ihr Heim in Belle Jsle sein werde. — Und Sind«,
die selbst großmüthig war, wie die Sonne, und
Maya mit Liebe und Kostbarkeiten überhäuft hatte,
fühlte sich sicher, daß sie Maya's Heim mit ibr
theilen sollte und daß sie in dem fremdem Lande
nie von der Freundin verlassen werden würde, die
sie so treu geliebt hatte. — Sie kannte Maya eben
noch nicht.
Sie setzten ihre Reise die ganze Nacht fort und
machten bei Sonnenaufgang in einem kleinen be-
waldeten Thale, dicht außerhalb der Grenzen des
Königreiches Khalsar Halt. Jetzt waren sie in
Sicherheit. Sie hatten keine Furcht mehr, verfolgt
zu werden, da bis jetzt keine Spur eines Feindes
gesehen worden war und ein nach den in den letzten
Tagen ausgcstandenen Beängstigungen erquickendes
Gefühl der Sicherheit bemächtigte sich ihrer. — Die
Rast an diesem einen Tage that ihnen ungemein
wohl. Bei Sonnenuntergang nahmen sie ihre
Wanderung wieder auf, nachdem der Führer, mit
welchem sie von Hußpeth versorgt worden waren,
am Morgen von Elliot für seine Dienste reichlich
belohnt, allein nach Putpur zurückgekehrt war. Der
Parse Kalloo übernahm jetzt wieder die Führung
der Expedition zum großen Aerger seines Feindes,
des Hindu Puntab.
Wir brauchen bei den Einzelheiten der Wan-
derung während der nächsten Tage nicht zu ver-
weilen. Der kleine Zug rastete während der heißen
Tages- und allzu dunklen Nachtstunden und wan-
derte nur an den kühlen Morgen und Abenden.
Sie bestanden einige Abenteuer, aber keines war
ernster Natur. Maya fand keine Gelegenheit,
Sinda mit ihrer „untergebenen" Stelle bekannt zu
machen, und wahrscheinlich verschob sie es, ihr die
beabsichtigte Lektion zu ertheilen, denn Sinda war
von einer Hoheit und Würde umgeben, welche so-
gar auf Maya Eindruck machte, und sie zwang sich,
sich ehrerbietig zu benehmen. Maya war sehr
freundlich mit Bathurst ihr immer mehr ergeben
wurde. Heimlich bewunderte Bathurst Sinda wohl
mehr als alle Frauen, die er bisher gesehen hatte,
aber eine Heirath mit einem Mädchen von niederer
Herkunft war ihm etwas verhaßtes und er kämpfte
hart, um die mit jeder Stunde in ihm wachsende
Leidenschaft zu ersticken.
Er hatte sein Vorhaben ausgeführt und Maya
eine ganz wunderbare Geschichte von seinem Reich-
thume und Range in seinem Vaterlande erzählt
und hatte ihr gesagt, daß er der Erbe eines großen
Titels, daß er Graf Tregaron gleichgestellt sei und
mehr wäre als Elliot, und diese müßige Erfindung,
welche ihn ungemein belustige, wenn er allein war,
wurde von dem durchtriebenen, aber leichtgläubigen
Mädchen unbedingt geglaubt. Obwohl sie die
dunkle und vornehme Schönheit Armand Elliot's
den plumpen Zügen Bathurst's weit vorzog, war
sie doch weit lieber in Bathurst's Gesellschaft, denn
Elliot war nur sehr artig mit ihr, während Bat-
hurst's Benehmen das eines glühenden Anbeters
war unv das schmeichelte ihr, die eine geborene
Kokette war, ungemein.
Tag für Tag rückte der Zug mehr gegen Süden
vor, die Hitze während des Tages wurde immer
drückender, Bathurst's Entzücken und Triumpf-
gefühl immer stärker. Und endlich, nachdem sie
einen Monat so gewandert waren, waren sie nur
einige Stunden mehr von Gwalpore entfernt, von
welcher Stadt aus sie nach Kalkutta bereits die
Eisenbahn benützen konnten. Sie schlugen ihre
Zelte am Eingänge eines scheinbar undurchdring-
lichen Urwaldes auf. Die Sterne leuchteten hell
und der Vollmond goß sein bleiches Licht herab.
Es war eine herrliche Nacht.
Die Zelte wurden wie gewöhnlich nahe einem
rauschenden Bache aufgestellt. Es war die letzte
Nacht ihres Nomadenlebens und sie waren Alle
von einer gewissen Traurigkeit beschlichen. Am
nächsten Morgen sollten sie mit der großen geräusch-
vollen Welt in nähere Berührung kommen, in
welcher sie von nun an immer leben mußten. Die
beiden jungen Mädchen fühlten eine unwillkürliche
Scheu vor dem unbekannten Leben, das vor ihnen
lag, trotzdem sie sich darnach sehnten, es zu begin-
nen. Sie saßen unter dem hohen Blätterdache
einer Palme an den Ufern des Stromes. Sinda
war ernst und gedankenvoll, mit trübem Ausdruck
in ihren blaugrauen Augen und um ihren blühend
rothen, gefühlvollen Mund, an ihre alte, treue
Hindu-Dienerin gelehnt, welche sie mit verzückten
Augen betrachtete. Die Beiden waren auf der
ganzen Reise nie von einander entfernt.
