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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 191 - Nr. 200 (17. August - 28. August)
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Nummer INI. H Jahrgang.
— - _ . _


Freitag, 17. August 18N4


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Expedition: Kcruptttrahe Mr. LS.

für Heidelberg und Umgegend
(ZMrger-ZeiLung).



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für auswärtige Inserate 10 Pfg«, bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
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Expedition: Hauptstraße Mr. 2S.

Gelesenstes BLcrtt in Sterdt rr. Arnt HeideLbe^g nnd Ltingegend. Gvötztev Evfolg süv Insevnte.

Telephon-Airschlutz Nr. 102. "GM
_
Fortwährend
werden von allen Postanstalten, Landbriefträgern
Unseren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.

Vom ostasiatischen Kriege.
. Der Bericht, wonach die japanische Flotte nach
ihrer Rekognoszirung von Port Arthur am Frei-
tag Abend, also am Samstag, das chinesische
Geschwader ausgesunden und angegriffen habe,
fft bisher nicht bestätigt. Nur wenige kleine
^hinesenschiffe befanden sich im Hasen von Port
Arthur, als die Japaner das Bombardement er-
öffneten und diese wagten sich nicht hinaus dem
Feinde entgegen. Die eigentliche chinesische Nord-
llotte scheint überhaupt von der chinesischen Küste
verschwunden, wohin weiß Niemand; es heißt, sie
befinde sich an der koreanischen Küste, um dort
japanische Transportdampser abzusangen. Auch
öas ist mehr denn unwahrscheinlich, denn die
Japaner sind Herren der Zugänge zum Korea-
ner. An dem Angriffe auf Wei-Hai-Wei und
Port Arthur nahmen nur einige wenige der an-
wesenden japanischen Panzerschiffe theil. Offen-
bar suchten die übrigen inzwischen einen Punkt,
Urn die zahlreichen Truppen zu landen, die einige
12 große Transportdampser an Bord hatten.
Aur die Wachsamkeit der Chinesen verhinderte
öies. Seit Samstag fehlen alle Nachrichten von
öer japanischen Flotte. Nach dem Freitag-Gefecht
haben die Chinesen bei Taku, Wei-Hai-Wei und
öor den übrigen Nordhäfen eiligst weitere sub-
marine Minen und Torpedos gelegt. Die britische
motte hat Port Hamilton verlassen, lag am
Meitag bei Chesu und kreuzt jetzt im Golf von
Petchili, nachdem sie den Mercury vor Wei-Hai-
Ajei zum Schutz der Europäer gesandt. Das
nanzösische und russische Geschwader sind gleich-
falls signalisirt.
Wie „Daily News" erfährt, sind England,
ffrankreich und Rußland übereingekommen, keinen
Angriff auf Peking zu dulden. Wenn die Ja-
paner die Forts von Taku angreifen, würden die
^nannten Mächte einschreitcn. Nach einer
Petersburger Depesche soll England beabsichtigen,
^Ne Einmischung der Großmächte in Korea Vor-
schlägen, um eine Räumung des Landes seitens
öer Japaner und Chinesen zu erlangen und eine
Art internationale Kontrole über Korea Herzu-
ffellen. Wesentlich anders lautet ein langer
Megraphischer Bericht des St. Petersburger Korre-
wondenten der Morning Post. Es heißt da:
Petersburg, 13. Aug. Lebhafte Kommentare
hat ein Londoner Telegramm hier hervorgerusen

