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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 221 - Nr. 230 (21. September - 2. Oktober)
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Nummer 224. H« IahrKang.

M stteV

Dienstag, 25. September

General-G Anzeiger



Jvsertionöprciör
die lspaltige Petitzeile oder deren Raum k»Bfg.,
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bolung entsprechender Rabatt.

für Heidelberg und Umgegend
(ZZürger-Ieitung).

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Telephon-Anschluß Nr- 19T.

Kindliche Großmannssucht.
Alte Wahrheiten werden häufig am wenigsten
beachtet. Diesen Eindruck empfängt man auch,
wenn man einen Blick auf die Erziehung der
Kinder in vielen Familien wirft. Ohne Zweifel
haben die meisten Eltern den festen Vorsatz, ihre
Kinder zu verständigen, charaktervollen und tüchtigen
Menschen zu erziehen. Sie lassen es an gutem
Unterricht, an Ermahnungen, ja selbst an einem
vortrefflichen Beispiel nicht fehlen. Und doch
geht ihr Herzenswunsch sehr oft nicht in Erfüllung,
weil sie die Wahrheit des alten Sprüchwortes:
»Jung gewohnt, alt gethan", bei ihren Erziehungs-
plänen zu wenig gewürdigt haben.
Man betrachte nur das Leben: Viele Eltern
find zu wenig darauf bedacht, ihre schlichten Ge-
wohnheiten, die Einfachheit ihrer Bedürfnisse auch
auf ihre Kinder zu übertragen. Während Vater
Und Mutter vielleicht noch im schlichten, aber
ihrem Stande und ihren Mitteln angemessenem
Kleide einherschreiten, stolziren die Kinder neben
'huen aufgeputzt einher, wie die Aefschen.
Der Vater hat erst als Geselle oder als junger
Meister für selbst erworbenes Geld sich eine Taschen-
uhr gekauft, als Fingerschmuck kennt er nur den
von ihm stets in Ehren gehaltenen Trauring —
das hoffnungsvolle Söhnchen jedoch erfreut sich oft
schon einer Taschenuhr mit möglichst protziger,
wenn auch unächter Kette, ehe es noch in die
Geheimnisse der deutschen Buchstabenlehre sicher
eingedrungen ist. Ist das Herrlein noch einige
Jahre älter, so kommen zu der Uhr und der
gleißenden Kette auch noch ein Fingerring, eine
Geldbörse mit regelmäßigem, beliebig zu verwenden-
den, Taschengeld und andere „Kleinigkeiten."
Sobald das Töchterchen der Familie nur erst
versteht, auf den eigenen Beinen zu stehen, so ist
es in seinem Aeußeren bereits mehr Modedame
als Kind. Kettchen und Schleifchen, Handschuhe
Und Sonnenschirm, dazu gleichfalls die nöthigen
Leckergroschen, sind ihm nothwendige Bedürfnisse:
Me Dinge, von denen die ehrbare Mutter in
ihrer Jugend nie etwas mußte, die sie jetzt aber
irotzdem ihrem Kinde aufhängt.
Häufige Besuche der Konditoreien, Theater,
Konzerte, Restaurants ec. gehören zum Lebenspro-
gramm dieser Jugend. Gibt es außerdem irgend-
wo etwas zu sehen, so wäre es grausam, den
armen Kinderchen den Genuß nicht zu gönnen.
So wird denn hingelaufen, bezahlt, getrunken,
spät nach Hause gegangen: es hat zwar viel Geld
gekostet, allein die lieben Kleinen haben doch eine
Freude gehabt. So ein Musterkind hat Bedürf-
nisse, von denen sich die Jugend der „guten alten

