Nummer 260. H. Jahrgang. H. HO-
Dienstag, 6. November 2894.
General-W Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
GeLefeirstes Blatt in Stadt rr. A*Mt .HeideLLseVO nnd MnrDegend. GVstzteir ErfsLg für» Inserats.
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mit «seitiffem illugrirte« Sountagsitatt: menatli»
48 Pfennig frei in's Haus, durch die Post bczo« «
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Expedition: L^cruptltrLttze Mr. 25.
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die lspaltige Petitzeile oder deren Raum 5 Pf-.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-
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ÄW- ^elephon-AnMutz Nr. <02. '"ZM
Fsittwähveird
»erden von allen Postanstalten, Landbriesträgern
unseren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.
Zar Nikolaus II.
Noch nicht 27 Jahre alt, besteigt Kaiser Ni-
kolai Alexandrowitsch den Thron seiner Väter,
nahezu 10 Jahre jünger, als sein so frühzeitig
dahingeraffter Vater bei der Ermordung des
kaiserlichen Großvaters am 13. März 1881 war.
Anläßlich des Regierungsantritts Kaiser Niko-
laus II., schreibt die „Köln. Ztg.": Schwere
Verantwortlichkeit wird dem neuen Selbstherrscher
aller Reußen auf die Schultern gelegt; die
Flitterwochen, die ihm an der Seite einer jugend-
lichen, lebensfrischen, klugen Gemahlin bevorzu-
stehen schienen, werden von den schwersten Sorgen
Und Pflichten verdrängt. In vieler Hinsicht
gleicht sein Regierungsantritt dem des deutschen
Kaisers. Wie hier Kaiser Friedrich, so ist dort
Kaiser Alexander von einem jähen unerbittlichen
Geschick — fast aus heiterm Himmel — erreicht
Und dahingerafft worden; und wie damals unser
jugendlicher Kaiser, selbst auch erst 29 Jahre alt,
so ist auch jetzt Zar Nikolaus für die große
Menge noch ein unbeschriebenes Blatt, und die
ganze Welt ist gespannt darauf, zu sehen, welche
Schrift sich zeigen wird. Aus der näheren Um-
gebung des bisherigen Thronfolgers lauten die
Nachrichten über seinen Charakter, seine Bildung
Und Streben durchweg erfreulich. Mit Fleiß
Und mit Eifer hat er sich auf seinen schweren
Veruf vorbereitet; er hat den reichen Schatz
kennen gelernt, der seinen Eltern im innigen
Glück einer harmonischen Häuslichkeit, einer auf-
opfernden Liebe zu Theil geworden ist; er hat
«en großen Pflichteifer seines kaiserlichen Vaters,
Erster dessen Augen er bis jetzt gelebt und ge-
kernt hat, sich zum Muster genommen; er hat
ssus einer Reise um die Welt im empfänglichsten
Jünglingsalter seinen Blick erweitern, sein Ur-
Mil vertiefen können; er hat auch, zumal in
oen letzten Monaten, an sich selbst erleben müssen,
^ie sehr sich niedrige Klatschsucht und Verleum-
dung an die Sohlen derer hängen, die zu den
Maßen der Erde gehören. Seine Bildung ist
ffine einseitige gewesen, wenn sie auch keine abge-
Alossene ist; im Heere hat er in eingehender
Ausbildung alle Stufen bis einschließlich zum
Regimentskommandeur bekleidet; in der Verwal-
j^Ug, in den Wissenschaften und Künsten hat er
gründlicher sich zu unterrichten Gelegenheit ge-
habt. Wo er im Auslande allein aufgetreten
ist, hat er den Eindruck eines, vielleicht etwas
verlegenen, bescheidenen jungen Mannes gemacht,
der gern zuhört und vorsichtig in seinem Ur-
theil ist.
Kein wolkenloser Himmel ist es, der ihn bei
seiner Thronbesteigung begrüßt; in der auswär-
tigen wie in der inneren Politik drängen sich
mannigfaltige Fragen zur baldigen Entscheidung
an ihn heran. Der chinesisch-japanische Krieg
und die schwere Erkrankung des Emirs von Af-
ghanistan erheischen unmittelbare Entschlüsse.
Jede Voreiligkeit, jede überstürzte Entscheidung
kann zu den verhängnißvollsten Folgen weit über
die Grenzen Asiens hinaus führen. Glücklicher-
weise bürgt der Mangel an Entschlossenheit und
Wagemuth, der das gegenwärtige englische Kabinet
kennzeichnet, sowie die jetzige politische Verein-
samung Englands einerseits und nicht minder
die bisherige kluge Zurückhaltung der Leitung der
russischen auswärtigen Politik anderseits für ein
weises Maßhalten, das der Erhaltung des euro-
päischen Friedens nur von Nutzen sein kann.
Was Deutschland betrifft, so sieht es der Thron-
besteigung des jungen Zaren mit ruhigem Ver-
trauen entgegen. Deutschland will nichts von
Rußland als ganz allein die Aufrechterhaltung
guter politischer und wirthschaftlicher Beziehungen.