das der britischen Regierung die Absicht unter-
schiebt. die Einmischung der Großmächte in
Korea vorzuschlagen in der Absicht, die Räumung
des Königreichs seitens der japanischen wie chine-
sischen Truppen und die Einsetzung irgend einer
Art internationaler Kontrole in Korea herbeizu-
führen. Ein solcher Vorschlag würde von der
russischen Regierung nicht zugelassen werden, und
zwar ebensowenig wie die Annexion Koreas durch
eine der Kriegführenden oder die Besetzung irgend
eines Punktes der Halbinsel durch die europäische
Macht. Rußland zieht es vor, gegenwärtig die
Ereignisse ruhig ihren Lauf nehmen zu lassen,
so lange seine Interessen irgendwie materiell durch
dieselben nicht bedroht sind. Wenn Rußlands
Zeit gekommen sein wird, will es solche Maß-
regeln ergreifen können, als ihm geeignet er-
scheinen, seine Stellung in diesen Gegenden zu
sichern." Worin diese Interessen bestehen können,
verräth eine weitere Depesche des Moskauer
Korrespondenten des Daily Chronicle. „Sobald
die Transsibirische Eisenbahn vollendet, erwarten
die Moskauer Kaufleute ein großes Geschäft mit
Korea in Waffen, Messerwaaren, Zeugen, Essenzen,
Farben, Wein und andern Artikeln" . . .
Nach einer Tientsiner Drahtmeldung legte der
Kaiser von China allen Provinzen die Zahlung
eines Kriegsti ibuts aus; auch von einer neuen
ausländischen Anleihe ist die Rede. Die chinesische
Regierung wies alle Behörden an, den Auslän-
dern und Missionaren Schutz zu gewähren.
Der englische Lieutenant Tamplin, der sich
an Bord des von den Japanern torpedirten
Kaushung befand, ist in Shanghai cingetroffen.
Seine Aussagen stimmen nicht ganz mit denen
des Kapitäns Hanneken überein. Er erklärt, es
sei nicht wahr, daß die Japaner auf die ertrin-
kenden Chinesen gefeuert hätten. Tamplin sagt:
„Ich war eine zeitlang im Wasser, ehe ich von
den Japanern aufgefischt wurde. Siebehandelten
mich sehr liebenswürdig. Die chinesischen Soldaten
an Bord des Kaushung feuerten auf mich, nach-
dem ich in's Wasser gesprungen war. Die Ja-
paner feuerten allerdings aus die chinesischen
Soldaten, die sich in den Booten des Kaushung
befanden nnd den Kampf fortsetzten."
Deutsches Reich.
ÄerliA, 17. August.
— Dem vom deutschen Landwirth-
schaftsrath oorzeschlagenen Gesetzentwurf, be-
treffend die Regelung der ländlichen Arbeiterverhält-
nisse, gegenüber verhält sich die Vertretung der
bayerischen Landwirthschaft ablehnend. Der land-
wirthschaftliche Generalausschuß in Bayern hat be-
schlossen, an das Staatsministerium des Innern
das Ersuchen zu stellen, sich im Bundesrath gegen

