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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 281 - Nr. 290 (30. November - 11. Dezember)
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Kummer 286. LI. Jahrgang.

Aeuev

Donnerstag, 6. Dezember 18Z4.


für Heidelberg und Umgegend

Expedition: KnupMraße Mr. 25.

Expedition: Linuptstraße Mr. 25.

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Tslephou-MufchLM Nr-102.
Die Eröffnung des Reichstags.
Berlin, 5. Dezember.
Der Reichstag ist soeben durch den Kaiser mit
folgender Thronrede eröffnet worden:
Geehrte Herren! Im Namen meiner hohen
Verbündeten heiße ich Sie beim Beginn Ihrer ver-
fassungsmäßigen Thätigkeit willkommen. Sie werden
Ihre Arbeit in die neue Stätte verlegen, welche
durch zehnjähriges ernstes Schaffen als ein Denk-
mal vaterländischen Fleißes ihrer Vollendung ent-
gcgcngeführt ist. Möge Gottes Segen auf dem Hause
ruhen, möge die Glöße und Wohlfahrt des Reiches
das Ziel sein, welches alle zur Arbeit in seinen
Räumen Berufenen in selbstverleugnender Treue
anstrcben.
Diesen Wunsch empfinde ich besonders lebhaft
im Hinblick auf die wirth sch östlichen und
sozialpolitischen Aufgaben, welche unter
Ihrer Mitwirkung zur Lösung zu bringen sein
werden. Getreu den Ueberlieferungen der Vorfahren
betrachten meine hohen Verbündeten und ich es als
die vornehmste Aufgabe des Staates, die schwäche-
ren Klassen derGesellschaft zu schützen
und ihnen zu einer höheren wirtschaftlichen und
sittlichen Entwickelung zu verhelfen.
Die Pflicht, dieses Ziel mit allen Kräften
anzustreben, wird um so zwingender, je ernster
und schwieriger der Kamps um oas Dasein für
einzelne Gruppen der Nation sich gestaltet hat.
Von der Ueberzeugung getragen, daß es der
Staatsgewalt obliegt, gegenüber den streitenden
Interessen der verschiedenen Elemente das Ge-
sammtinteresse des Gemeinwesens und die Grund-
sätze der ausgleichendcn Gerechtigkeit zur Geltung
zu bringen, werden die verbündeten Regierungen
fortfahren in dem Bestreben, durch Milderung der
wirthschaftlichen und sozialen Gegensätze das Gefühl
der Zufriedenheit und. der Zusammengehörigkeit im
Volke zu erhalten und zu fördern.
Soll aber dieses Bestreben, bei welchem ich Ihre
rückhaltlose Unterstützung erhoffe, in seinem Erfolge
gesichert werden, so erscheint es geboten, dem ver-
derblichem Gebühren derjenigen wirksamer als bisher
entgegen zu treten, welche die Staatsgewalt
in der Erfüllung ihrer Pflicht zu
stören versuchen.
Die Erfahruna hat gelehrt, daß die bestehende
Gesetzgebung nicht die erforderlichen Handhaben
hierzu bietet. Die verbündeten Regierungen erachten
deshalb eine Ergänzung unseresgemeinen
Rechtes für geboten. Es wird Ihnen unver-
züglich ein Gesetzentwurf vorgelegt werden,
welcher vornehmlich durch Erweiterung der geltenden
Strafvorschriften den Schutz der Staatsordnung