Der Draht, der einst die beiden mächtigen Nach-
barliche mit einander verband, war durch Ver-
dächtigungen und Mißverständnisse schlimmster
Art zu Ende des letzten Jahrzehnts zerschnitten;
der jetzt verstorbene Zar war von tiefem Miß-
trauen erfüllt, und nur nach und nach ist es ge-
lungen, dieses Mißtrauen zu besiegen und den
Draht von Neuem festzuknüpfen. Aus beiden
Seiten liegt aller Grund vor, darüber zu wachen,
daß keine neue Saat des Mißtrauens ausgestreut
werde. Nur bei bestem friedlichen Nebeneinander-
leben ist ein gutes wirthschaftliches Gedeihen
beider Reiche möglich. Unser Kaiser hat in den
sechs Jahren seiner Regierung bewiesen, daß er
in der Sicherstellung des europäischen Friedens
seine schönste Ruhmeskrone erkennt; wir zweifeln
nicht, daß auch der Zar Nikolaus von gleichem
Streben und von gleicher Thatkraft erfüllt sein
wird.
Auch die innere russische Politik enthält der
Sorgen und Aufgaben eine überreiche Fülle;
auch hier werden, wie vor sechs Jahren an Kaiser
Wilhelm, so jetzt an den Zaren Nikolaus sich die
mannigfaltigsten Interessen herandrängen und von
ihm ihre eiligste und bevorzugte Besriedigung er-
heischen. Möge es dem jungen Herrscher gelingen,
hier die feste Mittellinie zu finden und festzu-
halten, die ihn über die Parteien hinaushebt,
die es ihm ermöglicht, sein Land zu reicher Ent-
wickelung emporzuheben und es vor schweren Er-
schütterungen und Kämpfen zu bewahren.
Demsches Reich.
Berlin, 6. November.
— Die gestern Abend im „Reichsanz." ver-
öffentlichte Allerhöchste Verordnung über die Be-
rufung des Reichstages aus den 5. Dezember
ist vom 2. November datirt und lautet: „Wir
Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser,
König von Preußen rc. verordnen auf Grund des
Artikels 12 der Verfassung, im Namen des
Reichs, was folgt : Unter Aushebung des für den
Zusammentritt des Reichstages durch Unsere Ver-
ordnung vom 23. Oktober d. I. (Reichs-Gesetz-
blatt S. 525) bestimmten Termins wird der
Reichstag berufen, am 5. Dezember d. I. in
Berlin sich zu versammeln. Wir beauftragen
den Reichskanzler mit den zu diesem Zweck nöthigen
Vorbereitungen/' Die Gegenzeichnung zu der
kaiserlichen Unterschrift weist den Namen „Fürst
von Hohenlohe auf."
— In der Kapelle der russischen Botschaft
fanden gestern Nachmittag zwei Trauergottes-
dienste statt, denen der Kaiser, die Prinzen
des königlichen Hauses, Prinzen deutscher Fürsten-
häuser, der Reichskanzler Fürst v. Hohenlohe,
Staatssekretär Frhr. v. Marschall, das ge-
sammte diplomatische Corps, die Staatsminister
die Generalität, die Kommandeure der Berliner
Reginienter und das Offizierkorps des Kaiser
Alexander-Garde-Grenadier-Regiments Nr. I mit
vier umflorten Fahnen beiwohnten. Eine Ehren-
kompagnie dieses Regiments war mit Musik vor
der Botschaft ausgestellt. Während des Gottes-
dienstes hielt der Kaiser und die übrigen Theil-
nehmer Fackeln, der Kaiser besuchte daraus die
Gräfin Schuwalow, die Gemahlin des russischen
Botschafters.
— Fürst Hohenlohe nahm gestern zum
ersten Male an der Sitzung des B u n d e sr a t h es
theil und übernahm den Vorsitz. Er begrüßte die
Versammlung mit einer Ansprache.
— Derselbe Erlaß, in welchem, wie gemeldet,
der bisherige Reichskanzler Gras Caprivi dem
Staatssekretär des Reichspostamts seinen Dank für
treue Mitarbeiterschaft ausspricht, ist auch den üb-
rigen Staatssekretären und dem Präsidenten der
Rcichsbank zugegangen.
— Wir meldeten kürzlich, daß Mitte dieses
Monats in Ulm eine Zusammenkunft von Ver-
tretern der deutschen Staatsbahnverwaltung zur Be-
rathung über eine einheitliche Einschränkung d"s
Sonntagsverkehrs im Güterdienst auf
den deutschen Eisenbahnen stattfinden wird. Wie
wir weiter erfahren, will man sich über folgende
Bestimmungen einigen: An Sonn- und Feiertagen
soll mit Ausnahme des Vieh- und Eilgut Trans-
ports — der Güterverkehr auf den Eisenbahnen
insofern eingeschränkt werden, als dies mit den vor-
handenen Betriebseinrichtungen und dem Personal-
bestand erreichbar ist. Selbstverständlich bliebe es
den einzelnen Bahnoerwaltungen überlassen, in be-
sonderen Fällen auch an Sonn- und Feiertagen
Güterzüge abzufertigen. Als solche Feiertage, an
denen die Güterabfertigung ruhen soll, werden all-
gemein der Neujahrstag, der zweite Oster- und
Pfingsttag sowie die beiden Weihnachtsfeiertage be-
zeichnet. Außerdem soll es den einzelnen Regie-
rungen anheimgestellt bleiben, je nach der landes-
üblichen Ordnung für einzelne Festtage noch be-
sondere Anordnung zu treffen. Wie seither, sollen
auch in Zukunft leicht verderbliche Maaren an
Sonn- und Feiertagen befördert werden dürfen.