Falla schien ihre junge Herrin nicht aus den
Augen lassen zu können, aus Furcht, es dürste ihr
ein Leid widerfahren. Maya saß ganz nahe und
hatte den Schooß voll Blumen. Sie zerpflückte die-
selben und streute die bunten Blüthenkronen in's
Wasser. Bathurst schaute ihrem Treiben zu, Elliot
war wie gewöhnlich neben Sinda.
„Die letzte Nacht unseres Lagerlebens," sagte
Maya plötzlich. „Ich bin begierig, was zunächst
kommen wird. Ich fürchte, Walter, Sinda und
Nummer 259. I k. Zahrgaug.
Aeuev
Montag, 5. November 18N4.
General-GAilmger
Expedition: Kauptltraße Mr. 25.
Expedition: ^Hauptstraße Mr. 25.
Abonnementöpreisr
mit Sseitigem illugrirtem Sonntagsblatt: monatlich
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vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
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die lsPaltige Petilzeile oder deren Raum 8 Pf-.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-
für Heidelberg und Umgegend
(Würger-Zeitung).
Geteseirstes Blatt in Strrdt rr, Ahnt HeödeWeVA rrnd Lim-DeSend. GvsMei? Tussis für Inserate.
WU" Telephon-Anschlutz Nr-102. "MW
Fortwährend
werden von allen Postanstalten, Landbriefträgern
unseren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.
Deutsche- Reich.
Berlin, 5. November.
— Das „Armeeverordnungsblatt" bringt eine
KabinetSordre, die für die Armee eine
bierzehntägige, für das Kaiser-Alexander-Garde-
^renadierregiment Nr. 1 und das Ulanenregiment
Kaiser Alexander III. von Rußland (Westpreußi-
Iches) Nr. 1 eine dreiwöchentliche Trauer ange-
vrdnet, sowie bestimmt, daß während der ersten
drei Trauertage kein Spiel zu rühren ist. Die
^abinetsordre fährt dann fort: „Die Armee wird
dadurch bethätigen, daß sie den tiefen Schmerz
bm meinen treuen Freund und den aufrichtigsten
Schirmherrn des europäischen Friedens theilt,
Und des vom verewigten Kaiser allzeit meiner
^rmee bewiesenen Wohlwollens in steter Dank-
barkeit gedenkt." An der Beisetzung haben Ab-
ordnungen der obigen beiden Regimenter, sowie
des 1. Westfälischen Husaren-Regiments No. 8,
. essen Chef der nunmehrige Kaiser Nikolaus II.
m, theil zu nehmen.
,— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine
Verordnung, wonach unter Aufhebung des für
den Zusammentritt des Reichstages durch Ver-
ordnung vom 23. Oktober bestimmten Termins
der Reichstag auf den 5. Dezember einberufen
bnrd.
— Das „Berl. Tageblatt" meldet ausPeters-
durg: Am Freitag erfolgte der Ringwechsel
Mschen dem Zaren und der Prinzessin A li r.—
^Beisetzung der Leiche Kaiser Alexanders III.
bvdet zwischen dem 16. und dem 20. November
Uatt. Wenige Tage nachher wird die Vermählung
Zaren mit der Prinzessin erfolgen. Anläßlich
Thronwechsels wird eine umfassende politische
^uinestie erwartet.
— Wie die „Nordd. Allg. Ztg." mittheilt, ist
Vorlage gegen die Umsturzpropaganda
sb der letzten Staatsministersitzung in den wesent-
dchsten Punkten gutgeheißen worden. Nachdem sie
in einzelnen Punkten überarbeitet ist, wird
Ermächtigung des Kaisers zur Einbringung des
^setzentwurfs als Präsidialvorlage im Bundesrath
^bgeholt werden.
. -— Die von einzelnen Blättern verbreitete Näch-
st, auch der Handelsminister Frhr. ».Berlepsch
^sHe sein Entlassungsgesuch einreichen oder werde
demnächst in den Ruhestand treten, ist unbegründet.
Ebenso gilt in unterrichteten Kreisen für ausge-
schlossen, daß der Landtagsabgeordnete v. Jagow,
der noch vor Jahresfrist Landrath in Osterburg
war und jetzt Oberpräsidialrath in Posen ist, zum
Nachfolger des Herrn v. Köller als Unter-
staatssekretär des Innern in Straßburg in Aussicht
genommen sei. Dagegen gilt es für richtig, daß
der Chef der Reichskanzlei, Wirklicher Geheimer
Rath Göring, der als Nachfolger des Herrn v.
