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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 191 - Nr. 200 (17. August - 28. August)
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Nummer 188. H Jahrgang.

2l s »t e V

Samstag, 25. August ,881.


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tS-weditiorr„K>crrrptlkuertze 'Mr. 25.

für Heidelberg und Umgegend
(Würger-Zeitung).

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MU- Telephon-Anschluß Nr. 102. -HW?
Vorwärts.
Wir leben im Zeitalter des Verkehrs. Welche
Erfindungen sind nicht in den letzten zwanzig
Jahren gemacht worden, um den Menschen, so-
wohl wie den Mittheilungen, die er auf weite
Entfernungen hin seinen Mitmenschen zu machen
hat, das Fortkommen zu erleichtern.
Der Dampf sieht als Bewegungsmittel ersten
Ranges seiner Ablösung durch die Elektrizität
entgegen. Und die Elektrizität hat sich selbst
übertroffen, da sie nicht mehr bloße Schriftzeichen,
sondern das gesprochene Wort selbst übermittelt.
Das hätten wir unseren Großvätern sagen
sollen, daß man sich dereinst behaglich von seiner
Wohnung in Heidelberg aus mit einem guten
Freunde in Mannheim, Heilbronn oder Frank-
furt unterhalten kann. „Du bist wohl ein Bischen
übergeschnappt?" — Das wäre wohl etwa noch
das mildeste Urthcil gewesen, welches über unsere
Prophezeihung gefällt worden wäre. Oder wenn
wir geprahlt hätten, es werde einmal so weit
kommen, daß wir das gesprochene Wort Jahr-
zehnte, ja Jahrhunderte hindurch aufbcwahrcn
können, um es gelegentlich wieder ertönen lassen
zu können, genau mit derselben Stimme, mit
derselben Nüance, wie es einstmals gesprochen
wurde. Nun, was sonst als eitel Phantasterei
erschienen wäre, ist heute Wirklichkeit. Und so
eingelebt haben sich diese wunderbaren Neuerungen,
daß wir, wenn einmal am Telephon die Ver-
ständigung etwas schwierig ist, rasch dabei sind,
die Schuld dafür den dabei betheiligten Beamten
aufzubürden, als ob es für menschliches Ver-
mögen bei gutem Willen überhaupt keine Grenzen
mehr gäbe.
Es sind schon mancherlei Versuche gemacht
worden, Telephon und Phonographen mit einander
zu verbinden, aber alle diese Versuche sind daran
gescheitert, daß die Erschütterung der Membrane,
welche das gesprochene Wort auf der Ausgangs-
stelle erzeugt, so geringfügig ist, daß ein daran
angebrachter seiner Stift keine Eindrücke in die
Folie des Phonographen zu machen vermag. Aber
nur nichts verreden. Schließlich kommt es auch
noch dazu und dann wird man verlangen, daß
der Phonograph oder ein ähnlicher Apparat mit
der Setzmaschine in Verbindung gebracht und das
etwa in München gesprochene Wort in Köln oder
Frankfurt ohne weiteres menschliches Zuthun gesetzt
und gedruckt wird.
Uebrigens ist dafür gesorgt, daß die Bäume
nicht in den Himmel wachsen. Wenn wir ehrlich
sein wollen, müssen wir zugeben, daß mit den
Erfindungen der Neuzeit deren Anwendung nicht

Schritt hält. Vor Allem ist es die hohe Polizei,
die ein allzu rasches Tempo verhindert. Sonst
wären wir auf dem Gebiete der Dampf- und
elektrischen Straßenbahnen ein gut Theil weiter.
Das soll kein Vorwurf sein, die Polizei hat aber
ihre schwere Verantwortlichkeit. Aber das ist
sicher: wenn die Benutzung der Pferde zum Ziehen
von allerlei Fuhrwerk heute erst aufkäme, es
würde einige Jahrzehnte dauern, ehe die Polizei
die Verwendung dieser Thiere, die so mancherlei
Unheil anrichten können, auf belebten Straßen
gestatten würde.
Ein vorzügliches Mittel, vorwärts zu kommen,
ist das Veloziped. In manchen Städten ist noch
heute das Zweirad polizeilich verpönt, wenigstens
auf all den Straßen, auf denen es mit Erfolg
benützt werden könnte. Auf holperigen Vorstadt-
straßen, auf denen das Radfahren eine Strafe
wäre, sind Rover und Hochrad bedingungsweise
zugelassen. Jetzt hat sich die Aufmerksamkeit der
Militärverwaltung in steigendem Maaße dem
Niederrad zugewendet und an vielen Orten sieht
man jetzt auf blankem Stahlroß die uniformirten
Herren dahinsausen.
Vorwärts! ist das Losungswort der heutigen
Tage. Der Stillstand allein bedeutet schon einen
Rückschritt . . .

