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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 241 - Nr. 250 (15. Oktober - 25. Oktober)
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Aeuev

Nummer 25V. H. Jahrgang.

Donnerstag, 25. Oktober 18S4.


für Heidelberg und Umgegend

*

*

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Nr« 102. "WW
Kolonialfragen.
Der deutsche Kolonialrath hat in ver-
gangener Woche in Berlin getagt. Die diesjährigen
Verhandlungen sind im Allgemeinen ziemlich ruhig
^erlaufen.
Eine der wichtigsten Fragen, die hierbei zur
Erörterung kam und bei der manche Klagen laut
Wurden, bildete die Beamtenfrage. Seitens
des Kolonialrathes ist ein Ausschuß eingesetzt
Worden, der sich mit dieser Angelegenheit weiter
geschäftigen soll. Im Allgemeinen richteten sich
die Klagen weniger dagegen, daß die Beamten
von den kolonialen Verhältnissen zu wenig Ver-
tzändniß hätten, als vielmehr auf die wesentlich
R heimischen Verhältnissen begründete Thatsache,
daß viele von ihnen sich nicht zu der richtigen
Erkenntnis; von der Bedeutung des Handels und
seiner Vertreter aufschwingen könnten. Es
icheint, daß die in Deuschland von vielen Be-
amten beanspruchte und eingenommene exklusive
Stellung gegenüber den erwerbenden Ständen
auch m den Kolonien in einer oft persönlich ver-
ätzenden und die Gesammtinteressen schädigenden
Weise hervorgekehrt wird.
Eine andere Beschwerde, die namentlich auf
Dstafrika Bezug hat, richtet sich gegen das starre
Festhalten an dem Anciennitätsprinzip,
in Folge dessen es geschehen kann, daß eben aus
Europa kommende, in afrikanischen Dingen ganz
Unerfahrene Offiziere zu Vorgesetzten von anderen
Dffizieren werden, die Jahre lang in Afrika
weilen und Land und Leute aufs Genaueste
kennen. Die Lösung dieser Frage bietet gewisse
Schwierigkeiten, es ist aber auch sicher, daß durch
den jetzt herrschenden Brauch alten ersahrenen
Afrikanern ein moralisches Unrecht zugefügt und
was noch schlimmer ist — die allgemeine
Sache geschädigt wird.
Der Fall Leist führte wider Erwarten zu
keiner großen Erörterung im Kolonialrath. Aller
Wahrscheinlichkeit nach ist das dem Umstande zu-
zuschreiben, daß alle Mitglieder des Kolonialraths
davon überzeugt sind, daß der Reichskanzler gegen
das Urtheil der Potsdamer Disziplinarkammer
Berufung einlegen wird. Nach Allem, was man
aus den Kreisen des Kolonialrathes hört, be-
trachtet man dort diese Berufung als ebenso
selbstverständlich, wie das in der ungeheuren
Mehrheit der Presse geschieht. Würde wider
alles Erwarten keine Berufung eingelegt, so würde
die Verantwortung für den unbegreiflich nach-
sichtigen Richterspruch, die heute allein die Dis-
ziplinarkammer zu tragen hat, allerdings zum
Theil auf die Reichsregierung abgewälzt werden,
die daran schwer genug zu tragen haben würde.

