Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

DOI Kapitel:
Nr. 211 - Nr. 220 (10. September - 20. September)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44556#0251

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nummer 212. H Jahrgang.

W eusL*

Dienstag, 1i. September



»

für Heidelberg und Umgegend


Avonnementspreis r
mr! 8seitigem illnSrirtrm SountagSblatt: monatlich
40 Pfennig frei in's Haus, durch die Poft bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld-
Expedition: L>clnpt!'traßs Mr. 85.

JnsertionLprciS!
die ls»alttge Petitzeile oder deren Raum 8 Pf«.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
bolung entsprechender Rabatt-
Expedition: ^dnnptftrcrße Mr. 85.


belesenste» Blatt in Stadt «. 2ln»t Heidelberg nnd Unrgegend Grsstter Ersslg für Inserate.

DW- Bestellt
jetzt schon den Neuen General-Anzeiger
für das kommende Quartal.

Poesie und Prosa.
Vor einigen Tagen hat in Antwerpen die
sechste Versammlung der internationalen Friedens-
freunde stattgesunden und haben die edelbegeisterten
Mitglieder dieses Kongresses auch diesmal, wie
auch bei ihren früheren Tagungen recht wacker
für die Abschaffung des Krieges gesprochen, vor-
treffliche Beschlüsse gefaßt zur Herbeiführung des
ewigen Völkerfriedeus.
Jedes edle Streben verdient achtungsvolle An-
erkennung von Seiten der Menschlichkeit. Und
welches Streben wäre edler, als dasjenige dieser
freiwilligen Apostel der Humanität! Welches
Streben an Erhabenheit auch nur zu vergleichen
mit demjenigen, für welches sich die Friedens-
sreunde begeistern!
Abschaffung des Krieges ! Schlichtung jeglichen
Völkerstreites durch Schiedsgerichte! Welch' ein
herrliches Ideal taucht da vor dem sorgen- und
kummerbedrückten Menschen auf, denkt er an
die Verwirklichung dieser wunderschönen Theorien!
Leider bleiben Ideale für den Staubgeborenen
ewig unerreichbar! Und dieses Ideal insbesondere
wird nie und nimmer zu erreichen sein, eben weil
die Völker und Nationen aus sterblichen Menschen
sich zusammensetzen!
Um den Krieg abzuschaffen, müßten vorerst
die angeborenen Verderbenstriebe der Menschen
abgeschafft werden, Neid, Ehrgeiz und Herrschbe-
gier, sowie überhaupt jede unedle Leidenschaft
seinem Wesen ausgetrieben werden, es müßten
die Menschen in veritable Engel oder Halbgötter
verwandelt werden!
Schiedsgerichte sür Völkerstreitigkeiten will der
internationale Friedenskongreß einführen und über-
sieht dabei die Kleinigkeit, daß der Begriff des
Schiedsgerichtes die freiwillige und unbedingte
Unterwerfung beider streitenden Parteien unter
das Verdikt des Schiedsrichters als erste und
unerläßliche Vorbedingung erhei'cht. Mit einer
geradezu rührenden Naivität berufen sich die
Friedensapostel darauf, daß im Leben des Einzel-
staates auch alle Streitigkeiten zwischen Bürger
und Bürger durch Richter geschlichtet werden,
welche nach geschriebenen Gesetzen urtheilen, daß
es sich daher bloß darum handeln würde, inter-
nationale Gesetze zu vereinbaren, internationale
Richter zu deren Auslegung zu bestellen.
Die menschenfreundlichen Theoretiker übersehen
da wiederum eine einzige Kleinigkeit, welche die
ganze Theorie über den Haufen wirft, den Um-

