Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

DOI chapter:
Nr. 191 - Nr. 200 (17. August - 28. August)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44556#0197

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nummer L99. H« Zahrgang.


Montag, 27. August 1«S4

»

für Heidelberg und Umgegend

Abonncmcntspreiö r
mit Sseitigcm tllußrirtem Sanntagsblatt: monatlich
40 Pfennig frei in'« Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich L Mark ohne Bestellgeld.
Expedition-. Fbnrrptltratze Ar. 25.

Jnscrtionöprciör
die lspaltige Petitzeile oder deren Raum 8 Pfg.,
für auswärtige Inserate 1V Pfg-, bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-
Expedition: LarrptUraße Ar. 26.


Gelesenstes Blatt in Stadt rr. 2lmt HetdetbeVD rrrrd NrrrGesend. Gvötzter? Erfolg für Inserate.

WU" Telephon-Anschluß Nr. 102. -MU

Wr 34 U
für den Monat September kostet der
rr e tt <r
General - Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
(Bürger-Zeitung)
nebst Zllustr. Sonntagsblatt am Postschalter
abgeholt.
«Vom Briefträger ins Haus gebracht 13 Pfg. mehr.)
In Heidelberg und den nächsten Orten der
Umgebung kostet der „Neue General-Anzeiger für
Heideberg und Umgegend"
monatlich nur 4O Pfg.
frei in s Haus.
Bestellungen werden von unfern Trägern und
Trägerinnen sowie von allen Po st an st alten
fortwährend angenommen.
Die Berliner
Anarchisten-^Verschwörung".
Von dem Bombensunde und der Entdeckung
einer anarchistischen Verschwörung in Berlin, von
denen in den jüngsten Tagen eine der dortigen
Polizei nahestehende Korrespondenz in großer
Breite zu berichten wußte, ist es jetzt plötzlich
mäuschenstill geworden. Die ganze Geschichte
scheint in eine für die Verbreiter der Mordnach-
richten geradezu blamalen Harmlosigkeit aus-
zulausen-
Zuerst sollten bekanntlich gefüllte Bomben
gesunden worden sein; am anderen Tage wurden
daraus eine gefüllte und eine ungefüllte Granate,
während man offiziöserseits gleichzeitig nach aus-
wärts meldete, beide Granaten feien ungefüllt
gewesen. Klang eL schon wenig „anarchistisch",
daß Schäwe die Granaten offen auf seinem
Schranke stehen hatte, von wo sie später durch
seine Wirthin unter das Bett in einen Kasten
gelegt wurden, so kam schließlich eine Erklärung,
die, sosern sie richtig, die ganze grausige Ge-
schichte in Dunst aufgehen läßt. Schäwe soll,
wie viele Arbeiter der Spandauer Gewehrfabrik
dies zu thun Pflegen, Granathülsen mit nach
Hause genommen haben, um sic dort zu Cigarren-
Abschneidern oder ähnlichem Spielzeug umzu-
arbeiten. Bei den Chemikalien, welche bei Schäwe