Gesucht und Gesunden.
57) Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)
Sinda schüttelte hierauf stumm und traurig den
Kopf. — „Meine Katherine erinnert sich so genau
ihrer frühesten Kinderjahre", sagte der Graf. „Kön-
nen Sie sich Frau Bigg's Gesicht nichts zurück-
rufcn? Können Sie sich an kein Gesicht erin-
nern, das Sie vor dem Aufstande kannten?" Sinda
drückte ihre Hand so verzweiflungsvoll an die Strne,
daß es Elliot und dem Grafen durch das Herz
schnitt. — „Ich kann mich nicht erinnern", sagte
sie. „Es ist Alles ganz leer." — „Das Gesicht
dieser Frau regt ihre Seele also nicht auf, Sinda?"
— „Nein! O nein! Mir ist, als stünde ich auf
dem Punkte mich zu erinnern" rief Sinda. „Wenn
ich nur einen Anhaltspunkt hätte. Aber ihr Ge-
sicht bietet mir einen Anhaltspunkt nicht, den ich
brauche", und ein trauriger Ausdruck trat in ihre
dunklen Augen, ein trübes Lächeln spielte um ihre
zuckenden Lippen.
Jetzt verstand Frau Biggs erst vollständig, was
um sie her vorging. Sie hatte sich von ihrer
Ueberraschung erholt und während sie über ihre
Kühnheit fast noch erschrak, hatte sie Maya's Wo-te
und Sinda's Geständniß vollkommen begriffen. —
„Diese schöne, junge Dame ist also meine Rhoda"
schrie sie laut auf. „Ei, Rhoda" kennst Du Deine
eigene Mutter nicht?" Sie sprang vorwärts, ihre
muskulösen Arme ausbreitend, und umschlang Sinda
in heftiger Umarmung. Es gelang dem Mädchen,
sich endlick von ihk loszumachen. Frau Biggs
überschwemmte sic dann mit Fragen und lauten

verstärken will. Ich hege die Zuversicht, daß Sie
für diese ernste Aufgabe Ihre thatkraftige Mit-
wirkung gewähren werden.
Die seit Einführung der Reichsjustizgesetze gesam-
melten Erfahrungen haben Mängel der
Strafprozeßordnung und der mit ihr im
Zusammenhang stehenden Theile des Gerichts-
verfa ssungsgesetz es ergeben. Behufs ihrer
Beseitigung wird ihnen ein Gesetzentwurf vorgelsgt
werden, in dessen Rahmen zugleich die Entschä-
digung unschuldig Verurtheilter ihre
Regelung finden soll.
Die Untersuchung der Börsen oer-
hältnisse durch die dazu eingesetzte Kommission
hat gezeigt, daß die bestehenden Einrichtungen nicht
ausreichen, um die Gefahren abzuwenden, denen
der Volkswohlstand durch mißbräuchliche Benutzung
der börsenmäßigen Formen des Handelsverkehrs
ausgesetzt fist. Ein Gesetzentwurf, der den auf
diesem Gebiete hervorgetretenen Schäden abzuhelfen
bestimmt ist, wird vorbereitet und Ihnen, wie ich
hoffe, noch in dieser Tagung vorgelegt werden
können.
Dasselbe gilt von einem Gcsetzesvorschlag, der
dem Handels- und Gewerbestand gegen
denWettbewerb, welcher unlautere Mittel
nicht verschmäht, Schutz gewähren und damit auf
die Festigung des Vertrauens in Handel und
Wandel hinwirken soll.
Das finanzielle Verhsltniß der
Einz e lsta a ten zum Neichehat sich in einem
für die Ersteren bedenklichen Umfange verschoben.
Während die Einzelstaaten ein Jahrzehnt lang be-
deutende Mehrüberweisungen vom Reiche empfingen,
ist das Reich gegenwärtig genöthigt, zur Deckung
seiner eigenen Bedürfnisse erhebliche Zuschüsse von
den Einzelstaaten zu fordern. Diesem drückenden
Uebelstande vermögen die Mehreinnahmen aus den
Reichsstempelsteuern nur zum Theile abzuhelfen.
Es ist deshalb die Erschließung weiterer
Steuerquellen unerläßlich. Demgemäß
wird Ihnen von Neuem ein Gesetzentwurf vorgelegt
werden, welcher die anderweite Besteue-
rung des Tabaks in Aussicht nimmt.
Nicht minder halten die verbündeten Regierungen
fest an der Forderung einer organischen Aus-
einandersetzung des Reichs und der
Einzelsta aten, um die Finanzwirth-
s ch ast d es R eich s seist stän d i g zu machen und
die Einzelstaaten wenigstens für längere Zeit vor
schwankenden nnd steigenden Anforderungen zu
schützen. Behufs baldiger Durchführung jener durch
die förderative Gestaltung Deutschlands gebotenen
und zur Aufrechterhaltung finanzieller Ordnung un-
erläßlicher Reform haben sich die verbündeten Re-
gierungen indessen entschlossen, auf die im Vorjahr
Lobesübungen. — „Ich hoffe. Du bist nicht ver-
heirathet, Rhoda!" rief sie aus. „Doch wenn Du
es nicht bist, bat Dir's gewiß nicht an der Gelegen-
heit gefehlt. Die beiden jungen Herren hier schauen
Dich verliebt an. Ich habe das gleich beim Ein-
treten bemerkt. Und Du bist ganz vertraut in dem
Hause eines Graten und die Freundin einer Gra-
fentochter. Ich kann kaum meinen Augen trauen,
obgleich ich immer wußte, daß Du etwas Beson-
deres warst, wenn auch nur mein Kind. Ei, Du
hast mich ja doch durch die Zeitung suchen lassen.
„Ich will hoffen, daß Du Dich Deiner eigenen
Mutter nicht schämst!"
„Die Aufregung ist zu viel für Sinda", sagte
der Graf. — „Für wen? Sinda? Nennen Sie
Rhoda Sinda? Mein Gott, das ist ja ein heid-
nischer Name!" bemerkte Frau Biggs „Rhoda ist
doch viel hübscher. Und Du hast mich nicht ein-
mal geküßt? Rhoda, Du stehst einer noblen Dame
auf's Tüpfelchen gleich. Diese Kleider müssen ein
Heidengeld gekostet haben", fügte sie bewundernd
hinzu — „Bitte, setzen Sie sich wieder", sagte der
Graf. „Es scheint, daß Sinda Ihre Tochter ist.
Ich wünsche sie als Gesellschafterin für Katharine,
mein eigenes Kind, zu behalten und will Ihnen
für Sinda einen bedeutenden Jahresgehalt bezahlen,
von dem Sie sehr gut leben könnten. Dies ge-
schieht aber unter der Bedingung, daß Sie fort-
gehen und Sinda unter meiner Vormundschaft
lassen und sie weder besuchen, noch irgendwie be-
lästigen.
„Einen Jahresgehalt wie? Hat Rhoda Geld
in ihrem Besitze?" — „Ein wenig", erwiderte der
Graf hastig, der Frau die Habgier und den Geiz