den vom Landwirtschaftsratb vorgeschlagenen Gesetz-
entwurf zu erklären und Vorschriften zu erlassen,
durch welche die Einführung der Dienstbotenbücher
und die Anzeigepflicht des Ein- und Austritts der
Dienstboten obligatorisch wird. Zu den Mißständen
im Gesindemaklerwesen hat der landwirthschaftliche
Generalausschuß der Staatsregierung ersucht, sich
im Bundesrathe dafür zu erklären, daß das Ge-
schäft eines Gesindemaklers und eines Stellenver-
mittlers in der Reichsgewerbeordnung der Konzessions-
pflicht unterstellt werde.
— Dem „Bad. Wochenblatt" wird aus Karls-
ruhe vom 14. August geschrieben: Die Erinnerung
an das vor zwei Jahren gefeierte Regierungs-
jubiläum S. K. H. des Großherzogs ist
durch die gestrige Uebergabe des Adressenschreines
auf Schloß Mainau wachgerufen worden. Be-
kanntlich war dem Großherzog zu seinem Jubi-
läum eine Huldigungs- und Dankadresse fämmt-
licher Gemeinden des badischen Landes überreicht
worden, die von den Bürgermeistern und Gemeinde-
räthen auf mehr als 1600 Blättern unterzeichnet
ist. Diese Blätter sind, nach den Amtsbezirken
geordnet, in sechs Prachtbünden vereinigt. Die
sechs Bände ruhen in einem mit Intarsien ge-
schmückten Kasten, der dem Großherzog am 29.
April 1892 von den Vertretern des Landes im
Karlsruher Schlosse übergeben wurde. Der Kasten
bildet jedoch nur das Innere eines Kunstschreins
von äußerst werthvoller und reicher Ausstattung.
Von diesem Kunstschrein konnte damals dem
Großherzog nur der Entwurf überreicht werden,
da die Anfertigung des Schreins eine längere
Zeit in Anspruch nahm. Zwei Jahre hat die
Ausführung des hervorragenden Kunstwerkes, das
nun erst dem Großherzog überreicht worden ist
und ein Prachtwerk des badischen Kunstgewerbes
bildet, in Anspruch genommen. Die Grundformen
des vom Direktor der Großh. Kunstgewerbeschule
in Karlsruhe, Professor Götz, entworfenen
Schreines sind in Ebenholz ausgeführt, während
die dekorativen Theile aus Silber, theilweise ver-
goldet und emaillirt, bestehen. Die dekorative
Ausstattung des Schreins deutet in sinniger Weise
die fruchtbare Entwicklung des Landes unter der
Regierungszeit des Großherzogs Friedrich und die
Hauptmomente aus dem Leben Höchstdesselben in
allegorischen Figuren an. Die Bekrönung des
Schreins wird durch eine Badenia in huldigender
Stellung, mit goldenem Lorbeerkranz und um-
geben von Kindergestalten, welche die drei Stände
darstellen, gebildet. Unter dieser Figurengruppe
befinden sich zwei von Lorbeerzweigen eingerahmte
Cartouchen mit den Jahreszahlen des Regierungs-
antritts und des Jubiläums Sr. Königlichen
Hoheit, während sich nach den Ecken Füllhörner
mit Blumen und Früchten, die Segnungen der

vierzigjährigen RegierungsPeriode andeutend, aus-
breiten. Von der bedeutendsten Wirkung sind
aber vier größere allegorische Figuren, die vor
den Nischen der vier Ecken auf ausladenden Voluten
sitzen und die Weisheit, Gerechtigkeit, Volks- und
Reichstreue bedeuten. Die reich ausgebildeten
Thür- und Seitenfüllungen schildern in figürlichen
Reliefs wichtige Momente aus dem Leben des
Großherzogs mit entsprechenden Emblemen und
und Daten, wie den Regierungsantritt, die Ver-
mählung, die Versailler Kaiserproklamation, u. s. w.
Den Sockel des Schreins zieren wiederum Car-
touchen mit Krone und Namenszug des Groß-
herzogs, wogegen auf den Tafeln der reich aus-
gebildeten Füße die Widmung angebracht ist. Der
Schrein hat eine Höhe von 1 Meter, eine fast
gleiche Breite (95 Zentimeter) und eine Tiefe
von 60 Centimeter. An der Ausführung des
herrlichen Werkes sind hervorragende Künstler
und Kunsthandwerker des Landes betheiligt ge-
wesen, so daß das Ganze nach seiner nunmehrigen
Vollendung unserem einheimischen Kunstfleiß zur
höchsten Ehre gereicht.
Ausland.
Paris, 16. Aug. Der englische Botschafter
ist gestern in Paris angekommen. — Nach Meld-
ungen aus Perpignan hat der Deputirte Escanye
einen neuen anarchistischen Drohbrief erhalten.
Ein Mensch, der sich in einem Garten am Hause
des Deputaten versteckt hatte, floh bei der Ent-
deckung, ohne erkannt zu werden.
Lyon, 16. Aug. Der Gefängnißdircktor weckte
heute früh um 4^ Uhr Caserio und sagte ihm,
„Muth, die Stunde ist gekommen!" Caserio setzte
sich auf das Bett; er wurde leichenblaß und ein
convulsivisches Zittern ergriff ihn, das ihn nicht
mehr verließ. Caserio kleidete sich hierauf lang-
sam an. Eine Erfrischung, die ihm angeboten
wurde, wies er zurück, ebenso wies er die Trö-
stungen des Priesters zurück, dem er erklärte, daß
er ihm nichts zu sagen habe. Dagegen bat er
den Priester, seiner BHMr einen Brief, den er
für sie geschrieben habeHDommen zu lassen. Als
während des Ankleidens der Gefängnißdircktor
ihm von seiner Mutter sprach, traten Caserio die
Thränen in die Augen. Er unterdrückte dieselben
jedoch sofort und nahm eine gleichgiltige Miene
an, blieb aber immer entsetzlich bleich. Von
diesem Augenblicken sprach er zunächst nicht mehr.
Im Wagen schlugen ihm die Zähne zusammen
und die Kniee stießen gegeneinander. Als er
ausstieg, siel sein Blick auf das Fallbeil und
das Publikum. Sein Blick war verstört
und der Mund krampfhaft verzogen. Als
er aus das Brett geschnallt wurde, rief er:
„Muth, Kameraden, es lebe die Anarchie!" Dar-