gefunden wurden, handelt es sich, so wird jetzt
behauptet, um Säuren, wie sie jeder Schlosser
oder Elektrotechniker im Gebrauche hat. Die
wichtigen Papiere aber schrumpfen auf einige
Sammel-Listen zusammen. Diese Angaben mögen
nun zutreffend sein oder nicht, jedenfalls weiß
man einstweilen gar nicht, woran man ist, und
es bleibt nichts anderes übrig, als das Schluß-
ergebniß dieser Untersuchung abzuwarten, das
heißt, wenn nämlich ein wirkliches Ergebniß dabei
herauskommen sollte.
Daß wir Anarchisten haben, ist eine aller
Welt bekannte Thatsache, und daß diese Herren
bedenkliche und durchaus nicht zu empfehlende
Menschenbrüder sind, darüber wird in allen nicht
anarchistischen Kreisen volle Uebereinstimmung
herrschen. Die Frage ist nur, ob unsere Berliner
Anarchisten auch auf dem bestialischen Stand-
punkte ihrer spanischen und französischen Kollegen
stehen, oder ob wir es hier mit einer milderen
Spielart zu thun haben. Bisher konnte man
das letztere annchmen, denn Deutschland blieb
von anarchistischen Verbrechen in den letzten
Jahren verschont, und wenn das Zeug, was diese
Leute in ihren Versammlungen zusammenredeten,
auch so wüst war wie nur möglich, so reichte es
doch nicht an das heran, was in Frankreich in
gleichen Versammlungen geleistet wurde. In
dieser Lage ist es auch begründet, daß bisher in
Deutschland kein Anarchistengesetz erlassen wurde,
und daß man von besonderen Maßnahmen ab-
stehen zu können glaubte. Es ist bekannt, daß
sich da zwei Richtungen, zwei Systeme entgegen-
stehen: das eine, das sogleich vorbeugende Maß-
regeln ergreifen will; das andere, das zu beson-
deren Maßregeln erst dann greifen will, wenn
sich deren unbedingte Nothwcndigkeit herausgestellt
hat. Wenn man sich für eines der beiden Sy-
steme entscheiden soll, so geben wir dem zweiten
den Vorzug.
Daß man die Einführung von Anarchisten-
Gesetzen als eine reaktionäre Maßregel bezeichnen
könnte, würde auf viele Gegner dieses Vorschlages
keinen besonderen Eindruck machen. Frankreich,
Italien, ja selbst die Vereinigten Staaten haben
Anarchisten-Gesetze gemacht und alle drei sind doch
als sehr wenig Reaktionär angesehen. Das würde
Viele, wie gesagt, nicht abschrecken, aber sie haben
dafür einen desto größeren Greuel vor jeder
Gesetzmacherei, an der wir in Deutschland nach-
gerade genug haben. Nur zu oft haben wir,
ohne zwingende Ursache, die Hand an die „Klinke
der Gesetzgebung" gelegt und nicht immer haben
wir damit gute Erfahrungen gemacht. Es ist
vollkommen zutreffend, wenn man gesagt hat,
unser Volk sei gesetzmüde uvd dieser Müdigkeit

sollte man vollste Rechnung tragen. Nebenbei
würde uns ein Anarchistengesetz, das ja, wenn
auch nicht dem Namen, so doch der Sache nach
ein Ausnahmegesetz werden müßte, dadurch auch
nicht sympathischer werden.
Aber das kommt in zweiter Linie. Man soll
sich bemühen, mit den bestehenden Gesetzen aus-
zukommen, man soll sie aus das Schärfste in
Anwendung bringen und erst dann soll man Neue
schaffen, wenn sich in unwiderleglichster und un-
streitbarster Weise herausgestcllt haben wird, daß
wir mit den bestehenden nicht auskommen. Dieser
Beweis ist, was die anarchistische Propaganda in
Deutschland betrifft, bisher nicht geliefert, und
deßhalb halten wir es für durchaus gerechtfertigt,
wenn die Regierung sich dem Drängen derer wider-
setzt, die durchaus ein Anarchistengesetz haben
möchten.
Deutsches Reich.
Berlin, 27. August.
— Nach Mitheilungen des Generalcommandos
des III. Armeecorps ist die Meldung von einer
Kaiserparade über das ganze III. Armeecorps
am Dienstag falsch. Eine solche könne der Manöver
wegen gar nicht stattfinden. Wie heute eine Be-
sichtigung der 9. Jnfanteriebrigade vor dem Corps-
commandeur Prinzen Friedrich von Hohen-
zollern stattfand, so wird am Montag diejenige
der 10. Jnfanteriebrigade stattfinden. Ob der Kaiser
daran tbeilnimmt, ist noch nicht bekannt.
— Vor Kurzem wurde aus Striegau gemeldet,
daß die dortige Polizeiverwaltung einem Tabakfabri-
kanten, der die Beantwortung der für die Ta-
baks-Enquete gestellten Fragen nach dem Um-
fange seiner Produktion abgelehnt hatte, eine Ver-
fügung zukommen ließ, durch die ihn, eine Strafe
von 30 Mk- angedroht wurde, wenn er nicht binnen
24 Stunden die ihm vorgelegten Fragen beant-
worten würde. Wie jetzt bekannt wird, hat die
Polizeiverwaltung, als der Fabrikant auf seiner
Weigerung beharrte, einige Tage später die Strafe
tbatsächlich festgesetzt. Auf die dagegen erhobene
Beschwerde hat der Regierungspräsident zu Breslau,
wie die „Dtsch. Tabak-Ztg." mittheilt, nunmehr
sowohl die Verfügung, welche die Strafandrohung
enthielt, als auch die Straffestsetzung aufgehoben.
Der Regierungspräsident hat damit anerkannt, daß
die Tabaksfabrikanten nicht verpflichtet sind, die
ihnen vorgelegten Fragen über ihre Geschäftsverhält-
nisse zu beantworten. Sie müssen demnach nur
die Fragen beantworten, die sich im Rahmen des
Z 139b der Gewerbeordnung halten. Dieser lautet
soweit er hier in Betracht kommt: „Die Arbeit-
geber sind versuchtet, den genannten Beamten (Ge-
werberäthen u. s. w.) oder der Polizeibehörde