Rottenburg seit Ende 1890 diese wichtige Ver-
trauensstellung bei dem Reichskanzler Grafen Ca-
privi, feinem ehemaligen Schulgenosscn, einge-
nommen hat, und der in den nächsten Tagen sein
65. Lebensjahr vollendet, um seine V era bsch ie d-
ung einkommen wird. Welche unglaublichen
Gerüchte in den letzten Tagen herumschwirrten, be-
weist die Nachricht der „Kreuzztg.", daß Staats-
sekretär v. Puttkamer in Straßburg zum Nach-
folger des Geheimraths Dr. Göring in Aussicht ge-
nommen sei. Wer nur einigermaßen die preußische
Beamtenhierarchie kennt, weiß, wie thöricht diese
Nachricht ist. Staatssekretär v. Puttkamer ist
übrigens aus Straßburg hier eingctr^ffen und vom
Reichskanzler Fürsten Hohenlohe-Schil-
lingsfürst, sowie vom Statthalter Fürsten
Hohenlohe-Langenburg empfangen worden.
Die heute im „Reichsanzeiger" veröffentlichte V e r-
tagung des Zusammentritts des Reichs-
tages vom 15. November zum Mittwoch den 5.
Dezember ist durch den inzwischen eingetrctenen
Reichskanzlerwechsel bedingt, der die Vorarbeiten zu
den dem Reichstag gleich bei seinem Zusammentreten
vorzulegenden Gesetzentwürfen unterbrochen und ver-
zögert hat. Auch muß der Reichskanzler selbst
anfangs nächster Woche zunächst nach Straßburg
zurückreisen, wo ihm noch obliegt, eine Anzahl
wichtiger Dienstgeschäfte zu erledigen und seine
Haushaltung aufzulösen.
— Gegen das von Deutschland erlassene Ver-
bot der Einfuhr amerikanischen Viehes
und frischen Fleisches soll einer Nachricht der „Times"
zufolge die Regierung der Vereinigten Staa-
ten entschieden protestirt haben. Der Staats-
sekretär habe eine Unterredung mit dem deutschen
Botschafter gehabt und es seien dem amerikanischen
Botschafter in Berlin telegraphisch Instruktionen
gegeben worden. Die Angelegenheit habe eine be-
trächtliche Erregung in den westlichen Staaten her-
vorgerufen und die Regierung sei von verschiedenen
Seiten aufgefordert worden, aktiv vorzugehen. Wir
hoffen, die deutsche Regierung wird darauf nur
eine Antwort haben, daß für Maßregeln deutscher
Behörden nur die Interessen der heimischen Land-
wirthschaft, nicht der amerikanischen Viehzüchter
maßgebend sein können.
KefuchL und Gefunden.
z. Roman von Hermine Frankenstein.
' (Fortsetzung.)
- Rach eingenommenem Mahl wurde der Marsch
^gesetzt. KUn Anzeichen einer Verfolgung hatte
, fb während des Tages gezeigt. Der Führer sprach
Ansicht aus, daß sie ihren Feinden entschlüpft
da er eine Richtung genommen hatte, die
von Reisenden vermieden zu werden pflegt.
sie wieder auf ihrem Wege gegen Süden waren
. d es dunkler wurde und die goldgelben Sterne
Himmel zu funkeln begannen und der junge
^°vd zartes Licht ausgoß und Maya und
spurst sich ganz ausschließlich mit einander be-
^ll'gten, ritt Elliot an Sinda's Seite und sie
Zahlte ihm von ihren Abenteuern der vergangenen
von jhrer Flucht smit ihrer Dienerin durch
sH. schmalen dunklen Straßen, wie sie nur mit
und Noth ihren Verfolgern entronnen und
je», ^ri zahlreichen Schrecken, die sich für sie in
>a Stunden zusammendrängten, ehe es ihr ge-
ihre Freunde vor den Stadtthoren zu finden,
sprachen sie von Sinda's seltsamer Geschichte,
sy, .'Krer Kindheit und Jugend, von ihrer Herr-
si über das kleine Königreich Khalsar, von der
deren Nachfolgerin sie gewesen war und
fix guten Missionär, dem besten Freunde, den
isher besessen hatte.
skine erwiderte ihr Vertrauen, indem er ihr
ih,/ ^gme ganze Lebensgeschichte.erzählte und mit
Graf Tregaron plauderte, ihr englische Sit-
Gewohnheiten beschrieb und sie versicherte,
Jugendfreundin von des Grafen Erbin
— Der Zentralausschuß zur Förderung
der Jugend- und Volksspiele in Deutsch-
land hat über die Frage: „Wie sind die öffent-
lichen Feste des deutschen Volkes zeitgemäß zu
reformiren und zu wahren Volksfesten zu ge-
stalten?" ein Preisausschreiben erlassen, dessen
Bedingungen Folgendes zu entnehmen ist: Die
Arbeiten sollen zwei Druckbogen nicht überschreiten.
Sie sind bis zum 15. März 1895 frei einzu-
senden an den Geschäftsführer des Zentral-Aus-
fchusses, Direktor H. Raydt in Hannover, Peter-
silienstraße 2 ä. Die beste Arbeit wird mit
einem Preise von 300 (dreihundert) Mk., die
beiden dann folgenden mit je 100 Mk. prämiirt.
Darmstadt, 3. Nov. Zar Nikolaus II.
telegraphirte auf das Beileidstelegramm des Ober-
bürgermeisters Morneweg: „Ich sende Ihnen
als Vertreter der Stadt Darmstadt meinen tief-
gefühlten Dank für Ihre warme Theilnahme an
dem schweren Schicksalsschlag, der mich und mein
ganzes Land getroffen hat. Wie sehr hatte ich ge-
hofft gehabt, diesen Herbst nach Darmstadt 'zu
kommen! Nikolaus."