ver-

Zie verborgene Kcrnö.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von der Have.
44) (Fortsetzung.)
„O, Janos, Janos! ächzte Hella.
,, „Bitte, lassen Sie alle Tiraden, Madame," ver-
wtzte er bitter und scharf. „Sagen Sie unumwunden,
Ntzi was es sich handelt. Vielleicht sind Sie erstaunt,
Arch hier zu sehen- Meine übergroße Sorge um Sie,
M mich Ihre Schritte überwachen, und so mutzte ich
^hnen hierher folgen. Das ist sehr einfach, denke ich.
Meist wähnte ich, Sie hätten sich in dem Wagen ver-
When. Jetzt erkenne ich, daß es sich um eine Verab-
Mung handelt, — um eine Verabredung zwischen
^khnen und diesem Herrn!"
. Seine schwarzen, leuchtenden Augen richteten sich
Wei herausfordernd auf Maurus, dem die verflossenen
Mnuten seine ganze Selbstbeherrschung zurückgegeben
batten.
»Ich sehe gar nicht ein, was diese Mummerei soll,"
jwhm er kurz das Wort. „Du hast mir genug anver-
jWt, so daß ich zur Genüge weiß, wer diese Dame
u und in welchem Verhältniß sie zu dir steht. Latz
nur du die Komödie! Dieselbe ist hier durchaus
am Platze!"
L.. Janos Sandorys Augen schossen Blitze. Seine
o Ude zuckten, als lechze alles in ihm danach, den
vdern zu packen und zu züchtigen.
„Schurke," zischte er, „das mir, — mir, dem du
°Ues zu danken hast?"
Maurus lachte schrill auf.
„Du irrst dich wohl," sagte er gelassen. „Was
iWest du denn ohne mich? Ich brauche doch nur den
Rund aufzuthun und du bist geliefert!"
„Wie auch du selbst!" gab Janos hart zurück,
wirst dich nicht selbst dem Henker in die Arme
„Davon könnte keine Rede sein. Ich würde meine
°'»ut schon vorher in Sicherheit zu bringen wissen.

Zeit", die wenigstens auf diesem Gebiete viel
besser als die Gegenwart war, nichts träumen ließ.
Aber was kann die Schule tbun, wenn die
Großmannssimpelei und Verschwendungssucht bei
Kindern im Elternhause gefördert wird? — „Jung
gewohnt, alt gethan." Wer sich in der Jugend
an eitlen Tand, unnütze Geldausgaben, an dohles
Protzenthum und das Hetzen von einem Genuß
und Nervenkitzel zum anderen gewöhnt hat, der
wird auch in älteren Jahren meistens ein Ver-
schwender, ein Vergnügling, ein leerer Prahlhans
sein, aber nur selten ein tüchtiger, charaktervoller
und guter Mensch werden. Die Kunst „sich etwas
zu versagen" will in der Jugend geübt sein; im
Alter ist schwer lernen. Aber in älteren Jahren
zeigen sich meistens erst die Enderscheinungen der
hier gerügten Kindererziehung: Körperlicher und
wirthschafilicher Verfall, „Deklassirung", Elend,
Verbitterung und am Ende eines solchen Daseins
vielfach das Zuchthaus und der Selbstmord.
Es gibt — leider! — keine Statistik der
„verfehlten" Leben; aber wenn es eine solche gäbe,
so würden ihre Zahlen eine harte Anklage gegen
jene' Eltern bilden, die statt pflichtbewußte Eltern-
liebe gegen ihre Kinder in ernsten, häuslichen Er-
ziehungsfragen nichts anderes als — Elternschwächen
üben.

Deutsches Reick.
Verlirr, 25. September.
— Die Jsteinnahme an Zöllen und Ver-
brau chsst euer hat sich für die Zeit vom 1.
April bis Ende August d. I. auf 253,6 Millionen
oder 19,8 Millionen mehr als im gleichen Zeiträume
des Vorjahres belaufen. Die Zölle haben ein
Mehr von 15,1 Millionen, die Tabaksteuer von
0,3, die Zuckersteuer von 4,8 und die Branntwein-
materialsteuer von 0,6 Millionen ergeben, die
Branntweinverbrauchsabgabe dagegen ein Weniger
von 0,8 und die Brausteuer desgleichen von 0,1
Millionen. Von den anderen Einnahmezweigen
weist die Börsensteuer ein Mehr von 2,9 Millionen
sie Loosesteuer von 0,6, die Post-uud Telegraphen-
verwaltung von 4,6 und die Reichs- Eisenbahn-
verwaltung von 1,2 Millionen auf.
Varzin, 23. Sept. Zum Besuche desFürste n
Bismarck trafen im Laufe des Vormittags mit
zwei Sonderzügen von Elbing über Danzig und
von Thorn nach Graudenz, Könitz und Neustettin
ungefähr 1500 Herren und Damen aus West-
preußen in Hammermühle ein und nahmen
vom Bahnhof unter Führung des Herrn von
F o u r n ie r - Koczielec ihren Weg nach Varzin.
Hier erschien, nachdem ein nach der Weise der
„Wacht am Rhein" von dem Chefredacteur des
Graudenzer „Geselligen" Herrn Paul Fischer ge-

