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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 241 - Nr. 250 (15. Oktober - 25. Oktober)
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Nummer 24S. H. Jahrgang. O ZI E Z?

Mittwoch, 24. Ottober 1«S4.


für Heidelberg und Umgegend


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Telephon-Anschluf; Nr. 1tt2.

Fsvtwähvend
werden von allen Postanstalten, Landbriefträgern
Uferen Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.
Der Achtstundentag.
Der Antrag des sozialistischen Stadtverord-
neten Singer in Berlin, auf Einführung
?er achtstündigen Arbeitszeit für alle in
?en städtischen Verwaltungen und Betrieben be-
lästigten Arbeiter und seine Ablehnung Seitens
?er Berliner Stadtvertretung, die in dem Anträge
folglich eine politische Parteidemonstration cr-
ackte, durch Uebcrgang zur Tagesordnung, haben
Aufmerksamkeit wieder auf den Achtstunden-
tag gelenkt und ihn aufs Neue der öffentlichen
^skussion unterstellt.
Auf zwei Arbeiterkongressen 1866, in Genf
in Baltimore, ist der Achtstundentag zuerst
^geregt worden. In England hat sich aus der
"Okschränkung der Arbeitszeit der Frauen auf
Stunden sim Jahre 1850) in der Praxis
Maximalarbeitszeit auch für Männer heraus-
Mldet. In Oesterreich und der Schweiz ist die
grenze auf elf Stunden fixirt, doch sind viele
Ausnahmen festgesetzt. Die sozialdemokratische
Fraktion des deutschen Reichstags hat 1885 den
Änstundentag befürwortet. Die Achtstunden-
licht für Bergleute, welche in Deutschland auf
^u meisten Bergwerken besteht, wird auch in
^Ugland bald allgemein sich Bahn gebrochen
-üben. Tief unter der Erdoberfläche in heißer
das Athmen erschwerender Luft, in drücken-
Enge, oft in gebückter Stellung, von Ge-
hren immer bedroht, kann der Arbeiter nicht
lange aushalten wie unter Verhältnissen, die
U jeder Beziehung günstig sind.
Die Einwendungen, welche gegen die Ver-
lgemeinerung des Achtstundentags erhoben
^rdm, gehen namentlich dahin, daß das vielge-
!Mige Erwerbsleben keine Schablonen vertrage,
ein Berufszweig ganz andere Voraussetzungen
und Anforderungen stelle als ein anderer,
daß, was für einige gerecht, keineswegs
l>ner für alle billig sei. Man macht geltend,
^8, wenn auch in manchen Betrieben die Re-
aktion von elf auf zehn Stunden ohne wesent-
Uche Verminderung der Produktion sich habe
ärchführen lassen, dagegen die Zurückführung
-äer Betriebe auf acht Stunden einen ein-
MNeidenden Ausfall bewirken müsse, der die
Konkurrenzfähigkeit der Unternehmer schmälern
endlich, wenn nicht die Schließung von Fa-
lken, entweder die Verminderung der Zahl der