Kiel, 3. Nov. Sämtliche Kriegsschiffe haben
auf Halbmast geflaggt und die russische
Kriegsflagge vorgehißt. Von 11—12 Uhr feuerten
die Panzerschiffe ,Brandenburg', ,Baden', ,Bayern',
,Sachsen', ,Württemberg', sowie die Schulschiffe
,Carola' und „Mars", in Zwischenzeiten von drei
Minuten Trauersalute. Auf dem Schlosse weht
die Standarte des Prinzen Heinrich auf Halbstock.
Karlsruhe, 3. Nov. II. KK. HH. der
Großherzog und die Großherzogin sind heute Vor-
mittag halb 10 Uhr aus Schloß Baden hier ein-
getroffen. S. K. H. der Großherzog wohnte um
11 Uhr dem Festakte der Technischen Hochschule
aus Anlaß des Direktoratswechsels an. Der bis-
herige Direktor, Oberforstrath Schuberg, erstattete
den Bericht über die Chronik der Anstalt während
der beiden letzten Jahre und übergab sodann das
Direktorium an den neu ernannten Direktor, Pro-
fessor Dr. Haid. Hieran schloß sich ein Vortrag
des Direktors Dr. Haid über die Bewegung und
Gestalt der Erde.
Ausland.
London, 3. Nov. Die Morgenblätter nehmen
die Kundmachung des Zaren Nikolaus
II. höchst günstig auf. „Standard" sagt: „Der
Zar ist jung, hat ober erfahrene Rathgeber und
nach der Kundmachung zu urtheilen, besitzt er ein
tiefes Bewußtsein seiner Verantwortlichkeit. Er hat
eines der größten Szepter der Welt geerbt. Möge
er es zum Wohle seines Volkes und der Menschheit
führen!" Der „Daily Telegraph" rühmt des
neuen Zaren Liebenswürdigkeit und Offenheit, sowie
seine Abneigung gegen religiösen Fanatismus und
spricht von seiner freundschaftlichen Gesin-
nung gegen den deutschen Kaiser. Zar
Nikolaus übernehme eine Würde, die für die breiten
Schultern seines Vaters zu schwer gewesen sei.
Man mülle mehr hoffen, als man glauben könne,
daß er sie auf den eigenen Schultern werde tragen
können. „Daily News" sagt: Kaiser Nikolaus
habe kaum besser anfangen können; er brauche nur
in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und Alles
werde sich in Rußland und Europa ausgleichen.
„Daily Chronicle" glaubt, daß die engherzige Ge-
sinnung Alexanders III. unter Nikolaus einer brei-
teren Auffassung weichen, vielleicht auch diePolitik
Rußlands gegen Deutschland und
Frankreich sich ändern werde. Uebrigens
sei Alles bloße Spekulation. Alles, was sich sagen
lasse, sei, daß ein junger und fast unbekannter
Mann als Haupt eines großen Reichs den Herr-
schern der Welt hinzugefügt worden sei. Betreffs
der Rede des Kaisers Wilhelm in
Stettin bemerkt „Daily News", daß der Kaiser
mit offenen rührenden Worten dws
allgemeine Gefühl Europas und der
ganzen zivilisirten Welk ausgedrückt
habe.
Petersburg, 3. Nov. Die Thronbesteigungs-
Urkunde des Zaren Nikolaus II. steht im
Einklang mit der allgemeinen Stimmung. Unge-
mein sympathisch berührt, wie „Nowoje Wremja"
betont, der innige Ton, in welchem Nikolaus II.
als Sohn und russischer Bürger spricht, den die
aufrichtigste Liebe und Achtung gegen den entschla-
fenen Vater und Kaiser erfüllt. Weiter wird her-
vorgehoben, daß der Antritt der Regierung unter
den günstigsten Bedingungen stattsinde, da die Lage
Rußlands nach Außen ganz vortrefflich, im Innern
Alles ruhig und die Zeit der Schwankungen vor-
über sei. Rußland stelle jetzt einen gut bearbeiteten
Boden dar, auf dem gute Saat eine reiche Erntr
verspreche. Die Jugend des neuen Zaren hindere
ihn nicht, Gutes zu schaffen, den Frieden zu stützen
und die Wahrheit zu lieben. Im Gegentheil, die
Jugend sei die Zeit edler Gedanken. Das russische
Volk sei nicht mit Glück verwöhnt, dabei ein dank-
bares Volk, und es sei leicht, ihm Glück zu schenken.
Moskau und überhaupt das ganze Innere Ruß-
lands erhielt die amtliche Todesnachricht erst
gestern früh.
Petersburg, 3. Nov. Ebenso wie hier, hat
gestern auch in den Straßen Moskaus eine be-
ängstigend drückende Stille geherrscht. Auch dort
bewegten sich riesige Menschenmassen in den Haupt-
straßen; aber lautlos, wie betäubt von der
Traucrnachricht, zogen sie dahin. In den letzten
Tagen machte sich in Moskau eine starke Er-
bitterung gegen Professor Sacharjin
die selbst großmüthig war, wie die Sonne, und
Maya mit Liebe und Kostbarkeiten überhäuft hatte,
fühlte sich sicher, daß sie Maya's Heim mit ibr
theilen sollte und daß sie in dem fremdem Lande
nie von der Freundin verlassen werden würde, die
sie so treu geliebt hatte. — Sie kannte Maya eben
noch nicht.
