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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 161 - Nr. 170 (13. Juli - 24. Juli)
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Nummer 164.

H. Jahrgang.


Dienstag. 17. Juli I«S4.


General-GAn^lger

für Heidelberg und Umgegend

Expedition: Hauptstraße Mr. LS.

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mit Zeitigem illustrirtem S-uutagSblatt: monatlich
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Expedition: Hauptstraße Mr. LS.

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für auswärtige Inserate 10 Pfg», bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-
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entgegengenommen.

Die Bevölkerung Europas.
ii.
Die drei großen herrschenden Völkerfamilien
^ben sich folgendermaßen in das Land getheilt:
Die drei südlichen Halbinseln des Erdtheils und die
°rei zunächst anstoßenden Theile des Kontinents oder
ZN ganzen kontinentalen Südwesten Europas, von
°er unteren Donau bis zur Straße von Calais,
südlichsten bis zum westlichsten Punkte des
Europäischen Festlandes und von der Straße von
Gibraltar bis zur Enge von Bosporus nebst den
^stachbarten Inseln nimmt vorzugsweise die grie-
chisch-lateinische Familie ein. Im Herzen Europas
und auf seinen nördlichen Halbinseln und Inseln
uaben fast ausschließlich die Nationen der zerma-
nschen Familie ihre Heimath gefunden. Der flache,
Zeite Osten des Erdtheils ist fast ganz Besttzthum
slawischen Völker geworden. Fast alle von den
vauptstämmen über ihre Grenzen hinaus ver-
sprengten Zweige, besonders aber alle übrigen, nicht
öu den drei Hauptfamilien gehörenden Nationen
lohnen als Fremdlinge, als politisch Abhängige,
Postens als Adoptivkinder jener in dem Gebiet
Er einen oder der anderen. Und zwar finden wir
just alle Nationen mongolischen Stammes, alle
llunischen und tatarischen Völker im slawischen Ost-
europa. Nur die osmanischen Türken haben ihre
Negerische Ansiedelung in der Sphäre der griechisch-
uteinjschen Familie gegründet. Von den kleineren
Alkern des indoeuropäischen Stammes hat sich da-
ngen keins dem höheren Osten zugewendet; sie be-
ehren höchstens die Westgrenzen des slawischen,
^herrschend aber sitzen sie im germanischen oder
^Manischen Europa, wo ihnen jedoch, wie den
"tten, entweder nur beschränkte Küstenlandschaften
Meeresbuchten des Festlandes oder, wie den an
'E äußersten Westenden des Erdtheils gedrängten
Utischen Völkerresten, fast nur meerumflossene,
lässige Halbinseln und Inseln oder abgelegene Ge-
^kgsöden geblieben find. Keins der nicht zu den
/Ei europäischen Hauptfamilien gehörigen Völker ist
Zeigens durch Anzahl, Ausbreitung und politisches
Gewicht zu einer bleibenden Bedeutung gelangt;
"bst djx Magyaren und Türken, die hervorragendsten
Uter ihnen, behaupten heute nur noch eine unter-
geordnete Stellung unter den Völkern Europas. In
TZUg auf die Kopfzahl kommen auf die Germanen
Mill., auf die Romanen 106,7 Mill., auf
Zs Slawen 111,3 Mill- Unter den kleineren

