Nummer 26». H. Jahrgang.
Neuer
Donnerstag, 15. November 1SS4.
General-G Anzeiger
Jnsertionsprcisr
die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum 8 Pfg.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg«, bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-
für Heidelberg und Umgegend
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»erden von allen Postanstalten, Landbriefträgern
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entgegengenommen.
Madagaskar.
In dieser Woche, vielleicht heute schon, wird
'ich die französische Kammer mit Madagas-
kar, der größten und unermeßliche Reichthümer
bergenden Insel des indischen Ozeans, in einer
Weise zu beschäftigen haben, die sämmtliche euro-
päische Staaten hervorragend interessirt.
Die Beziehungen Frankreichs zu Madagaskar
sind schon uralt. Bereits vor 250 Jahren faßte
es die Einverleibung der Insel ins Auge, welch
letztere 1686 durch Staatsrathserlaß als Eigenthum
der französischen Krone erklärt wurde. Die Fran-
zosen vermochten jedoch nie recht Fuß dort zu
fassen. Anfangs dieses Jahrhunderts bemächtigte
sich England der Insel, 1819 wehte dort wieder
die französische Flagge. Aber der König Ra-
dama I., der die meisten der Hovasstämme sich
unterwürfig gemacht hatte, sah der Landung der
Franzosen mit wachsendem Unwillen zu und be-
reitete ihnen alle möglichen Schwierigkeiten, die
später unter der Königin Ranavalona I. sich
derart mehrten, daß nach langen fruchtlosen Ver-
handlungen endlich im Jahre 1882 der franzö-
sische Contre-Admiral Pierre kurz entschlossen
gegen den wichtigsten Küstenplatz, Tomatave, auf-
brach, ihn beschoß und einnahm. Am 17. De-
zember 1885 kam nach einem schwierigen Guerilla-
krieg ein Vertrag zu Stande, wonach Frankreich
die Oberhoheit über Madagaskar erhielt, d. h.,
es erhielt das alleinige Recht, mit anderen
Mächten an Stelle der einheimischen Regierung
Verträge zu schließen, und wurde mit seinem in
der im Innern gelegenen Hauptstadt Tananarivo
befindlichen Generalresidenten der moralische Macht-
repräsentant der Insel.
Diese Eigenschaft Frankreichs ist in neuerer
Zeit von der Hovas-Regierung, an deren Spitze
schon seit 30 Jahren der Minister Rainilaiari-
vony steht, derart angetastet worden, daß der
französische Spezialgesandte sich veranlaßt gesehen
hat, der Hauptstadt den Rücken zu kehren und
sich nach der Küste, unter den Schutz der fran-
zösischen Kriegsschiffe zu begeben. Alle Bezieh-
ungen zur Hovas-Regierung sind abgebrochen und
die französischen Volksvertreter werden nun zu be-
stimmen haben, ob gegen die Hovas mit Bomben
Und Granaten zu Felde gezogen werden soll.
Ernste französische Politiker rathen zwar von
dem überaus kostspieligen Kriegszuge nach der
großen Insel ab, sie werden aber wahrscheinlich
von der chauvinistischen Kammer überstimmt
werden. Die Republik ist zur Wahrung ihres
Oberhoheitsrechtes, das sich aus dem oben er-
wähnten Vertrage zu Tamatave ergibt, end
schlossen ; es sind bereits Kriegsschiffe und Truppen
unterwegs, diesem Geltung zu verschaffen. Der
Marsch von der Küste ins Innere ist schwierig,
und 1885 unterließen ihn die Franzosen, trotz-
dem sie schon Millionen sür den Feldzug ausge-
geben hatten. Diesmal werden sie ihn wagen
müssen, denn ohne Besetzung von Antananarivo
gibt es keinen Friedensschluß mit dem Reich von
Jmerina, keine Unterwerfung des Hovasreiches
unter Frankreich.
Es ist heute schwer, die Aussichten des künf-
tigen Feldzuges zu erörtern. Die Hovas besitzen
ein Heer von 30 000 (nach anderen Angaben von
45 000—60 000) Mann, sie sind gut einexerzirt
und auch mit Hinterladern versehen. Komman-
danten sind Engländer, Amerikaner und Ita-
liener. Auf ihrer Seite steht die Unwegsamkeit
des Landes, der Mangel an Straßen, an Ver-
pflegung. Die Franzosen hoffen die Schwierig-
keiten zu überwinden und mindestens die Haupt-
stadt erreichen zu können. Die Häfen sind be-
reits von Frankreich blockirt, aber es gibt eine
Menge kleiner Küstenpunkte, in denen noch nie
ein französisches Kriegsschiff ankerte, die aber
jeder Dhau, jedem Segler gesicherten Zufluchtsort
bietet. Auf diesem Wege empfingen die Hovas
bisher ihre Waffen und Munitionsvorräthe, und
sie werden sie auch von dort ferner empfangen.
Die Eroberung einer Insel von der andert-
halbmaligen Größe Deutschlands ist ein
höchst schwieriges Unternehmen, besonders wenn
man weiß, daß mindestens England den Wider-
stand der madagassischen Regierung ermuthigt.