Vom ostafiatischen Kriegsschauplatz.
Der Krieg zwischen China und Japan
dürfte sobald noch nicht zu Ende gehen, wenngleich
die Pforten des eigentlichen Kriegstheaters, wenig-
stens im Norden, sich mit Eintritt des Winters
wohl so ipso werden schließen müssen. Der jetzige
Stillstand der Operationen gestattet bereits einen
ziemlich zuverlässigen Schluß auf die ungeheuren
Schwierigkeiten, welche den Japanern die Fortsetzung
der Aktion zu Lande bereitet. Noch scheint zwar
die kältere Jahreszeit mit ihrem Eintritt zu zögern,
aber ihre Vorboten, Regen und Nebel, sind bereits
da und machen die Fortschaffung der Geschütze auf
schlechtem Terrain, auf den ungebahnten Wegen
Nordkoreas, wo selten mehr Raum als für drei
Mannesbreiten ist, fast unmöglich. Man darf bei
der japanischen Heeresleitung, nach ihren bisherigen
Leistungen zu urtheilen, hinreichendes Verständniß
für die Anforderungen der Kriegslage voraussetzen,
um sich im Vorhinein für gewiß zu halten, daß
sie Alles aufbieten wird, zu verhindern, daß China
wieder zu Athem und zu Kräften komme. Wenn
trotzdem Woche nach Woche verstreicht, ohne daß
die am Jaluflusse in Aussicht gestellte Entscheidung
durch die Waffen fallen will, so kann dies, va
China zur Offensive anscheinend weder fähig noch
geneigt, sein Ziel in strikter Defensive sieht, nur
in Ursachen seine Erklärung finden, welche in der
natürlichen Beschaffenheit des Landes, des Klimas rc.
beruhen. Die räumlichen Entfernungen spielen in
allen Kriegen eiste hervorragende Rolle, am meisten
aber da, wo das Land unkultivirt, wegelos und
rauhen Klimas ist, wie Nord-Korea und ein an-
grenzender Theil der Mandschurei. Unter solchen
Umständen ist an ein rasches Vorrücken und eine
Schlag auf Schlag sich entwickelnde militärische
Aktion nicht zu denken. Wenn es den Japanern
noch gelingt, sich Mukdens zu bemächtigen und den
Feind vom Naluflusse abzudrängcn, so werden sie
die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit in dieser Cham-
pagne erreicht haben und die Fortsetzung in's nächste
Jahr verschieben, bezw. ihr Aktionsgebiet mehr nach
Süden verlegen müssen, wo chinesischerseits schon
in Erwartung der Dinge, die da kommen könnten,
eifrigst an Instandsetzung der Vertheidigung von
Formosa gearbeitet wird. Daß Japan sich auf
eine längere Dauer des Krieges gefaßt macht, er-
hellt übrigens auch schon mit voller Klarheit aus
dem Gange der parlamentarischen Verhandlungen
in Hiroschima. Der Mikado erklärt, daß Japan
nicht eher Frieden schließen wird, als nachdem es
Alles erreicht, was es sich vorgenommen, und die
Kammer hat diesen Worten des Herrschers einmüthig
beigepflichtet. Die Aufnahme einer bedeutenden
Kriegsanleihe sieht ebenfalls nicht nach baldigem
Abschluß der Feindseligkeiten aus. Auch China

bereitet sich auf hartnäckigen Widerstand vor und
die Chancen einer Dazwischenkunft der Mächte sind,
wie der Mißerfolg der bezüglichen englischen Son-
dirung dargcthan hat, so gut wie null.
Deutsches Reich.
Berlin, 25. Oktober-
— Gegenüberder „Kreuzztg.", die betreffs der
Beschlüsse des Staatministeriums
über die Bekämpfung der Umsturzbe-
strebungen ausführte, daß es dem Reichs-
kanzler Grafen von Caprivi gelungen zu sein
scheine, für die Vorlage die Zustimmung des
Staatsministeriums und die allerhöchste Billigung
zu erlangen, erklärt die „Nordd. Allg. Ztg." :
„Die Informationen der „Kreuzztg." scheinen
diesmal verläßlich gewesen zu sein." Gegettüber
der „Nationalztg." führt das offiziöse Blatt aus,
es werde weder ohne Ernst noch ohne Zusammen-
hang vorgegangen. Dafür bürge der Reichs-
kanzler, hinter dem der Kaiser stehe.
— Sicherem Vernehmen nach hat die gestrige
Unterredung des Kaisers mit dem
Reichskanzler die im Staatsministerium her-
vorgetretenen Meinungsverschiedenheiten über die
Bekämpfung der Umsturzparteien zum
Gegenstand gehabt. Der Kaiser hat dem Reichs-
kanzler fein volles Vertrauen und zugleich sein
Einverständniß mit den Anschauungen ausge-
drückt, die Graf Caprivi von Anfang an in
dieser Frage festgehalten hat.
— Die stimmführendenMinister der
deutschen Bundes st aaten werden an der
heutigen Bundesrathssitzung nahezu vollständig theil-
nehmen. Der Reichskanzler wird den Vorsitz führen.
Neben Maßregeln, die von Reichs wegen zur Be-
kämpfung der Umsturzparteien getroffen werden sollen,
stehen auch die wichtigeren Vorlagen, die darüber
hinaus dem Reichstag zugehen werden, zur Be-
rathung. Am Abend findet beim Reichskanzler ein
größeres Essen statt, zu dem die Einladungen vor-
zugsweise an die Bundesbevollmächtigten ergan-
gen sind.
— Einen charakteristischen Beitrag zum Kapitel
vom unlauteren Wettbewerb liefert ein
Vorfall, den der „Konfektionär* erzählt. In dem
Schaufenster eines Kleiderladens war ein elegantes
Herrenbeinkleid in auffallender Weise ausgelegt und
mit dem Preise von 3 Mk. ausgezeichnet. Ein
Kunde verlangte das betreffende Stück. Das ging
aber nicht so glatt; erstens war jene Sorte, mit
Ausnahme des im Fenster befindlichen Stückes,
gerade ausverkauft, zweitens war ganz oben in der
Ecke des Preisschildes noch die Zahl 95 angebracht,
welche man unter Zuhilfenahme eines Vergröße-
rungsglases ganz gut sehen konnte, und endlich