Nationen zählen die Kelten etwa 3,4 Mill., die
Letten, Litauer rc. 3,1 Mill., die Semiten 6 Mill-,
Finnen und Magyaren 13 Mill., Basken, Armenier
und Zigeuner 1,7 Mill., endlich Türken, Tataren
und Mangolen 5 Mill.
Unter seinen 362 Mill. Einwohnern zählt
Europa noch nicht I Mill. Nomaden; alle übrigen
haben feste Wohnsitze und mit diesen Antheil an
dem Kulturleben der Menschheit erhalten. Dabei
sind die nicht angefiedelten Völkerschaften Europas
an die fernsten, unwirthbarsten Enden des Erdtheils
verwiesen, auf die eisigen Felder des lappischen
Gebirges, die beschneiten Höhen des Urals, die er-
starrten Küsten des Eismeeres und die dürren
Steppen am Kaspischen Meer, wenn man diese zu
Europa rechnen will. Der ganze übrige Boden
Europas ist, wenn wir die kleinen, allmählich ver-
schwindenden Wanderhorden der Zigeuner, die sich
hier und da, namentlich in Osteuropa noch umher-
treiben, abrechnen, nur von angesiedelten Völkern
bewohnt. Der Ackerbau, diese erste Bedingung für
das Aufgeben einer unsteten Lebensweise und die
Gründung fester Wohnplätze, bildet die Grundlage
wie der Existenz, so der Kultur fast aller europäi-
schen Nationen; doch ist er für sie längst nicht
mebr die einzige Erwerbsquelle. Auf ibm, als
Basis, haben sich überall, wenngleich in verschie-
denen Graden, die mannigfaltigsten Lebensquellen
geöffnet. Man findet in Europa jetzt keine Nation
mehr, welche sich auf den bloßen Ackerbau be-
schränkte ; der Bergbau beschäftigt in den skandina-
vischen, schottischen, englischen, deutschen, karpa-
thischen, uralischen Gebirgen, in den Alpen und
Pyrenäen, auf der Iberischen und Italischen, in
geringerem Maße auch auf der Griechischen Halb-
insel einen größeren oder kleineren Theil der Be-
völkerung. Handel und Gewerbefleiß sind allgemein
verbreitet. Es gibt kein europäisches Volk, das
nicht wenigstens einigen Antheil daran hätte; im
Allgemeinen aber übertreffen die germanischen Na-
tionen, insbesondere die Briten und Deutschen,
sowie von den Romanen die Franzosen alle anderen,
während die slawischen Völker und die übrigen
Völker des Ostens darin noch am weitesten zurück-
stehen ; doch haben die Russen feit einigen Jahr-
zehnten einen großen Theil des innerastatischen
Handels an sich gezogen, erfolgreich den Briten
Konkurrenz machend. In ähnlicher Weise arbeiten
Europas Völker und zwar wieder vorzugsweise die
germanischen und ein Theil der romanischen
thätig für die Ausbildung der Wissenschaften und
Künste._—_
LentscheS Keich.
Berlin, 17. Juli.
Der Handelsvertrag zwischen dem
Deutschen Reich und Columbien ist

vorgestern in Kraft getreten. Die Auswechselung
der Ratifikationsurkunde zu dem Vertrage hat
am 12. April 1894 in Bogota stattgesunden.
Der Vertrag sollte drei Monate nach diesem
Tage in Kraft treten. Er bleibt bis zum 13.
Juli 1904 in Geltung und von da ab für je
ein weiteres Jahr, wenn nicht zwölf Monate vor
Ablauf dieser Frist die Kündigung seitens eines
der kontrahirenden Staaten erfolgt.
— Die neue Tabak-Enquete wird, wie
„Deutsche Tabak-Ztg." behauptet, von vornherein
schon in Bezug auf die in der und für die
Tabakindustrie thätigen Arbeiter sehr unvoll-
ständig sein, ganz abgesehen von den Lücken, die
dadurch entstehen, daß ein sehr hoher Prozentsatz
der Fabrikanten von seinem Recht der Auskunfts-
verweigerung Gebrauch machen wird. Es fehlen
in den Erhebungen alle Hausarbeiter, deren Zahl
auf rund 25—30 000 zu veranschlagen, ist, und
ungenügend muß die Ermittelung über die in
Nebenbetrieben der Zigarren- und Tabakfabriken
beschäftigten Arbeiter ausfallen. Wollte man
wirklich die Zahl der in den Nebenbetrieben im
Interesse der Tabakindustrie beschäftigten Arbeiter
ermitteln, so müßte man bei den Leitern der
Papier-, Band-, Bundpapier, Holzindustriefabriken
sowie bei den Druckereien anfragen, um zu er-
fahren, wie viele von ihren Arbeitern sie ent-
lassen müssen, wenn ein Stillstand in den Tabak-
fabriken eintritt. Die Zahl der wenigen Personen,
die in den Tabakfabriken selbst mit solcher Neben-
arbeit beschäftigt sind, ist dagegen verschwindend
klein.
— Von den Drucksachen der Silber-
kommission sind ferner erschienen und durch
die Reichsdruckerei in Berlin 8VC., Oranienstraße
90/91 zu beziehen: Nr. 24. Währuugsfrage und
Industrie. Nachtrag zu der unter Nr. 18 der
Drucksachen vorgelegten Denkschrift von Otto
Wülfing in M.-Gladbach (iZs Bogen) sowie die
Protokolle: der 15. Sitzung vom 31. Mai d. I.
(11 Bogen), der 16. Sitzung vom 31. Mai d.
I. (10 Bogen), der 17. Sitzung vom I. Juni
d. I. (7 Bogen), der 18. Sitzung vom 2. Juni
d. I. (12 Bogen), der 19. Sitzung vom 4. Juni
d. I. (I0Vz Bogen) und der 20. Sitzung vom 5.
Juni d. I. (10^2 Bogen).
Ausland.
Paris, 14. Juli. Als die Elsaß-Lothringer
die Gambettastatue bekränzten, rief em Arbeiter,
die Mütze schwenkend aus: Im Namen Gam-
bettas verlange ich Freiheit, wie in Deutschland.
Die Menge umringt drohend den Manifestanten
und rief: Nieder mit dem Preußen, dem Anar-
chisten. Polizisten verhafteten ihn und führten
ihn zum Kommissariat, das die Menge laut