dichtetes Lied, „Die Ostwacht", gesungen worden
war, der Fürst auf der Veranda des Schlosses
und wurde mit begeistertem Jubel begrüßt. Herr
v. Fournier hielt die Ansprache, die in ein drei-
faches Hoch auf den Fürsten, das brausenden
Widerhall fand, ausklang. Fürst Bismarck
erwiderte ungefähr folgendes: Er fühle sich hoch-
geehrt durch die Begrüßung und hocherfreut, daß
die Theilnehmer an der Fahrt die Unbill des
Wetters nicht gescheut hätten. Lediglich das ge-
meinsame Gefühl der Liebe zum Vaterlande habe
die heutige Zusammenkunft veranlaßt. Der Fürst
erinnerte an den heute vor acht Tagen erfolgten
Besuch der Posener und sagte, er sei erfreut da-
rüber, daß die deutschgesinnte Presse sich einstimmig
anerkennend geäußert habe. Die Polenpresse habe
das natürlich nicht gethan, sondern nur die Ver-
wunderung ausgesprochen, daß er sich nicht gröber
ausgedrückt habe. Der Sozialdemokrat
iei nicht so offen wie der Pole, weil
er selber nicht wisse, was er wolle.
Redner erklärte dann, die russische Nach-
barschaft fei vielleicht oft unbequem, ihm aber
doch lieber uud angenehmer als die polnische.
Der Fürst begründete dies durch geschichtliche Rück-
blicke, in denen er die Ereignisse von 1831 be-
leuchtete und auch die Eigenschaften der Polen
schilderte. Was das Ansiedclungsgesetz betreffe,
so glaube er, daß man bei der Ausführung des
Gesetzes sich hätte Zeit lassen und den ausge-
kauften Besitz in der Hand behalten sollen. West-
Preußen sei ursprünglich nicht polnischer Besitz
gewesen, sondern von den Polen nur erobert
worden. Redner ging dann auf die Geschichte
der Entwickelung Westpreußens ein. Erst mit
dem Frieden von Thorn sei Westpreußen an Polen
gekommen, während die Polen es anders schil-
derten. Der Fürst dehnte seine Betrachtungen
auch auf die Ordenszeit und die frühere Ver-
gangenheit Westpreußens aus. Westpreußen sei
jetzt deutscher Besitz und hoffentlich für immer.
Die Bestrebungen der polnischen Adelspartei nannte
der Altreichskanzler Bestrebungen einer Umsturz-
partei; eine Partei, die solche Bestrebungen ver-
folge, müsse man bekämpfen. So lange das
deutsche Volk mit seinem Kaiser und seinen Fürsten
zusammenstehe, sei keine Gefahr vorhanden. Wenn
er die Aeuß er ungen des Kaisers in
Königsberg, Marienburg und gestern in Thorn
betrachte, so sei die Gewähr dasür ge-
geben, daß West Preußen von einer
Polengefahr nicht bedroht sei. Der
Fürst schloß mit der Aufforderung, mit ihm ein-
zustimmen in den Ruf: „Se. Majestät der Kaiser
lebe hoch, hoch, hoch!" Nachdem die Anwesenden
begeistert in diesen Rus eingestimmt hatten, wurde