war der Preis von 3,95 Mk. selbstverständlich nur
für ein Hosenbein! Konkursmaffen-Ausverkäufe
werden in folgender Weise veranstaltet: Ein Ge-
schäftshaus macht Bankerott. Das Lager hat einen
Werth von 25 000 Mk. Es findet sich ein Käufer
dafür, der dem Massenverwalter nicht allein die
Waare zum Tarwerth abnimmt, sondern auch noch
das Lokal für ein Jahr miethet zum Miethspreise
von 32 000 Mk., also der Miethspreis ist schon
um 7000 Mk. höher als die Masse. Nun gebt
der Tanz los; in den Tageszeitungen wird in
großen Inseraten bekannt gemacht, daß die Kon-
kursmasse zu „Tarpreisen* verkauft wird; an den
Schaufenstern und an den Thüren werden Zettel
angeklebt, welche mit „Bekanntmachung* über- und
mit „Der Verwalter* unterschrieben sind und aufs
Haar dem Aktenstück eines Gerichtsvollziehers ähn-
lich find. Der Verwalter ist irgend ein Parthie-
waarenhändler, der auf diese Weise allen möglichen
Ramsch zu schwerem Preis an bas gute Publikum
los wird, denn das Geschäft im Ausverkauf geht
immer gut und in drei bis vier Tagen ist in der
Regel die richtige Konkursmasse ausverkauft, wäh-
rend aber noch ein ganzes Jahr lustig ausverkauft
wird. Täglich werden große Posten neuer Ramsch-
waaren eingeliefert. So wird das Publikum in
unerhörter Weise betrogen. Hoffentlich macht das
zu erwartende Gesetz gegen den unlauteren Wett-
bewerb solch' dreistem Schwindel für immer ein
Ende.
Stuttgart, 24. Okt. Der Ministerprä-
sident Frhr. v. Mitt nacht ist in der letzten
Nacht aus Friedrichshafen hier eingetroffen. Heute
wird ein Ministerrath abzehalten, in dem vermuth-
lich auch die beabsichtigten Maßregeln zur Be-
kämpfung der Umsturzparteien zur
Sprache kommen werden. Der Ministerpräsident
reist wahrscheinlich heute Abend nach Berlin.
Karlsruhe, 25. Okt. Die Einnahmen der
badischen Staatseisenbahnen betrugen nach der
provisorischen Feststellung im September 1894 aus
dem Personenverkehr Mk. 1,777,128, aus dem
Güterverkehr Mark 2,671,128, aus sonstigen
Quellen Mk. 364,100, zusammen Mk. 4,812,718,
gegenüber der provisorischen Feststellung im Sep-
tember 1893 Mk. 4,814,014 und der definitiven
Feststellung im September 1892 Mk. 4,900,565.
Die Minder-Einnahme rührt von dem Güterverkehr
her, welcher nach der provisorischen Feststellung in
diesem Jahre Mk. 143,835 weniger ergab als im
September vorigen Jahres, während der Personen-
verkehr einen Mehrertrag von Mk. 61,835 lieferte.
Ausland.
Wien, 24. Okt. Das kaiserliche Hof-
lager soll unmittelbar nach Allerseelen von Gö
döllö wieder nach Wien übersiedeln. — Zu de