rufend umringte. Der Verhaftete erklärt, fran-
zösischer Elsässer zu sein; er habe nicht gegen die
Manifestation, sondern gegen die neuen Paßge-
setze protestiren gewollt.
London, 16. Juli. Vorgestern erfolgten in
Konstantinopel neue Erdstöße, worauf die Panik
unter den Einwohnern in verstärktem Maße wuchs.
Die Aufregung ist so groß, daß auf das Klirren
der Fensterscheiben alles auf die Straße stürzt. In
den Gärten und Kirchhöfen werden schon Holz-
hütten für längeren Aufenthalt hergerichtet. Der
britische Botschafter stellte die umf ngreichen inneren
Plätze des Botschaftshotels zur Verfügung. Die
reicheren Einwohner flüchten in die oberen Bos-
porusdörfer, die verhältnißmäßig schadlos davon-
kommen.
Petersburg, 16. Juli. Für den russischen
Hof sind vorläufig folgende Bestimmungen ge-
troffen: Am 20. Juli kommt der Zar nach
Peterhof zurück. Die Hochzeit der Großfürstin
Lenia ist auf den I. August festgesetzt. Am
7. oder 8. August begibt sich der Zar nach Kras-
noje-Selo ins Lager, wo aber die sonst üblichen
Manöver nicht stattfinden. Mitte August geht
der Zar zu den großen Manövern nach Smo-
lensk. Nach Beendigung der Smolensker Ma-
növer fährt der Zar mit Familie nach Spala
zur Jagd. Eine Reise nach dem Auslande wird
der Zar in diesem Jahre nicht unternehmen, da
das dänische Königspaar hier erwartet wird. Der
Großfürst-Thronfolger kehrt aus dem Auslande
zur Hochzeit der Großfürstin Lenia zurück, begibt
sich darauf ins Lager Krasnoje-Selo und reist
dann nach Moskau; von Moskau geht der Thron-
folger zu den Manövern nach Smolensk. Ueber
die Reise der Prinzessin Alix von Hessen nach
Rußland wird nach der Rückkehr des Thronfolgers
Entscheidung getroffen.
Belgrad,'16. Juli. König Alexander
bleibt 2 Monate in Nisch. Alt König Milan
äußerte bloß den Wunsch, abzureisen; wann und
wohin ist unbestimmt. Die Spannung zwischen
Milan und Nikolajewitsch ist infolge eines
Pester Zeitungsartikels, der Milan heftig angriff
und als dessen Veranlasser der Ministerpräsident
gilt, wesentlich verschärft.
Aus WcrH unö Jern.
* Mannheim, 16. Juli. Am Samstag
Abend halb 7 Uhr wurde der 53 Jahre alte ver-
wittwete Kellner Ferdinand Müller auf der
Straße vor dem Hause § I. 1 vom Blutsturz
befallen und verschied nach einigen Minuten. —
Heute früh um 7 Uhr wurde im Neckar oberhalb
der Friedrichsbrücke eine männliche Leiche geländet.
Allem Anschein nach ist es diejenige des seit acht
Tagen vermißten Trödler Fabian Körper.