Arbeiter oder die Herabsetzung des Lohnes be-
wirken würde. Es wird hervorgehoben, daß die
wechselnde Konjunktur starre Regeln nicht ver-
trage, daß der Unternehmer die Minderleistung
bei günstiger Lage des Weltmarktes sich gefallen
lassen könne, aber nicht bei ungünstiger. Richtig
sei nur die Beschränkung der Arbeitszeit, sowei
sie nach den speziellen Verhältnissen ohne die Ge-
fährdung des Lohnes und ohne eine Erschütterung
der Stellung des Arbeitgebers möglich sei.
Diesen Einwendungen stellen die Fürsprecher
des Achtstundentages die Thatsachen gegenübrr,
daß in einem großen Eisenwerke in Manchester
mit 1200 Arbeitern der Achtstundentag eingeführt
und nach einjähriger Beibehaltung als wohlbe-
währt befunden ist, und daß seit Juli auch die
Arbeiter auf den englischen Admiralitätswerken,
mehr als 22 000, "den Achtstundentag haben.
Von der anderen Seite wird erwidert, daß die
Admiralität noch gar keine, die Fabrik in Man-
chester nur die Erfahrung eines Jahres unter ab-
normen Verhältnissen habe, denn in dieser Fabrik
seien alle Kräfte auf das Aeußerste angespannt
worden, um den Versuch gelingen zu lassen, und
der Gewerksvorstand der Maschinenbauer habe
nicht blos den Betrieb überwacht, sondern auch
die Accord-Arbeit eines Drittels der Arbeiter ge-
duldet, die er sonst bitter befeinde. So sind
also in dieser wichtigen Frage die Gelehrten total
uneinig.
Eine zu lange Arbeit macht den Mann schlaff
und verdrießlich, setzt ihn Unfällen aus. Eine
zeitlich zu sehr beschränkte und sehr intensive
Arbeit verzehrt zu schnell Muskeln, Sehnen und
Nerven. Ein Mittelweg und die wohlwollende
Beachtung der besonderen Verhältnisse verdienen
den Vorzug. Eine Verallgemeinerung ist jeden-
alls nicht angängig, denn „Eines schickt sich
nicht für Alle."

Deutsches Reich.
Berlin, 24. Oktober.
— In der Leist'sch en Angelegenheit
ist gegen die Dahomeyweiber der Vorwurf erhoben
worden, sie seien grundsätzlich faul und müßten
geprügelt werden. Dazu wird der „V. Ztg." ge-
schrieben: „Ich war im Jahre 1864 in Abeokuta
an der Westküste Afrika's, als die Dahomeyer einen
Angriff auf die Stadt machten; sie wurden mit
großem Verlust zurückgeschlagen. Die Erbitterung
gegen die Dahomeyer, die nur die Stadt bekriegten,
um Sklaven zu machen, war groß. Wir hatten
viele gefangene Weiber, die als Sklaven arbeiten
mußten. Nie habe ich gesehen, daß die Egbas,
die Einwohner der Stadt, sie schlugen. Ich selbst
beschäftigte ein ganzes Jabr zwei Weiber, die von

7 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends die „eottonAino"
drehen mußten, aber ich habe nie Gelegenheit ge-
habt, sie zu schlagen, sie arbeiteten ohne Murren
zu meiner Zufriedenheit. Ich lebte in der großen
Negerstadt mit einem halben Dutzend Europäer
ohne Schutztruppe und ohne im Geringsten von
den Eingeborenen belästigt zu werden."
— Der preußische Oberst z. D. v. Hob e, bisher als
Generallieutenant, Ehrenadjutant undOberstallmeister
des Sultans in türkischen Diensten, aus denen er
auf Wunsch des Kaisers, wie es hieß, wegen Zwis-
tigkeiten mit dem deutschen Botschafter, Fürsten Ra-
dolin zu Konstantinopel entlassen worden war, ist
mittels allerhöchster Ordre unter Versetzung zu den
Offizieren von der Armee mit dem Rang eines
Brigadekommanders zum V. Armeekorps in Posen
commandirt worden. sHerr v. Hobe stand im Jahre
1881 als drittältester Rittmeister und Escadronchef
im 2. badischen Dragonnerregiment Nr. 21 in Rastatt.
Im Jahre 1892 ging er als Instrukteur der Ka-
vallerie nach der Türkei. In den 12 Jahren, die
er außer Landes verbrachte, ist er somit vom Ritt-
meister zum Brigadecommandeur avancirt.j
— Von dem Ausschüsse des Deutschen
Brauerbundes ist an die landwirth-
schaftlichen Vereine ein Schreiben ergangen,
dessen Inhalt für alle Landwirthe, welche Gerste
bauen, wohl beachtenswerth ist, denn es heißt in
ihm: „Nachdem seit einer Reihe von Jahren in
stets zunehmendem Maße die inländische Gerste
beim Dreschen mit Maschinen durch Zerschlagen
vieler Körner außerordentlich in ihrer Qualität ge-
schädigt wird, ist beschlossen worden, durch ein
Rundschreiben an die landwirthschaftlichen Vereine
auf Abstellung dieses Mißstandes hinzuwirken.
Damit die Landwirthe erkennen, welches rege In-
teresse von den Brauern der hauptsächlichen Ver-
wendung inländischer Gerste zu Brauzwecken ent-
gegengebracht wird, empfehlen wir einem Jeden,
die Dreschmaschinen nicht zu enge stellen zu lassen,
wie dies öfters geschieht, um rundere Körner zu
erhalten. Ein längeres Dreschen des Kornes hat
keinerlei Nachtheil für den Mälzer, während jedes
zerschlagene oder auch nur geschädigte Korn nicht
blos seine Keimfähigkeit verliert, sondern auch durch
Schimmelansatz auf der Malztenne die gesunden
Keime ansteckt und den Schimmel auf dieselben
überträgt."
— Auf Anregung des Reichskanzlers Grafen
v. Caprivi treffen voraussichtlich schon heute die
ttmmführenden Minister der verbündeten Staaten
ner ein, um eine gemeinsame Besprechung über
Maßregeln zu halten, die zur schärferen Bekämpfung
der Umsturzparteien von Reichs wegen zu treffen sind.
Kiel, 22. Okt. Die Kaiserin trifft in
Flensburg am 24. d. M., morgens um