Sie setzten ihre Reise die ganze Nacht fort und
machten bei Sonnenaufgang in einem kleinen be-
waldeten Thale, dicht außerhalb der Grenzen des
Königreiches Khalsar Halt. Jetzt waren sie in
Sicherheit. Sie hatten keine Furcht mehr, verfolgt
zu werden, da bis jetzt keine Spur eines Feindes
gesehen worden war und ein nach den in den letzten
Tagen ausgcstandenen Beängstigungen erquickendes
Gefühl der Sicherheit bemächtigte sich ihrer. — Die
Rast an diesem einen Tage that ihnen ungemein
wohl. Bei Sonnenuntergang nahmen sie ihre
Wanderung wieder auf, nachdem der Führer, mit
welchem sie von Hußpeth versorgt worden waren,
am Morgen von Elliot für seine Dienste reichlich
belohnt, allein nach Putpur zurückgekehrt war. Der
Parse Kalloo übernahm jetzt wieder die Führung
der Expedition zum großen Aerger seines Feindes,
des Hindu Puntab.
Wir brauchen bei den Einzelheiten der Wan-
derung während der nächsten Tage nicht zu ver-
weilen. Der kleine Zug rastete während der heißen
Tages- und allzu dunklen Nachtstunden und wan-
derte nur an den kühlen Morgen und Abenden.
Sie bestanden einige Abenteuer, aber keines war
ernster Natur. Maya fand keine Gelegenheit,
Sinda mit ihrer „untergebenen" Stelle bekannt zu
machen, und wahrscheinlich verschob sie es, ihr die
beabsichtigte Lektion zu ertheilen, denn Sinda war
von einer Hoheit und Würde umgeben, welche so-
gar auf Maya Eindruck machte, und sie zwang sich,
sich ehrerbietig zu benehmen. Maya war sehr
freundlich mit Bathurst ihr immer mehr ergeben
wurde. Heimlich bewunderte Bathurst Sinda wohl
mehr als alle Frauen, die er bisher gesehen hatte,
aber eine Heirath mit einem Mädchen von niederer
Herkunft war ihm etwas verhaßtes und er kämpfte
hart, um die mit jeder Stunde in ihm wachsende
Leidenschaft zu ersticken.
Er hatte sein Vorhaben ausgeführt und Maya
eine ganz wunderbare Geschichte von seinem Reich-
thume und Range in seinem Vaterlande erzählt
und hatte ihr gesagt, daß er der Erbe eines großen
Titels, daß er Graf Tregaron gleichgestellt sei und
mehr wäre als Elliot, und diese müßige Erfindung,
welche ihn ungemein belustige, wenn er allein war,
wurde von dem durchtriebenen, aber leichtgläubigen
Mädchen unbedingt geglaubt. Obwohl sie die
dunkle und vornehme Schönheit Armand Elliot's
den plumpen Zügen Bathurst's weit vorzog, war
sie doch weit lieber in Bathurst's Gesellschaft, denn
Elliot war nur sehr artig mit ihr, während Bat-
hurst's Benehmen das eines glühenden Anbeters
war unv das schmeichelte ihr, die eine geborene
Kokette war, ungemein.
Tag für Tag rückte der Zug mehr gegen Süden
vor, die Hitze während des Tages wurde immer
drückender, Bathurst's Entzücken und Triumpf-
gefühl immer stärker. Und endlich, nachdem sie
einen Monat so gewandert waren, waren sie nur
einige Stunden mehr von Gwalpore entfernt, von
welcher Stadt aus sie nach Kalkutta bereits die
Eisenbahn benützen konnten. Sie schlugen ihre
Zelte am Eingänge eines scheinbar undurchdring-
lichen Urwaldes auf. Die Sterne leuchteten hell
und der Vollmond goß sein bleiches Licht herab.
Es war eine herrliche Nacht.
Die Zelte wurden wie gewöhnlich nahe einem
rauschenden Bache aufgestellt. Es war die letzte
Nacht ihres Nomadenlebens und sie waren Alle
von einer gewissen Traurigkeit beschlichen. Am
nächsten Morgen sollten sie mit der großen geräusch-
vollen Welt in nähere Berührung kommen, in
welcher sie von nun an immer leben mußten. Die
beiden jungen Mädchen fühlten eine unwillkürliche
Scheu vor dem unbekannten Leben, das vor ihnen
lag, trotzdem sie sich darnach sehnten, es zu begin-
nen. Sie saßen unter dem hohen Blätterdache
einer Palme an den Ufern des Stromes. Sinda
war ernst und gedankenvoll, mit trübem Ausdruck
in ihren blaugrauen Augen und um ihren blühend
rothen, gefühlvollen Mund, an ihre alte, treue
Hindu-Dienerin gelehnt, welche sie mit verzückten
Augen betrachtete. Die Beiden waren auf der
ganzen Reise nie von einander entfernt.