Deutsches Reich.
Berliu, 25. August.
— Der „Reichssanzeiger" schreibt: Vom 1. April
1894 bis Schluß Juni sind im deutschen Reiche
von Zolleinnahme gemeinschaftlichen Ver-
brauchssteuern und anderen Einnahmen zur
Anschreibung gelangt: Zölle 126 776 372 Mark
(gegen den gleichen Zeitraum des Vorjahres mehr
15'137 429 Mk.), Tabaksteuer 3 124 953 Mark
(mehr 76 771 Mk.), Zuckersteuer 24 561 810 Mk.
(mehr 3 936 152 Mk.) Maischbottich- und Bcannt-
weinmaterialsteuer 2 822 512 Mk. (mehr 854 536
Mark), Wechselstempelsteuer 2 741 120 Mk. (mehr
17 793 Mk.)
— Wir haben erst kürzlich auf die schweren
Schädigungen aufmerksam gemacht, welche dem Er-
port unserer Industrie durch die Werth sch wank
ungen des Silbers fortdauernd zugefügt werden
Die von uns auch bereits gelegentlich mitgetheilte
Erklärung einer Anzahl rheinischer Industrieller,
welche in 4 Punkten kurz die durch die Silberent-
werthung, die Valutadifferenzen und die Vertheuerung
des Goldes hervorgerufenen Störungen der inter-
nationalen Handelsbeziehungen charakteristrt, ist in-
zwischen bereits von 400 Firmen deutscher Indu-
strieller und Erporteure aus allen Theilen Deutsch-
lands unterzeichnet worden.

— In mehreren Handelskammerberichten für
1893 wird die Errichtung von Arb e i tö äm te rn
empfohlen, die unter Zuziehung von Arbeitnehmern
und Arbeitgebern alle Verhältnisse der arbeitenden
Bevölkerung klarzustellen und auch die Vermittelung
eines Arbeitsnachweises zu bewirken haben würden.
Wie die „Voss. Ztg.* erfährt, steht die Reichs-
verwaltung diesem Gedanken wohlwollend gegenüber
und es haben bereits vor einiger Zeit Erwägungen
darüber stattgefunden, ob die Regelung des Arbeits-
nachweisungswesens unter staatlicher Förderung den
Interessenten überlassen bleiben oder behördlich vr-
ganistrt werden solle, ob die Organisation durch
das Reich oder die Bundesstaaten, durch Gesetz
oder reglemcntarische Bestimmungen, für den gejamm-
ten Arbeitsmarkt einheitlich oder für einzejne Be-
rufszweige, zentralistisch oder dezentralistisch nicht
zu bewirken sei. Von weiteren Schritten hat man
jedoch Abstand genommen, weil man zunächst eine
Klärung der auseinandergehenden Meinungen für
nothwendig hielt. Die am 6. Februar v. I. in
Berlin stattgehabte Delegirtenkonferenz von Gewerk-
schaften, Vereinen, Verbänden, Innungen kam auch
über die Frage einer einheitlichenRegelung des Ar-
beitsnachweises zu keinem endgiltigen Beschlüsse,
sondern endete mit der Resolution, demnächst eine
neue Konferenz zu berufen, um nach Stellungnahme
der Gewerkschaften zu dem Plane weiter zu behan-
deln. Die preußische Staatsregierung bat neuer-
dings die Frage in Erwägung gezogen, ob die be-
stehenden Einrichtungen zur Regelung des Arbeits-
nachweises dem vorhandenen Bedürfniß entsprechen
und welche Maßregeln zu diesem Zwecke in Vor-
schlag zu bringen seien.
Karlsruhe, 24. August. Seine Königliche
Hoheit der Erbgroßherzog begleitete gestern Ihre
Königliche Hoheit die Erbgroßherzogin bis zur
Station Grüningen, wo Höchstderselbe den Zug
verließ, um einen in der Nähe gelegenen Uebungs-
platz zu besichtigen. Am Abend begab sich der
Erbgroßherzog nach Singen, von wo aus Seine
Königliche Hoheit morgen Samstag Abend auf
Schloß Mainau eintreffen wird. Heute Nachmittag
begaben sich der Großherzogliche Minister von
Brauer und Gemahlin, einer Einladung des
Prinzen und der Prinzessin Wilhelm von Baden
folgend, nach Salem; dieselben kehrten heute
Abend wieder nach Schloß Mainau zurück.
Ausland.
Rom, 23. Aug. Einer Meldung der „Agen-
zia Stefan!" aus Ravenna zu Folge nahm die
Polizeibehörde mit militäriscber Hilfe in Santo
Stefano bei Campiano und Borgo Haussuchungen
bei zwei Vereinen und in den Wohnungen einiger
Anarchisten vor, wobei Fahnen, Waffen, Munition