halb 9 Uhr ein. Die Rückreise über Hamburg
erfolgt am 26., abends 7 Uhr 50 Min.
Rostock, 22. Okt. Major von Wiß mann,
der früher hier lange in Garnison stand, schreibt
an den „Rost. Anz.": „Ich heirathe am 20.
November und gehe dann gleich nach dem Süden.
Wegen meiner Absichten theile ich mit, daß ich
Beamter bin und bleibe und daher nur
Befehle oder Aufträge auszuführen habe-
Karlsruhe, 23. Okt. Seine Königliche Hoheit
der Großherzog ist heute Mittag ^2 Uhr hier ein-
getroffen. Höchstderselbe empfing um 2 Uhr den
Staatsminister Dr. Nokk zum Vortrag. Um 3 Uhr
kamen der Geheimerath Eisenlohr, Präsident des
Ministeriums des Innern, und der Staatsrath
Dr. Buchenberger zu einer gemeinsamen Besprechung
mit dem Staatsminister Dr. Nokk. Um ^5 Uhr
fuhr Seine Königliche Hoheit nach Baden-Baden.
Ausland.
Paris, 23. Okt. Die Morgenblätter be-
schäftigen sich mit dem Wiederzusammentritt der
Kammern und äußern sich vorwiegend dahin,
daß trotz der Unentschiedenheit der gegenwärtigen
Lage, die einen weiten Spielraum für Ueber-
raschungen biete, das Ministerium nicht unmittel-
bar Gefahr laufe, daß es vielmehr die angekün-
digten Interpellationen ziemlich leicht überwinden
werde. Auf größere Schwierigkeiten dürfte das
Kabinct bei der Berathung des Budgets stoßen.
Die Gegner des Kabinets rechnen auf unvorher-
gesehene Stimmenverluste der Mehrheit, um den
Sturz herbeizuführen.
Loudon, 23. Oktbr. Dem „Standard" wird
aus Wien gemeldet, sowohl Deutschland als Eng-
land seien angegangen worden, den Schutz der
österreichis ch-u ngarischen Unterthanen
in Ostasien zu übernehmen. — Nach einer Mit-
teilung der „Daily Chronicle" aus Rom sind
beim Vatikan Nachrichten über die Zerstörung
verschiedener Missionsstationen und Tötung von
Missionaren eingelaufen. Der Vatikan hat
eine Denkschrift an die Mächte wegen des Schutzes
der Missionen vorbereitet und rechnet besonders
auf Englands Beistand.
Moskau, 23. Okt. Die Zeitungen veröffent-
lichen die Antwortsdepesche der Prinzessin Alix
auf das Begrüßungstelegramm der Stadt Moskau
anläßlich der Ankunft der Prinzessin in Ruß-
land. Die Depesche der Braut des Thronfolgers
autet: „Tief gerührt, daß Moskau meiner in
dem Augenblicke gedenkt, da ich den Boden der
neuen, schon lange theueren Heimath betrete,
danken wir, meine Schwester und ich, herzlich der
alten ersten Residenzstadt und zweifeln nicht an
der Innigkeit ihrer Gebete um Gesundheit für
den geliebten Kaiser. Gott helfe uns! Alix."