Die verborgene Kcrnö.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von der Have.
(Fortsetzung.)
Mit zitternden Fingern entfaltete Jertha das
^!att und las:
Hochverehrter Herr Volkheim!
„Als Sie mir gestern früh ein zweites Kollier
gleich dem ersten sandten, habe ich, Ihrem Wunsche
gemäß, dem Boten denselben Betrag wie auf das
erste anstandslos ausgefolgt. Sie haben das
Geld doch empfangen? Ihre Zeilen dienen mir
als Jnterimsquittung. Dennoch bitte ich Sie
der Ordnung halber um eine formelle Bestäti-
gung. Zu Ihren ferneren Diensten gern bereit,
Ihr hochachtungsvoll ergebener
Markus Kranz."
Jertha las die Worte einmal, sie las sie zum
^eitenmal, dann ließ sie die Hand sinken und
ächtete die Augen groß auf den Bruder.
. »Von diesem Vorgang weiß ich natürlich nichts!"
^antwortete er ihre stumme Frage.
Eine dumpfe Pause trat ein.
, „Wieviel entliehest du auf das erste Kollier?"
vtach Jertha das Schweigen.
»Zehntausend Mark!" erwiederte er.
Sie verschlang die Hände ineinander.
„Ueber soviel verfüge ich kaum," sagte sie.
Er sprang auf wie elektrisiert.
„Jertha, du wolltest —?" stieß er aus.
„Alles hergeben, was ich besitze, um dich zu
steten, — wie kannst du nur noch fragen?" ant-

wortete sie. „Aber — so reich bin ich nicht! Zehn-
tausend Mark!" wiederholte sie und ihre Augen,
in dessen Tiefen es glühte, auf den Bruder richtend,
sprach sie mit herbem Vorwurf: „Und eine solche
Summe, ein Vermögen für manche Familie, eine
Rettung für manche schon verlorene Eristenz, hast
du im Leichtsinn vergeudet!"
Ihre Worte trafen ihn schwerer als die härteste
Züchtigung. Röthe und Blässe wechselten in seinem
Antlitz und eine heftige Aufregung bemächtigte sich
seiner.
„Jertha," schrie er auf, vor ihr niederstürzend,
„ich " will anders werden, ich will mich bessern!
Nie mehr will ich jene Kreise aufsuchen, in denen
ich bisher verweilte, — zu meinem Unglück, wenn
nur diesmal, nur diesmal mir noch Hilfe wird!
Nie habe ich eine Situation gleich dieser nur für
denkbar gehalten und alles in mir widerstrebt dem,
aber doch — doch flehe ich dich an: Jertha, kannst
du mir helfen, so thue es, und du sollst sehen, daß
ich vermag, was ich will! — Ich werde arbeiten
und dir all-s tausendfach vergelten!"
Seine Worte trugen so sehr den Stempel der
Wahrheit, daß sie denselben ihre Ueberzeugung nicht
versagen konnte, und das gab ihren Gedanken die
Richtung, wirklich an seine Rettung zu denken, —
in der gegenwärtigen Situation eine Erlösung.
Sie ließ sich auf ihren Sessel am Fenster
nieder und bedeutete ihm, ihr gegenüber Platz zu
nehmen. '
„Der Vater hat mich stets reich beschenkt,'
sagte sie, „ich habe etwa sechstausend Mark auf
der Sparkasse, außerdem besitze ich Schmucksachen
in Fülle, welche wohl den fehlenden Restbetrag

