Nummer 284. H Jahrgang
Dienstag, 4. Dezember 18S4
General-GAmeiger
*—--—-———-
SlbonnementSpreis r
Mit Ssettizcm illr-Srirtrm Souutag«Slatt: monatlich
46 Pfennig frei in's Haus, durch die Poft bezoze»
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Expedition: Kcrrrptltrcrßs Hkr. 28.
für Heidelberg und Umgegend
(Würger-Zeitung).
Jnscrtionöprciör
die tspaltige Hrtttzeile oder deren Raum 8 Pf-.,
für auswärtige Inserate 16 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
°— --- — "i l
Expedition: Hauptstraße Mr. 28.
GeLese-rsLes BLerLL im SLsdL N. HeideMLVD NMd ÄNr-ZeGEMd» M'VZtzteV EVfslg sirr Insekte
Deutschland mutzte es in Afrika erfahren,
j welch ein unleidlicher Freundnachbar England
! ist, und Italien erfährt es jetzt ebenfalls im
schwarzen WMHeil, wie weniges auf die eigent-
lich im wohlverstandenen Jnreresfe Englands
selbst gelegene Unterstützung im Kampfe gegen
die Derwische rechnen kann. Die Folgen dieser
Haltung find nicht ausgeblieben. Das deutsche
Reich hat auf den groben Klotz einen derben
Keil gefetzt und Herrn Rosebertz bereits zwei
empfindliche diplomatische Niederlagen bereitet.
Es hat den englischen Premier in der Kongsver-
trags-Affaire zum Rückzüge gezwungen und die
deutsche Regierung hat die europäische Interven-
tion zu Gunsten Chinas, welche von Rosebery an-
gestrebt wurde, vereitelt.
Nachdem sich's John Bull nicht nur mit
Spanien und Portugal, sondern längst auch mit
Frankreich und neuestens mit dem Dreibund Ver-
dorben hat, sucht es zur Sicherung seiner Inter-
essen in Asien mit Rußland aus guten.Fuß zu
gelangen. Man hat das Gefühl im Auswärtigen
Amte zu London, daß, wenn Rußland die Hand
nach Afghanistan ausstreckt, ja wenn es selbst
Persien annektirt und sich gegen Indien in Be-
wegung setzt, keine Macht in Europa auch nur
den Finger rühren würde, um ihm zu wehren.
So sucht denn das stolze Albion sich auf freund-
schaftliche Weise mit Rußland über eine Theilung
der Interessensphäre in Asien auseinanderzusetzen;
es buhlt um eine gnädige Aufnahme in St.
Petersburg. Dort aber weht der Wind recht
widrig. Rußland hat auf seinem Wege mach
der Südsee keinen anderen Gegner, als England.
Nur England steht dem Drange Rußlands nach
dem offenen Weltmeere als Hinderniß entgegen.
Ueber dieses Hinderniß hinwegzuschreiten,, darauf
sind alle Anstrengungen der russischen Staats-
kanzlei gerichtet. Ob England sich als Freund
oder als Feind ausspielt, ist den russischen Staats-
männern gleichgültig. Sie werden so lange freund-
lich mit den Engländern Verkehren, als ihr ge-
waltiger Plan zur Ausführung noch nicht völlig
gereift ist; sie werden aber im gegebenen Mo-
mente rücksichtslos über John Bull Hinweg-
schreiten, er mag sich dabei geberden, wie er will.
In diesem Sinne wird auch die Annäherung
Englands an Rußland in St. Petersburg beur-
theilt. Die russische Presse macht kein Hehl dar-
aus, daß England eben gut genug dazu ist, den
Einfluß Rußlands in Europa zu vermehren.
Ein Kompagniegeschäft aber wird der britische
Leopard mit dem Bären nicht machen; dazu ist
der Letztere zu vorsichtig und zu stark.
D-Ktsches Keich.
Berlin, 4. Dezember.