zugunsten der Einzelstaaten geforderten Mehrüber-
weisungen zu verzichten.
Ich gebe mich der sicheren Erwartung hin, daß
nunmehr auf dieser neu gewonnenen Grundlage
eine volle Einigung mit Ihnen erzielt werden wird.
In den letzten Jahren hat zu meiner lebhaften
Befriedigung die Zuversicht i n die Erhal-
tung des europäischen Friedens neue
Kräftigung erfahren. Getreu dem Geiste unserer
Bündnisse pflegen wir mit allen Mächten gute und
freundschaftliche Beziehungen. Zwei uns be-
nachbarte Reiche sind im Laufe der letzten
Monate von erschütternden Ereignissen
heimgesucht worden. Deutschland hat
sich aufrichtig der allseitigen Teil-
nahme angeschlossen, welchevonneucm
Zeugnis ablegt von einerSolidarität
menschlicher Gefühle und friedlicher
Wünsche. In dem Heimgegangenen Kaiser
Alexander III. von Rußland betrauere ich
einen Freund undbewährtenMitarbeiter
an den Werken des Friedens.
Geehrte Herren! Indem ich Sie nunmehr er-
suche, in Ihre Arbeiten einzutreten, gebe ich der
Hoffnung Ausdruck, daß diese zum Heile des Vater-
landes gereichen werden.
Sie mögen Zeugniß ablegen dafür, daß von
der Einmüthigkeit, mit welcher die deutschen
Stämme vor nun bald fünfundzwanzig Jahren für
die Gründung des Reichs cintraten, ihre
Vertreter auch bei dem weiteren Aus-
bau unserer vaterländischen Einrich-
tungen geleitet werden.
Deutsches Meich.
Berlin, 6. Dezember.
— Die Schlußsteinlegung des neuen
Reichstagshauses fand gestern Nachmittag
I Uhr feierlich in Gegenwart des Kaisers und
der Kaiserin, des Prinzen und der Prinzessin
Friedrich Leopold, der Prinzessin Friedrich Karl,
der Erbprinzessin von Meiningen, der Prinzen
Alexander, Friedrich Heinrich, Joachim Albrecht
und Ernst Günther statt. Der Kaiser in der
Uniform der Gardes du Corps, die Kaiserin in
schwarzem Kleide mit dem Bande des Schwarzen
Adlerordens, betraten unter Führung des Reichs-
kanzlers Fürsten Hohenlohe undAes Staats-
sekretärs Dr. v. Bötticher die Halle und stellten
sich unter einem rothen Baldachin auf. Nachdem
Fürst Hohenlohe die Urkunde verlesen hatte, traten
der Kaiser und die Kaiserin an den Schlußstein,
der bayerische Bevollmächtige überreichte mit einer
Ansprache die Kelle, der Kaiser umlegte die
Kupferkassette mit Mörtel, Reichstagspräsident
v. Levetzow überreichte den Hammer; der

