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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 201 - Nr. 210 (29. August - 8. September)
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Nummer M4. H Jahrgang.

Meusv

Samstag, 1. September 1894

General-GAnreiger

-4 l
AborrrremenlSpreis r
mit Sscitigcm illugrirtem SountagSblatt: monatlich
4» Pfennig frei in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.

Exr>editic>rr: Kauptlkrcrste Mr. 26.

für Heidelberg und Umgegend
(Mürger-Zeitung).

s . ... .. , i,
Jnsertionsprciö:
die lspaltige Pclitzeile oder deren Raum S Pfg.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg», bn öfterer Wicder-
bolung entsprechender Rabatt-
*-----——————»
Expedition: Hauptstraße Mr. 26.

Geleseirstes Blatt rn SLndL u. Arrrt HeLdeLveVg rrird GvötzLeV GVfsLg für? Insekte.

"«A- Telephon-AnsMlufr Nr 102. "MS
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für den Monat..September kostet der
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General-Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
(Würger-Zeitung)
nebst Mustr. Ssnntagsblatt am Postschalter
abgeholt.
(Vom Briefträger ins Haus gebracht 13 Pfg. mehr.)
In Heidelberg und den nächsten Orten der
Umgebung kostet der „Neue General-Anzeiger für
Heidelberg und Umgegend"
numatlich nur M Pfg.
frei in s Haus.
Bestellungen werden von unfern Trägern und
Trägerinnen sowie von allen Po st an st alten
fortwährend angenommen.

Ium Sedantag.
Längst hat der Sedantag die Probe be-
standen, daß er wohlgeeignet war, unter den
großen historischen Gedenktagen unserer Nation
als der erste gefeiert zu werden. Trotz mannig-
fachen Widerspruchs hat sich dieser Tag mehr und
mehr im Volksgemüth festgesetzt. Nur Leute, die
überhaupt für patriotische und nationale Gefühle
keinen Sinn und kein Verständniß haben, stehen
grollend und verstimmt bei Seite. Aber die
große Mehrheit des Volkes richtet sich an diesem
Tage, in dem sie die Erinnerung an die ganze
große Zeit unseres nationalen Auserstehens zu-
sammenfaßt , in ihrem Stolz und ihrer Freude
am Vaterlande aus. Nicht den Schlachttag seiern
wir, sondern den Tag, an dem der Krieg zu
unseren Gunsten tatsächlich entschieden und damit
das langersehnte Ziel aller Patrioten, die Auser-
stehung Deutschlands zu nationaler Einheit und
stolzer Größe gesichert war, den Tag, an welchem
gewaltig und erschütternd wie an keinem andern,
Gottes Gericht erging über einen Friedensbruch
und eine Herausforderung ohne Gleichen, über
eine jahrhundertelangeMißhandlung unseres Volkes.
Es ist ja nicht Alles mehr im Deutschen Vater-
land, wie man es in den herzerhebenden Tagen
unseres nationalen Ausschwungs auch für die
Zukunft erhofft hatte. Eine mißvergnügte, trübe
und verzagte Stimmung geht durch weite Kreise.