Ebenso soll es den einzelnen Verwaltungen un-
benommen bleiben, in Zeiten sehr starken Verkehrs
von der eingeführten Beschränkung des Güterver-
kehrs an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise
Abstand zu nehmen. Die Frage einer eventuellen
Verlängerung der Lieferfristen infolge ter Beschrän-
kung des Sonntagsverkehrs soll zunächst offen ge-
lassen werden, bis hierüber hinreichende praktische
Erfahrungen gesammelt sind.
— Wie die „Nordd. Allg. Ztg." hört, ist die
Durchberathung der einzelnen Etats des Reichs-
haushaltvoranschlages sür 1895/96 in
den Bundesrathausschüssen bereits soweit gediehen,
daß die Erledigung des Etats seitens des Bun-
desraths bis zu dem für die Eröffnung der
Reichstagssession in Aussicht genommenen Termin
bestimmt erwartet werden darf.
Ausland.
Vern, 5. Nov. Bei der gestrigen Volksab-
stimmung verwarfen die Eidgenossen mit
329,000 gegen 140,000 Stimmen, 13^2 Kantone
gegen 81/2, den sogenannten Beutezug-An-
trag. Vor dieser gewaltigen Mehrheit wird wobl
der partikularistisch-klerikale Antrag, der die Rein-
einnahmen des Bundes unter die Kantone vertheilt
wissen und so die Bundescinheit der Eidgenossen
schwächen wollte, das Wiederaufstehen vergessen.
Paris, 5. Nov. Senat. Nach Eröffnung
der Sitzung verlas der Präsident folgende Mit-
Iheilung des Ministerpräsidenten: „HeF Präsident!
Die Regierung der Republik hat die traurige Pflicht,
dem Senat amtlich den Tod A l ex a n d ers III.,
Kaisers von Rußland, kundzuthun, der am Donners-
tag, den 1. November, den Folgen des unerbitt-
lichen Leidens, dessen schrecklichen Fortschritt Frank-
reich ängstlich verfolgt hat, erlegen ist. Seit der
> Gesucht unö Gefunden.
"1) Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)
Puntabs Männer kamen ihm nicht zu Hilfe
^dd Elliot trat auf ihn zu mit dem Revolver in
/s Hand, ein Gegenstand des Schreckens für seine
, !üe Seele. Er ließ seine Hand sinken und hielt
iiiNe Last in stummem Gehorsame hin. Elliot
das bewußtlose Mädchen in seine Arme. —
^i, es ist die Fürstin!" schrie Kalloo. „Was
M er mit der Fürstin machen?" — „Was? Es
„ dfi Fürstin?" rief Puntab bestürzt aus. „Ist
nicht des Grafen Tochter, Missy Mayi?" El-
welcher von Sinda's andauernder Regungs-
gMeit geänstigt war, schaute besorgt in ihr lieb-
,Ms Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen; die
MgM dunklen Wimpern lagen auf den zarten,
s/^eri Wangen. Er sah sofort, daß sie in einer
Östlich hervorgebrachten Betäubung lag und daß
h bald zu sich kommen werde. Er trug sie deß-
do« behutsam in das Zelt, legte sie sorgsam auf
y Veit und kehrte vor bas Zelt hinaus zurück,
tz., Vuntab kauerte noch immer vor Bathurst der
, finster drohender Miene bemüht war, ihn zur
^"iärung seines Vorgehens zu zwingen. Aber
Hindu schwieg beharrlich und weigerte sich eine
sy Gärung zu geben. Er wird mir antworten",
Elliot kalt, während seine blauen Augen
IixMen sprübten." „Sie waren bemüht, eine der
h etz jungen Damen zu stehlen, Puntab, nicht
glaubten, Maya genommen zu haben?
tzj^haben Sie für einen Grund dazu? Sprechen
So jung er auch war, lag doch eine ge-
bieterische Hoheit in Elliot's Wesen, eine kühle
Überlegenheit, welche den Hindu zu augenblicklichem
Gehorsam zwang. Er sah, daß er antworten mußte.
Er wagte es nicht die Wahrheit zu sagen, daß er
gedungen gewesen war, Graf Tregaron's Erbin zu
stehlen, um sie nach einem entlegenen Orte zwischen
den Hügeln zu bringen, aus Furcht, damit die
Rache seines Herrn, des Kalkuttaer Kaufmannes,
herauszufor^ern. In seiner Zwangslage nahm er
Zuflucht zu einer Lüge, dem gewöhnlichen Aus-
kunft mittel schwacher und feiger Naturen. .