Falla schien ihre junge Herrin nicht aus den
Augen lassen zu können, aus Furcht, es dürste ihr
ein Leid widerfahren. Maya saß ganz nahe und
hatte den Schooß voll Blumen. Sie zerpflückte die-
selben und streute die bunten Blüthenkronen in's
Wasser. Bathurst schaute ihrem Treiben zu, Elliot
war wie gewöhnlich neben Sinda.
„Die letzte Nacht unseres Lagerlebens," sagte
Maya plötzlich. „Ich bin begierig, was zunächst
kommen wird. Ich fürchte, Walter, Sinda und
Nummer 259. I k. Zahrgaug.
Aeuev
Montag, 5. November 18N4.
General-GAilmger
Expedition: Kauptltraße Mr. 25.
Expedition: ^Hauptstraße Mr. 25.
Abonnementöpreisr
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4V Pfei»r»tg frei in's Haus, durch die Poft bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Jnsertionöprcisr
die lsPaltige Petilzeile oder deren Raum 8 Pf-.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-
für Heidelberg und Umgegend
(Würger-Zeitung).
Geteseirstes Blatt in Strrdt rr, Ahnt HeödeWeVA rrnd Lim-DeSend. GvsMei? Tussis für Inserate.
WU" Telephon-Anschlutz Nr-102. "MW
Fortwährend
werden von allen Postanstalten, Landbriefträgern
unseren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.
Deutsche- Reich.
Berlin, 5. November.
— Das „Armeeverordnungsblatt" bringt eine
KabinetSordre, die für die Armee eine
bierzehntägige, für das Kaiser-Alexander-Garde-
^renadierregiment Nr. 1 und das Ulanenregiment
Kaiser Alexander III. von Rußland (Westpreußi-
Iches) Nr. 1 eine dreiwöchentliche Trauer ange-
vrdnet, sowie bestimmt, daß während der ersten
drei Trauertage kein Spiel zu rühren ist. Die
^abinetsordre fährt dann fort: „Die Armee wird
dadurch bethätigen, daß sie den tiefen Schmerz
bm meinen treuen Freund und den aufrichtigsten
Schirmherrn des europäischen Friedens theilt,
Und des vom verewigten Kaiser allzeit meiner
^rmee bewiesenen Wohlwollens in steter Dank-
barkeit gedenkt." An der Beisetzung haben Ab-
ordnungen der obigen beiden Regimenter, sowie
des 1. Westfälischen Husaren-Regiments No. 8,
. essen Chef der nunmehrige Kaiser Nikolaus II.
m, theil zu nehmen.
,— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine
Verordnung, wonach unter Aufhebung des für
den Zusammentritt des Reichstages durch Ver-
ordnung vom 23. Oktober bestimmten Termins
der Reichstag auf den 5. Dezember einberufen
bnrd.
— Das „Berl. Tageblatt" meldet ausPeters-
durg: Am Freitag erfolgte der Ringwechsel
Mschen dem Zaren und der Prinzessin A li r.—
^Beisetzung der Leiche Kaiser Alexanders III.
bvdet zwischen dem 16. und dem 20. November
Uatt. Wenige Tage nachher wird die Vermählung
Zaren mit der Prinzessin erfolgen. Anläßlich
Thronwechsels wird eine umfassende politische
^uinestie erwartet.
— Wie die „Nordd. Allg. Ztg." mittheilt, ist
Vorlage gegen die Umsturzpropaganda
sb der letzten Staatsministersitzung in den wesent-
dchsten Punkten gutgeheißen worden. Nachdem sie
in einzelnen Punkten überarbeitet ist, wird
Ermächtigung des Kaisers zur Einbringung des
^setzentwurfs als Präsidialvorlage im Bundesrath
^bgeholt werden.
. -— Die von einzelnen Blättern verbreitete Näch-
st, auch der Handelsminister Frhr. ».Berlepsch
^sHe sein Entlassungsgesuch einreichen oder werde
demnächst in den Ruhestand treten, ist unbegründet.
Ebenso gilt in unterrichteten Kreisen für ausge-
schlossen, daß der Landtagsabgeordnete v. Jagow,
der noch vor Jahresfrist Landrath in Osterburg
war und jetzt Oberpräsidialrath in Posen ist, zum
Nachfolger des Herrn v. Köller als Unter-
staatssekretär des Innern in Straßburg in Aussicht
genommen sei. Dagegen gilt es für richtig, daß
der Chef der Reichskanzlei, Wirklicher Geheimer
Rath Göring, der als Nachfolger des Herrn v.