und wichtige Papiere beschlagnahmt wurden. Fünf
anarchistische Rädelsführer wurden verhaftet.
London, 24. Aug. Nach einer Meldung
der „Central News" aus Shanghai hat die
japanische Regierung beschlossen, Reis nicht
als Kriegscontrebande zu betrachten. Die chine-
sische Regierung habe vor kurzem eine Anleihe
von 20 Millionen Mark bei chinesischen Finanz-
männern machen wollen und die Flotte als
Bürgschaft angeboten. Das Vorgehen sei aber
erfolglos gewesen, doch drängten anderseits euro-
päische Finanzmänner ihr Anerbieten China förm-
lich auf. — Von Chemulpo wird gemeldet, daß
während den Streitigkeiten zwischen japanischen Sol-
daten und Bürgern von Soeul der japanische
Gesandte in Korea von seinen eigenen Lands-
leuten getödtet worden sei. Der amerikanische
Konsul in Shanghai hat infolge der unter den
Chinesin herrschenden Aufregung über das Tragen
chinesischer Kleidung durch die Japaner ihnen in
seinem Bezirke befohlen, nur japanische Kleidung
anzulegen und angerathen, der Sicherheit wegen
nach Japan zurückzukehren.
Au.s Wcrtz und Isrn.
* Mannheim, 24. August. Die Dowe'sche
Panzerangelegenheit will nach Berliner Blättern
nicht zur Ruhe kommen. Jetzt will Dowe einer
Fälschung seines Panzers auf die Spur gekommen
sein. Wie er selbst mittheilt, ist er dem Urheber
der Nachricht, daß sein Panzer in Spandau der
Jnfanteriepatrone nicht Stand gehalten habe,
nachgegangen und will dabei die überraschende
Erfahrung gemacht haben, daß eine Nachahmung
seiner Erfindung in Spandau hinter seinem Rücken
zur Probe vorgelegt worden sei, diese aber nicht
bestanden habe. Des Verraths beschuldigt er den
Kunstschützen Martin, mit dem er bisher zusammen
aufgetreten ist. Martin soll dies auch in Zwickau
einem Offizier gegenüber zugestanden haben. Dowe
hat inzwischen seinen Panzer in Mannheim und
Aachen wiederum auf die Kugelsicherheit von
Offizieren prüien lassen und wiederum, das Er-
gebniß gehabt, daß die Patrone des Armee Jn-
fanteriegewehrs der Erfindung machtlos gegen-
übersteht. Zwischen Marlin und Dowe ist es jetzt
zu einer Trennung gekommen und letzterer reist
nur noch in Begleitung des Kunstschützen Western.
Die Nachricht, er sei bei einer Schießprobe in
Aachen verwundet worden, dementirt Dowe aus-
drücklich.
* Karlsruhe, 23. Aug. Unsere Landwirthe
suchen die großen Verluste des letzten Jahres am
Viehstand nunmehr wieder zu ersetzen. In-
folge dessen sind die Verkaufspreise der Schlacht-
thiere außerordentlich hoch, und es muß in den