Die verborgene Kcrnö.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von der Have.
82! (Fortsetzung.)
„Er — er!" stieß Frau Baumgart dabei aus,
tsideß ihre Augen wie verglast sich auf die Straße
richteten. „Er kommt hierher .... er schreitet gerade-
Weges auf das Hans zu . . . ." Sie neigte sich, soweit
ne konnte, dicht an die Scheiben heran. „Keine Täusch-
ung, — er kommt hierher, — er läutet! — Gott, —
Gott im Himmel, was ist im Werke? Was will er —
kr hier in diesem Hause?"
Schrill tönte das Läuten durch das Haus; — der
bleichen Horcherin an dem Fenster des ersten Stock-
werks erschien es wenigstens so. Sie hatte sich zurück-
Pbeugt und ihre Hand hatte instinktiv die schwere
Sammetportiere erfaßt; sie bedurfte einen Halt, nicht
?U Boden zu sinken.
Aber jetzt, sie hörte mit geschärftem Ohr und
deutlich vernahm sie Schritte, die sich der Hausthür
Näherten.
Abgestreift war jäh alle Schwäche. Im Nu stand
Ne an der Thür des Gemachs, hatte sie, lautlos den
Trucker bewegend, dieselbe spaltenbreit geöffnet.
Athemlos horchte sie hinaus.
, Sie hörte des alten Johanns Stimme. Er fragte
den Ankommenden nach seinem Begehr.
„Herr Volkheim!"
. Das war alles, was sie aus der Antwort ver-
stand, aber das Wort elektrisierte sie gleichsam.
Er — er wünschte Herrn Volkheim zu sprechen!
Der Schlag ihres Herzens wollte ihr versagen, —
wehr, dieses selbst drohte ihr zu zerspringen.
Was wollte er — cr von dem Besitzer dieses
Hauses?
Ein Chaos von Ideen durchschoß ihr Hirn wie
«wende Raketen.
Da — der alte Johann nöthigte den Fremden in
das Empfangszimmer. Jetzt war derselbe eingetreten.

stand nämlich, daß die Gesetze auch im bürger-
lichen Leben zumeist nur darum von dem Einzel-
individuum respektirt werden, weil der Staat über
die Macht verfügt, den Respekt zu erzwingen, die
Auflehnung wider das Gesetz mit allem Nach-
drucke zu ahnden. Woher soll jedoch das inter-
nationale Schiedsgericht die Macht nehmen, welche
genügen würde, dem Schiedssprüche Geltung zu
verschaffen, wenn derselbe dem sachsälligen Volke
just nicht passen will und dasselbe stark genug
ist oder sich stark genug wähnt, dein Verdikte
Trotz bieten zu können?
Es ist geradezu unfaßbar, wie vernünftige,
hochgebildete Leute sich durch ihren Idealismus
so weit irre führen lassen können, um sich in
diese Schiedsgerichtsidee so sehr zu verbeißen.
Diese Idee wurde in unserem Jahrhundert ein-
mal bereits zur Anwendung gebracht und hat
der praktische Versuch ein Ende mit blutigen
Greueln und Schrecken. Die deutsche Bundesver-
fassung hat für die Staaten des Bundes ein
solches Schiedsgericht in bester, feierlichster Form
ftatuirt. Die Verfassung untersagte den Bundes-
mitgliedern , ihre Streitigkeiten untereinander
anders als vor dem Forum des Bundestages zu
schlichten. Gewaltthätige Selbsthülfe oder gar
Heranziehung fremder Hilfe wurde als Bundes-
bruch verfehmt, als Landesverrath unter Ahndung
gestellt.
Nun, das deutsche Volk hat es Anno 1866
mit Schaudern erlebt, wie sehr nichtig derlei
Bundesgesetze und schiedsrichterliche Vorkehrungen
sind, wenn es einmal einem oder mehreren Mit-
gliedern gefällt, jene Gesetze mit der Degenspitze
zu durchlöchern, und — die gesetzesgetreuen Mit-
glieder nicht stark genug sind, es zu wehren oder
gar die offene Auflehnung zu ahnden!
Dieses eine blutige Exempel, meinen wir,
sollte hinreichen, um jedem logisch denkenden
Menschen die Illusionen gründlich auszntreiben,
als könnte die Abschaffung der Kriege im Wegs der
Schietsgerichte bewirkt werden! Es ist leider ein
schöner Traum bloß, den die wackeren Apostel
träumen. Herz und Gsmüth der Träumer in
Ehren, aber was sie träumen, wird nie und
nimmer Verkörperung finden. Die beste Rüstung
zum Krieg wird leider für immerwährende Zeiten
das beste Mittel gegen den Krieg bleiben._
-LrrmLM- Mersi
VerUn, 11. September.
— Der Kaiser und König hat felgendes
Telegramm an die Willwe des Wirkt. Geheimen
Ratbs v. Helmholtz gerichtet: „Marienburg, 8.
Sept. 1894. Frau v. Helmholtz, Charlotlenburg.
Die Nachricht von dem Dabinscheiden Ihres Ge-
mahls hat mich um so tiefer erschüttert, als mir