H e f ü H n t.
Roman von H. von Gabain.
(Fortsetzung-.)

, »Den Nachtzug erreichen Sie nicht mehr," fuhr
Graf fort, „so bleibt nichts übrig, als bis
, °rgen früh zu warten. Allerdings verlieren Sie
Z einer Sache, die unbedingt Eile fordert, 24
. mnden, da Sie vor morgen Abend nicht in Nle-
n sein können. Ihr Intendant wird Sie vor-
USfichtlich auf dem Bahnhof erwarten."
»Ja wohl, wenn der Feigling sich nicht in ir-
gend einen Winkel verkriecht," entgegnete Hans
"sich verächtlich. Jedenfalls sage ich Ihnen
einen Tank für den wohlgemeinten Rath, den ich
Zder dieses mal verwerfen muß. Schweigen Sie
die infame Geschichte und gleich nach dem
°uper verzeihen Sie, wenn ich mich still verabschiede,
Z" nach Z. zurückzufahren. Verdammt!" rief er
kurzem Sinnen, „das macht mir einen Strich
Zrch die geschickte Berechnung. Ich hatte mir Vor-
halten, das Herz der Auserwählten im Sturm zu
Hern. Wissen Sie, Kork, das Mädchen macht
toll mit der spröden Ziererei; ich habe mir
den Kopf gesetzt, es zu erobern, es müßte doch
" dem Teufel zugehen, wenns nicht glückte!"
„Sprechen Sie von der Baronesse von Adriano-
„Allerdings, von wem sonst?" fragte Hans
^Eich zurück. „Sie kennen meine frühere Schwär-
hZei für das Mädchen Israels," lachte er leicht
i h „aber seit ich Olga gesehen, ist ihr Bild ver-
faßt." — schweb bem Grafen auf den Lippen,

den jüngeren Freund abzumahnen von einem er-
neuten Versuch, sich das Herz der Baronesse zu ge-
winnen, denn ihm war durch seine Schwester Olgas
innige Zuneigung dem Oberförster, Lmdang be-
kannt geworden. Was half es aber, dem störri-
schen Menschen eine „Laune", — denn nur für
eine solche hielt er das beharrliche Drängen und
Werben — ausreden zu wollen. So entgegnete
er nur, während er die Thür öffnete und mit Hans
Ullrich den Weg nach den Sälen nahm:
„Verschieben Sie nur die Angelegenheit auf
später."
„Es bleibt mir freilich keine andere Wahl. Erst
heißt's reinen Tisch unter der boshaften Bande
machen, dann soll mir der Engel aber nicht mehr
entwischen!"
Das Fest verlief programmmäßig; dem verwöhn-
testen Gaumen wurde durch das glänzende Souper
Genüge gethan. Der blumenreiche Cotillon brachte
den Tanzenden eine Menge reizender Ueberraschungen
und trug viel zu der gehobenen Stimmung aller
Anwesenden bei, und als am Schluß ein ver-
goldeter Korb mit einer Fülle Blumenspenden auf
eine Säule zur Vertheilung gestellt wurde, erhob
sich der Herzog aus einem Fauteuil, in dem er,
den Tanzenden zuschauend, gesessen hatte, nahm eine
volle Rose aus einem Bouquet und schaute einen
flüchtigen Augenblick in die dunkle Gluth der
Blüthe.
„Wem wird die hohe Auszeichnung gelten?"
flüsterte man, und aller Blicke folgten dem hohen
Herrn, als er, seine Schritte durch den Saal
lenkend, vor Baronesse von Adrianowitsch stehen
blieb.