die Volkshymne gesungen. Eine Dame überreichte
sodann der Fürstin mit poetischer Ansprache einen
prächtigen Blumenstrauß, und mehrere andere
Damen widmeten dem Fürstenpaare weitere Blu-
menspenden. Nachdem der Fürst sich unter die
Versammelten begeben und mehrere ins Gespräch
gezogen hatte, gingen die Teilnehmer vor dem
Fürsten, der seinen Platz wieder auf der Veranda
genommen hatte, unter den Klängen des Preußen-
lides vorüber. Der Zug bewegte sich hierauf
wieder nach Hammermühle, von wo beide Sonder-
züge kurz nach 3 Uhr die Rückfahrt antraten.
Kiel, 24. Sept. Bei der Einweihung
der G e d ä cht n i s ta f e l, die der Kaiser den
V er un glücktend es Panzerschiffes „Bran-
denburg" gewidmet hat, sprach Prinz Heinrich
folgende Worte: „Kameraden! Ein ernster, aber
auch zugleich ein freudiger Augenblick ist für uns
gekommen, ernst, denn er erinnert uns an den
Tod so vieler braver Leute, erfreulich, weil er uns
zeigt, wie Se. Majestät, unser allergnädigster
Kriegsherr, für seine Marine sorgt und ihre Lebens-
thätigkeit bis in die genauesten Einzelheiten kennt
und gewissenhafte Pflichttreue zu loben weiß. Ich
will hier ausdrücklich die Worte des Kaisers wieder-
holen, welche er unmittelbar nach jenem Unglücks-
fall auf S.M. Schiff „Brandenburg" ausgesprochen
hat: „Ich halte dafür, daß die Männer auf der
„Brandenburg" nicht gestorben sind, sondern auf
dem Felde der Ehre den Heldentod gesunden haben."
So möge denn diese Gedenktafel, welche der Kaiser,
unser allergnädigster Kriegsherr, dem Andenken der
aus der „Brandenburg" verunglückten pflichttreuen
Männer gewidmet hat, eine Mahnung für alle
Zeiten sein, zu unentwegter Gewissenhaftigkeit und
Pflichttreue im allerhöchsten Dienste. Im Auftrage
des Kaisers und Königs übergebe ich nunmehr
die von ihm allergnädigst gestiftete Gedenktafel der
Kirch°."
Ausland.
Paris, 24. Sept. In der Voraussicht der
Möglichkeit, daß die Sendung le Myre de Vilcrs
nach Madagaskar zu keinem Ergebniß fübre, läßt
der Marineminister für November vier weitere
Kriegsschiffe mit der Bestimmung nach der Insel
bereitstellen. Acht französische Kriegsschiffe sind
schon dort. Eine gegebenenfalls zu bildende Lan-
dungs-Expedition soll aus einer Brigade Marine-
Infanterie in Kriegsstärke und einer der Armee
zu entnehmenden Brigade mit fünf Bataillonen
(zwei Bataillonen Zuaven, einem Bataillon leichte
afrikanische Infanterie, zwei Bataillonen von der
Fremdenlegion), dazu acht Batterien und zwei
Compagnieen Genie, gebildet werden.
Loudon, 24. Sept. Eine Meldung des Bureau
Reuter aus Shanghai vom 23. September besagt:

Aber treiben wir keine unnütze Wortfechterei. Du bist
mir einmal in den Weg gekommen und nun magst du
ohne viele Umschweife wissen, um was es sich handelt!"
Die zusammengesunkene Frauengestalt zuckte heftig
zusammen; wie beschwörend hob sie die Hand empor.
„Verzeihung, Madame, ich weiß sehr wohl, was
ich spreche," fuhr Maurus fort. „Ich hatte allerdings
die Absicht, hinter seinem Rücken Ihre Rechte zu ver-
fechten; jetzt mag er Ihnen Rede stehen und von An-
gesicht zu Angesicht Ihnen sagen, ob das wahr ist,
was ich behaupte, oder nicht!"
Janos hatte seine Worte mit steigender Erregung
angehört; eisig bohrten sich beider Männer Blicke jetzt
ineinander.
„Um was handelt es sich?"
Hart fiel die Frage von Janos Sandory's Lippen
und ebenso scharf klang die Antwort zurück.
„Um deine Liebe zu Jertha Volkheim!"
Mit einem Wuthschrei streckte Janos die Hand
nach dem Halse des andern aus, aber mit nerviger
Faust wehrte dieser seinen Angreifer ab und schleuderte
ihn in seine Ecke zurück.
„Knabe, der du bist!" stieß er hervor. „Was
willst du gegen mich? Du bist ein Thor, dich gegen
mich auszulehnen, der — nur dein bestes will!"
Die seltsame Betonung, welche der Sprecher auf
die letzten Worte legte, entging dem Ungar nicht, —
konnte ihm, der täglich mit diesem Menschen verkehrte,
nicht wohl entgehen.
„Nur mein bestes?" wiederholte er. „Wie? In-
dem du mich verräthst?"
Der andere lehnte sich in seinem Sitz zurück.
„Ich denke nicht daran, dich zu verrathen," sprach
er kühl, „selbst nicht, wenn du mich fast meuchelst.
Madame, sprechen Sie! Was habe ich Ihnen gesagt?
HerrSaudory kann dann nicht behaupten, daß cch ihn
belüge. Sprechen Sie, — sagen Sie ohne Rückhalt
die lautere Wahrheit!"
Die zusammengesunkene Frauenaestalt richtete sich
etwas auf; sie that es sichtlich mit Anstrengung.
„Bitte, willst du nicht zuvor den Schleier heben,
daß ich dein Gesicht sehen kann?" nahm Janos ihr