— In Bezug auf den Gesetzentwurf betref-
fend die Reform der Börse, verlautet, der-
selbe liege jetzt dem preußischen Staatsministerium
zur Berathung vor. Die Einführung der Re-
gister sowohl für die Produkten- wie für die
Fondsbörse wird bestätigt und zwar sollen für
die Eintragung nicht, wie ursprünglich vorge-
schlagen war, 500 und als jährlicher Beitrag
100 Mk„ sondern nur 300 bezw. 50 Mk. be-
zahlt werden.
— Zu den vom bratschen Botschafter in Paris,
Grafen Münster, bei der französischen Regierung
erhobenen ernsten Vorstellungen bemerkt
die „Nordd. Allg. Ztg.", die Meldung eines Ham-
burger Blattes, Graf Münster hätte mit Abbruch
der diplomatischen Beziehungen gedroht, sei selbst-
verständlich unrichtig, denn es gehöre nicht zu den
diplomatischen Gepflogenheiten, Verhandlungen über
Beschwerden, zu denen eine Regierung sich genöthigt
steht, mit falschen Drohungen zu beginnen.
— Ein Schreiben des Chefredakteurs des „Kladde-
radatsch", Johannes Trojan, an die „Nordd. Allg.
Ztg." besagt: „Bezüglich der vom „Kladderadatsch"
gebrachten Aeußerung über eine Aussage des Staats-
sekretärs Frhrn. v. Marschall im Kölner Prozeß
erkläre ich hiermit, daß wir in Folge mangelnder
Kenntniß von dem Seitens des Kammergerichts-
ratbs Ernst Wichert an den Reichskanzler Grafen
v. Caprivi gerichteten Schreibens uns geirrt haben
und mit Bedauern, diesem Jrrthum verfallen zu
fein, den dem Frhrn. v. Marschall gemachten Vor-
wurf, er habe sich inkorrekt ausgedrückt, vollständig
zurücknehmen."
— Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Seit
Zähren ist die Heeresverwaltung bemüht, die ein-
heimische landwirthschaftliche Produktion nach besten
Kräften zu unterstützen, demgemäß sind die Pro-
viantämter angewiesen, nach Möglichkeit von deutschen
Produzenten zu beziehen. Selbstverständlich müssen
letztere bei ihren Lieferungen sich an die vorgeschrie-
benen Bedingungen halten. Daß hierin zuweilen
gefehlt wird, ist ebenso Thatsache, wie, daß auch
von Subalternen Verstöße begangen werden. Fälle,
in denen dies vorkommt, stehen ganz vereinzelt da.
Insbesondere sah auch der jetzige Chef der Heeres-
verwaltung von Beginn seiner Ambsverwaltung
darauf, daß der obigen Bestimmung gemäß ver-
fahren werde.
Potsdam, 2. Dez. Heute Abend um 11
Uhr wird der Kaiser über Kiel nach Levensau von
der Wildperkstation mittels Sonderzuges abreisen.
Die Ankunft in Kiel dürfte kurz nach 8 Uhr
morgen Vormittag, in Levensau gegen 9 Uhr er-
folgen. Nach kurzem Aufenthalt dort kehrt der
MW" Tel-Pho«°Anschlrrtz Nr. LOL. "WW
Um 34 M
für den Monat DszsnrL sv kostet der
Ar -v»
General -Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
(Bürger-Zeitung)
nebst Jllnstr. Souutagsblatt am P orst schattsr
abgeholt.
(VomBriefträger in's Haus gebracht 13 Pfg mehr.)
In Heidelberg und den nächsten Orten der
Umgebung kostet der „Neue GeneraL-AnzeiHer
für Heidelberg und Umgegend"
monatlich nur 40 Pfg.
frei in s Haus.
Bestellungen werden von unfern Trägern und
Trägerinnen, sowie von allen Po st a n st alt en
forwährend angenommen.