Gesucht und Gefunden.
2 Roman von Hermine Frankenstein.
) (Fortsetzung.)
. Viele Verfeinerungen westlicher Zivilisation hat-
. ihren Weg in diesen orientalischen Fürsten-
^st gefunden; vielleicht waren sie durch den eng-
Zchen Missionär eingefunden worden, der der ver-
^kbenen Königin erster Minister gewesen, und
erste Rathgeber der gegenwärtigen Königin war.
, den Decken hingen Kronleuchter mit zahl-
, Wachskerzen besetzt, herab; an den Wänden
fanden sich Büchergestelle mit Büchern gefüllt;
Karen Schreibtische und zahlreiche englische Lu-
j^gegenstände vorhanden; ebenso kostbare kunstvolle,
^sche Schränke mit eingelegter Arbeit, indische
tz Ikme und Fächer, geschnitzte Gegenstände, pracht-
Porzellanvascn mit duftenden Blumen ge-
aber trotz all dieser Dinge sahen die großen
Dächer etwas kahl aus.
Zu einer frühen Stunde an demselben Morgen,
d Elliot und der junge Bathurst sich anschickten,
h , königlichen Palast zu besuchen, trug sich inner-
° seiner stattlichen Mauern eine Szene zu, zu
^cher mir jetzt die Aufmerksamkeit unserer Leser
tj I^en. Der Thronsaal war lang und groß, ein
^üges Audienzzimmer, in welchem ein Regiment
hZ^aten hätte aufmarschiren können. Sein Mar-
e^"ßboden, seine hohe gewölbte Decke, seine zahl-
jew " ""f Veranden hinausgehenden Fenster, die
gen 0^ weit geöffnet waren, um die frische Mor-
H.,;Lufl einzulassen, der Springbrunnen in der
tva? der seinen krystallhellen Strahl in die Höhe
0 und ihn wieder in ein prächtiges Marmor-

becken zurückfallen ließ, die an den Wänden stehen-
den Divans und endlich der große Thron stellten
ein Bild von seltener Pracht und Schönheit zu-
sammen. Der hohe Thronsessel aus reinstem Gold
stand auf einem dicken, zotigen Löwenfelle auf einer
kleinen Estrade drei Stufen hoch.
Dies war der Audienzsaal, in welchem die
weiße Fürstin ihre Unterthanen empfing und ihre
Bitten entgegennahm. Sie war erst seit wenigen
Monaten Königin dieses kleinen Reiches, aber si-
hatte sich durch ihre Gerechtigkeit und ihre Sanft-
muth und Güte bei ihrem Volke beliebt gemacht
und wurde in der Hauptstadt verehrt und geliebt,
als ob sie in der That das wäre, wofür die Un-
wissenderen sie hielten, eine Tochter der Götter. —
Bei einem Trompetenstoße schoben sich die Flügelthüren
an der Seite des Thronsaales auseinder und ein
stattlicher Zug betrat des Gemach. — Voran mit
dem Stabe schritt Heinrich Hußpeth, der englische
Missionär und geheime Rathgeber der Königin. Er
war ein ehrwürdiger Mann mit hagerem Gesichte
und ruhig heiterem Ausdruck, wie es seiner priester-
lichen Würde geziemte, und mit lang herabwallen-
den Haaren. — Er war sehr alt und die Schwäche
des Greisenalters und der Kränklichkeit verriethen
sich in seiner gebückten Gestalt und seinem zit-
ternden, unsicheren Gange. — Hinter ihm kamen
zwei eingeborene Würdenträger mit vergoldeten
Stäben. Diese waren ebenfalls Kronräthe und ihre
bunten, mit Juwelen besetzten Gewänder stachen
seltsam von der einfachen geistlichen Kleidung des
Missionärs ab.
Dann kam die weiße Fürstin. Neben ihr
kam ein Mädchen, das mit ihr im gleichen Alter