„Nehmen Sie dieses als Erinnerung an einen
Unglücklichen, Olga, und weihen Sie ihm ein freund-
liches Andenken," sagte der Fürst leise, nur ihr
verständlich, indem er ikr die Blumengabe über-
reichte. Olga's Tänzer, Assessor von Kaltenfeld, war
respektvoll zurückgetreten, sodaß selbst ihm die Worte
entgingen, nur der heiße Blick des hohen Gebers
sowie Olga's tiefes Erröthen blieben nicht unbe-
achtet. Diese auffällige Ovation — denn als eine
solche konnte man des Herzogs Auszeichnung halten
— gab viel Stoff zu neidischen, gehässigen Aeuße-
rungen. Frau von Hannipot wiegte ironisch lächelnd
das Haupt, andere, gutmüthig Gesinnte, waren
entzückt von des Fürsten bestickender Leutseligkeit.
„Ich danke ünterthänigst, Hoheit," hatte Olga
verwirrt, ohne den Blick zu heben, erwidert, und
als Sie dann schüchtern die Augen hob, war der
Herzog schon im Nebengemach verschwunden. Die
Rose legte Sie zu den anderen Geschenken . .
„Was ist eigentlich passirt liebe Olga?" fragte
Liza, als beide Mädchen in später Nachtstunde da-
mit beschäftigt waren, ihre Balltoiletten abzulegen.
„Du bist so stumm, wie ein Fisch, nachdenkend
und zerstreut. Dir ist doch heute riesige Ehre
widerfahren!" Mit den Worten suchte sie unter
einem Berg Blumensträuße, bis die geschäftigen
Händen die bewußte Rose hervorzogen. „Ah, wie
schade, total entblättert!"
Olga nickte gleichmüthig. „Aber, mein Gott,
sprich Dich doch aus, das erleichtert jede Qual;
lache, singe und springe, freue Dich, daß der wilde
Graf auf eine Zeit Deinem Gesichtskreise entrückt
ist. Onkel Manfred entschuldigte sein Verschwinden
mit der plötzlichen Erkrankung des Reichsgrafen.

Nein, da werde einer klug aus Dir, Liebe Thränm ?
so liebst Du ihn doch?"
Da löste sich der Bann, der Olga's Seele
schwer bedrückte, sie schlang beide Arme um der
Freundin Nacken und heiße Thränen floffen unauf-
haltsam aus den treuen Augen.
„Frage mich nicht, Liza," stammelte sie noch
einer Weile bittend, „es ist etwas, das ich allein
tragen muß. Sage aber Georg, daß ich ihn liebe,
so heiß und innig, daß ich alle Hindernisse, die
Mama uns etwa entgegensetzen wird, besiegen will,
um ihm allein, ganz allein anzugehören." Liza
begriff nicht recht, was diese noch nie dagewesene
Gemüthsstimmung hervorgerufen haben konnte. Sie
drang jedoch nicht weiter in die Fassungslose und
bald verlöschte das Licht in dem trauten Zimmerchen.
Andern Tags um die zehnte Morgenstunde zog
eine kleine Cavalcade hinaus in den frischen, sonnen-
klaren Wintertag, begleitet von dem Waidmanns-
heil der zurückbleibenden Damen. Der Herzog
hatte gern des Grafen Einladung mit noch acht
Herren Folgen geleistet, um eine Jagd in den aus-
gedehnten Waldungen aufzunehmen. Als Graf
Kork in die Vorhalle trat, um noch einige An-
ordnungen zu treffen und seine Befehle den Harren-
Förstern und Unterbeamten zu erthcilen, eilte Liza,
die schon lange auf der Lauer gestanden batte, auf ihn zu.
„Onkel Manfred," sagte das Mädchen schmol-
lend, während es sich an seinen Arm hing, „ich
hätte Dich doch so gern begleitet."
„Heute nicht, kleine Maus," lachte der Graf
freundlich, über das mißgestimmte Antlitz der Nichte
streichend.
„Aber warum denn nicht?"
 
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