England und Rußland»
Lord Rosebery hat als englischer Premier das
Erbe Gladstones sowohl in der inneren, wie in
der auswärtigen Politik «ins donsüeio invontWÜi
— wie Juristen sagen würden — das heißt ohne
das Benefiz, die Schulden, beziehungsweise Fehler
seines Vorgängers nicht mit übernehmen zu
müssen, angetreten. Einer der folgenreichsten dieser
Fehler ist die Scheu John Bulls, sei es mit
welcher europäischen Macht immer, eine Allianz
einzugehen. Egoismus und bornirter Stolz
bilden die richtunggebenden Momente für die
auswärtige Politik der liberalen Staatsmänner
vom Schlage der Gladstone und Rosebery. Eng-
land, welches sich in seiner Enceinte von Meeres-
wogen gegen jede Art verdächtiger Freundnachbar-
lichkeit gesichert dünkt, will seine freie Hand bald
diesem, bald jenem entfernten Nachbar reichen, je
nachdem dies sein spezifisches Interesse erfordert.
Es will mit Jedem gemeinsame Sache machen,
bei dem ein Profit herausschaut; es will sich
aber mit Niemandem auf der Grundlage des ä«
ut äes oder des tucno ut tavias verbünden. Das
Thun und Geben überläßt es allezeit Anderen;
es will jederzeit nur nehmen und für sich die
Kastanien von Anderen aus dem Feuer holen
lassen.
Gesucht unö Gesunden.
55) Roman von Hermiue Frankenstein.
(Fortsetzung.)
Dieses Weib, das bereits in einem Arbeits-
hause gewesen war, war ohne jeden Zweifel dieselbe,
welche Sinda suchte — jene Rhoda Buggs, welche
sie möglicher Weise sogar für ihre Mutter hielt.
Niemand von den in dem Zimmer sichtbaren Per-
sonen hielt diese Möglichkeit jetzt auch nur im Ent-
ferntesten für denkbar. Man konnte sich keinen
größeren Kontrast vorstellen, als den, welche die
Personen, Sinda und Frau Biggs darboten. Die
Eine schlank und anmuthsvoll wie ein zarter junger
Baum, die Andere plump, derb, gemein und von
ungeschickter, vierschrötiger Gestalt. Die Eine schön,
von selten poetischer Schönheit, die fast unvergäng-
lich schien, die Andere abstoßend, mit rothen, trüben
Augen und dem Ausdrucke eines weiblichen Trunken-
bolds. Die Eine feingebildet, umflossen von mäd-
chenhafter Hoheit, vornehmer Lieblichkeit und holder
Sanftmuth, die Andere roh, unwissend, gemein,
der Typus eines Fischweibes, der untersten Klasse.
Daß die Eine die Tochter der Anderen sein sollte,
schien ganz und gar unglaublich.
„Sie ist bereits im Arbeitshause gewesen,"
sagte Bathurst mit einem für Sinda's Ohren be-
absichtigten Flüstern. „Ich würde Ihren Worten
keinen Glauben schenken." — Graf Tregaron wollte
die wichtige Frage bezüglich Sinda's Identität mit
großer Vorsicht ergründen. Er glaubte, daß Frau
Diggs Sinda's Kindsfrau gewesen war, seit jener
Zeit aber immer mehr herabgekommen und immer
Kefir gesunken war. Frau Biggs wollte das, was
sie wußte, vielleicht nur um einen hohen Preis ver-
kaufen. -Er beschloß, ihr das, was sie wußte, zu
entlocken, noch ehe sie sein Vorhaben kannte. —
„Wollen Eure Gnaden mich wegen der Pension
sehen", fragte Frau Biggs, ihrer Neugierde etwas
Luft machend. — „Wir werden gleich zu der An-
gelegenheit kommen, wegen welcher ich Sie hierher
beriet", erwiderte der Graf. „Ich habe noch einige
Fragen an Sie zu richten. Ihre Identität muß
vollständig festgestellt sein. Haben Sie Verwandte,
Madame, oder Kinder?" — „Ich habe gar keine
Verwandten", erwiderte Frau Biggs, wieder das
rothgeblumte Taschentuch an die Äugen drückend:
„ich war ein armes Findelkind, Herr Graf !" „Und
Sie haben auch keine Kinder!" — „Das habe ich
nicht gesagt, Herr Graf. Ich habe einen Sohn",
sagte Frau Biggs, „einen hübschen, jungen Bur-
schen, der aber sehr unglücklich war, und bei seiner
Großmutter zurückblieb, als ich mit dem Regimente
nach Indien ging. Simon Biggs ist sein Name
und er war unglücklich, Herr Graf, und hat es zu
nichts gebracht, aber er ist ein sehr hübscher Bursche
und sehr verwendbar", fügte sie hinzu, den Vortheil
ihres Sohnes vor Augen habend, „wenn Eure
Gnaden einen braven Bedienten brauchen sollten?"