Ob die Königin Ranavalona Manjaka III.
resp. ihr Premierminister und Gemahl bei er-
folgreichem Widerstande nicht auch den Schutz
anderer Mächte findet, dürfte sich erst zeigen.
Zwei Jahrhunderte ringt Frankreich um die größte
Insel des indischen Ozeans; weder in Güte noch
mit Gewalt hat es seine Herrschaft aufzwingen
können. Ob es diesmal gelingt, ist mehr als
zweifelhaft.
Derrtsche« Reich.
Berlin, 15. November.
— Der Kaiser ernannte den Prinzen Fri ed-
rich Leopold an seinem gestrigen Geburtstage
zum Generalmajor. (Prinz Friedrich Leopold
bisher Oberst und Commandeur des Regiments der
Gardes du Corps und ä la suito des 1. Garde-
regiments zu Fuß, hat heute sein 29. Lebensjahr
vollendet. Er ist bekanntlich verbeirathet mit einer
jüngeren Schwester der Kaiserin.)
— Der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge ist für
die Vorlage betreffend die U m stu rz b e str e b u ra-
gen die kaiserliche Genehmigung zur Einbrin-
gung beim Bundesrath ertheilt.
— Der Kaiser genehmigte die erbetene Ent-
hebung des Herrn v. Schelling vom Amte des
Justizministers, unter Verleihung der Brillanten
zum Großkreuz des Rothen Adlerordens, und er-
nannte den Oberlandesgerichtsprästdenten Schön-
stedt in Celle zum Justizminister. Die Gerüchte
über weitere Ministerveränderungen sind sämmtlich
unbegründet.
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine Ver-
ordnung betreffend dieUebertragung der lan-
desherrlich en B e fug n is s e auf den kaiscr-
lichenStatthalter in Elsa ß-Lo thring en.
— Trotzdem im Reiche für das Etatsjahr
1894/95 eine außerordentliche einmalige Ein-
nahme von 14 Millionen Mark aus den Ueber-
schüssen von 1893/94 zur Verfügung steht, darf,
wie die finanzielle Lage zur Zeit erkennen läßt,
auch für 1895/96 nicht entfernt darauf gerechnet
werden, daß die zur Balancu ung des ordentlichen
Etats auszuschreibenden Matrikularumla-
gen in den Ueberweisungen volle Deckung finden.
Für Preußen wird man sich vielmehr, auch
wenn nicht etwa noch ein Nachtragsetat, wie öfter
in den letzten Jahren, eine unerwünschte Ueber-
rafchung bringt, darauf gefaßt zu machen haben,
daß an Matrikularumlagen 10 Millionen
Mark mehr an das Reich zu zahlen sind, als
der Staatskasse Ueberweisungen vom Reiche
zufließen, und zwar, obwohl in dem nächstjährigen
Reichshaushaltsetat die Mehreinnahmen aus der
Erhöhung der Börsensteuer und des Lotteriestem-
pels bereits im vollen Umfange figuriren und
obwohl bei der Bemessung der Ausgaben die
größte Sparsamkeit obgewaltet hat.
— Jnbezug auf den Gesetzentwurf, be-
treffend die Umgestaltung des Börsen-
wesens, der bekanntlich dem Bundesrath binnen
Kurzem zugehen wird, haben sich, wie aus an-
scheinend gut unterrichteten Kreisen verlautet, die
Vertreter des Reichs und der Bundesstaaten
namentlich über zwei wichtige Punkte vollständig
geeinigt: über die Einführung einer strengeren
staatlichen Oberaussicht der Börse und über die
Einführung der Börsenregister, letztere nicht allein,
wie die Börsen-Enquete-Kommission vorgeschlagen
hatte, sür die Produktenbörsen, sondern auch für
die Fondsbörsen.
— Das Jahr 1893 war das erste Volljahr,
in welchem die Bestimmungen der letzten Ge-
werbeordnungsnovelle über die Bewilligung
von Ueberarbeit erwachsener Arbei-
terinnen in Kraft waren. Es ist deßhalb von
Interesse, zu erfahren, in welchen: Umfange von
denselben Gebrauch gemacht ist. Die Zahl der
Betriebe, in welchen im genannten Jahre Ueber-
arbeit gestattet war, belief sich auf 1884. Die
Zahl der Bewilligungen durch die höhere Ver-
waltungsbehörde betrug 481, die durch die untere
2958. An Wochentagen außer Sonnabend wurde
bis I Stunde Ueberarbeit bewilligt in 732 Fäl-
len, 1 bis 14/e Stunden in 392 Fällen und 14/2
bis 2 Stunden in 2315 Fällen. Die Zahl der
Arbeiterinnen, für welche Ueberarbeit gestattet
war, bezifferte sich auf 133 826, die der Be-
triebstage auf 39 577 und die Summe der be-
willigten Ueberstunden auf 3 511 651. Nur in
112 Fällen wurden Anträge auf Bewilligung
von Ueberarbeit zurückgewiesen. Die Zahl der
Arbeiterinnen, für welche am Sonnabend Ueber-
stunden bewilligt waren, betrug 7898.