Wohin ging er? Wo war Herr Volkheim? Gott im
Himmel, wenn der Alte den Besuch ihm anmeldete?
Sie dachte den letzten Gedanken nicht aus. Sie
stand auf dem Korridor, ehe sie es sich versah. Mit
beiden Händen umklammerte sie das Treppengeländer.
So stand sie aufhorchend
Minuten verflossen. Da — der alte Johann kam
wieder zum Vorschein, und er kreuzte die untere Halle,
— er schritt auf die Treppe zu. Sie wich zurück, in
den Schatten des oberen Korridors hinein. Erst als
der Graukopf die Treppe erstiegen hatte, trat sie, wie
aus einem der Zimmer kommend, ihm entgegen.
„Was haben Sie?" fragte sie gleichmülhig und erst
der verwunderte Blick des Diener erinnerte sie an die
Tdatsache, daß sie die Schutzbrille nicht angelegt hatte.
Aber jetzt galt es Wichtigeres als folche Nebensächlichkeit.
„Ein Herr wünscht Herrn Volkheim zu sprechen,"
meldete Johann pflichtgetreu.
Frau Hella's Blick streifte die Karte, welche der
Alte in seiner Hand trug.
„Ah, wer ist es, — zeigen Sie!" sprach sie sehr
selbstbewußt.
Damit langte sie bereits nach der Karte, welche der
Graukopf ihr überlassen mußte'
Mit einem Blick, als gelte es die nebensächlichste
Sache von der Welt, sah sie auf den Namen, den die
Karte trug. Kein Zug in ihrem Antlitz veränderte sich,
nur ihre Augen hatte sie nicht in Gewalt, und das
Spiel derselben fiel an dieser Frau, die nur mit der
Schutzbrille zu sehen war, doppelt auf.
Ihre Stimme strafte die Sprache dieser Augen
Lüge; sie war kalt und hart, als sie sprach;
„Ein fremder Name und mehr noch, — ein zigeuner-
hafter Name! Sicher kein Angehöriger der besseren
Stände, sondern vielmehr ein Mensch, der irgend ein
Anliegen an Herrn Volkheim hat, — vielleicht gar Be-
rechnung auf eine bei ihm vorausgesetzte momentane
Rührseligkeit . . . Ich will den Menschen flehen, bevor
Sie ihm melden! Wo wartet er?"
„Im Empfangssalon!" lautete die einfache Antwot.
Frau Hella nickte kurz. Dabei schritt sie an dem