Die verborgene Kcrnö.
Kriminal-Roman ans der neuesten Zeit
von E. von der Have.
17) (Fortsetzung.)
Und mit Flugesschnelligkeit schossen die beiden Böte
über das Wasser dahin. Da — das erste leqte an, der
Insasse ließ sich gar nicht die Zeit dazu. Ern Stoß an
das Ufer, wo hier sich eben eine kleine Steingrotte, im
Sommer die Spaziergänger zur kühlen Rast am Strande
einladend, befand, und mit einem Sprunge stand er
auf festem Boden, während das Boot zurückprallte und
auf dem Wasser hin- und hertänzelte.
Hans sah den Menschen, dem seine Verfolgung
galt, in dem Dunkel der Allee längs des Flusses ver-
schwinden und ermattet ließen seine Hände die Ruder
sinken.
Entronnen, — der Elende war ihm entschlüpft!
Langsam durchfurchten die Ruder das Wasser, aber
im nächsten Moment setzten sie wieder lebhafter ein.
Wenn ein wunderbarer Zufall ihn vielleicht doch noch
die Spur des Verfolgten auffinden ließ!
In der nächsten Minute legte auch das zweite Boot
an der Grotte an und Hans Volkheini sprang an's
Land, die Kette um einen aufragenden, schmalen Stein
windend.
Er eilte über den Fußpfad in die Allee hinauf.
Geradeaus führte eine schmale Twiete in einen Vorort;
Mehrere Straßen zweigten weiterhin zu beiden Seiten ab.
Noch stand er rathlos, als ein langsam schwerer
Tritt durch die Allee herankam. .
Es war ein Wächter, der seine nächtliche Runde
machte- Ein kurzer Entschluß, dann eilte Hans ihm
entgegen. In wenigen Minuten erreichte er den Mann.
„Sahen Sie einen Menschen, der irgendwie auf-
fällig die Allee nach der Stadt entlang eilte ?" stieß er
in größter Aufregung hervor. „Ich verfolgte einen
Menschen, der in unserm Garten jenseits des Flusses
war, im Boote; hier entschlüpfte er mir."

Der Wächter sah den exaltierten Sprecher jetzt
forschend an.
„Wie sah der Mensch aus?" fragte er.
„Das weiß ich nicht," erwiederte Hans. „Ich er-
griff ihn, aber er versetzte mir einen Schlag, der mich
betäubte, und entfloh nur. Alles, was ich weiß, ist,
daß er von mittlerer, schlanker Gestalt war und einen
großen Schlapphut trug."
„Einen Schlapphut?" wiederholte der Wächter.
„Ein solcher ist mir begegnet unten am Thor —"
„Wenn wir ihni folgten!"
„Zwecklos, Herr, ganz zwecklos!" versetzte der
andere. „Der ist längst in dem Straßengcwirr ver-
schwunden. Ja, ja, wenn die Verfolgung eines Ver-
brechers so leicht wäre! Aber davon macht sich das
Publikum keinen Begriff!"
Hans sah die Wahrheit dieser Worte ein. Dem
Unbekannten, wenn jener, dem der Wächter begegnete,
wirklich der Verfolgte war, nachzuforschen, war nutzlos.
Einmal aus seinem Bereich, war er ihm entrückt, auf
immer entrückt.
„Sie kamen beide in Böten über den Fluß?" fragte
der Wächter, den vor ihm stehenden scharf musternd.
„Ja," antwortete Hans mehr mechanisch als mit
Wissen, „der Mensch hatte einen Vorsprung gewonnen,
ich folgte ihm."
„Und wo legte er an?"
Hans zeigte mit der Hand die Richtung an.
„Dort," sagte er. „Er sprang aus dem Boote,
ohne das Fahrzeug weiter zu beachten. Als ich das
Ufer erreichte, war er längst aus meinem Gesichtskreis
verschwunden."
„Hm," sagte der Wächter, einige Schritte vorwärts
thuend, „sehen wir uns das Boot an, — man kann
nicht wissen —
Er vollendet nicht, sondern schritt hastig der Stein-
grotte zu. Hans folgte ihm.
Nach wenigen Minuten standen sie an der Stelle,
aber im selben Moment auch entfuhr Hans ein Schrei.
„Mein Boot!" stieß er aus.
„Ist es nicht jenes, welches dort auf dem Wasser
schaukelt?" fragte der Wächter.