werth sein mögen. Ich will dir alles geben; ver-
suche das Kollier einzulösen, welches du von der
Mutter erhieltest und versetztest!"
Er war ihren Worten mit angehaltenem Athem
gefolgt. Die Noch, in der er sich befand, ließ ihn
das Demüthigende der Situation übersetzen.
„Und das zweite?" preßte er hervor.
„Das zweite kümmert dich nicht," antwortete
sie zuversichtlich. „Du sagst, du weißt von dem
ganzen Vorgang nichts; so wird also ein Betrug
verübt worden sein, der sich beweisen lassen muß.
Um so mehr aberhalte ich es für nothwendig, daß
jenes erste Kollier von dir unverzüglich eingelöst
werde. Nimm alles und gehe sogleich; jede ver-
lorene Stunde kann das Unglück vergrößern!"
Sie erhob sich und trat an einen kleinen
Schrank, welcher, wie die Ausstattung des ganzen
Zimmers, altdeutschen Stils war. Sie schloß die
Thür auf und entnahm demselben ein kleines Buch
in grünem Futteral und mehrere Schmuckkästchen.
Es war ein verhältnißmäßig höchst ärmlicher Reich-
thum im Gegensatz zu dem, welchem das chinesische
Schränkchen ' im Boudoir der tobten Herrin dieses
Hauses einschloß. Sie legte alles vor ihm nieder
auf den kleinen Tisch am Fenster.
„Ich hoffe, es wird ausreichen," sagte sie.
„Nimm alles und gehe ohne Zeitverlust!
Er erhob sich; alle Elastizität schien ihm ver-
loren gegangen zu sein.
„Ich muß zuerst die Schuld einlösen," sagte
er. „Ich war bereits gestern nachmittag bei dem
Ehrenmann, der aus reiner Menschenliebe an Per-
sonen, bei denen er kein Risiko eingeht, die aber
sich in augenblicklicher Noth befinden, Geld gegen

zwei Prozent Zinsen pro Monat ausleibt. Der
barmherzige Engel war nicht zu Hause; ich fand
nur seinen Schreiber, der mittheilte, daß sein Herr
in gleichen Liebeswerken über Land sei und ich heute
mittag wiederkommen möge. Ich versprach es und
muß mein Wort halten. Diese Harpyien sind
schlimmer als die giftigen Schlangen. Sie saugen
ihrem Opfer Tropfen um Tropfen das Blut aus
und lassen es qualvoll weiter leben. Sie wissen
sich sicher, denn die Ehre derjenigen, welchen sie
ihre Hilfe angedeihen lassen, schützt sie selbst vor
der Strafe des Gesetzes. Sie arbeiten wie hie
Maulwürfe unter der Erde und wissen sich stets aus
der Affaire zu ziehen, wenn eine Gefahr sich ihnen
naht. Sie sind schlau wie die Füchse und beute-
gierig wie die Hyänen, die selbst die Tobten nicht
schonen. Zu diesem Ehrenmanne, der zu der Kate-
gorie dieser edlen Menschenfreunde gehört, muß mein
erster mich fübren; dann werde ich das unselige
Kollier einlösen, werde es einlesen mit dem Geld
und dem Schmuck, um, den ich Elender meine
Schwester beraubt habe!
Er war in eine unsägliche Bitterkeit verfallen,
welche Jertba ibn kaum wiedererkennen ließ.
Das veranlaßte sie, an seine Seite zu treten
und begütigend ihre Hand auf seinen Arm zu
legen.
„Du beraubst mich nicht damit," sagte sie
und die Verachtung, welche vorhin aus ihren Worten
gesprochen hatte, that ihr jetzt selbst wehe. „Du
wirst alles gut machen und — — ach, was ist
denn an dem tobten Bests gelegen? Geh', Hans,
geh', eile, — bedenke, unsere Ehre steht auf dem
Spiele!"
 
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