sein lebensvolles Bild noch aus unserem letzten
Zusammensein in Abbazia vor Augen steht. Ich
spreche Ihnen meine herzlichste Tbeilnahme an
diesem schweren Verluste aus und hoffe, daß eS in
etwas zu Ihrem Tröste gereichen wird, daß mit
Jbnen die wissenschaftliche Welt, das Vaterland
und Ihr König trauern.
— Der Zcntralverein der deutschen Lederin-
dustrie hatte sich an das Reichs-Eisenbahnamt
mit der Bitte gewendet, beim Bundesrathe eine
Aenderung der Eisenbahnbetriebsordnung
dahin zu beantragen, daß gewisse Transporter-
leichterungen für die Einzelsendungen frischer un-
gesalzener Häute, welche auf den bayerischen Lokal-
bahnen erprobt werden, sür alle Eisenbahnen
dauernd gewährt würden. Das Reichs-Eisenbahn-
amt hat dem genannten wirthschaftlichen Vereine
die Mittheilung zugehen lassen, daß der Bundes-
rath zwar noch nicht eine entsprechende Aenderung
der Eisenbahnbetriebsordnung beschlossen, jedoch
gestattet habe, daß auf sämmtlichen deutschen
Eisenbahnen während des kommenden Winters
die Transporterleichterungen versuchsweise zuge-
lassen werden.
— In vergangener Woche fand in Lübeck eine
Konferenz der Eisenbahnverwaltungen statt,
um die Vereinbarungen über die Beistellung der
dem internationalen Personenverkehr dienenden
Durchgangswagen für die kommende Winterfahr-
ordnung festzustellen. Im Allgemeinen bleiben die
Vereinbarungen die gleichen wie im verflossenen
Winter; neu und für das reifende Publikum sehr
angenehm ist die Bestimmung, daß als Durch-
gangswagen für den Verkehr von Berlin nach
Rom, von Dresden nach Ala und von Berlin nach
Meran künftig neue Korridorwazen mit numerirten
Sitzplätzen und Seitengängen mit Lederbälgen,
welche das Gehen von einem Wagen zum anderen
ermöglichen, von der preußischen, sächsischen und
bayerischen Staatsdahn gestellt, und diese Wagen
von der österreichischen Südbahn und den italie-
nischen Bahnen übernommen werden.
Marienburg, 9. Sept. Das gestrige Fest-
mahl für die Provinz Westpieußen nahm einen
glänzenden Verlauf. Der Kaiser brachte folgen-
den Trinkspruch auf die Provinz aus: „Das letzte
Mal, als mich das Mahl mit Ihnen, meine Herren,
vereinte, war es in der alten Handelsstadt Danzig,
in dem schönen, alten Emporium des deutschen
Handels und der deutschen überseeischen Beziehungen.
Damals, in einer ausgezeichneten und zu Herzen
gehenden Rede, trat der Vorsitzende des Privinzial-
landtages für die Provinz unv ihren Bauernstand
ein, die Wünsche wir verlegend, welche die Provinz
auf dem Herzen halte. Am heutigen Tage ver-
sammeln wir uns in der altehrwürdigen Marien
Graukopf vorüber, der ihm mit sorgenvollem Blick
folgte.
Das Empfangszimmer durchkreuzte eine hohe
Manncsgestalt, als die Hausdame die Thür zu dem-
selben öffnete. Sie zögrrte, ehe sie die Schwelle über-
schritt. In demselben Moment hatte der Fremde sich
schon zurückgewandt und sein Blick fiel auf die Ein-
tretende, — unwillg, starr.
„Verwünscht!" murmelte er vor sich hin.
Johann, der die Thür hinter der Hausdame pflicht-
schuldig schloß, sah noch, wie der Besucher auf die Ein-
tretende zuschritt, dann mußte er zurücktreten und die
Thür schließen; instinktiv lehnte er sie nur an.
Mit viclbezeichnender Handbewegung hatte Frau
Hella inzwischen das Näherkommen des Besuchers
in dem Raum drmnen geschehen lassen. Jetzt stand
er vor ihr. .
„Hier nicht, — hier nicht!" stieß sie mit Usbsr-
windung hervor. „Dort — dort!"
Sie deutete mit der ausgestreckteu Rechten auf
einen anstoßenden, nur durch eine herabgelassene Por-
tiere von dem ersteren getrennten Raum.
Sie wankte mehr, als sie ging, durch das Gemach,
in welchem sie beide sich befanden. Mit förmlich flie-
genden Händen theckte sie die Porteire und trat in den
zweiten Raum ein, welcher in seiner Ausstattung den
ersteren an Eleganz bei weitem übertraf. Es war das
gjeiche Gemach, in welchem man Frau Volkheim, offen-
bar durch Gas erstickt, aufgefunden hatte.
Sie durschritt zuerst die herabgelassene Portiere;
der Besucher folgte ihr, — ohne ein Wort.
Sie wankte auf die Mitte des Raumes zu, wo sie
auf einen der tiefen Sessel niedersank, mit bleierner
Schwere. Es war der gleiche Sessel, in welchem die
Todte in jener verhängnißvollen Nacht geruht hatte.
Schaudernd erinnerte sie es sich und wollte sich erheben,
aber sie war wie gelähmt, — sie vermochte es nicht;
die Kraft versagte ihr.
„Was — was ist geschehen?"
Es war alles, was sich ihr entrang.
Er war an sie herangetreten, mit spöttischem Blick;
offenbar hatte er für ihre Schwäche kein Mitleid.