„Ich gedachte Maya zu stehlen", stammelte er,
„wegen der Belohnung. Ich wollte sie für eine
Zeit lang versteckt halten und dann für ein bedeu-
tendes Lösegeld wieder finden!" Und bei dieser
Geschichte verharrte er standhaft trotz Drohungen und
Fragen. — „Eine kleine Geschäftsspekulation",
höhnte Batburst. „Dank Kalloo's Wachsamkeit
wurde sie im Keime erstickt." — „Sie werden den
Rest der Nacht unter strenger Bewachung zubringen,"
erklärte Elliot strenge. „Und wenn der Morgen
kommt, werden Sie unsere Gesellschaft verlassen.
Wir brauchen Ihre Begleitung nach Kalkutta nicht."
Puntab wurde in das Zelt der jungen Engländer
gebracht und festgebunden. Der Parse hatte die
Genugthuung, während des Restes der Nacht Wache
bei ihm zu halten, und Niemand, der ihn sah,
konnte daran zweifeln, daß diese Beschäftigung ihm
eine außerordentliche Freude bereite. Elliot und
Bathurst hie'ten Schildwache und gingen rings um
die Zelte auf und ab. Die anderen Diener,
welche durch das rasche Vorgehen Elliot's und des
Parsen ihres beabsichtigten Verrathes überwiesen
worden waren, fügten sich mürrisch in das Ge-
schehene und machten keinen Versuch, ihren An-
führer aus seiner Gefangenschaft zu befreien.
Kalloo fühlte sich jetzt gerächt für den Verdruß,
den ihm Puntab im Beginn seiner Reise zugefügt
hatte. Seine Wachsamkeit war belohnt worden,
und er fühlte, daß er etwas gethan, um die glän-
zende Be'ohnung zu verdienen, die ihm versprochen
worden war, für den Fast, daß die Expedition mit
Erfolg durchgeführt würde. Elliot blieb hie und
da auf seinem Wachmarsche vor dem Frauenzelte
stehen, um auf ein Geräusch von dnnnen zu lau-
schen. Er wurde nach einer Weile belohnt, indem
er drinnen verwunderte Ausrufe hörte, und wußte
daß die drei Frauen ihre Besinnung wieder erlangt
hatten. Die warme südliche Nacht mit ihrem mil-
den Glanze, ihrer weichen Luft und ihren Wohl-
gerüchen und ihrer tiefen Stille, die nur hie und
da von dem Schrei eines wilden Thieres aus dem
Dickicht des Waldes her unterbrochen würd', ver-
ging den Wachenden sehr langsam. Der junge
Bathurst legte sich unter einen Baum und schlief
ein, aber Elliot blieb die ganze Nacht auf seinem
Posten, lauschte hie und da vor dem Frauenzelte,
um sich zu vergewissern, daß drinnen Alles in Ord-
nung, und besuchte von Zeit zu Zeit seinen Ge-
fangenen, der, wachsam und mürrisch, den Parsen
mit Blicken glühenden Hasses betrachtete.
Siebzehntes Kapitel.
Puntab's Bericht.
Als der Morgen graute, wurde es in den
Zelten lebendig. Das Frühstück wurde vorbereitet
und die Frauen erschienen, ohne von ihrer nächt-
lichen Betäubung angegriffen zu sein, mit Aus-
nahme Sinda'ch welche etwas bleich und matt aus-
sah. Man erzählte ihnen Puntab's beabsichtigte
Spekulation, das Frühstück wurde eingenommen,
die Zelte zusammengepackt und die Pferde marsch-
bereit gemacht. Elliot näherte sich seinem Ge-
fangenen, der das ihm gereichte Frühstück trotzig
zurückgewiesen hatte, und sagte zu ihm: „Sie wer-
den uns in Kalkutta in demselben Gasthofe wie
früher finden, Puntab. Wenn Sie mich dort auf-
suchen, werde ich Ihnen den bedungenen Lohn aus-
bezahlen. Es thut mir sehr leid, daß Sie ihre
bisher so guten Dienste mit einem Verrathe ab-
schließen wollten " Der Hindu murmelte demüthig
einige Entschuldigungen für seinen beabsichtigten
Verrath. „Die Pferdejungen haben alle gebeten,
mit uns nach Gwalpore gehen zu jdürfen", fuhr
Elliot fort. „Ich habe die Absicht, fix mit ihnen
hier zurückzulassen!" Lassen Sie mich auch mit-
gehen, gnädiger Herr I flehte Puntab demüthig, als
er sah, daß seine Kameraden ihn verlassen hatten
und sein schändlicher Plan unausführbar war. „Ich
werde keine Streiche mehr versuchen!" — „Sie
können uns in einiger Entfernung folgen; mit
uns dürfen Sie nicht gehen" — erklärte unser
Held fest. „Binde ihn los, Kalloo!"