— »Er ist Ihr einziges Kind?« — „Das ein-
zige, das mir von sieben am Leben blieb", sagte
Frau Biggs weinerlich. „Ja, ich habe Schmerz und
Kummer genug gehabt. Die Großen und Reichen
wissen nichts von Leiden der Armen. Ich bin eine
Wittwe und konnte es nicht ertragen, wieder zu
heirathen, nachdem ich meinen armen Jakob Tho-
mas verloren habe. Und so stehe ich ganz allein in der
Welt, Herr Graf, mit Ausnahme meines Sohnes
Simon, der mich aber nicht ernähren und erhal-
ten kann.«
„In welcher Eigenschaft waren Sie in dem
Regimente in Sawnput beschäftigt?" fragte der
Graf. „Zn welcher Okfiziersfamilie waren Sie als
Kindsfrau bedienstet?" Frau Biggs starrte ihn an.
— Ich war in keiner Familie Kindsfrau", er-
klärte sie. „Ich war eine von den Regiments-
wäscherinen und ich glaube, daß auch das m'ch an
die Cisterne denken ließ, während des Gemetzels
und ich bin ganz unbewußt und unversehens hin-
eingeplumpst." f— „Sie war keine Kiudsfrau?"
— „Nein, Herr Graf." Sinda's Muth begann
zu sinken, aber er lebte wieder auf unter dem er-
munternden Drucke von Elliot's Hand. — „Ich
wollte mich nach einem kleinen Kinde erkundigen,
von dem man glaubte, daß es in einem allgemeinen
Gemetzel umgekommen ist," sagte der Graf nach
einer kurzen Pause; „nach einem kleinen Mädchen"
" „Ei ick habe selbst eines verloren", unterbrach
ihn Frau Biggs. „Ein so hübsches Kind, wie
man selten eines findet. Die Krillers haben fünf
Kinder in dem Gemetzel verloren und wurden selbst
getödtet; dann wurden die Thomas mit ihren Zwil-
lingen umgebracht u. Carter hat seinen Knaben verloren,
aber meiner Rhoda konnte sich keines vergleichen. Ei,
sie sah aus, wie^eine kleine Dame und wurde ost für
etwas Höheres gehalten, als sie war. Als ich da-
von lief, um mein Leben zu retten, dachte ich gar
nicht an sie und später wurden alle Kinder begraben,
und sie war unter ihnen begraben worden.
Es herrschte ein tiefes Schweigen in dem Ge-
mache. Sinda's Hand wurde von Elliot festgehal-
ten, Maya schaute mit lauernden Blicken zwischen
Kaiser noch Kiel zurück, wo in seiner Gegenwart
um 12 Uhr mittags die Vereidigung der Marine-
rekruten stattfinden wird. Der Vicepräsident des
Staatsministeriums Dr. v. Bötticher hat sich
ebenfalls nach Kiel begeben.
Weimar, 2. Dez. Der Großherzog hat
dem Präsidenten der französischen Republik da«
Großkreuz des Falkenordens verliehen. Der Groß-
herzog, die Großherzogin und die Erbgroßherzogin
erlassen öffentliche Danksagungen für die große
Teilnahme, die allenthalben beim Tode des Erb-
großherzogs zum Ausdruck gekommen ist.
Dresde«, 2. Dez. Die Nagelung, Weihe und
Uebergabe der zu verleihenden elf Fahnen an
die neu organisirten vierten Bataillone fand heute
Mittag durch den König im Residenzschlosse statt.
Der Feier wohnten die Prinzen des königlichen
Hauses bei. Bei der Uebergabe hielt der König eine
Ansprache an die Regimentscommandeure. Prinz
Georg brachte hierauf ein Hoch auf den König aus.