— Es bestätigt sich, daß bei den russischen
Zoll kammern die bisher geltenden Abfer-
tigungs-Vorschriften durch neue, mildere,
ersetzt werden sollen. Die neuen Vorschriften heben
in erster Linie für die Importeure die Verpflichtung
auf, die auf ihre Rechnung eingehenden Maaren
durch Speditlvnshäuser zu verzollen. Bisber waren
die Kaufleute nicht berechtigt, die Zollzahlungen bei
den Kammern ohne Vermittelung der Spediteure
zu leisten. Ferner soll der Deklarationszwang be-
seitigt werden, wodurch viele Weiterungen und Straf-
zahlungen fortan vermieden werden dürften, Auch
die Stempelpflicht für Zollausweispapiere soll künftig
in Wegfall kommen, was namentlich für solche
Maaren, die einem niedrigen Zoll unterliegen, von
Bedeutung ist, da bei diesen der Stem'pelbetrag
oft die Höhe des Zolles übersteigt. Endlich soll
auch die Durchsicht des Gepäcks der Reisenden ver-
einfacht und damit eine Quelle großer Zollplackereien
und finanzieller Verluste für die Reisenden zum
Theil wenigstens beseitigt werden.
Karlsruhe, 14. Nov. Ihre Majestäten der
König und die Königin von Sachsen haben sich
heute bei sehr schönem warmen Wetter viel im
Freien bewegt. Die Königin besuchte mit Ihrer
Königlichen Hoheit der Großherzogin mehrere An-
stalten. Nachmittags wurde gemeinsam eine größere
Ausfahrt unternommen. Zum Abend und zur
Großh. Tafel sind eingeladen der/Oberstallmeister
von Holzing mit seiner Gemahlin, der Obersthof-
meisterin, und der Minister von Brauer mit Ge-
mahlin. Morgen Vormittag erwarten die höch-
sten Herrschaften den Besuch Ihrer Durchlauchten
des Reichskanzlers Fürsten zu Hohenlohe mit
Gemahlin, der Prinzessin Tochter und dem Sohne
Prinzen Alexander.
Gesucht unö Gefunden.
39) Roman von Hermine Frankenstein,
(Fortsetzung.)
Elliot lief zur Wagenthüre und schaute hinein.
Er sah nichts von den beiden jungen Mädchen.
Er rief sie, bekam aber keine Antwort. „Die
iungen Damen sind nicht hier!" rief er entsetzt
aus. „Was soll das heißen? Wo sind sie?"
Als er sich befragt sah, erzählte der Bediente eine
Nar^klägliche Geschichte. Er sagte, daß die Pferde
von dem Zufallen der Wagenthüre erschreckt, durch-
langen wären, daß der Wagen mit furchtbarer
Heftigkeit hin- und hergeschleudcrt worden war, daß
ser Fremde seinen Platz auf dem Bocke behauptet
^süte, und daß es ihm schließlich ge'ungen war,
°ie Zügel zu ^erfassen und die Pferde in ihrem
Wahnsinnigen Laufe aufzuhalten und daß die jungen
^auwir unverletzt geblieben waren. „Aber wo sind
üe?" fragte Elliot in namenloser Angst. — „Sie
^aren so erschrocken, Herr" fuhr der Diener fort,
r^aß sie darauf bestanden, aus dem Wagen zu
!"'gen, sobald der Fremde die Pferde zu Stehen ge-
macht hatte. Sie wollten nicht weiter fahren; sie
'"rchteten sich vor den Pferden, besonders die Klei-
^ke", jn der er Maya meinte. „Die Deichsel-
ule ist gebrochen, sehen Sie, Herr, und der
Strang ist ausgerissen. —" Er beeilte sich, eine
^Wagcnlampen herabzunehmen und anzuzünden,
"llber die jungen Damen?" fragte Elliot wieder.
»O, die sind in Sicherheit, Herr" — sagte der
""^diente, mit der Laterne den Wagen beleuchtend.
Liehen Sie, was da geschehen ist? Es ist ein
luck daß wir nicht Alle tvdt sind!"
Bathurst untersuchte die Deichselstange und den
Strang. Die Stange war gebrochen und der
Strang abgerissen; Beides war mit einem dicken
Strick zusammengebunden. — „Ich habe es vor-
läufig so ausgebeffert" — erklärte der Diener.
„Jetzt wird es halten, bis wir in die Villa kom-
men!" — „Das war ein arges Malheur", unter-
brach ihn Bathurst, verwundert, daß kein größeres
Unheil daraus entstanden war. „Und jetzt sagen
Sie mir, wo sind die jungen Damen?" — „Sie
sind ausgestiegen, Herr, und weigerten sich, nur
einen Schritt weiter zu fahren", klagte der Bediente.