bürg, und die Provinz stebt, Gott sei Dank, unter
dem Einfluß einer guten Ernte. Wie Sie schon
erfahren haben, ist meine landesväterliche Sorge
bestrebt gewesen, für Sie zu thun, was in unseren
Mitteln liegt. Ich blicke auf Sie als meine Mit-
arbeiter zu weiterem Streben und Thun. Dieses
Schloß, in dessen Mauer die weißen Mäntel mit
dem schwarzen Kreuze von den Rittern einherge-
tragen wurden, war die Hochburg des Deutschthums
gegen den Osten; von ihr ging die Bekehrung
der Heiden, von ihr die Kultur in alle Lande
hinaus. So möchte ich der Provinz von Herzen
wünschen, daß sie die Marienburg stets als ein
Wahrzeichen des Deutschthums ansehen, daß sie
stets pflegen und hegen möge deutsche Sitte und
deutschen Glauben, und daß sie sich hierdurch immer
fester zusammenschließen möge. Auf das Gedeihen
und Blühen der Provinz Westpreußen leere ich
mein Glas. Die Provinz, sie lebe hoch! Und
nochmals hoch! Nnd zum dritten Mal hoch!"
Marienburg, 9. Sept. Der Kaiser und
die Ka i s e r i n sind heute Morgen um halb 9
Uhr mit Sonderzug nach Schlobitten, bezw. Königs-
berg abgereist. — Der König von Württemberg
besichtigte heute Nachmittag eingehend das Hoch-
schloß.
Schlobitten, 9. Sept. Das gestrige Manöver
des XVII. Armeekorps Kat folgenden Verlauf ge-
nommen. Während das Westkorps in allgemeinem
Vorgeden begriffen war, hatte der Kommandeur der
Ostdivision seine Kavallerie näher an den linken
Flügel herangezogen. Letztere griff in den Kampf
ein, als eine vorübergehende rückgängige Bewegung
des rechten Flügels des .Westkorps eintrat. Die
Kavalleriedivision ritt an, vorweg die Husarenbri-
gade, die in äußerst schneidiger Gangart das
schwierige Gelände durchritt, sich auf die feindlichen
Schützenlinien warf, diese durchbrach, jedoch bei den
binteren Abtheilungen auf so starkes Feuer stieß,
daß sie unter großen Verlusten im Galopp zurück-
geben mußte; oeßgleichen die anderen beiden Ka-
valleriebrigaden, die der Husarenbrigade gefolgt
waren. Inzwischen erlangte die Artillerie des
Westkorps Feuerüberlegenheit über die feindliche
Artillerie. Die Ostdivision, deren Stellung er-
schüttert war, beschloß den Abzug in der Richtung
von Pomellen und wurde auf dem Rückzüge von
dem nachdrängenden Westkorps heftig beschossen.
Hiermit war ein lehrreicher Manövertag abge-
schlossen. Ganz besonoers bemerkenswerth war,
daß die Korpsartillerie des Westkvrps und die Ar-
tillerie der 35. Division hinter flachen Höhen
nördlich von Spitlelhof in überaus geschickter
Weise so verdeckt aufgefahren war, daß der Gegner
es nicht bemerkt batte. Der Kaiser ritt, nachdem
er die Kritik abgehalten, in scharfem Galopp nach
„Welche sonderbare Frage!" sagte er. „Ich habe
nicht nach dir verlangt und bin durchaus nicht erfreut,
dich zu sehen. Du bist unklug! Weßhalb läßt du mich
nicht ruhig gewähren? Desto unauffälliger ist es, was
ich vorhabe. Weßhalb kreuzest du meinen Weg? Was
verstehst du davon, was ich beabsichtige?"
Sein Ton klang hart, kalt; er verrieth in der That
nicht das mindeste Mitgefühl mit ihrer Schwache.
Und angstvoll begegnete sie seinem Blick, — wie
die gebändigte Löwin auf ihren Meister sieht.
„Was willst du hier?" preßte sie hervor.
„Warum fragst du mich darnach?' gab er zuruck,
uud der Ausdruck seiner Augen wurde noch eisiger, un-
nahbarer. „Ich kann dir die Fragen nicht verwehren,
doch sie sind nutzlos, da ich dir nicht antworten will.
Du hättest mich gewähren lassen sollen. Wenn ich dir
etwas sagen wollte, so hätte ich es verstanden, dich zu
erlangen. Die Scheu von ehedem lst vorüber, ^ch will
Herrn Volkheim sprechen, — lvarum, kümmert dich nicht.
Ich habe meine bestimmten Grunde. Das muß dir
genügen!"
„Und wenn es mir nicht genügt?"
War sie wahnsinnig, d"8 sie die Worte sprach?
Sein Lächeln, welches als Antwort darauf seine Züge
verzerrte, — ein grausames Lächeln, — zeigte, daß
seine Gedanken, die er hegen mochte, der Frage ver-
zweifelt nahe kamen.
Sie hatte sich sitzender Stellung aufgerichtet und
er trat dicht vor sie hm. Sern Blick bohrte sich in den
ihren wie ein Feuer orahl.
„Thörin!" zischte er, indeß er ihr Handgelenk um-
klammerte, daß es ihr war, als ruhe dasselbe in einer
eisernen Klammer. „Thörin! Was willst du gegen
mich? Bist du nicht weiches Wachs in meiner Hand,
gezwungen, thun zu müssen, was ich dir befehle? Wage
es doch,, dich gegen mich aufzulehnen, und mein Ver-
derben ist auch das deine, — ja, mehr noch: während
ich mich rette, zertrete ich dich, die du mich vernichten
wolltest. Ich warne dich: kreuze meinep Weg nicht, oder
du bist verloren!"
Mit einem Ruck gab er ihre Hand frei, so daß ihr
 
Annotationen