Kaiser that drei Hammerschläge und sprach dabei:
„pro (florig, et pntriu." Es folgten daraus die
Hammerschläge der Kaiserin und der im Pro-
gra-mn vorgesehenen Personen. Inzwischen spielte
em Mufikkorps. Nach der Ceremonie der Sam-
mersckläge brachte v. Levetzow ein Hoch auf den
Kaiser aus, worauf der Gesang „Heil Dir im
Siegerkranz" folgte. Hieran schloß sich ein Rund-
gang des Kaisers, der Prinzm und Prinzessinnen
unter Führung des Staatssekretärs Dr. v. Böt-
ticher und des Erbauers des Gebäudes, Baurats
Wal lot. Auf einer Tribüne gegenüber dem
Platz des Kaisers wohnten die Mitglieder des
diplomatischen Korps der Feier bei. Vor dem
Hauptportal stand eine Ehrenkompagnie, gestellt
vom 4. Garde-Regiment. Der Kaiser und die
Kaiserin fuhren an und ab unter einem Ge-
leite, der Kaiser zuerst mit einem solchen der
Garde-Kürassiere, sodann die Kaiserin mit solchem
vom I. Garde-Dragonerregiment, je ein Halbzua
ritt voran und folgte hinterher, am Portal wurde
das Kaiserpaar empfangen vom Fürsten Hohen-
lohe, Staatssekretär v. Bötticher und Baurath
Wallot Gleichzeitig stieg auf dem Reichstags-
Hause oie Kaiserstandarte aus, und es ertönten
Kaiserfanfare. Die Feier war um I'/s Uhr be-
endet. Die Besichtigung währte Stunden.
Bei Beginn des Rundganges spielte die Musik
den Marsch „Wilhelmus von Nafsouwe".
— Die bei der Schluststeinlegung des
neuen Reichstags-Gebäudes verlesene
kaiserliche Urkunde erinnert an den er-
habenen Gründer des Reiches Kaiser Wilhelm I.
und dessen ruhmgekrönten Sohn, denen es nicht
vergönnt gewesen sei, die Vollendung des Werkes
zu schauen. Wie der Kaiser deren Andenken
dankerfüllt segne, werde dieses Andenken alle Zeit
im Volke sortleben. Zur Ehre des geeinten
Vaterlandes erhebe sich ein Zeugniß deutschen
Fleißes und deutscher Kraft. Der Geist der
Gottesfurcht, Vaterlandsliebe und Eintracht er-
fülle die Männer, die berufen seien, des Reiches
Wohlfahrt zu förden- Der Bau sei eine Mah-
nung, das von den Vätern Erkämpfte zu Pflegen.
— Bei der gestrigen Eröffnung des
Reichstages, die sich fin Rittersaale des
Schlosses vollzog, waren etwa 200 Abgeordnete
anwesend. Um halb 12 Uhr traten die Mit-
glieder des Bundesrathes ein, geführt vom Reichs-
kanzler Fürsten Hohenlohe. Als der Ka i se r
in der Uniform der Gardes du Corps den Saal
betrat, brachte der bisherige erste Präsident des
Reichstages, v. Levetzow, ein dreimaliges Hoch
auf den Kaiser aus. Der Kaiser verneigte sich
dankend, bedeckte das Haupt mit dem Helm und
verlas die Thronrede sderen Wortlaut diesem