„Sie sagten, daß sie zu Fuße gehen wollten. Da
das Hotel näher war, als das Haus des gnädigen
Herrn, beschlossen sie, in das Hotel zu gehen." —
„Und sind sie zu dieser Stunde allein weiter ge-
gangen?" fragte Bathurst. — „Nein, Herr, der
Fremde hat es unternommen, sie zu führen!" —
„Der Fremde! Wissen Sie, wer er ist?" —
„Nein, mein Herr. Ich habe ihn noch nie zuvor
gesehen.
„Warum haben Sie sie nicht selbst geführt,
wenn sie darauf bestanden, zu Fuß nach dem Gast-
hofe zurückzukehren?" fragte Elliot scharf. —„Und
hätte ich Pferde und Wagen einem fremden Men-
schen überlassen sollen, den ich nie zuvor gesehen
batte?" rief der Bediente aus. „Die jungen
Damen konnten sich allein beschützen, aber die
Pferde nicht. Ich mußte vor Allem die Pflicht
gegen meinen Herrn erfüllen und durfte sein Besitz-
thum nicht verlassen. Der Mann wird die beiden
jungen Damen ganz gut behüten. Ich hörte Eine
von ihnen sagen, daß sie eine vornehme englische
Dame, die Tochter eines englischen Grafen und
ungeheuer reich sei. Sie sagte, daß er gut Acht
geben müsse auf sie und daß sie ihn reichlich be-
lohnen wollte." — „Unkluge Maya!" rief Bat-
hurst aus. „In ihrer Unwissenheit führt sie den
kühnen Mann faktisch in die Versuchung, sie zu
berauben."
Elliot bewahrte trotz aller inneren Angst und
Sorge seine äußere Ruhe, sprang in den Wagen
und rief Bathurst zu, ihm zu folgen. — „Fahren
Sie zum Gasthofe," befahl er. „Und verfolgen
Sie dieselbe Richtung, die die jungen Damen ein-
geschlagen haben. Lassen Sie die Lampe brennen.
Vorwärts!" — Bathurst sprang hinein und schlug
die Thüre zu. Der Kutscher stieg zu dem Bedien-
ten auf den Bock und der Wagen kehrte um und
fuhr der Stadt zu. — Die Pferde gingen lang-
sam weiter; die beiden jungen Leute spähten for-
schend auf beiden Seiten der Straße hinaus, aber
sie sahen weder die jungen Damen, noch ihren
Führer. — Sie langten in dem Gasthofe an und
befragten den Portier. Die jungen Damen waren
nicht zurückgekehrt. Um sich über jeden Zweifel
hinaus zu versichern, gingen sie auf das Zimmer
der beiden Mädchen hinauf. Die alte Hindudienerin
Sinda's beantwortete ihre Fragen und erklärte, daß
sie ihre junge Herrin seit dem Nachmittag nicht
wieder gesehen hatte. — Falla's Entsetzen und Be-
stürzung über Sinda's Verschwinden war schrecklich
anzusehen. Die beiden jungen Männer überließen
sie ihrem Wehklanzen und ihrem Schmerze und
eilten die Stiege hinab, um wieder weiter zu suchen.
Sie stiegen in den Wagen und fuhren gegen
die Esplanade zu. Entmuthigt und enttäuscht
kehrten sie nach einer Weile in das Hotel zurück,
um daselbst zu erfahren, daß die beiden jungen
Mädchen noch immer nicht nach Hause gekommen
wären. Jetzt bemächtigte sich der jungen Leute eine
gewaltige Angst. Maya's Unvorsichtigkeit, vor dem
vermeinten Fremden mit ihrem Rang und immen-
sem Reichthum geprahlt zu haben, erfüllte sie mit
bösen Ahnungen. „Vielleicht ist Alles in Ordnung",
sagte Walter Bathurst, bemüht, sich seine eigene
Ueberzeugung auszurcden. „Die Mädchen mußten
natürlich müde sein. Sie sind umgemein verweich-
licht erzogen. Sie konnten den weiten Weg nicht
ausgehalten haben und sind wahrscheinlich in ein
Haus gegangen, um auszuruhen —" — „Zu dieser
Stunde?" — „Es sieht nicht wahrscheinlich aus,
das ist richtig", sagte der junge Bathurst. „Aber
Sie können überzeugt sein, daß Ihnen nichts
Böses wiederfahren ist. Warum sollte denn ein
einfacher Wandersmann zwei jungen Damen, die
er nicht kannte, etwas zu Leide thun?" — „Der
einfache Wandersmann ist höchst wahrscheinlich ein
Dieb", sagte Elliot bedenklich. „Es steckt dahinter
irgend ein Unrecht, ein schreckliches Unrecht, Bat-
hurst. Ich werde sofort auf das nächstgclegene
Polizeikommissariat gehen und mehrere Leute aus-
schicken, um nach allen Richtungen suchen zu las-
sen." — „Sir halten also die Sache für so be-
denklich? So kommen Sie!"
Sie stiegen wieder in den Wagen und fuhren
zu einem Polizeikommissariat. Elliot theilte den
Fall mit und versprach eine bedeutende Belohnung
für die Auffindung der beiden Mädchen. Dann
fuhr Elliot wieder nach dem Gasthofe zurück; aber
weder Sinda, noch Maya waren zum Vorschein ge-
kommen. „Nochmals zurück nach der Esplanade!"