Die Königin wie die Prinzessinnen sahen vom
Balkon des Schlosses dem militärischen Schauspiel zu.
Kiel, 3. Dez. Bei der Eröffnung der Hoch-
brücke erwiderte der Kaiser auf eine Ansprache
des Eisenbahnministers, daß die Hochbrücke aus
deutschem Material gebaut, deutscher Arbeit und
deutscher Kunst zu danken sei und daß sie ein
bleibendes Andenken zum Ruhm des Reiches sei.
Der Kaiser besichtigte nach dem Gang über die
Brücke den Turm. Nach dem Frühstück im Schloß
fuhr der Kaiser um 12^ Uhr zur Rekruten-
vereidigung.
Kiel, 8. Dez. Der Kaiser traf um 12 Ubr
auf dem Kasernenhofe der Marine-Infanterie ein
und schritt mit dem Prinzen Heinrich, dem Reichs-
kanzler, sowie dem Gefolge die Front der Ehren-
kompagnie des 1. Seebataillons ab. Alsdann fand
im Exerzierhause die Vereidigung der Re-
kruten der 1. Matrosmdivision, der 160. Werft-
division, der 1. Torpedoabtheilung und des 1. See-
bataillons statt. Nach Ansprachen der Marine-
Oberpfarrer Langfeld und Woesmaun ermahnte der
Kaiser die Rekruten, dem Eide im Innern des
Reiches und im Auslande treu zu lein. Sodann
brachte der Admiral Frhr. v. d. Goltz ein Hoch auf
den Kaiser aus. Um 12»/^ Uhr begab sich der
Kaiser zum Frühstück nach dem Seeoffizier-Kasino.
Heute Nachmittag um 3^ Uhr fuhr der Kaiser
an Bord des Flaggschiffs „Kurfürst Friedrich Wil-
helm". Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe und
der Vicepräsident des Staatsministeriums Dr
v. Bötticher sind heute Nachmittag 21/4 Uhr nach
Berlin zurückgereist. Y
Levensau, 3. Dez. Bei der Eröffnungs-
feier der Eochbrücke hielt der Vizepräsident
des Staatsministeriums Dr. v. Bötticher eine An-
den Falten des Vorhanges hervor. Graf Tregaron
sah blaß und bekümmert aus. — „Hat ihr Kind
Ihnen ähnlich gesehen?" fragte er dann. — „Sie
hat mir mehr ähnlich gesehen, als ihrem Vater",
versetzte Frau Biggs. „Ich habe eine lichte
Hautfarbe und sie hatte sie auch. Sie hatte
blaue Augen und die meinigen sind auch blau
Ihr Haar war goldgelb und weich wie Seide —
fast so wie das der jungen Damen dort; bitte
vielmals um Vergebung." Sinda's Gesicht war
schneeweiß und ihre großen, brennenden Augen
leuchteten wie Sterne. Es lag ein Ausdruck grenzen-
loser Qual in diesen Augen, als sie sie zu Elliot
erhob, und er flüsterte ihr zärtlich zu: „Es wird
Alles richtig sein, Sinda. Du bist nicht dieses
Kind." Sie schüttelte den Kopf. Ihre Lippen
zuckten schmerzlich-
„Wie alt war Ihre Tochter?" fragte der Graf
di- Frau. — „Sieben Jahre, Herr Graf. Wenn
sie gelebt hätte, müßte sie jetzt zwanzig Jahre alt
sein und ungefähr so ein Gesicht haben und so
eine Gestalt, wie die junge Dame hier; bitte viel-
mals um Vergebung. Sie war schlank und an-
muthig und tanzte immer und hat manchen Penny
von den Soldaten für ihre hübschen Tänze be-
kommen. Und ihre Haut war weiß und zart,
wie die einer Lilie. Sie war sehr beliebt in den
Baracken, eine richtige kleine Schauspielerin, und
Jakob und ich kleideten sie immer sehr schön und
wie eine kleine Dame und vergötterten sie geradezu.
Und sie wurde mir entrissen. Wir hatten beab-
Ichtigt, Geld mit ihr zu verdienen, wenn sie groß
wäre. Sie hätte eine prächtige Ballettänzerin ab-
gegeben. Die andern sechs waren gewöhnlich.