Gesucht und Gefunden.
21) Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)
„Ich kann eL nicht ertragen, Unheil und Blut-
vergießen über dieses Volk zu bringen!* sagte Sinda
gedankenvoll. „Ich liebe es zu sehr, um ihm ein
Leid zuzufügen.* — „Der Rayah ist ein Brah-
wane!" warf der Missionär ein. „Aber ich will
Meiner Königin volle Freiheit geben, ihre eigene
Religion zu bewabren und zu lehren,* rief der
Rayah aus. „Ich werde nicht versuchen, Dich
Deinem Glauben abwendig zu machen.*
Der Missionär überlegte. „Es ist vielleicht der
Wille des Himmels, Königin Sinda*, sagte er
ernst. „Wenn Sie in diese Heirath willigen,
können Sie vielleicht Ihren Gatten zu ihrer Re-
ligion bekehren. Wenn Sie sich weigern, bringen
Sie Krieg und Unheil über dieses Land. Es ist
kühn von dem Rayah. Ihre Antwort, Prinzessin?*
„Ich kann sic heute nicht geben. Lassen Sie
mir Zeit zur Entschließung" sagte die liebliche
junge Fürstin mit ängstlicher Miene. „Kommen
Sie morgen, dann sollen Sie Ihre Antwort haben.*
Es war klar, daß Sie sich versucht fühlte, sein An-
erbieten um ihres Volkes willen anzunehmen und
seine Frau zu werden. Der Rayah erglühte vor
Freude. Und in diesem Augenblicke wurden seine
Bemühungen unterbrochen, denn ein Kammerherr
führte Armand Elliot und Walter Bathurst in den
Audienzsaal herein.
Elftes Kapitel.
Fräulein Elliot.
Die beiden jungen Engländer näherten sich, i

als sie in den Audienzsaal eingetreten waren, mit
langsamen, feierlichen Schritten dem Thronsessel.
Sie waren von der herrlichen, jungen Erscheinung
der weißen Fürstin wie geblendet. Sie war die
Einzige, die sie in dem großen Saale sahen; ihre
ihnen zugewandten sanften, schönen Augen leuch-
teten wie die Sterne; ihre goldblonden Haare
schimmerten wie Sonnenglanz ; das liebliche Ge-
sicht mit dem blumenzarten Teint und dem aus-
drucksvollen schönen Munde verrieth sowohl Gefühl
als Geist und Entschlossenheit, und sie war von
einer Majestät umflossen, die zu ihrer Mädchen-
haftigkeit gar nicht im Wiederspruche stand. Als
die Eingetretenen sich dem Throne näherten, schaute
der Rayah, von dem Erfolge seines Besuches bei
der weißen Fürstin sehr befriedigt, die jungen Eng-
länder finster an; dann zog er sich mit seinen Be-
gleitern langsam zurück und entfernte sich durch die
Thür.
Unwillkürlich und unbewußt beugten die beiden
jungen Männer ein Knie vor den Stufen des
Thrones der jugendlichen Fürstin und ihre for-
schenden Blicke blieben angstvoll prüfend auf ihrem
jugendlichen Gesichte haften. — Sie betrachtete
sie Beide voll Verwunderung. — Armand Elliot's
klarer, obgleich dunkler Teint, seine braunen Haare,
und dunkelblauen Augen gaben ihm ungemein
vornehmes Aussehen. Er war schön und männ-
lich und besaß eine gewinnende Anmuth, die einen
eigenthümlichen Eindruck auf die junge Fürstin
machten. Ihr Blick blieb lange auf ihm haften,
dann wanderte er zu den derben Zügen und zum
gerötheten, unschönen Gesichte Walter Bathurst's
und wieder zu ihm zurück, während sie leise mit