Rottenburg seit Ende 1890 diese wichtige Ver-
trauensstellung bei dem Reichskanzler Grafen Ca-
privi, feinem ehemaligen Schulgenosscn, einge-
nommen hat, und der in den nächsten Tagen sein
65. Lebensjahr vollendet, um seine V era bsch ie d-
ung einkommen wird. Welche unglaublichen
Gerüchte in den letzten Tagen herumschwirrten, be-
weist die Nachricht der „Kreuzztg.", daß Staats-
sekretär v. Puttkamer in Straßburg zum Nach-
folger des Geheimraths Dr. Göring in Aussicht ge-
nommen sei. Wer nur einigermaßen die preußische
Beamtenhierarchie kennt, weiß, wie thöricht diese
Nachricht ist. Staatssekretär v. Puttkamer ist
übrigens aus Straßburg hier eingctr^ffen und vom
Reichskanzler Fürsten Hohenlohe-Schil-
lingsfürst, sowie vom Statthalter Fürsten
Hohenlohe-Langenburg empfangen worden.
Die heute im „Reichsanzeiger" veröffentlichte V e r-
tagung des Zusammentritts des Reichs-
tages vom 15. November zum Mittwoch den 5.
Dezember ist durch den inzwischen eingetrctenen
Reichskanzlerwechsel bedingt, der die Vorarbeiten zu
den dem Reichstag gleich bei seinem Zusammentreten
vorzulegenden Gesetzentwürfen unterbrochen und ver-
zögert hat. Auch muß der Reichskanzler selbst
anfangs nächster Woche zunächst nach Straßburg
zurückreisen, wo ihm noch obliegt, eine Anzahl
wichtiger Dienstgeschäfte zu erledigen und seine
Haushaltung aufzulösen.
— Gegen das von Deutschland erlassene Ver-
bot der Einfuhr amerikanischen Viehes
und frischen Fleisches soll einer Nachricht der „Times"
zufolge die Regierung der Vereinigten Staa-
ten entschieden protestirt haben. Der Staats-
sekretär habe eine Unterredung mit dem deutschen
Botschafter gehabt und es seien dem amerikanischen
Botschafter in Berlin telegraphisch Instruktionen
gegeben worden. Die Angelegenheit habe eine be-
trächtliche Erregung in den westlichen Staaten her-
vorgerufen und die Regierung sei von verschiedenen
Seiten aufgefordert worden, aktiv vorzugehen. Wir
hoffen, die deutsche Regierung wird darauf nur
eine Antwort haben, daß für Maßregeln deutscher
Behörden nur die Interessen der heimischen Land-
wirthschaft, nicht der amerikanischen Viehzüchter
maßgebend sein können.
KefuchL und Gefunden.
z. Roman von Hermine Frankenstein.
' (Fortsetzung.)
- Rach eingenommenem Mahl wurde der Marsch
^gesetzt. KUn Anzeichen einer Verfolgung hatte
, fb während des Tages gezeigt. Der Führer sprach
Ansicht aus, daß sie ihren Feinden entschlüpft
da er eine Richtung genommen hatte, die
von Reisenden vermieden zu werden pflegt.
sie wieder auf ihrem Wege gegen Süden waren
. d es dunkler wurde und die goldgelben Sterne
Himmel zu funkeln begannen und der junge
^°vd zartes Licht ausgoß und Maya und
spurst sich ganz ausschließlich mit einander be-
^ll'gten, ritt Elliot an Sinda's Seite und sie
Zahlte ihm von ihren Abenteuern der vergangenen
von jhrer Flucht smit ihrer Dienerin durch
sH. schmalen dunklen Straßen, wie sie nur mit
und Noth ihren Verfolgern entronnen und
je», ^ri zahlreichen Schrecken, die sich für sie in
>a Stunden zusammendrängten, ehe es ihr ge-
ihre Freunde vor den Stadtthoren zu finden,
sprachen sie von Sinda's seltsamer Geschichte,
sy, .'Krer Kindheit und Jugend, von ihrer Herr-
si über das kleine Königreich Khalsar, von der
deren Nachfolgerin sie gewesen war und
fix guten Missionär, dem besten Freunde, den
isher besessen hatte.
skine erwiderte ihr Vertrauen, indem er ihr
ih,/ ^gme ganze Lebensgeschichte.erzählte und mit
Graf Tregaron plauderte, ihr englische Sit-
Gewohnheiten beschrieb und sie versicherte,
Jugendfreundin von des Grafen Erbin
— Der Zentralausschuß zur Förderung
der Jugend- und Volksspiele in Deutsch-
land hat über die Frage: „Wie sind die öffent-
lichen Feste des deutschen Volkes zeitgemäß zu
reformiren und zu wahren Volksfesten zu ge-
stalten?" ein Preisausschreiben erlassen, dessen
Bedingungen Folgendes zu entnehmen ist: Die
Arbeiten sollen zwei Druckbogen nicht überschreiten.
Sie sind bis zum 15. März 1895 frei einzu-
senden an den Geschäftsführer des Zentral-Aus-
fchusses, Direktor H. Raydt in Hannover, Peter-
silienstraße 2 ä. Die beste Arbeit wird mit
einem Preise von 300 (dreihundert) Mk., die
beiden dann folgenden mit je 100 Mk. prämiirt.
Darmstadt, 3. Nov. Zar Nikolaus II.
telegraphirte auf das Beileidstelegramm des Ober-
bürgermeisters Morneweg: „Ich sende Ihnen
als Vertreter der Stadt Darmstadt meinen tief-
gefühlten Dank für Ihre warme Theilnahme an
dem schweren Schicksalsschlag, der mich und mein
ganzes Land getroffen hat. Wie sehr hatte ich ge-
hofft gehabt, diesen Herbst nach Darmstadt 'zu
kommen! Nikolaus."
