Mini-
sterium des Innern ernannt.
Karlsruhe, 5. Sept. Unter den sür die ge-
plante Erweiterung der Unfallversicherung
in Betracht kommenden Betriebsarten sind Be-
triebszweige mit nur geringer Unfallgesahr in
größerer Zahl als im Geltungsbereich der früheren
Unfallversicherungsgesetze vertreten. Außer ein-
zelnen Betrieben des Handwerks und des Klein-
gewerbes (Schneider, Schuhmacher, Handschuh-
macher, Weber u. A.) gilt dies auch von solchen
Handelsbetrieben, in denen ausschließlich Schreib-
arbeit verrichtet wird (Bankgeschäfte, Versicherungs-
geschäfte). Ganz ohne jede Unfallgefahr sind
auch diese Betriebe nicht; indessen wird das mit
ihnen verbundene Maß von Unfallgefahr das-

genommm haben, welches ihnen keine Ruhe läßt . . -
Nina, sprechen Sie nicht davon, — es könne in anderer
Leute Gerede kommen, und vor allem muß die Ehre
des Hauses Volkheim aufrecht erhalten werden. Das
Fräulein wird schon wieverkehren. Beruhigen Sie sich
deßhalb nur." Sie ließ das Billet, welches sie bis nun
immer noch in der Hand gehalten, in ihre Tasche
gleiten. „Ich ward ohnmächtig hier und Sie wundern
sich vielleicht deßhalb; — ach, Sie wissen nicht, es ist
ein unsagbar schwerer Umgang mit dem Herrn Volk-
heim !"
Nina sah die Sprecherin erstaunt an.
„Ach, ich thue ja gern meine Pflicht," fuhr diese
fort, „aber über diese darf es nicht Hinausgehen ....
Wie nahm Herr Volkheim die Kunde von dem Ver-
schwinden seiner Tochter auf?"
„Er war außer sich," antwortete die Zofe „wieder
Karl, der an der Thür stand, mir versicherte, ^sch
fürchtete schon einen Sturm!"
„Es ist gut, Nina," sagte die Hausdame nut sich
steigernd etwas mehr Reserve als bisher. „Sprechen
Sie so wenig als möglich über die Ereignisse, am
liebsten gar nicht. Es sind Dinge, welche Sie nicht
verstehen und welche Sie auch im Grunde genommen
gar nichts angehen .... Haben Sie wirklich auch alles
durchsucht nach dem Fräulein?,,
„Alles, ja, ganz gewiß !" versicherte die Zofe.
Das schrille Läuten der Glocke unterbrach ihre
Worte; dasselbe ward wiederholt, Nina eilte hinaus.
Die Zurückbleibende verharrte regungslos in ihrer
Stellung, wie eine Vision sehend,. wK sich hinblickend,
und starr und starrer ward ihr Buck.
„Ich muß die Lösung finden." sprach sie vor sich
hin, „ich muß es! Er wird mich fragen und dann —
was sage ich ihm, was sage ich ihm, was sage ich ihm?"
„Madame oder mein Fräulein, darf ich Ihnen
meinen Schirm anbieten?"
Es sing bereits zu dunkeln an und die Straße
war nicht sehr belebt von Passanten, wohl infolge der
ungünstigen Witterung, denn es regnete. Auch lag
die Gegend nicht eben rm regsten Verkehrsnetz der Stadt.

Diejenige, der die Ansprache des Mannes gegolten,
der ihre kurze Zeit gefolgt und endlich mit der Anrede
an ihr Seite getreten war, verlangsamte sekundenlang
ihre Schritte, um dieselben in der nächsten Minute ;e-
doch uur zu verdoppeln.
„Ich bedarf keiner Begleitung!" kam es hart über
ihre Lippen, und mit einer Hast, daß der andere, der
das bisherige Schritttempo deibehielt, zurückblieb, eilte
sie an ihm vorüber und vor ihm her.
Er folgte ihr mit dem Blick, mit einem scharfen,
klugen Blick, dem nichts entgeht.
„Sie war es, in der That!" sagte er für sich. ,^Das
war eine seltsame Begegnung, ein wahrer Zufall. Was
kann sie in der Leichenhalle gesucht haben. Zum
Henker, — kann sie Jemand kennen, dm sif mit dem
nächtlichen Insassen eines Sinterten
fammenhana zu bringen vermochte, ffer Mensch ist
meines Wissens noch nicht rekognosciert! Wer ist er?
Kehre ich um oder folge ich ihr.
Er überlegte sichtlich, während fr dgz letzte that,
wobei aber sein Schritt sich /"ffÄfsiAich verlangsamte.
„Wo ist sie geblieben? richtete er sich plötzlich
straff aus seiner etwas Haltung, wie
tiefes Nachsinnen sie leicht fhervorbringt. auf. „Zum
Teufel, wo ist sie? Ah, da sie steigt m einen Wagen
— ist sie es auch wirklich. Und — fürwahr, ein
Mann begleitet sie Afv der Kutscher auf die
Pferde dreinschlägt! Wittert sie etwas oder-"
Mit rafchen Schritten stand er vor der nächsten
Droschke. < „
„Dem Wagen, der eben abfuhr, nach, — schnell,
schnell!" befahl er.
Der Kutscher faß auf seinem Bock. Der gebiete-
rische Ton fernes Fahrgastes elektrisierte ihn so, daß er
sich kaum die Ze>t nahm, die Decke von seinem Pferde
zu reißen und dann dieses im Galopp vorwärts zu
treiben. „ ,. „ , „
Immerhin hatte der erste Wagen einen beträcht-
lichen Vorsprung erlangt. Der Insasse des zweiten
hatte sich Nicht auf den Hintersitz niedergelassen; er
kniete aus dem Vordersitz und verfolgte mit seinen Augen
 
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