unseres Volkes. Vielen wird der Kampf ums
Dasein gar zu schwer gemacht. Viele erheben
Ansprüche ans Leben, die sich in unserer unvoll-
kommenen Welt niemals erfüllen lassen, und
rütteln unzufrieden und aufgehetzt an den Grund-
lagen der öffentlichen Ordnung. Eigensucht, Partei-
haß, niedrige Leidenschaften vergiften in vielen
Gemüthern die Freude am Vaterland. Die
Sonderinteressen und die Gegensätze religiöser,
wirthschaftlicher, sozialer Art treten mehr in den
Vordergrund als das Gemeinwohl die großen vater-
ländischen Güter und die idealen Bestrebungen.
Gerade gegen solche Stimmungen aber wollen
und sollen schöne, würdige und erhebende Feste
ankämpfen, welche dem Volk den Stolz und die
Freude an seinen großen Thaten in die Seele
zurückrufen und die Pflicht einschärfen, was immer
die Zukunft bringen mag, für das Vaterland die
letzte Kraft einzusetzcn._
Deutsches Reich.
Berlin, 1. September.
— Die Einweihung der Sarkophage
des Kai fers Wilhelm I. und der Kaiserin
Augusta im Mausoleum zu Charlottenburg wird
den Abendzeitungen zufolge am 1. September in
feierlichster Weise vor sich gehen, das Kaiserpaar
und sämmtliche hier anwesenden Prinzen und
Prinzessinnen werden der Feier beiwohnen, ferner
werden diejenigen Personen, die zum Hofstaate der
verstorbenen Majestäten gehört haben, zugegen sein.
— Durch einen Beschluß der 10. ordentlichen
Sitzung des Zentralvorstandes deutscher
Arbeiterkclonien wird allen Borständen von
Arbeiterkclonien dringend empfohlen, auf Anträge der
Landespolizeibehörde, die den Zweck haben, zu
korrektivnellerNachhaftVerurtheilten
unter einstweiligem Aufschub der Vollstreckung dieses
Urtheils den Aufenthalt in den Kolonien
zu ermöglichen, bereitwillig einzugehen. In Baden
ist diese Anregung auch insofern auf fruchtbaren
Boden gefallen, als das Ministerium sich mit dem
Ausschüsse des badischsti Landesvereins für Arbeiter-
kolonien schon darüber ins Vernehmen gesetzt hat.
Auf Grund der Verhandlungen hat das Ministerium
den in Betracht kommenden Amtsstellen versuchs-
weise die Ermächtigung erlheilt, den der Landes--
Polizeibehörde überwiesenen männlichen Personen,
unbeschadet der Festsetzung der korrektionellen Nach-
haft, den Eintritt in die Arbeiterkolonic Ankenbuck
unter der Zusage freizustcllen, daß bei dreimonat-
licher tadelloser Führung daselbst von der Unter-
bringung im Arbeitsbause abgesehen werden soll.
Von dieser Ermächtigung ist nur gegenüber solchen
der Landespolizeibehörde Ucberwiesenen Gebrauch zu
machen, deren Ueberweisung zum ersten mal erfolgt
und für deren mildere Behandlung besondere Um-

stände sprechen. Der Eintritt in die Arbeiterkolonie
und der Aufenthalt daselbst ist — dem Charakter
der Anstalt gemäß — stets ein freiwilliger. Auch
wird die Ueberweisung natürlich nur dann erfolgen,
wenn kein Fluchtverdacht vorliegt.
— Eine derjenigen Vorlagen, welche der
Bundesrath bald nach der Wiederaufnahme seiner
Berathungen erledigen dürfte, wird das neue amt-
liche Waarenverzeichniß zum Zolltarif sein.
Der Entwurf dazu ist schon vor Jahren ausge-
arbeitet, es ist auch schon längere Zeit her, daß
sich oer Bundesratb mit ihm beschäftigt. Zuerst
verzögerten das Zustandekommen die nach und
nach abgeschlossenen Handelsverträge, welche in die
deutschen Zolltarifverhältnisse starke Veränderungen
brachten, sodann das Nichtzustandekommen des
deutsch-spanischen Handelsvertrages, in Folge dessen
schon in dem Entwurf eingefügte Aenderungen
wieder gestriechen werden mußten, schließlich eine
ganze Anzahl von Anfragen, welche sich in Folge
der veränderten Verhältnisse nöthig machten.
— Das durch die Börsenenquetekom-
mission aufgehäufte Material scheint nun gesetz-
geberisch verarbeitet werden zu sollen. Wie nach
der „Magdeb. Ztg." verlautet, werden hier im
Oktober Vertreter der Bundesstaaten die Berathungen
in Sachen der Börsenenquete beginnen. Bisher
sei der Meinungsaustausch auf schriftlichem Wege
erfolgt. Es handelt sich anscheinend besonders um
eine strengere staatliche Oberaufsicht der Börse und
um die Einführung der Börsenregister.
— Die 49. gemeinschaftliche Sitzung der
ständigen Tarifkommission der Deutschen Babnen
und des Ausschusses der Verkehrs-Interessenten
findet, wie der „B- Akt." hört, am 19. und 20.
September in Stuttgart statt. Der Ausschuß der
Velkehrsinteressenten wird gesondert am 18. Sep-
tember über die Vorlagen für die Plenar-Versamm-
lung Vorberathung pflegen.
"Karlsruhe, 31. Äug. II. KK. HH. die
Großherzogin und die Erbgroßtzerzogin begaben sich
gestern Vormittag über Konstanz und Romanshorn
nach Lindau und besuchten daselbst II. KK. HH.
den Prinzen und die Prinzessin Ludwig, sowie die
Prinzessin Tberese von Bayern und später Ihre
Kaiser!, und König!. Hoheiten den Großberzog und
die Großherzogin von Toskana. Nachmittags
wurde die Fahrt nach Langenargen fortgesetzt, wo-
selbst II. KK. HH. die Großherzogin und die
Erbgroßtzerzogin I. K. H. der Prinzessin Luise von
Preußen auf Schloß Montfort einen Besuch ab-
statteten. Die Rückkehr nach Schloß Mainau er-
folgte Abends 9 Uhr.
Karlsruhe, 31. Aug. Nachrichten aus Schweden
hatten die Bevölkerung über das Befinden der Frau
Kronprinzessin Viktoria von Schweden sehr
beunruhigt. Mit Genugthuung vernimmt man