das Wort von den Lippen, ehe sie noch zu sprechen
vermochte.
Sie willfahrte seiner Aufforderung, mit zitternder
Hand, wie ihm nicht entging.
Ein todtbleiches Antlitz starrte ihm aus den Dun-
kel des Wagens entgegen, in welchem der hereinbrechende
Winterabend nur noch eine spärliche Helle, durch den
Schnee draußen hervorgerufen, verbreitete. Wie zwei
Irrlichter leuchteten die Angen aus diesem Gesicht
hervor.
„Herr Helfer kam gestern zu mir, „um mich vor
dir zu warnen!"
Sie stockte, ob aus Scheu vor dem, was sie sagen
mußte, oder ob vor dem drohenden Blick, der beim vor-
überhuschendem Schein einer Gaslaterne sie aus seinen
Augen traf, — nur sie allein wüste es.
„Dich zu warnen? Vor was?" fragte er hart.
Seine Worte gaben ihr die Kraft, welche ihr ver-
sagte.
„Er behauptete, du betrügest mich!"
„Und du glaubtest ihm?"
„Wie sollte ich anders? Er sprach so überzeugend."
„Du glaubst ihm noch?"
Sie zögerte mit der Antwort.
„O, barmherziger Himmel, — deine Worte sind
mehr als grausam!" Sage mir, daß es nicht wahr ist,
sind ich glaube dir — dir allein!"
Ein satanisches Lächeln zuckte um seine Lippen. Er
mußte sich bezwingen, daß nicht der Schein einer Gas-
laterne es ihr verrieth.
„Es ist traurig genug, daß du überhaupt zu zwei-
feln vermagst," sprach er wegwerfend. „Du hast die
lächerliche Behauptung gehört, welche mich der Liebe
Jertha Volkheim beschuldigt?"
Sie fuhr auf, wie elektrisiert. Jetzt erst erfaßte
sie voll die zuvor von Maurus hervorgestoßenen Worte.
„Du weißt, wo sie ist?" rief sie aus.
„Ja, ich weiß es!" gab er eisig zurück.
„Und du — du liebst sie?"
Ein furchtbarer Schmerz klang aus ihren Worten.
„Ich habe dir schon einmal gesagt, die Albern-
heiten zu lassen," antwortete er ihr rauh. „Wenn ein

Narr daran Vergnügen findet, die irrsinnigen Gerede
in die Welt zu setzen, so habe ich doch keinen Antheil
daran. Ich war bei Jertha Völkheim, nachdem ich
ihren Aufenthalt ausgekundschaftet hatte. Ich ging zu
ihr, um zu erforschen, was sie weiß. Das ist. alles.
Wenn das die ganzen Komödie ist, so thut mir die-
selbe mehr als nur leid!"
Maurus entging es nicht, wie er mit diesem Wort
das Ding beim rechten Namen nannte und er lächelte
still vor sich hin. Er hatte bereits einen dem bisherigen
völlig entgegengesetzten Plan entworfen, welcher ihm bei
jetzt ruhigem Nachdenken noch besser und sicherer erschien
als der zuerst ersonnene. .
„Sprachen Sie — nicht von Beweisen.
Er war völlig gewappnet, als Hella diese Frage
an ihn richtete.
Er zuckte vielbedeutend die Achseln.
„Herr Sandory hat diese Beweise entkräftet, ver-
setzte er. „Ich faßte zenen Besuch ber Fraulem Volk-
heim anders auf. Ich kann auch meine Meinung noch
nicht ändern" ,
Ein Wuthblick aus Janos Augen traf ihn, den
aber die Dunkelheit verdeckte.
„Wohin ist dieser Wagen beordert? fragte er
'ch^Nach Ritscher's Hotel an der Elbchaussee," ant-
wortete Maurus. . „ <
„Ah, das ist ja ganz «l der Nahe von dem Volk-
heim'fchen Sommersitz! Hella, ich muß dich allein
sprechen, im Hotel haben die Wände Ohren ; der Wagen
mag unser bei Ritscher warten. Du begleitest mich in
das Lusthaus am Huste- Den Schlüssel habe ich wie
gewöhnlich bei mir."
»Und ich?" .. o-
Maurus stelle die Frage.
„Du magst Wache halten, daß uns Niemand über-
rascht. Wir können zetzt den Wagen verlassen. Ich
sehe eben, daß wir bereits am Ziele sind."
Er klopfte resolut gegen das kleine Fenster ober-
halb des Vordersitzes.
Der Kutscher wandte sich und ließ sein Pferd lang
samer gehen.
 
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