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Madagaskar.
In dieser Woche, vielleicht heute schon, wird
'ich die französische Kammer mit Madagas-
kar, der größten und unermeßliche Reichthümer
bergenden Insel des indischen Ozeans, in einer
Weise zu beschäftigen haben, die sämmtliche euro-
päische Staaten hervorragend interessirt.
Die Beziehungen Frankreichs zu Madagaskar
sind schon uralt. Bereits vor 250 Jahren faßte
es die Einverleibung der Insel ins Auge, welch
letztere 1686 durch Staatsrathserlaß als Eigenthum
der französischen Krone erklärt wurde. Die Fran-
zosen vermochten jedoch nie recht Fuß dort zu
fassen. Anfangs dieses Jahrhunderts bemächtigte
sich England der Insel, 1819 wehte dort wieder
die französische Flagge. Aber der König Ra-
dama I., der die meisten der Hovasstämme sich
unterwürfig gemacht hatte, sah der Landung der
Franzosen mit wachsendem Unwillen zu und be-
reitete ihnen alle möglichen Schwierigkeiten, die
später unter der Königin Ranavalona I. sich
derart mehrten, daß nach langen fruchtlosen Ver-
handlungen endlich im Jahre 1882 der franzö-
sische Contre-Admiral Pierre kurz entschlossen
gegen den wichtigsten Küstenplatz, Tomatave, auf-
brach, ihn beschoß und einnahm. Am 17. De-
zember 1885 kam nach einem schwierigen Guerilla-
krieg ein Vertrag zu Stande, wonach Frankreich
die Oberhoheit über Madagaskar erhielt, d. h.,
es erhielt das alleinige Recht, mit anderen
Mächten an Stelle der einheimischen Regierung
Verträge zu schließen, und wurde mit seinem in
der im Innern gelegenen Hauptstadt Tananarivo
befindlichen Generalresidenten der moralische Macht-
repräsentant der Insel.
Diese Eigenschaft Frankreichs ist in neuerer
Zeit von der Hovas-Regierung, an deren Spitze
schon seit 30 Jahren der Minister Rainilaiari-
vony steht, derart angetastet worden, daß der
französische Spezialgesandte sich veranlaßt gesehen
hat, der Hauptstadt den Rücken zu kehren und
sich nach der Küste, unter den Schutz der fran-
zösischen Kriegsschiffe zu begeben. Alle Bezieh-
ungen zur Hovas-Regierung sind abgebrochen und
die französischen Volksvertreter werden nun zu be-
stimmen haben, ob gegen die Hovas mit Bomben
Und Granaten zu Felde gezogen werden soll.
Ernste französische Politiker rathen zwar von
dem überaus kostspieligen Kriegszuge nach der
großen Insel ab, sie werden aber wahrscheinlich
von der chauvinistischen Kammer überstimmt
werden. Die Republik ist zur Wahrung ihres
Oberhoheitsrechtes, das sich aus dem oben er-
wähnten Vertrage zu Tamatave ergibt, end
schlossen ; es sind bereits Kriegsschiffe und Truppen
unterwegs, diesem Geltung zu verschaffen. Der
Marsch von der Küste ins Innere ist schwierig,
und 1885 unterließen ihn die Franzosen, trotz-
dem sie schon Millionen sür den Feldzug ausge-
geben hatten. Diesmal werden sie ihn wagen
müssen, denn ohne Besetzung von Antananarivo
gibt es keinen Friedensschluß mit dem Reich von
Jmerina, keine Unterwerfung des Hovasreiches
unter Frankreich.
Es ist heute schwer, die Aussichten des künf-
tigen Feldzuges zu erörtern. Die Hovas besitzen
ein Heer von 30 000 (nach anderen Angaben von
45 000—60 000) Mann, sie sind gut einexerzirt
und auch mit Hinterladern versehen. Komman-
danten sind Engländer, Amerikaner und Ita-
liener. Auf ihrer Seite steht die Unwegsamkeit
des Landes, der Mangel an Straßen, an Ver-
pflegung. Die Franzosen hoffen die Schwierig-
keiten zu überwinden und mindestens die Haupt-
stadt erreichen zu können. Die Häfen sind be-
reits von Frankreich blockirt, aber es gibt eine
Menge kleiner Küstenpunkte, in denen noch nie
ein französisches Kriegsschiff ankerte, die aber
jeder Dhau, jedem Segler gesicherten Zufluchtsort
bietet. Auf diesem Wege empfingen die Hovas
bisher ihre Waffen und Munitionsvorräthe, und
sie werden sie auch von dort ferner empfangen.
Die Eroberung einer Insel von der andert-
halbmaligen Größe Deutschlands ist ein
höchst schwieriges Unternehmen, besonders wenn
man weiß, daß mindestens England den Wider-
stand der madagassischen Regierung ermuthigt.