Dienstag, 4. Dezember 18S4
General-GAmeiger
*—--—-———-
SlbonnementSpreis r
Mit Ssettizcm illr-Srirtrm Souutag«Slatt: monatlich
46 Pfennig frei in's Haus, durch die Poft bezoze»
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Expedition: Kcrrrptltrcrßs Hkr. 28.
für Heidelberg und Umgegend
(Würger-Zeitung).
Jnscrtionöprciör
die tspaltige Hrtttzeile oder deren Raum 8 Pf-.,
für auswärtige Inserate 16 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
°— --- — "i l
Expedition: Hauptstraße Mr. 28.
GeLese-rsLes BLerLL im SLsdL N. HeideMLVD NMd ÄNr-ZeGEMd» M'VZtzteV EVfslg sirr Insekte
Deutschland mutzte es in Afrika erfahren,
j welch ein unleidlicher Freundnachbar England
! ist, und Italien erfährt es jetzt ebenfalls im
schwarzen WMHeil, wie weniges auf die eigent-
lich im wohlverstandenen Jnreresfe Englands
selbst gelegene Unterstützung im Kampfe gegen
die Derwische rechnen kann. Die Folgen dieser
Haltung find nicht ausgeblieben. Das deutsche
Reich hat auf den groben Klotz einen derben
Keil gefetzt und Herrn Rosebertz bereits zwei
empfindliche diplomatische Niederlagen bereitet.
Es hat den englischen Premier in der Kongsver-
trags-Affaire zum Rückzüge gezwungen und die
deutsche Regierung hat die europäische Interven-
tion zu Gunsten Chinas, welche von Rosebery an-
gestrebt wurde, vereitelt.
Nachdem sich's John Bull nicht nur mit
Spanien und Portugal, sondern längst auch mit
Frankreich und neuestens mit dem Dreibund Ver-
dorben hat, sucht es zur Sicherung seiner Inter-
essen in Asien mit Rußland aus guten.Fuß zu
gelangen. Man hat das Gefühl im Auswärtigen
Amte zu London, daß, wenn Rußland die Hand
nach Afghanistan ausstreckt, ja wenn es selbst
Persien annektirt und sich gegen Indien in Be-
wegung setzt, keine Macht in Europa auch nur
den Finger rühren würde, um ihm zu wehren.
So sucht denn das stolze Albion sich auf freund-
schaftliche Weise mit Rußland über eine Theilung
der Interessensphäre in Asien auseinanderzusetzen;
es buhlt um eine gnädige Aufnahme in St.
Petersburg. Dort aber weht der Wind recht
widrig. Rußland hat auf seinem Wege mach
der Südsee keinen anderen Gegner, als England.
Nur England steht dem Drange Rußlands nach
dem offenen Weltmeere als Hinderniß entgegen.
Ueber dieses Hinderniß hinwegzuschreiten,, darauf
sind alle Anstrengungen der russischen Staats-
kanzlei gerichtet. Ob England sich als Freund
oder als Feind ausspielt, ist den russischen Staats-
männern gleichgültig. Sie werden so lange freund-
lich mit den Engländern Verkehren, als ihr ge-
waltiger Plan zur Ausführung noch nicht völlig
gereift ist; sie werden aber im gegebenen Mo-
mente rücksichtslos über John Bull Hinweg-
schreiten, er mag sich dabei geberden, wie er will.
In diesem Sinne wird auch die Annäherung
Englands an Rußland in St. Petersburg beur-
theilt. Die russische Presse macht kein Hehl dar-
aus, daß England eben gut genug dazu ist, den
Einfluß Rußlands in Europa zu vermehren.
Ein Kompagniegeschäft aber wird der britische
Leopard mit dem Bären nicht machen; dazu ist
der Letztere zu vorsichtig und zu stark.
D-Ktsches Keich.
Berlin, 4. Dezember.