Elliot wandte sich ab, und der kleine Zug setzte
sich in Bewegung. Die Pferdejungen liefen neben
den Pferden der Reiter und der Damen einher,
sich jetzt nicht weiter um Puntab kümmernd, wo
dieser in Bedrängniß war, und er bestieg denn
auch sein Pferd und folgte dem Zuge von ferne
mit von Haß und Bitterkeit erfüllter Seele. Sie
waren diesmal früher aufgebrochen, als gewöhnlich.
Nach den Ereignissen der vergangenen Nacht wollte
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Zar Nikolaus II.
Noch nicht 27 Jahre alt, besteigt Kaiser Ni-
kolai Alexandrowitsch den Thron seiner Väter,
nahezu 10 Jahre jünger, als sein so frühzeitig
dahingeraffter Vater bei der Ermordung des
kaiserlichen Großvaters am 13. März 1881 war.
Anläßlich des Regierungsantritts Kaiser Niko-
laus II., schreibt die „Köln. Ztg.": Schwere
Verantwortlichkeit wird dem neuen Selbstherrscher
aller Reußen auf die Schultern gelegt; die
Flitterwochen, die ihm an der Seite einer jugend-
lichen, lebensfrischen, klugen Gemahlin bevorzu-
stehen schienen, werden von den schwersten Sorgen
Und Pflichten verdrängt. In vieler Hinsicht
gleicht sein Regierungsantritt dem des deutschen
Kaisers. Wie hier Kaiser Friedrich, so ist dort
Kaiser Alexander von einem jähen unerbittlichen
Geschick — fast aus heiterm Himmel — erreicht
Und dahingerafft worden; und wie damals unser
jugendlicher Kaiser, selbst auch erst 29 Jahre alt,
so ist auch jetzt Zar Nikolaus für die große
Menge noch ein unbeschriebenes Blatt, und die
ganze Welt ist gespannt darauf, zu sehen, welche
Schrift sich zeigen wird. Aus der näheren Um-
gebung des bisherigen Thronfolgers lauten die
Nachrichten über seinen Charakter, seine Bildung
Und Streben durchweg erfreulich. Mit Fleiß
Und mit Eifer hat er sich auf seinen schweren
Veruf vorbereitet; er hat den reichen Schatz
kennen gelernt, der seinen Eltern im innigen
Glück einer harmonischen Häuslichkeit, einer auf-
opfernden Liebe zu Theil geworden ist; er hat
«en großen Pflichteifer seines kaiserlichen Vaters,
Erster dessen Augen er bis jetzt gelebt und ge-
kernt hat, sich zum Muster genommen; er hat
ssus einer Reise um die Welt im empfänglichsten
Jünglingsalter seinen Blick erweitern, sein Ur-
Mil vertiefen können; er hat auch, zumal in
oen letzten Monaten, an sich selbst erleben müssen,
^ie sehr sich niedrige Klatschsucht und Verleum-
dung an die Sohlen derer hängen, die zu den
Maßen der Erde gehören. Seine Bildung ist
ffine einseitige gewesen, wenn sie auch keine abge-
Alossene ist; im Heere hat er in eingehender
Ausbildung alle Stufen bis einschließlich zum
Regimentskommandeur bekleidet; in der Verwal-
j^Ug, in den Wissenschaften und Künsten hat er
gründlicher sich zu unterrichten Gelegenheit ge-
habt. Wo er im Auslande allein aufgetreten
ist, hat er den Eindruck eines, vielleicht etwas
verlegenen, bescheidenen jungen Mannes gemacht,
der gern zuhört und vorsichtig in seinem Ur-
theil ist.
Kein wolkenloser Himmel ist es, der ihn bei
seiner Thronbesteigung begrüßt; in der auswär-
tigen wie in der inneren Politik drängen sich
mannigfaltige Fragen zur baldigen Entscheidung
an ihn heran. Der chinesisch-japanische Krieg
und die schwere Erkrankung des Emirs von Af-
ghanistan erheischen unmittelbare Entschlüsse.
Jede Voreiligkeit, jede überstürzte Entscheidung
kann zu den verhängnißvollsten Folgen weit über
die Grenzen Asiens hinaus führen. Glücklicher-
weise bürgt der Mangel an Entschlossenheit und
Wagemuth, der das gegenwärtige englische Kabinet
kennzeichnet, sowie die jetzige politische Verein-
samung Englands einerseits und nicht minder
die bisherige kluge Zurückhaltung der Leitung der
russischen auswärtigen Politik anderseits für ein
weises Maßhalten, das der Erhaltung des euro-
päischen Friedens nur von Nutzen sein kann.
Was Deutschland betrifft, so sieht es der Thron-
besteigung des jungen Zaren mit ruhigem Ver-
trauen entgegen. Deutschland will nichts von
Rußland als ganz allein die Aufrechterhaltung
guter politischer und wirthschaftlicher Beziehungen.