Ob die Königin Ranavalona Manjaka III.
resp. ihr Premierminister und Gemahl bei er-
folgreichem Widerstande nicht auch den Schutz
anderer Mächte findet, dürfte sich erst zeigen.
Zwei Jahrhunderte ringt Frankreich um die größte
Insel des indischen Ozeans; weder in Güte noch
mit Gewalt hat es seine Herrschaft aufzwingen
können. Ob es diesmal gelingt, ist mehr als
zweifelhaft.
Derrtsche« Reich.
Berlin, 15. November.
— Der Kaiser ernannte den Prinzen Fri ed-
rich Leopold an seinem gestrigen Geburtstage
zum Generalmajor. (Prinz Friedrich Leopold
bisher Oberst und Commandeur des Regiments der
Gardes du Corps und ä la suito des 1. Garde-
regiments zu Fuß, hat heute sein 29. Lebensjahr
vollendet. Er ist bekanntlich verbeirathet mit einer
jüngeren Schwester der Kaiserin.)
— Der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge ist für
die Vorlage betreffend die U m stu rz b e str e b u ra-
gen die kaiserliche Genehmigung zur Einbrin-
gung beim Bundesrath ertheilt.
— Der Kaiser genehmigte die erbetene Ent-
hebung des Herrn v. Schelling vom Amte des
Justizministers, unter Verleihung der Brillanten
zum Großkreuz des Rothen Adlerordens, und er-
nannte den Oberlandesgerichtsprästdenten Schön-
stedt in Celle zum Justizminister. Die Gerüchte
über weitere Ministerveränderungen sind sämmtlich
unbegründet.
— Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine Ver-
ordnung betreffend dieUebertragung der lan-
desherrlich en B e fug n is s e auf den kaiscr-
lichenStatthalter in Elsa ß-Lo thring en.
— Trotzdem im Reiche für das Etatsjahr
1894/95 eine außerordentliche einmalige Ein-
nahme von 14 Millionen Mark aus den Ueber-
schüssen von 1893/94 zur Verfügung steht, darf,
wie die finanzielle Lage zur Zeit erkennen läßt,
auch für 1895/96 nicht entfernt darauf gerechnet
werden, daß die zur Balancu ung des ordentlichen
Etats auszuschreibenden Matrikularumla-
gen in den Ueberweisungen volle Deckung finden.
Für Preußen wird man sich vielmehr, auch
wenn nicht etwa noch ein Nachtragsetat, wie öfter
in den letzten Jahren, eine unerwünschte Ueber-
rafchung bringt, darauf gefaßt zu machen haben,
daß an Matrikularumlagen 10 Millionen
Mark mehr an das Reich zu zahlen sind, als
der Staatskasse Ueberweisungen vom Reiche
zufließen, und zwar, obwohl in dem nächstjährigen
Reichshaushaltsetat die Mehreinnahmen aus der
Erhöhung der Börsensteuer und des Lotteriestem-
pels bereits im vollen Umfange figuriren und
obwohl bei der Bemessung der Ausgaben die
größte Sparsamkeit obgewaltet hat.
— Jnbezug auf den Gesetzentwurf, be-
treffend die Umgestaltung des Börsen-
wesens, der bekanntlich dem Bundesrath binnen
Kurzem zugehen wird, haben sich, wie aus an-
scheinend gut unterrichteten Kreisen verlautet, die
Vertreter des Reichs und der Bundesstaaten
namentlich über zwei wichtige Punkte vollständig
geeinigt: über die Einführung einer strengeren
staatlichen Oberaussicht der Börse und über die
Einführung der Börsenregister, letztere nicht allein,
wie die Börsen-Enquete-Kommission vorgeschlagen
hatte, sür die Produktenbörsen, sondern auch für
die Fondsbörsen.
— Das Jahr 1893 war das erste Volljahr,
in welchem die Bestimmungen der letzten Ge-
werbeordnungsnovelle über die Bewilligung
von Ueberarbeit erwachsener Arbei-
terinnen in Kraft waren. Es ist deßhalb von
Interesse, zu erfahren, in welchen: Umfange von
denselben Gebrauch gemacht ist. Die Zahl der
Betriebe, in welchen im genannten Jahre Ueber-
arbeit gestattet war, belief sich auf 1884. Die
Zahl der Bewilligungen durch die höhere Ver-
waltungsbehörde betrug 481, die durch die untere
2958. An Wochentagen außer Sonnabend wurde
bis I Stunde Ueberarbeit bewilligt in 732 Fäl-
len, 1 bis 14/e Stunden in 392 Fällen und 14/2
bis 2 Stunden in 2315 Fällen. Die Zahl der
Arbeiterinnen, für welche Ueberarbeit gestattet
war, bezifferte sich auf 133 826, die der Be-
triebstage auf 39 577 und die Summe der be-
willigten Ueberstunden auf 3 511 651. Nur in
112 Fällen wurden Anträge auf Bewilligung
von Ueberarbeit zurückgewiesen. Die Zahl der
Arbeiterinnen, für welche am Sonnabend Ueber-
stunden bewilligt waren, betrug 7898.