— In Bezug auf den Gesetzentwurf betref-
fend die Reform der Börse, verlautet, der-
selbe liege jetzt dem preußischen Staatsministerium
zur Berathung vor. Die Einführung der Re-
gister sowohl für die Produkten- wie für die
Fondsbörse wird bestätigt und zwar sollen für
die Eintragung nicht, wie ursprünglich vorge-
schlagen war, 500 und als jährlicher Beitrag
100 Mk„ sondern nur 300 bezw. 50 Mk. be-
zahlt werden.
— Zu den vom bratschen Botschafter in Paris,
Grafen Münster, bei der französischen Regierung
erhobenen ernsten Vorstellungen bemerkt
die „Nordd. Allg. Ztg.", die Meldung eines Ham-
burger Blattes, Graf Münster hätte mit Abbruch
der diplomatischen Beziehungen gedroht, sei selbst-
verständlich unrichtig, denn es gehöre nicht zu den
diplomatischen Gepflogenheiten, Verhandlungen über
Beschwerden, zu denen eine Regierung sich genöthigt
steht, mit falschen Drohungen zu beginnen.
— Ein Schreiben des Chefredakteurs des „Kladde-
radatsch", Johannes Trojan, an die „Nordd. Allg.
Ztg." besagt: „Bezüglich der vom „Kladderadatsch"
gebrachten Aeußerung über eine Aussage des Staats-
sekretärs Frhrn. v. Marschall im Kölner Prozeß
erkläre ich hiermit, daß wir in Folge mangelnder
Kenntniß von dem Seitens des Kammergerichts-
ratbs Ernst Wichert an den Reichskanzler Grafen
v. Caprivi gerichteten Schreibens uns geirrt haben
und mit Bedauern, diesem Jrrthum verfallen zu
fein, den dem Frhrn. v. Marschall gemachten Vor-
wurf, er habe sich inkorrekt ausgedrückt, vollständig
zurücknehmen."
— Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Seit
Zähren ist die Heeresverwaltung bemüht, die ein-
heimische landwirthschaftliche Produktion nach besten
Kräften zu unterstützen, demgemäß sind die Pro-
viantämter angewiesen, nach Möglichkeit von deutschen
Produzenten zu beziehen. Selbstverständlich müssen
letztere bei ihren Lieferungen sich an die vorgeschrie-
benen Bedingungen halten. Daß hierin zuweilen
gefehlt wird, ist ebenso Thatsache, wie, daß auch
von Subalternen Verstöße begangen werden. Fälle,
in denen dies vorkommt, stehen ganz vereinzelt da.
Insbesondere sah auch der jetzige Chef der Heeres-
verwaltung von Beginn seiner Ambsverwaltung
darauf, daß der obigen Bestimmung gemäß ver-
fahren werde.
Potsdam, 2. Dez. Heute Abend um 11
Uhr wird der Kaiser über Kiel nach Levensau von
der Wildperkstation mittels Sonderzuges abreisen.
Die Ankunft in Kiel dürfte kurz nach 8 Uhr
morgen Vormittag, in Levensau gegen 9 Uhr er-
folgen. Nach kurzem Aufenthalt dort kehrt der
MW" Tel-Pho«°Anschlrrtz Nr. LOL. "WW
Um 34 M
für den Monat DszsnrL sv kostet der
Ar -v»
General -Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
(Bürger-Zeitung)
nebst Jllnstr. Souutagsblatt am P orst schattsr
abgeholt.
(VomBriefträger in's Haus gebracht 13 Pfg mehr.)
In Heidelberg und den nächsten Orten der
Umgebung kostet der „Neue GeneraL-AnzeiHer
für Heidelberg und Umgegend"
monatlich nur 40 Pfg.
frei in s Haus.
Bestellungen werden von unfern Trägern und
Trägerinnen, sowie von allen Po st a n st alt en
forwährend angenommen.