deshalb, daß es sich doch nur um wesentlich vor-
beugende Maßnahmen handelt, wenn die Frau Kron-
prinzessin den rauhen Herbst des nordischen Landes
vermeiden und schon von Mitte Sept, ab Aufenthalt
auf Schloß Mainau und Schloß Baden in der
alten Heimat nehmen soll.
Karlsruhe, 30. Aug. Von den Behörden ist
schon vor längerer Zeit die Möglichkeit der Lohn-
auszahlung an die Eltern und Vor-
münder von Arbeitern mittels statutarischer
Bestimmungen angeregt worden. Bisher hat aber
diese Anregung keinen wesentlichen Änklang ge-
funden. Die dagegen geltend gemachten Einwen-
dungen sind aber nicht stichhaltig, insbesondere könnte
eine Umgehung bei Accordarbeiten nicht wohl statt-
finden. Sie wäre wohl nur bei der Cigarrenfabri-
kation in Betrachtung zu ziehen, hier aber ist durch
eine Verfügung des Bundesraths die direkte Aus-
zahlung der Wickelmacher durch die Cigarrenmacher
untersagt.
Ausland.
Paris, 31. Aug. Der Papst sandte heute
dem Grasen von Paris seinen Segen. Die
Herzogin von Chartres ist in Stowe-
House angekommen. — Die fremdherrlichen
Osficiere, die den großen Manövern bei-
wohne.n sollen, werden am 15. abends in Chartres
eintreffen und bis zum 20. dort verweilen. Der
russische Militärattache General v. Fredericks
wird in der Präfectur absteigen. Drei wohl-
habende Bürger werden je sechs fremden Offi-
zieren Gastfreundschaft anbieten, die Gäste werden
jeden Morgen im Wagen abgeholt und nach der
Manövergegend gefahren werden. Am 20. wird
ein Sonderzug dieselben zu der Parade führen,
die in Gegenwart des Präsidenten der Republik
und des Kriegsministers stattfinden wird. — Das
SchwurgerichtdesScinedepartements
hat einen Tischler, der die Ermordung Carnots
gepriesen hatte, freigesprochen. — Die Zeitung
„Petit Cap oral" wird wegen Beleidigung
der Justiz verfolgt. — Zwischen der hiesigen und
der Congoregierung ist ein Einvernehmen
über die Uebergabe der abgetretenen Posten erzielt
worden. Um dem Ansehen der belgischen Offiziere
des Congostaatcs nicht zu schaden, wird die Ueber-
gabe der Posten, die im kürzlich abgeschlossenen
Vertrage von der Congoregierung auf dem rechten
Ufer des M'Bomu an Frankreich abgetreten
worden sind, mit großer Feierlichkeit vorgenommen
werden. Es ist dieses Einvernehmen bei einer
abermaligen Reise des Barons Goffinet nach
Paris am 14. August erzielt worden.
Rom, 31. Aug. Der Arzt des Papstes ver-
sichert, daß sich der Papstwohl befinde. Ob-
gleich er sich durch die ungewöhnliche Hitze abge-