diejenigen statistischen Mittheilungen über die Ver-
hältnisse ihrer Arbeiter zu machen, welche vom
Bundesrathe oder von der Landes-Zentralbehörde
unter Festsetzung der dabei zu beobachtenden Fristen
und Formen vorgeschrieben werden."
Karlsruhe, 25. Aug. In Folge Anmeldung
bei Ihren Majestäten dem König und der Königin
von Württemberg wurden Herr Minister von Brauer
und Gemahlin auf heute zur Königlichen Mittags-
tafel nach Friedrichshafen eingeladen; dieselben be-
gaben sich daher heute Vormittag mit dem Kurs-
schiff dorthin und kehren heute Abend wieder nach
Schloß Mainau zurück. Heute Vormittag ertheilte
S. K. H. der Großherzog wieder mehreren Per-
sonen Privataudienz, darunter auch dem Königlich
Württembergischen Finanzminister Dr. von Riecke,
welcher auch an der Großherzozlichen Mittagstafel
theilnahm. Zu derselben waren auch der Freiherr
Sigmund von Bodman und Gemahlin eingeladen.
S. K. H. der Großherzog wird sich am Montag
den 27. d. Mts. nach Meßkirch begeben, dort
übernachten uno am folgenden Tag der Besichti-
gung des 1. Badischen Leib-Grenadier-Regiments
Nr. 109 anwohnten. Am 29. wird S. K. H.
das Infanterie-Regiment Nr. 25 bei Pfullendorf
besichtigen und dann nach Hüfingen reisen, um am
folgenden Taz die drei Kavallerie-Brigaden zu
sehen, welche bei Löffingen zu Divisionsübungen
konzentrirt sind. Darnach begibt sich S. K. H.
der Großherzog nach Elsaß und Lothringen, wo
derselbe die Truppen des 15. und 16. Armeekorps
bis zum 7. September besichtigen wird. S. K. H.
wird dann nach Donaueschingen reisen, um von
dort aus dem Ererziren der Kavallerie-Division bei
Löffingen anzuwohnen. Am 8. September, Abends,
wird S. K. H. wieder auf Schloß Mainau ein-
treffen, wo derselbe den 9. September zubringen
wird. Am 10. September wird S, K. H. die
Besichtigungsreise fortsetzen, welche bis zum 27.
September dauern wird, und dann wieder nach
Schloß Mainau zurückkehren.
Karlsruhe, 25. Aug. Für dieErw eiterung
der Unfallversicherung auf die Kleinbetriebe
ollen nach der Begründung zum Gesetzentwurf, wie
die „Bad. Corresp." hervorhebt, als Grundlage für
die Verwaltungsorgane in der Regel örtliche Unfall-
verstcherungsgenossenschaften gebildet werden. Die
Organisation würde dann ohne Scheidung der ver-
miedenen Berufszweige ähnlich wie in der Land-
und Forstwirthschaft und bei der Jnvaliditäts- und
Altersversicherung geschehen. Es könnten dann auch
die Schiedsgerichte der Jnvaliditäts- und Altersver-
rcherung benützt werden. Eine Angliederung der
kleinen Betriebe an die großen Berufsgenossenschaften
ließe sich kaum durchführen und würde wohl auch
die Interessen der Kleinbetriebe nicht voll zur Gel-