Der Draht, der einst die beiden mächtigen Nach-
barliche mit einander verband, war durch Ver-
dächtigungen und Mißverständnisse schlimmster
Art zu Ende des letzten Jahrzehnts zerschnitten;
der jetzt verstorbene Zar war von tiefem Miß-
trauen erfüllt, und nur nach und nach ist es ge-
lungen, dieses Mißtrauen zu besiegen und den
Draht von Neuem festzuknüpfen. Aus beiden
Seiten liegt aller Grund vor, darüber zu wachen,
daß keine neue Saat des Mißtrauens ausgestreut
werde. Nur bei bestem friedlichen Nebeneinander-
leben ist ein gutes wirthschaftliches Gedeihen
beider Reiche möglich. Unser Kaiser hat in den
sechs Jahren seiner Regierung bewiesen, daß er
in der Sicherstellung des europäischen Friedens
seine schönste Ruhmeskrone erkennt; wir zweifeln
nicht, daß auch der Zar Nikolaus von gleichem
Streben und von gleicher Thatkraft erfüllt sein
wird.
Auch die innere russische Politik enthält der
Sorgen und Aufgaben eine überreiche Fülle;
auch hier werden, wie vor sechs Jahren an Kaiser
Wilhelm, so jetzt an den Zaren Nikolaus sich die
mannigfaltigsten Interessen herandrängen und von
ihm ihre eiligste und bevorzugte Besriedigung er-
heischen. Möge es dem jungen Herrscher gelingen,
hier die feste Mittellinie zu finden und festzu-
halten, die ihn über die Parteien hinaushebt,
die es ihm ermöglicht, sein Land zu reicher Ent-
wickelung emporzuheben und es vor schweren Er-
schütterungen und Kämpfen zu bewahren.
Demsches Reich.
Berlin, 6. November.
— Die gestern Abend im „Reichsanz." ver-
öffentlichte Allerhöchste Verordnung über die Be-
rufung des Reichstages aus den 5. Dezember
ist vom 2. November datirt und lautet: „Wir
Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser,
König von Preußen rc. verordnen auf Grund des
Artikels 12 der Verfassung, im Namen des
Reichs, was folgt : Unter Aushebung des für den
Zusammentritt des Reichstages durch Unsere Ver-
ordnung vom 23. Oktober d. I. (Reichs-Gesetz-
blatt S. 525) bestimmten Termins wird der
Reichstag berufen, am 5. Dezember d. I. in
Berlin sich zu versammeln. Wir beauftragen
den Reichskanzler mit den zu diesem Zweck nöthigen
Vorbereitungen/' Die Gegenzeichnung zu der
kaiserlichen Unterschrift weist den Namen „Fürst
von Hohenlohe auf."
— In der Kapelle der russischen Botschaft
fanden gestern Nachmittag zwei Trauergottes-
dienste statt, denen der Kaiser, die Prinzen
des königlichen Hauses, Prinzen deutscher Fürsten-
häuser, der Reichskanzler Fürst v. Hohenlohe,
Staatssekretär Frhr. v. Marschall, das ge-
sammte diplomatische Corps, die Staatsminister
die Generalität, die Kommandeure der Berliner
Reginienter und das Offizierkorps des Kaiser
Alexander-Garde-Grenadier-Regiments Nr. I mit
vier umflorten Fahnen beiwohnten. Eine Ehren-
kompagnie dieses Regiments war mit Musik vor
der Botschaft ausgestellt. Während des Gottes-
dienstes hielt der Kaiser und die übrigen Theil-
nehmer Fackeln, der Kaiser besuchte daraus die
Gräfin Schuwalow, die Gemahlin des russischen
Botschafters.
— Fürst Hohenlohe nahm gestern zum
ersten Male an der Sitzung des B u n d e sr a t h es
theil und übernahm den Vorsitz. Er begrüßte die
Versammlung mit einer Ansprache.
— Derselbe Erlaß, in welchem, wie gemeldet,
der bisherige Reichskanzler Gras Caprivi dem
Staatssekretär des Reichspostamts seinen Dank für
treue Mitarbeiterschaft ausspricht, ist auch den üb-
rigen Staatssekretären und dem Präsidenten der
Rcichsbank zugegangen.
— Wir meldeten kürzlich, daß Mitte dieses
Monats in Ulm eine Zusammenkunft von Ver-
tretern der deutschen Staatsbahnverwaltung zur Be-
rathung über eine einheitliche Einschränkung d"s
Sonntagsverkehrs im Güterdienst auf
den deutschen Eisenbahnen stattfinden wird. Wie
wir weiter erfahren, will man sich über folgende
Bestimmungen einigen: An Sonn- und Feiertagen
soll mit Ausnahme des Vieh- und Eilgut Trans-
ports — der Güterverkehr auf den Eisenbahnen
insofern eingeschränkt werden, als dies mit den vor-
handenen Betriebseinrichtungen und dem Personal-
bestand erreichbar ist. Selbstverständlich bliebe es
den einzelnen Bahnoerwaltungen überlassen, in be-
sonderen Fällen auch an Sonn- und Feiertagen
Güterzüge abzufertigen. Als solche Feiertage, an
denen die Güterabfertigung ruhen soll, werden all-
gemein der Neujahrstag, der zweite Oster- und
Pfingsttag sowie die beiden Weihnachtsfeiertage be-
zeichnet. Außerdem soll es den einzelnen Regie-
rungen anheimgestellt bleiben, je nach der landes-
üblichen Ordnung für einzelne Festtage noch be-
sondere Anordnung zu treffen. Wie seither, sollen
auch in Zukunft leicht verderbliche Maaren an
Sonn- und Feiertagen befördert werden dürfen.