>e-

Aie verborgene Kcrnö.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von der Have.
23) (Fortsetzung.)
Der Kriminalbeamte musterte den jungen Mann
scharf, während derselbe sprach.
„Schuldlos!" redete er ihm jetzt nach. „Sie sagen
das Wort so leichthin, und doch spricht so schwerwiegen-
der Verdacht gegen Sie. Herr Volkheim, es wäre ein
Unrecht, wenn ich Sie darüber täuschen wollte. Man
glaubt an Ihre Schuld. Es fehlen nur die erforder-
lichen Beweise, Sie festzunehmen; längst wäre es sonst
geschehen, und nur auf die Bürgschaft Ihres Herrn
Vaters hin hat man sich dazu verstanden, Sie fort-
zulassen. Meine augenblickliche Anwesenheit hier hat
indeß nichts damit zu thun, sondern ist viel ganz pri-
vater Natur. Ich möchte einige Fragen an Sie rich-
ten und Sie bitten, mir dieselbe ohne Scheu, der
Wahrheit getreu zu beantworten."
Hans hatte das Haupt erhoben; er begegnete voll
des Sprechers Blick.
„Auch Sie glauben mir nicht?" sagte er mit Bit-
terkeit. „Sie zweifeln bereits an mir, ehe Sie noch
gesprochen haben, und ich sehe, wie meine Sachen
stehen . . . Doch fragen Sie immerhin und befürchten
Sie nichts, — ich werde Ihnen wahrheitsgetreu ant-
worten."
Des Beamten Blick bohrte ssich förmlich in den
feinen. „ ,
Ich nehme Sie beim Wort!" sprach er. „So sagen
Sie mir vorerst: warum fchickt Ihr Herr Vater Sw
über See, und vollends gar, warum im Schiffsdienst?
Hans war es heiß ins Gesicht geschossen; wie mit
Blut übergossen stand er da.
„Nun?" forschte der Beamte.
Der Jüngling raffte sich auf.
„Weil er mich verdammt, ungehört verdammt, —
weil er mich schuldig an allem hält und deßhalb den
Stab über mich bricht ohne jede Gnade!" stieß er aus.

„Damit ist mein Urtheil gesprochen. Verdammt der
Vater mich, was sollen die fiebrigen thun, die, ohne
Herz nach dem Schein richten können?"
„Sie bekennen sich nicht schuldig?" sagte der
Kriminalbeamte langsam.
„Nein, bei allem, was heilig, nein!" rief Hans
mit Ekstase.
„Und dennoch gehen Sie gutwillig?" forschte der
Beamte weiter.
„Weil ich muß!" stieß Hans wie zuvor aus.
„Mein Vater drohte mir, mich den Gerichten zu über-
antworten, wenn ich ihm nicht gehorsamte!"
„Und Sie glauben, daß er das thun würde?" in-
quirirte der Detektiv.
„Ja, das glaube ich!" antwortete Hans gepreßt.
„Fest und unbeugsam, wie sein Wille ist, führt'er aus,
was er sich einmal vorgenommen hat, mag darüber ge-
schehen, was da wolle. Von dem Manne der kein
Wort der Milde für mich hatte, habe ich alles zu er-
warten."
Der Beamte nickte nochmals mit dem Kopfe.
„Sie können schon recht haben," sagte er, „es ist
unleugbar, Ihre Sache steht verzweifelt schlecht, und am
Ende können Sie Gott danken, daß Sie überhaupt so
wegkommen .... Sagen Sie doch, wo waren Sie
in der Nacht der Katastrophe, bevor Sie in jenen Kreis
kamen, in welchem ein gewisser Janos Sandory die
Hauptrolle spielt? Bin ich recht unterrichtet, daß Sie
eben mit diesem Matador der Gesellschaft beisammen
waren?"
HanS hatte wieder scheu den Blick gesenkt.
„Ja," fügte er, „ich war in seiner Begleitung und
wenn mich heut etwas mit Bitterkeit erfüllt, so ist es
die Erinnerung an jene Stunden, welche ich im tollen
Taumel verbrachte, indes meine Mutter daheim von
Meuchelmord ihren Tod fand."
„Wo waren Sie in diesen Stunden-
„Das weiß ich nicht"! antwortete' Hans. Am
Abend traf ich mit diesem Sandory zusammen, welcher
mich an sich zu fesseln wußte, und wie ein wüster
Traum beim Erwachen hinter uns liegt, daß wir ihn
nicht zu entsinnen vermögen, so ist mir jetzt, was in