Me verborgene Kcrnö.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von der Have.
18i (Fortsetzung.)
Durch das Gemach tönten tiefe, schwere Athemzüge,
wie ein Mensch, von furchtbarster Erschöpfung über-
wältigt, sie auszustoßen pflegt.
Sie waren sogar draußen auf dem Korridor für
ein lauschendes Ohr vernehmbar und vielleicht bewog
das die hart an das Treppengeländer ins obere Stock-
werk geschmiegte Gestalt, sich aufzurichten und sich laut-
los an die Thür zu dem Zimmer des jungen Mannes
zu schleichen.
Nach wenigen Sekunden öffnete sich diese eben so
geräuschlos und die Gestalt glitt über die Schwelle und
auf den Schläfer zu, über den sie sich beugte.
Gleich einem Schatten, verließ sie in der nächsten
Minute den Raum wieder, und alles war still, todten-
still.
Neuntes Kapitel.
„Ist das deine Handschrift?"
Mit einem Gepräge, wie ihn nur der größte Reich-
entfalten kann, War die Gattin des Großhandelsherrn
Volkheim zu Grabe bestattet worden. Hunderte von
Wagen folgten dem kostbaren Sarge aus massivem
Silber, dem schon von Kränzen und Palmen völlig
überdeckt, mehrere Wagen folgten mit gleichen Spenden,
den letzten der Lebenden an Gestorbene.
Der Kaufherr folgte nicht dem Sarge seiner Frau.
Ihn hatten auch nur wenige zu Gesicht bekommen. Er
hütete selber das Lager und war einzig bei einer letzten
Trauerceremonie im engsten Kreise erschienen.
Hans Volkheim versah schweigend des Vaters Stelle.
Er that freilich alles mehr automatisch als mit Wissen
und Willen, aber die Aufgabe zu repräsentieren, war
'hm dermaßen ins Blut übergegangen, daß er dazu
keines besonderen Nachdenkens benöthigte. Den Vater

hatte er nur einmal in Gegenwart anderer wiederge-
sehen. Der Arzt hatte absolute Schonung befohlen.
Nun war alles vorbei. Die Todte ruhte in ihrem
kostbaren Sarge in der Familiengruft, und in dem
Hause, in welchem sie so lange die Herrin gewesen war,
schlich das Leid einher, still und bleich, das Leid, das
nicht darnach fragt, ob reich oder arm, wo es ein-
kehren will.
Es war am Morgen nach der Ceremonie.
In dem Zimmer des Hausherrn herrschte tiefe
Stille. In einem Nebengemach, dessen Thür nur an-
gelehnt war, befanden sich die beiden vom Sanitätsrath
Doktor Engel beorderten Wärter. Neben des Vaters
Lager aber saß Jertha, den Blick kaum abwendend von
dem Gesicht des Daliegenden, der sichtlich erschöpft in
leinen Kissen ruhte.
Da öffnete sich leise die nach dem Vorzimmer füh-
rende Thür. Die Schwelle überschritt Frau Baumgart.
Sie näherte sich dem jungen Mädchen.
„Fräulein Volkheim," sprach sie leise, „gestatten
Sie mir, daß ich Sie ablöse. Seit heute Nacht wachen
Sie jetzt hier ber Ihrem Vater. Sie werden selbst noch
krank."
Sie sprach die Wahrheit. Jertha sah erschreckend
bleich aus. In der Nacht hatte die Unruhe sie nicht
schlafen lassen. Sie hatte sich erhoben und war an das
Lager ihres Vaters geeilt, darauf bestehend, bei dem-
selben wachen zu wollen. Sie bedurfte sicher der Ruhe,
aber sie hätte es nimmer zugegeben, würde nicht der
Kranke selbst sich ins Mittel gelegt haben.
Er öffnete die Augen; offenbar hatte er die Worte
der Hausdame vernommen.
„Ja, Jertha, geh," sagte auch er. „Du scheinst
mehr der Pflege zu bedürfen als ich. Geh, — um mich
brauchst du dich nicht zu sorgen. Ich habe die Wärter."
„Und auch ich werde gern hier wachen," setzte Frau
Baumgart hinzu. „Sie sehen, Fräulein Volkheim, Ihr
Herr Vater fiebert nicht einmal mehr. Die Gefahr ist,
gottlob, vorüber."
„Ja, geh, geh!" drängte der Kaufherr in einem
Tone, welcher Jertha sagte, daß Widerspruch ihn nur