Ebenso soll es den einzelnen Verwaltungen un-
benommen bleiben, in Zeiten sehr starken Verkehrs
von der eingeführten Beschränkung des Güterver-
kehrs an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise
Abstand zu nehmen. Die Frage einer eventuellen
Verlängerung der Lieferfristen infolge ter Beschrän-
kung des Sonntagsverkehrs soll zunächst offen ge-
lassen werden, bis hierüber hinreichende praktische
Erfahrungen gesammelt sind.
— Wie die „Nordd. Allg. Ztg." hört, ist die
Durchberathung der einzelnen Etats des Reichs-
haushaltvoranschlages sür 1895/96 in
den Bundesrathausschüssen bereits soweit gediehen,
daß die Erledigung des Etats seitens des Bun-
desraths bis zu dem für die Eröffnung der
Reichstagssession in Aussicht genommenen Termin
bestimmt erwartet werden darf.
Ausland.
Vern, 5. Nov. Bei der gestrigen Volksab-
stimmung verwarfen die Eidgenossen mit
329,000 gegen 140,000 Stimmen, 13^2 Kantone
gegen 81/2, den sogenannten Beutezug-An-
trag. Vor dieser gewaltigen Mehrheit wird wobl
der partikularistisch-klerikale Antrag, der die Rein-
einnahmen des Bundes unter die Kantone vertheilt
wissen und so die Bundescinheit der Eidgenossen
schwächen wollte, das Wiederaufstehen vergessen.
Paris, 5. Nov. Senat. Nach Eröffnung
der Sitzung verlas der Präsident folgende Mit-
Iheilung des Ministerpräsidenten: „HeF Präsident!
Die Regierung der Republik hat die traurige Pflicht,
dem Senat amtlich den Tod A l ex a n d ers III.,
Kaisers von Rußland, kundzuthun, der am Donners-
tag, den 1. November, den Folgen des unerbitt-
lichen Leidens, dessen schrecklichen Fortschritt Frank-
reich ängstlich verfolgt hat, erlegen ist. Seit der
> Gesucht unö Gefunden.
"1) Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)
Puntabs Männer kamen ihm nicht zu Hilfe
^dd Elliot trat auf ihn zu mit dem Revolver in
/s Hand, ein Gegenstand des Schreckens für seine
, !üe Seele. Er ließ seine Hand sinken und hielt
iiiNe Last in stummem Gehorsame hin. Elliot
das bewußtlose Mädchen in seine Arme. —
^i, es ist die Fürstin!" schrie Kalloo. „Was
M er mit der Fürstin machen?" — „Was? Es
„ dfi Fürstin?" rief Puntab bestürzt aus. „Ist
nicht des Grafen Tochter, Missy Mayi?" El-
welcher von Sinda's andauernder Regungs-
gMeit geänstigt war, schaute besorgt in ihr lieb-
,Ms Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen; die
MgM dunklen Wimpern lagen auf den zarten,
s/^eri Wangen. Er sah sofort, daß sie in einer
Östlich hervorgebrachten Betäubung lag und daß
h bald zu sich kommen werde. Er trug sie deß-
do« behutsam in das Zelt, legte sie sorgsam auf
y Veit und kehrte vor bas Zelt hinaus zurück,
tz., Vuntab kauerte noch immer vor Bathurst der
, finster drohender Miene bemüht war, ihn zur
^"iärung seines Vorgehens zu zwingen. Aber
Hindu schwieg beharrlich und weigerte sich eine
sy Gärung zu geben. Er wird mir antworten",
Elliot kalt, während seine blauen Augen
IixMen sprübten." „Sie waren bemüht, eine der
h etz jungen Damen zu stehlen, Puntab, nicht
glaubten, Maya genommen zu haben?
tzj^haben Sie für einen Grund dazu? Sprechen
So jung er auch war, lag doch eine ge-
bieterische Hoheit in Elliot's Wesen, eine kühle
Überlegenheit, welche den Hindu zu augenblicklichem
Gehorsam zwang. Er sah, daß er antworten mußte.
Er wagte es nicht die Wahrheit zu sagen, daß er
gedungen gewesen war, Graf Tregaron's Erbin zu
stehlen, um sie nach einem entlegenen Orte zwischen
den Hügeln zu bringen, aus Furcht, damit die
Rache seines Herrn, des Kalkuttaer Kaufmannes,
herauszufor^ern. In seiner Zwangslage nahm er
Zuflucht zu einer Lüge, dem gewöhnlichen Aus-
kunft mittel schwacher und feiger Naturen. .