„Das ist mir gerade kein Räthsel," nickte der Be-
amte, den vor ihm stehenden Jüngling prüfend musternd.
„In der Gesellschaft, zu welcher Ihre Geburt und Stel-
lung Sie berechtigten, sahen Sie diesen Sandory in-
deß nicht?"
Nein!"
„Derselbe verkehrte auch nicht in Ihrem Hause?"
„Nein!"
„In gewisser Sphäre ist er wohl sehr bekannt?"
„Sehr bekannt, ja!" „
„Was wissen Sw über sein Vorleben -.
„So gut wie nichts!" sprach Hans deprimwrt. „Er
sprach von so zahlreichen Abenteuern, welche er be-
standen, daß man eben daraus erst gar nichts ent-
nehmen kann, als das eine, daß er eme echte, rechte
Zigeunernatur sein muß.
„Ganz recht, das stimmt vollkommen Mit meiner
Beurtheilung überein. Er steht auf einer gewißen Höhe
als Künstler, welcher Beruf ihm reichen Verdienst ein-
trägt, so daß er auf ziemlich großem Fuße im Hotel,
also völlig zwanglos, leben kann: iin übrigen meidet
man ihn in der besseren Gesellschaft, so viel man es
mit Anstand kann und ihn nicht gerade zur Verherr-
lichung einer Soiree bedarf - - - Hm ich hätte so gern
etwas festgestellt, was Ihr AUbi nachweist; darum all
diese Fragen. Dieser Sandory scheint in der That Jhr
böser Geist geworden zu sein, weil durch seine Schuld
grade der wichtigste Wbm, der auf eine Spur lenken
könnte, abgefchnitten scheint. Das wiffen Sie aber doch
unbedingt, wo sne mu oem Ungarn zusammentrafen?"
„Ja, das war unter den Arkaden. Ich war eben
mit einem Boot zur ^tadt gekommen und überlegte,
wie ich den Abend todtschlagen sollte, denn tolle Ge-
danken kreuzten mein Hirn, da trat mein Dämon mir
in den Weg.. Wir gingen dann in die Weinhallen,
um zu soupieren, und tranken Sekt, viel Sekt dazu.
Sandory uaym meinen Arni, als wir wieder gingen,
und da die kühle Luft draußen die Wirkung des Sekts
erst recht zur Geltung brachte, widersprach ich mit keiner
Silbe, als er eine Droschke anrief, in welche wir ein-
stiegen. Wohin wir fuhren, weiß ich nicht. Dunkel
schwebt mir vor, daß wir, nachdem wir den Wagen

jenen Stunden geschah. Ich muß schier von Sinnen
gewesen sein, daß mir nichts davon erinnerlich ist."
„Sie wissen aber doch, daß Sie mit diesem San-
dory zuletzt Ihren Klub, wie Sie Ihre Vereinigung
nennen, aufsuchten?"
„Ja, das ist richtig; es war schon spät nachts,
und ich trank auf Sandory's Rath starken, schwarzen
Kaffee, um meine Lebensgeister, die mich immer wieder
verlassen wollten, neu aufzufrischen!"
Der Beamte sann einige Minuten nach, dann hob
er von neuem an:
„War dieser Sandory die ganze Zeit in Ihrer
Gesellschaft?"
„Das weiß ich eben so wenig."
„Er war Ihr Freund, nicht wahr?"
„Dafür hielt ich ihn; jetzt betrachte ich ihn nnt
andern Augen."
„Ah, mit welchen, wenn man fragen darf?"
„Mit den Augen eines aus tiefem Schlaf zur
Wirklichkeit Erwachten. Er erscheint mir wie ein
Vampyr, der sein Opfer haben will und muß."
„Weshalb?"
„Das weiß ich nicht, doch es ist ern instinktives
Gefühl, denn wäre ich nicht in seiner Gesellschaft ge-
wefen, es wäre wohl niemals zu diesem Ende gekommen."
„Wie lernten Sie ihn denn kennen?"
„In einem Konzert, wo er mitwirkte. Mit mehre-
ren Freunden befand ich mich in der Reichshalle, wo
Sandory seine Triumphe feierte. Wir umringten den
Künstler, dessen schönesAeußeres uns obendrein anzog,
und sein gewinnendes Wesen nahm vollends alle unfere
Sinne gefangen. Schnell ward er ein ständiges Glied
unserer Kreise, welche, wie ich jetzt sehe, durch Elemente,
wie er uns solche zufuhrte, erst den Charakter annahmen,
den sie letzt tragen."
„Sie verkehrten also nur in diesen Kreisen mit dem
Ungar?
„Größtentheils, ja, — wiederholt aber auch wußte
er mich allein an sich zu ketten, wenn der Böse mich in
semen Weg führte, und ich empfinde noch jetzt die
dämonische Macht, mit welcher er mich stets an fich zu
fesseln verstand!"
 
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