„Nein," ächzte Hans, „das ist nur eins, wahrschein-
lich jenes, welches der Schurke benutzte; mein Boot ist fort!"
„Das wäre!" rief der Wächter aus. „Wo ließen
Sie es denn zurück?"
„Ich schlang die Kette um diesen Stein," erklärte
Hans keuchend. „Von selbst konnte sie sich nicht lösen.
Es muß eine Hand das Boot gelöst haben!"
„Ohne Zweifel, da es, wie Sie sagen, fort ist,"
sprach der Wächter. „Hm, wie bekommen wir jenes
Boot ans Land!"
Seine Augen hefteten sich dabei auf das Fahrzeug,
welches unweit des Ufers auf dem Wasser sich schaukelte.
„Sie meinen — ?"
Daß es uns vielleicht auf eine Spur führt, welche
zur Entdeckung des räthselhaften, nächtlichen Fahrgastes
dienen kann. Hm, ist da denn nichts --- halt, ich
hab's!" unterbrach er sich selbst, indeß er schnell den
Weg nach der Allee hinaufeilte, um nach einigen Mi-
nuten, welche Hans eine Ewigkeit zu sein schienen, mit
einer langen, eisernen Stange zurückzukehren.
„Mir fiel eben ein, daß die Stangen längs der
Promenade neu gelegt werden," sagte er. „Das kommt
uns zupaß .... Hm, die L-tange reicht nicht!"
„Geben Sie mir dieselbe," stieß Hans hastig aus,
und ehe der andere sich versah, hatte er einige Schritte
in das seitwärts der Grotte seichte Wasser hineingethan
und zog in der nächsten Minute das Boot an Land.
Mehrere Male wollte es entweichen, aber endlich glückte
es doch.
Hans zog eine Schachtel mit Wachskerzen hervor
und entzündete eine derselben. Zugleich mit dem Wächter
bückte er sich nach der Seite des Bootes, wo ein kleines,
weißes Schild sichtbar war.
Beide sahen gleichzeitig einen Namen, der darauf
glänzte, und jäh entfiel Hans die Kerze, er prallte zurück.
„Hans Volkheim," lautete der Name.
Ein leiser Aufschrei entfuhr dem Träger desselben-
„Mein Boot!" stieß er aus.
Der Wächter, der sich ihm bereits verwundert zu-
gewandt hatte, riß die Augen auf.
„Das ist sonderbar!" sagte er, sein Gegenüber vom
Kopf bis zu den Füßen messend.

„Sehr sonderbar!" wiederholte Hans, den Tonfall
des andern gar nicht beachtend.
Dieser schüttelte den Kopf.
„Sagen Sie mal, junger Mann," sprach er dann,
„ist Ihnen das Boot vielleicht ins Wasser gerathen?
Ich muß Anzeige davon erstatten —
Der Sprecher kam nicht weiter. Haus unterbrach
ihn — sehr stolz.
„Gewiß müssen Sie das," sagte er, äußerst von
oben herab, „und zwar werde ich Sie auf die nächste
Wache begleiten, um selbst das Geschehene zu Protokoll
zu gcben. Dieser nächtliche Vorfall ist nur das Nach-
spiel zu einem großen Verbrechen, welches verübt worden
ist. Hindert Ihr Dienst Sie, mit mir zu gehen?"
Die sehr feste Sprache des jungen Mannes impo-
nierte dem andern sichtlich. „
„Allerdings," sagt er, „wenn es sich )edoch um eine
wirklich wichtige Sache handelt —"
„Vielleicht um die Verfolgung eines Mörders,
eines Diebes jedenfalls," fiel ins Wort.
„Nun denn, so kommenSie, sprach der Wächter.
„Das Boot liegt sicher," er,überzeugte sich davou. „Die
nächste Wache ist die beim Zuchthaus.
Hans sagte kein Wort mehr. Sem Blick schweifte
unausgesetzt über die Wasserfläche und haftete eben ans
einem dunklen Punkt, der wen Henaus auf dem hier
sehr breiten Flusse sichtbar war und sich vorwärts zu
bewegen schien. . .
„Ist das nicht ein Boot? fragte er.
Der Wächter zuckte die Achseln.
„Das läßt sich uicht bestimmen. Das kann Augen-
täuschung sein. Die Nacht läßt nichts mit Sicherheit
erkennen. Aber wenn seihst, — folgten wir jenem, so
wäre es längst außer unserm Bereich, ehe wir nur in
seine Nähe , gelangten Kommen Sie nur mit nach der
Wache. Vielleicht laßt sich von dort aus in der Sache
mehr thun, als wir jetzt vermuthen."
Und völlig willenlos folgte Hans dem Sprecher
durch die Allee. Nach zehn Minuten erreichten sie ihr
Ziel. Der Wächter schritt voran und erstattete dem
dienstthuenden Oberwächter seine Meldung.
 
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