— Es bestätigt sich, daß bei den russischen
Zoll kammern die bisher geltenden Abfer-
tigungs-Vorschriften durch neue, mildere,
ersetzt werden sollen. Die neuen Vorschriften heben
in erster Linie für die Importeure die Verpflichtung
auf, die auf ihre Rechnung eingehenden Maaren
durch Speditlvnshäuser zu verzollen. Bisber waren
die Kaufleute nicht berechtigt, die Zollzahlungen bei
den Kammern ohne Vermittelung der Spediteure
zu leisten. Ferner soll der Deklarationszwang be-
seitigt werden, wodurch viele Weiterungen und Straf-
zahlungen fortan vermieden werden dürften, Auch
die Stempelpflicht für Zollausweispapiere soll künftig
in Wegfall kommen, was namentlich für solche
Maaren, die einem niedrigen Zoll unterliegen, von
Bedeutung ist, da bei diesen der Stem'pelbetrag
oft die Höhe des Zolles übersteigt. Endlich soll
auch die Durchsicht des Gepäcks der Reisenden ver-
einfacht und damit eine Quelle großer Zollplackereien
und finanzieller Verluste für die Reisenden zum
Theil wenigstens beseitigt werden.
Karlsruhe, 14. Nov. Ihre Majestäten der
König und die Königin von Sachsen haben sich
heute bei sehr schönem warmen Wetter viel im
Freien bewegt. Die Königin besuchte mit Ihrer
Königlichen Hoheit der Großherzogin mehrere An-
stalten. Nachmittags wurde gemeinsam eine größere
Ausfahrt unternommen. Zum Abend und zur
Großh. Tafel sind eingeladen der/Oberstallmeister
von Holzing mit seiner Gemahlin, der Obersthof-
meisterin, und der Minister von Brauer mit Ge-
mahlin. Morgen Vormittag erwarten die höch-
sten Herrschaften den Besuch Ihrer Durchlauchten
des Reichskanzlers Fürsten zu Hohenlohe mit
Gemahlin, der Prinzessin Tochter und dem Sohne
Prinzen Alexander.
Gesucht unö Gefunden.
39) Roman von Hermine Frankenstein,
(Fortsetzung.)
Elliot lief zur Wagenthüre und schaute hinein.
Er sah nichts von den beiden jungen Mädchen.
Er rief sie, bekam aber keine Antwort. „Die
iungen Damen sind nicht hier!" rief er entsetzt
aus. „Was soll das heißen? Wo sind sie?"
Als er sich befragt sah, erzählte der Bediente eine
Nar^klägliche Geschichte. Er sagte, daß die Pferde
von dem Zufallen der Wagenthüre erschreckt, durch-
langen wären, daß der Wagen mit furchtbarer
Heftigkeit hin- und hergeschleudcrt worden war, daß
ser Fremde seinen Platz auf dem Bocke behauptet
^süte, und daß es ihm schließlich ge'ungen war,
°ie Zügel zu ^erfassen und die Pferde in ihrem
Wahnsinnigen Laufe aufzuhalten und daß die jungen
^auwir unverletzt geblieben waren. „Aber wo sind
üe?" fragte Elliot in namenloser Angst. — „Sie
^aren so erschrocken, Herr" fuhr der Diener fort,
r^aß sie darauf bestanden, aus dem Wagen zu
!"'gen, sobald der Fremde die Pferde zu Stehen ge-
macht hatte. Sie wollten nicht weiter fahren; sie
'"rchteten sich vor den Pferden, besonders die Klei-
^ke", jn der er Maya meinte. „Die Deichsel-
ule ist gebrochen, sehen Sie, Herr, und der
Strang ist ausgerissen. —" Er beeilte sich, eine
^Wagcnlampen herabzunehmen und anzuzünden,
"llber die jungen Damen?" fragte Elliot wieder.
»O, die sind in Sicherheit, Herr" — sagte der
""^diente, mit der Laterne den Wagen beleuchtend.
Liehen Sie, was da geschehen ist? Es ist ein
luck daß wir nicht Alle tvdt sind!"
Bathurst untersuchte die Deichselstange und den
Strang. Die Stange war gebrochen und der
Strang abgerissen; Beides war mit einem dicken
Strick zusammengebunden. — „Ich habe es vor-
läufig so ausgebeffert" — erklärte der Diener.
„Jetzt wird es halten, bis wir in die Villa kom-
men!" — „Das war ein arges Malheur", unter-
brach ihn Bathurst, verwundert, daß kein größeres
Unheil daraus entstanden war. „Und jetzt sagen
Sie mir, wo sind die jungen Damen?" — „Sie
sind ausgestiegen, Herr, und weigerten sich, nur
einen Schritt weiter zu fahren", klagte der Bediente.
„Sie sagten, daß sie zu Fuße gehen wollten. Da
das Hotel näher war, als das Haus des gnädigen
Herrn, beschlossen sie, in das Hotel zu gehen." —
„Und sind sie zu dieser Stunde allein weiter ge-
gangen?" fragte Bathurst. — „Nein, Herr, der
Fremde hat es unternommen, sie zu führen!" —
„Der Fremde! Wissen Sie, wer er ist?" —
„Nein, mein Herr. Ich habe ihn noch nie zuvor
gesehen.