Kiel, 3. Nov. Sämtliche Kriegsschiffe haben
auf Halbmast geflaggt und die russische
Kriegsflagge vorgehißt. Von 11—12 Uhr feuerten
die Panzerschiffe ,Brandenburg', ,Baden', ,Bayern',
,Sachsen', ,Württemberg', sowie die Schulschiffe
,Carola' und „Mars", in Zwischenzeiten von drei
Minuten Trauersalute. Auf dem Schlosse weht
die Standarte des Prinzen Heinrich auf Halbstock.
Karlsruhe, 3. Nov. II. KK. HH. der
Großherzog und die Großherzogin sind heute Vor-
mittag halb 10 Uhr aus Schloß Baden hier ein-
getroffen. S. K. H. der Großherzog wohnte um
11 Uhr dem Festakte der Technischen Hochschule
aus Anlaß des Direktoratswechsels an. Der bis-
herige Direktor, Oberforstrath Schuberg, erstattete
den Bericht über die Chronik der Anstalt während
der beiden letzten Jahre und übergab sodann das
Direktorium an den neu ernannten Direktor, Pro-
fessor Dr. Haid. Hieran schloß sich ein Vortrag
des Direktors Dr. Haid über die Bewegung und
Gestalt der Erde.
Ausland.
London, 3. Nov. Die Morgenblätter nehmen
die Kundmachung des Zaren Nikolaus
II. höchst günstig auf. „Standard" sagt: „Der
Zar ist jung, hat ober erfahrene Rathgeber und
nach der Kundmachung zu urtheilen, besitzt er ein
tiefes Bewußtsein seiner Verantwortlichkeit. Er hat
eines der größten Szepter der Welt geerbt. Möge
er es zum Wohle seines Volkes und der Menschheit
führen!" Der „Daily Telegraph" rühmt des
neuen Zaren Liebenswürdigkeit und Offenheit, sowie
seine Abneigung gegen religiösen Fanatismus und
spricht von seiner freundschaftlichen Gesin-
nung gegen den deutschen Kaiser. Zar
Nikolaus übernehme eine Würde, die für die breiten
Schultern seines Vaters zu schwer gewesen sei.
Man mülle mehr hoffen, als man glauben könne,
daß er sie auf den eigenen Schultern werde tragen
können. „Daily News" sagt: Kaiser Nikolaus
habe kaum besser anfangen können; er brauche nur
in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und Alles
werde sich in Rußland und Europa ausgleichen.
„Daily Chronicle" glaubt, daß die engherzige Ge-
sinnung Alexanders III. unter Nikolaus einer brei-
teren Auffassung weichen, vielleicht auch diePolitik
Rußlands gegen Deutschland und
Frankreich sich ändern werde. Uebrigens
sei Alles bloße Spekulation. Alles, was sich sagen
lasse, sei, daß ein junger und fast unbekannter
Mann als Haupt eines großen Reichs den Herr-
schern der Welt hinzugefügt worden sei. Betreffs
der Rede des Kaisers Wilhelm in
Stettin bemerkt „Daily News", daß der Kaiser
mit offenen rührenden Worten dws
allgemeine Gefühl Europas und der
ganzen zivilisirten Welk ausgedrückt
habe.
Petersburg, 3. Nov. Die Thronbesteigungs-
Urkunde des Zaren Nikolaus II. steht im
Einklang mit der allgemeinen Stimmung. Unge-
mein sympathisch berührt, wie „Nowoje Wremja"
betont, der innige Ton, in welchem Nikolaus II.
als Sohn und russischer Bürger spricht, den die
aufrichtigste Liebe und Achtung gegen den entschla-
fenen Vater und Kaiser erfüllt. Weiter wird her-
vorgehoben, daß der Antritt der Regierung unter
den günstigsten Bedingungen stattsinde, da die Lage
Rußlands nach Außen ganz vortrefflich, im Innern
Alles ruhig und die Zeit der Schwankungen vor-
über sei. Rußland stelle jetzt einen gut bearbeiteten
Boden dar, auf dem gute Saat eine reiche Erntr
verspreche. Die Jugend des neuen Zaren hindere
ihn nicht, Gutes zu schaffen, den Frieden zu stützen
und die Wahrheit zu lieben. Im Gegentheil, die
Jugend sei die Zeit edler Gedanken. Das russische
Volk sei nicht mit Glück verwöhnt, dabei ein dank-
bares Volk, und es sei leicht, ihm Glück zu schenken.
Moskau und überhaupt das ganze Innere Ruß-
lands erhielt die amtliche Todesnachricht erst
gestern früh.
Petersburg, 3. Nov. Ebenso wie hier, hat
gestern auch in den Straßen Moskaus eine be-
ängstigend drückende Stille geherrscht. Auch dort
bewegten sich riesige Menschenmassen in den Haupt-
straßen; aber lautlos, wie betäubt von der
Traucrnachricht, zogen sie dahin. In den letzten
Tagen machte sich in Moskau eine starke Er-
bitterung gegen Professor Sacharjin