könnte, bis ich es zu hören im Stande bin. Er kommt
um zwölf Uhr wieder? Was ist die Uhr jetzt?"
Frau Baumgart wollte eben die Lippen zur Ant-
wort öffnen, als mit Hellem Schlag die Pendule die
Mittagsstunde ansagte.
„Wie viel schlägt es?" fragte der Kaufherr.
„Zwölf Uhr!" erwiederte die Hausdame.
„So wird dieser Wörner gleich kommen. Sagen
Sie ihm, daß ich nicht behelligt sein will, daß er warten
soll, bis ich ins Geschäft komme —" „
Ein leises Pochen an die Thür unterbrach feine
fast heftigen Worte.
„Der Mann ist pünktlich! Sagen Sie es ihm!"
schloß er kurz seinen abgebrochenen Satz.
Die Hausdame ging. Es währte über fünf Mi-
nuten, ehe sie zurückkehrte. Scheinbar scheu näherte sie
sich dem Lager.
„Herr Wörner bittet Sie, dieses zu lesen, Herr
Volkheim. Er müsse Sie sprechen. sagte sie leise.
„Ist der Mensch toll?".rief der Großhandelsherr
fast überlaut. „Her den W'sch!
Seine Hände flogen, währender 'hr das zusammen-
gefaltete Billet förmlich entriß. Im nächsten Moment
hatte er das geschlossene Memorandum geöffnet und
dessen Inhalt gelesen; aber wie verglast ruhten seine
Augen darauf. ,
„Herr Wörner soll kommen, — schnell, — keinen
Augeubiick zögern Lae, nein, nein, ich kann alles
ertragen, - ich bm nutzt mehr schwach! — Hahaha,
— hören Sie nicht, ja schon wieder! Eine
Wechselfälschung! O, wahrhaftig, es ist zum Todt-
lachen!"
Die letzten Worten hörte die Hausdame schon nicht
mehr. Sie war hinausgestürzt und wieder überlas der
Kaufherr die Worte auf dem Papier in seiner Hand.
„Ein Wechsel von zehntausend Mark ward Sonn-
abend in meiner Abwesenheit präsentirt und da derselbe
nicht eingetragen war, ließ der Kassierer sich denBank-
schein geben. Da es häufig vorkommt, daß der Herr
Prinzipat Beträge privatim aufs Gefchäst anweist, so
ward auch dies Accept heute eingelöst Nun aber sind
mir nachher Bedenken gekommen, ob das Accept auch

noch mehr aufregen konnte. Mit zuckenden Lippen er-
hob sie sich.
„Ich will mich nicht aufdrangen, wo ich überflüssig
bin," sprach sie leise. „Versprich mir, daß du mich
rufen lassen willst, wenn du meiner bedarfst, Vater!"
„Ja, gewiß, aber jetzt — geh, geh!"
Die Worte kamen mit einer Ungeduld, mit der
Kranke, die ein Kranksein nicht gewohnt sind, leicht
sprechen, über seine Lippen.
Jertha schritt langfam der Thür zu. Nahe der-
selben wandte sie noch einmal das Gesicht zurück; aber
kein Blick des Vaters folgte ihr, rief sie zurück.
Mit einem Seufzer trat sie aus dem Zimmer
hinaus.
Der Kaufherr hatte die Augen geschloffen, das Ge-
sicht der Wand zugekehrt. Auf dem Sessel, den Jertha
zuvor inue gehabt, hatte die Hausdame Platz genom-
men. Ihr Blick ruhte auf dem Daliegenden, wie über-
legend.
Für Minuten herrschte lautlose Stille in dem
Gemach.
„Herr Volkheim!" hob die Hausdame dann leise an.
„Nun?"
Der Daliegende wandte müde den Kopf und sah
die Sprecherin fragend an.
„Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen sagen soll —"
„Was?"
Sie kämpfte scheinbar einige Minuten mit sich selbst.
„Herr Wörner war hier," sagte sie dann.
Des Kaufherrn Interesse ermattete schnell.
„Was wollte er?" fragte er gleichmüthig.
„In dringender geschäftlicher Angelegenheit mit
Ihnen sprechen -
„Jetzt — in diesen Tagen, — wo ein so großer
Verlust —
„Er sagte, es sei sehr dringend," entschuldigte die Haus-
dame sich gleichsam. „Ich schifte ihn auch natürlich
wieder fort. Er aber bestand darauf, um zwölf Uhr
noch einmal wieder kommen zu wollen."
„Unverschämt! Es kann nichts in der Welt geben,
was so ernst und dringend wäre, daß es nicht warten
 
Annotationen