aus den Augen lesend. „Sie wird Sie gut ver-
sorgen." — „Wenn meine Tochter Geld hat, mein
Graf, bin ich der geeignete Vormund dafür sowohl,
wie für ihre Person! schrie Frau Biggs. „Sie
darf nicht vergessen, daß Sie noch nicht zwanzig
Jahre alt ist. Ich werde unter keiner Bedingung
sie oder einen Heller von ihrem Geld h'erlassen.
Eher gehe ich zu Gericht!" — „Das Geld ist der
Erlös einiger werthvoller Brillanten, die sie in In-
dien bekommen hat", sagte der Graf. „Sie wird
ihnen diese Summe oder was davon übrig ist,
geben, wenn Sie jetzt fortgehen und sie in Frieden
hier lassen wollen." — Eine hübsche Manier mit
der eigenen Mutter zu sprechen!" rief Frau Biggs
aus. „Ich habe gar keine Lust, mein Kino so
nobel zu lassen, während ich arm bin. Ich habe
st' überdies in Jahren nicht gesehen, und trotz
ihrer schönen Kleider und Juwelen ist sie mein
Kind, und ich will sie mit fortnehmen. Ich
will, daß Simon sie steht. Es steht fest, daß sie
mit mir von hier fortgeht. Nach einer Weile lasse
ich sie vielleicht wieder zurückkommen. Aber jetzt
will ich mit ihr bekannt werden."
„Es ist unmöglich!" sagte Sinda kalt. „Ob
ich hier bleibe oder nicht — mit Ihnen kann ich
nicht gehen!" — „DaS ist eine hübsche Manier
mit Deiner eigenen Mutter zu sprechen!" sagte
Frau Biggs entrüstet. „Du wirst finden, Rhoda,
daß das Gesetz den Eltern über ein minderjähriges
Kind unbeschränkte Macht einräumt." — „Wir
wollen die Sache bis morgen ruhen lassen," sagte
der Graf, welcher sah, daß Sinda bereits erschöpft
war vor Aufregung. „Sie sollen jetzt auf Ihr
Zimmer geführt werdn, Frau Biggs, und morgen

Früh wollen wir über Sinda's Zukunft weiter
sprechen. Er läutete und ein Diener erschien. Der
Graf schickte ihn mit einem Auftrage zur Haus-
hälterin und ließ diese in den Salon bitten. Sie
kam und Frau Biggs wurde ihrer Obhut über-
geben. In demselben Augenblicke wurde die Tisch-
glocke geläutet.
Frau Biggs folgte der Haushälterin in die
Vorhalle. Dieselbe war eine Dame von feiner Er-
ziehung und die Aufgabe, sich mit dieser rohen,
unwissenden Person zu unterhalten, konnte ihr nur
widerwärtig sein. Aber weder im Benehmen, noch in
ihren Mienen war diese Thatsache erkennbar.
Sie blieb stehen, um einer Dienerin einen Auftrag
wegen eines Zimmers zu geben und ging dann
über die breite, prachtvolle Stiege hinauf. Frau
Biggs folgte ihr mit wackeligem Gange. In der
oberen Halle blieb Frau Biggs stehen, denn sie
hörte unten das Rauschen weiblicher Gewänder und
schaute über die Brüstung hinab. Graf Tregaron
ging voraus nach dem Speisesaal und führte Sinda
am Arme. Dicht hinterdrein kam Maya mit Elliot
und Bathurst. Die Frau starrte mit ihren rothen,
trüben Augen unverwandt auf Maya hinab. —
„Wer ist sie?" flüsterte sie, die Haushälterin am
Arme packend, „ist daß das Mädchen, das ich
unten mit Rhoda sah? Wer ist sie? — „Das ist
Katharina Elliot," war die Antwort. „Sie ist
Graf Tregarons Tochter!" Frau Biggs betrachtele
Maya unverwandt, während diese die Halle entlang
schritt, und sie stand wie versunken da, mit einem
höchst sonderen Ausdrucke in ihrem rothen, aufge-
dunsenen Gesichte. — „Scheint mir fast, als ob
ich sie schon früher einmal gesehen hätte", mur
 
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