„Ich gedachte Maya zu stehlen", stammelte er,
„wegen der Belohnung. Ich wollte sie für eine
Zeit lang versteckt halten und dann für ein bedeu-
tendes Lösegeld wieder finden!" Und bei dieser
Geschichte verharrte er standhaft trotz Drohungen und
Fragen. — „Eine kleine Geschäftsspekulation",
höhnte Batburst. „Dank Kalloo's Wachsamkeit
wurde sie im Keime erstickt." — „Sie werden den
Rest der Nacht unter strenger Bewachung zubringen,"
erklärte Elliot strenge. „Und wenn der Morgen
kommt, werden Sie unsere Gesellschaft verlassen.
Wir brauchen Ihre Begleitung nach Kalkutta nicht."
Puntab wurde in das Zelt der jungen Engländer
gebracht und festgebunden. Der Parse hatte die
Genugthuung, während des Restes der Nacht Wache
bei ihm zu halten, und Niemand, der ihn sah,
konnte daran zweifeln, daß diese Beschäftigung ihm
eine außerordentliche Freude bereite. Elliot und
Bathurst hie'ten Schildwache und gingen rings um
die Zelte auf und ab. Die anderen Diener,
welche durch das rasche Vorgehen Elliot's und des
Parsen ihres beabsichtigten Verrathes überwiesen
worden waren, fügten sich mürrisch in das Ge-
schehene und machten keinen Versuch, ihren An-
führer aus seiner Gefangenschaft zu befreien.
Kalloo fühlte sich jetzt gerächt für den Verdruß,
den ihm Puntab im Beginn seiner Reise zugefügt
hatte. Seine Wachsamkeit war belohnt worden,
und er fühlte, daß er etwas gethan, um die glän-
zende Be'ohnung zu verdienen, die ihm versprochen
worden war, für den Fast, daß die Expedition mit
Erfolg durchgeführt würde. Elliot blieb hie und
da auf seinem Wachmarsche vor dem Frauenzelte
stehen, um auf ein Geräusch von dnnnen zu lau-
schen. Er wurde nach einer Weile belohnt, indem
er drinnen verwunderte Ausrufe hörte, und wußte
daß die drei Frauen ihre Besinnung wieder erlangt
hatten. Die warme südliche Nacht mit ihrem mil-
den Glanze, ihrer weichen Luft und ihren Wohl-
gerüchen und ihrer tiefen Stille, die nur hie und
da von dem Schrei eines wilden Thieres aus dem
Dickicht des Waldes her unterbrochen würd', ver-
ging den Wachenden sehr langsam. Der junge
Bathurst legte sich unter einen Baum und schlief
ein, aber Elliot blieb die ganze Nacht auf seinem
Posten, lauschte hie und da vor dem Frauenzelte,
um sich zu vergewissern, daß drinnen Alles in Ord-
nung, und besuchte von Zeit zu Zeit seinen Ge-
fangenen, der, wachsam und mürrisch, den Parsen
mit Blicken glühenden Hasses betrachtete.
Siebzehntes Kapitel.
Puntab's Bericht.
Als der Morgen graute, wurde es in den
Zelten lebendig. Das Frühstück wurde vorbereitet
und die Frauen erschienen, ohne von ihrer nächt-
lichen Betäubung angegriffen zu sein, mit Aus-
nahme Sinda'ch welche etwas bleich und matt aus-
sah. Man erzählte ihnen Puntab's beabsichtigte
Spekulation, das Frühstück wurde eingenommen,
die Zelte zusammengepackt und die Pferde marsch-
bereit gemacht. Elliot näherte sich seinem Ge-
fangenen, der das ihm gereichte Frühstück trotzig
zurückgewiesen hatte, und sagte zu ihm: „Sie wer-
den uns in Kalkutta in demselben Gasthofe wie
früher finden, Puntab. Wenn Sie mich dort auf-
suchen, werde ich Ihnen den bedungenen Lohn aus-
bezahlen. Es thut mir sehr leid, daß Sie ihre
bisher so guten Dienste mit einem Verrathe ab-
schließen wollten " Der Hindu murmelte demüthig
einige Entschuldigungen für seinen beabsichtigten
Verrath. „Die Pferdejungen haben alle gebeten,
mit uns nach Gwalpore gehen zu jdürfen", fuhr
Elliot fort. „Ich habe die Absicht, fix mit ihnen
hier zurückzulassen!" Lassen Sie mich auch mit-
gehen, gnädiger Herr I flehte Puntab demüthig, als
er sah, daß seine Kameraden ihn verlassen hatten
und sein schändlicher Plan unausführbar war. „Ich
werde keine Streiche mehr versuchen!" — „Sie
können uns in einiger Entfernung folgen; mit
uns dürfen Sie nicht gehen" — erklärte unser
Held fest. „Binde ihn los, Kalloo!"
Elliot wandte sich ab, und der kleine Zug setzte
sich in Bewegung. Die Pferdejungen liefen neben
den Pferden der Reiter und der Damen einher,
sich jetzt nicht weiter um Puntab kümmernd, wo
dieser in Bedrängniß war, und er bestieg denn
auch sein Pferd und folgte dem Zuge von ferne
mit von Haß und Bitterkeit erfüllter Seele. Sie
waren diesmal früher aufgebrochen, als gewöhnlich.
Nach den Ereignissen der vergangenen Nacht wollte