„Warum haben Sie sie nicht selbst geführt,
wenn sie darauf bestanden, zu Fuß nach dem Gast-
hofe zurückzukehren?" fragte Elliot scharf. —„Und
hätte ich Pferde und Wagen einem fremden Men-
schen überlassen sollen, den ich nie zuvor gesehen
batte?" rief der Bediente aus. „Die jungen
Damen konnten sich allein beschützen, aber die
Pferde nicht. Ich mußte vor Allem die Pflicht
gegen meinen Herrn erfüllen und durfte sein Besitz-
thum nicht verlassen. Der Mann wird die beiden
jungen Damen ganz gut behüten. Ich hörte Eine
von ihnen sagen, daß sie eine vornehme englische
Dame, die Tochter eines englischen Grafen und
ungeheuer reich sei. Sie sagte, daß er gut Acht
geben müsse auf sie und daß sie ihn reichlich be-
lohnen wollte." — „Unkluge Maya!" rief Bat-
hurst aus. „In ihrer Unwissenheit führt sie den
kühnen Mann faktisch in die Versuchung, sie zu
berauben."
Elliot bewahrte trotz aller inneren Angst und
Sorge seine äußere Ruhe, sprang in den Wagen
und rief Bathurst zu, ihm zu folgen. — „Fahren
Sie zum Gasthofe," befahl er. „Und verfolgen
Sie dieselbe Richtung, die die jungen Damen ein-
geschlagen haben. Lassen Sie die Lampe brennen.
Vorwärts!" — Bathurst sprang hinein und schlug
die Thüre zu. Der Kutscher stieg zu dem Bedien-
ten auf den Bock und der Wagen kehrte um und
fuhr der Stadt zu. — Die Pferde gingen lang-
sam weiter; die beiden jungen Leute spähten for-
schend auf beiden Seiten der Straße hinaus, aber
sie sahen weder die jungen Damen, noch ihren
Führer. — Sie langten in dem Gasthofe an und
befragten den Portier. Die jungen Damen waren
nicht zurückgekehrt. Um sich über jeden Zweifel
hinaus zu versichern, gingen sie auf das Zimmer
der beiden Mädchen hinauf. Die alte Hindudienerin
Sinda's beantwortete ihre Fragen und erklärte, daß
sie ihre junge Herrin seit dem Nachmittag nicht
wieder gesehen hatte. — Falla's Entsetzen und Be-
stürzung über Sinda's Verschwinden war schrecklich
anzusehen. Die beiden jungen Männer überließen
sie ihrem Wehklanzen und ihrem Schmerze und
eilten die Stiege hinab, um wieder weiter zu suchen.
Sie stiegen in den Wagen und fuhren gegen
die Esplanade zu. Entmuthigt und enttäuscht
kehrten sie nach einer Weile in das Hotel zurück,
um daselbst zu erfahren, daß die beiden jungen
Mädchen noch immer nicht nach Hause gekommen
wären. Jetzt bemächtigte sich der jungen Leute eine
gewaltige Angst. Maya's Unvorsichtigkeit, vor dem
vermeinten Fremden mit ihrem Rang und immen-
sem Reichthum geprahlt zu haben, erfüllte sie mit
bösen Ahnungen. „Vielleicht ist Alles in Ordnung",
sagte Walter Bathurst, bemüht, sich seine eigene
Ueberzeugung auszurcden. „Die Mädchen mußten
natürlich müde sein. Sie sind umgemein verweich-
licht erzogen. Sie konnten den weiten Weg nicht
ausgehalten haben und sind wahrscheinlich in ein
Haus gegangen, um auszuruhen —" — „Zu dieser
Stunde?" — „Es sieht nicht wahrscheinlich aus,
das ist richtig", sagte der junge Bathurst. „Aber
Sie können überzeugt sein, daß Ihnen nichts
Böses wiederfahren ist. Warum sollte denn ein
einfacher Wandersmann zwei jungen Damen, die
er nicht kannte, etwas zu Leide thun?" — „Der
einfache Wandersmann ist höchst wahrscheinlich ein
Dieb", sagte Elliot bedenklich. „Es steckt dahinter
irgend ein Unrecht, ein schreckliches Unrecht, Bat-
hurst. Ich werde sofort auf das nächstgclegene
Polizeikommissariat gehen und mehrere Leute aus-
schicken, um nach allen Richtungen suchen zu las-
sen." — „Sir halten also die Sache für so be-
denklich? So kommen Sie!"
Sie stiegen wieder in den Wagen und fuhren
zu einem Polizeikommissariat. Elliot theilte den
Fall mit und versprach eine bedeutende Belohnung
für die Auffindung der beiden Mädchen. Dann
fuhr Elliot wieder nach dem Gasthofe zurück; aber
weder Sinda, noch Maya waren zum Vorschein ge-
kommen. „Nochmals zurück nach der Esplanade!"