Hußpeth, dem alten englischen Missionär, in indi-
scher Sprache einige Worte wechselte.
Die jungen Männer konnten nicht verstehen,
was sie sagte; aber sie bemerkten eine lebhafte Er-
regung in ihrem Benehmen und eine hellere Röthe
in ihren sonst mehr bleichen Wangen. Die junge
Fürstin war an den Anblick eines englischen Ge-
sichts nicht gewöhnt. Mit Ausnahme Hußpeths
hatte sie keinen Engländer mehr gesehen, seit sie
vor Jahren nach dem Königreiche Khalsar gekommen
war. — „Sie find von meinem Volke! Sie sind
Engländer", sagte sie. „Sehen Sie, Vater Hein-
rich!" — „Ich sehe!" sagte der Missionär in der-
selben Sprache. „Aber warum sind Sie hier?
Wir haben nie englische Reisende in Khalsar ge-
sehen. Warum sind sie in Ihre Stadt gekommen?
Sie sind wahrscheinlich Abenteuerer, die von der
weißen Fürstin gehört haben und gekommen sind,
um an ihrem Hofe eine Anstellung zu suchen."
Und Hußpeth betrachtete seine jungen Landsleute
voll Mißtrauen.
Aber die junge Fürstin schaute sie voll sicht-
lichen Interesses an. Sie waren von ihrem eige-
nen Stamme. Sie sprachen die Sprache, welche
ihr die liebste war. Sie schienen ihk fast ver-
wand und ungemein nahestehend zu sein. In ihrer
leisen, lieblichen, wie Musik klingenden Stimme
ließ sie sie durch den Missionär fragen, wer sie
wären und was sie von ihr wollten. Es war Ar-
mand Elliot, welcher ihr antwortete, wäbrend sein
Gesicht vor Bewunderung für sie aufleuchtete und
seine Stimme leise und ehrerbietig war. — „Wir
sind zwei Engländer, Königin", sagte er. „Mein
Freund und Verwandter hier ist Walter Bathurst.

Ich bin Armand Elliot." Die junge Fürstin
nickte. — „Ich verstehe englich, sagte sie. „Ich
bin eine geborene Engländerin. Was suchen Sie
in Khalsar?" —„Wir kommen in einer seltsamen
Angelegenheit, Königin", sagte Elliot darauf in
englischer Sprache. „Wir suchen ein verlorenes
Kind?* — Ein Mädchen, das jetzt ungefähr
zwanzig Jahre alt sein muß," erwiderte Elliot.
„Wir haben sie weit und breit durch alle Provin-
zen Indiens gesucht, aber vergeblich. Als wir
hörten, daß eine weiße Fürstin auf den Thron von
Khalsar gelangt sei, und daß diese Fürstin jung wäre
und daß sie eine Schwester von ungefähr gleichem
Alter habe, lenkten wir unsere Schritte von neuer
Hoffnung erfüllt hierher."
Das Gesicht der jungen Königin wurde plötzlich
sehr bleich. Ihre dunklen Augen erglühten und
schienen fast schwarz zu sein. Das Mädchen hinter
ihr, die Prinzessin Maya, neigte sich hastig vor-
wärts, währmd ihr weiß und rotbes Gesicht sich
dunkler färbte und sich in ihren AugeN, sowie in
ihrem ganzen Wesen eine heftige Erregung verrieth.
Ihre Bewegung zog die Aufmerksamkeit der jungen
Engländer auf sich- Elliots Blick kehrte augen-
blicklich zu der lieblichen, jungen Fürstin zurück,
aber Bathurst studirte das hübsche weiße Gesicht
mit den blonden Haaren, die weißgekleidete Gestalt
sehr aufmerksam.
„Wer ist das verlorene Mädchen, das Sie
suchen," fragte die Fürstin mit ungeduldiger Hast.
— „Sie ist die Tochter meines eigenen Verwandten,
welcher jetzt GrafTegaron ist. Er hat kürzlich den
Titel und die Besitzungen eines entfernten Ver-
wandten geerbt. Aber vor 13 Jahren war er ein-
 
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