stand, das wir aber später beschreiben wollen.
Hinter diesen kamen andere Würdenträger in der
vollen Pracht orientalischer Gewandung, während
draußen im Hofe Trommeln und Tamtams ge-
schlagen wurden, um es weit und breit in der
Stadt bekannt zu geben, daß die Königin in ihrem
Audienzsaale sei und daß ihre Unterthanen er-
scheinen sollten. Der Zug stellte sich hinter der
Estrade auf. Die weiße Fürstin stieg mit lang-
samen Schritten hinauf und nahm ihren Platz auf
dem Throne ein. Der Missionär stand etwas hinter
ihr zur Rechten; ihre Gesellschafterin oder Schwester
gleichfalls etwas im Hintergründe zur Linken. Und
draußen wurden fortwährend Tamtams geschlagen,
um alle Jene herbeizurufen, welche kommen wollten,
um ihre Bitten oder Huldigungen an den Stufen
des Thrones der großen und mächtigen Königin
von Khalsar niederlegen.
Die Königin, die weiße Fürstin, war ein Mäd-
chen von zwanzig Jahren, von wunderbarer Lieb-
lichkeit, von seltener, herrlicher Schönheit, welche das
braune Volk von Khalsar blenden konnte. Jeder-
mann, der die englische Rasse kannte, mußte es
auf den ersten Blick klar sein, daß sie von eng-
lischer Geburt war. Sie war schlank und an-
muthig, wie eine junge Palme und von unaus-
sprechlichem Reize in ihren Bewegungen. Ihr Teint
war ungemein zart uno durchsichtig, nur sehr schwach
gefärbt, und ihre Lippen waren blühend roth. Ihre
langen Haaren fielen in mattgoldenen Massen
schimmernd aus die Schultern hinab. Ihre grauen
Augen erschienen bald blau, bald schwarz je nach-
dem sie erregt oder ruhig war. Es waren große,
tiefe, seelenvolle Augen, welche zwei tiefen Quel-

len glichen, und die langen, dunklen Wimpern,
welche diese Augen umsäumten, kontrastirten mit
ihren goldblonden Haaren. Ihr Gesicht war jlieb-
lich und rein und edel und von einer seltenen
eigenthümlichen Schönheit. Sie sah in der That
so aus, wie man sich eine junge Göttin vorstellen
könnte. Sie trug eine mit Juwelen besetzte Krone
auf ihrem kleinen stolzen Kopse und Rubinen und
Diamanten blitzten und funkelten. Ihr Kleid war
weiß, von dünnem durchsüchtigem Stoffe und nach
indischer Art reich mit gesponnenem Golde durch-
stickt. Ihr Gürtel war eine Schnur aus biegsamem
feingcgliebertem Golde, dicht mit Edelsteinen besetzt;
er stieg vorne herab und endete in zwei dicken
Quasten von großen orientalischen Perlen.
Ehe ihr die königliche Würde zugefallen war,
war sie als die Prinzessin Sinda bekannt gewesen.
Die Gesellschafterin oder Schwester, wie sie zuweilen
genannt wurde, war als Prinzessin Maya bekannt.
Sie war offenbar gleichfalls von englischer Geburt,
hatte ein hübsches, blondes Gesicht, sehr weiß und
roth, mit gewölbten Lippen und sanften, blauen
Augen und langen Haaren, ein heiteres, freund-
liches Geschöpf mit sanften Bewegungen und leiser,
weicher Stimme. Wäre die weiße Fürstin nicht an-
wesend gewesen, man hätte vielleicht die Prinzessin
Maya schön finden können, aber ihre Schönheit er-
blich vor jener der jungen Königin wie der sanfte
Schimmer der Sterne vor dem Strahlenglanz der
Sonne. Dennoch sah sie aus, als wäre sie zum
Lieblinge irgend einer glücklichen Häuslichkeit oder
zum Äbgotte eines Gatten geschaffen.
Die Königin hatte kaum auf ihrem Throne
Platz genommen und ihre kleinen weißen, mit Gold
 
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