England und Rußland»
Lord Rosebery hat als englischer Premier das
Erbe Gladstones sowohl in der inneren, wie in
der auswärtigen Politik «ins donsüeio invontWÜi
— wie Juristen sagen würden — das heißt ohne
das Benefiz, die Schulden, beziehungsweise Fehler
seines Vorgängers nicht mit übernehmen zu
müssen, angetreten. Einer der folgenreichsten dieser
Fehler ist die Scheu John Bulls, sei es mit
welcher europäischen Macht immer, eine Allianz
einzugehen. Egoismus und bornirter Stolz
bilden die richtunggebenden Momente für die
auswärtige Politik der liberalen Staatsmänner
vom Schlage der Gladstone und Rosebery. Eng-
land, welches sich in seiner Enceinte von Meeres-
wogen gegen jede Art verdächtiger Freundnachbar-
lichkeit gesichert dünkt, will seine freie Hand bald
diesem, bald jenem entfernten Nachbar reichen, je
nachdem dies sein spezifisches Interesse erfordert.
Es will mit Jedem gemeinsame Sache machen,
bei dem ein Profit herausschaut; es will sich
aber mit Niemandem auf der Grundlage des ä«
ut äes oder des tucno ut tavias verbünden. Das
Thun und Geben überläßt es allezeit Anderen;
es will jederzeit nur nehmen und für sich die
Kastanien von Anderen aus dem Feuer holen
lassen.
Gesucht unö Gesunden.
55) Roman von Hermiue Frankenstein.
(Fortsetzung.)
Dieses Weib, das bereits in einem Arbeits-
hause gewesen war, war ohne jeden Zweifel dieselbe,
welche Sinda suchte — jene Rhoda Buggs, welche
sie möglicher Weise sogar für ihre Mutter hielt.
Niemand von den in dem Zimmer sichtbaren Per-
sonen hielt diese Möglichkeit jetzt auch nur im Ent-
ferntesten für denkbar. Man konnte sich keinen
größeren Kontrast vorstellen, als den, welche die
Personen, Sinda und Frau Biggs darboten. Die
Eine schlank und anmuthsvoll wie ein zarter junger
Baum, die Andere plump, derb, gemein und von
ungeschickter, vierschrötiger Gestalt. Die Eine schön,
von selten poetischer Schönheit, die fast unvergäng-
lich schien, die Andere abstoßend, mit rothen, trüben
Augen und dem Ausdrucke eines weiblichen Trunken-
bolds. Die Eine feingebildet, umflossen von mäd-
chenhafter Hoheit, vornehmer Lieblichkeit und holder
Sanftmuth, die Andere roh, unwissend, gemein,
der Typus eines Fischweibes, der untersten Klasse.
Daß die Eine die Tochter der Anderen sein sollte,
schien ganz und gar unglaublich.
„Sie ist bereits im Arbeitshause gewesen,"
sagte Bathurst mit einem für Sinda's Ohren be-
absichtigten Flüstern. „Ich würde Ihren Worten
keinen Glauben schenken." — Graf Tregaron wollte
die wichtige Frage bezüglich Sinda's Identität mit
großer Vorsicht ergründen. Er glaubte, daß Frau
Diggs Sinda's Kindsfrau gewesen war, seit jener
Zeit aber immer mehr herabgekommen und immer
Kefir gesunken war. Frau Biggs wollte das, was
sie wußte, vielleicht nur um einen hohen Preis ver-
kaufen. -Er beschloß, ihr das, was sie wußte, zu
entlocken, noch ehe sie sein Vorhaben kannte. —
„Wollen Eure Gnaden mich wegen der Pension
sehen", fragte Frau Biggs, ihrer Neugierde etwas
Luft machend. — „Wir werden gleich zu der An-
gelegenheit kommen, wegen welcher ich Sie hierher
beriet", erwiderte der Graf. „Ich habe noch einige
Fragen an Sie zu richten. Ihre Identität muß
vollständig festgestellt sein. Haben Sie Verwandte,
Madame, oder Kinder?" — „Ich habe gar keine
Verwandten", erwiderte Frau Biggs, wieder das
rothgeblumte Taschentuch an die Äugen drückend:
„ich war ein armes Findelkind, Herr Graf !" „Und
Sie haben auch keine Kinder!" — „Das habe ich
nicht gesagt, Herr Graf. Ich habe einen Sohn",
sagte Frau Biggs, „einen hübschen, jungen Bur-
schen, der aber sehr unglücklich war, und bei seiner
Großmutter zurückblieb, als ich mit dem Regimente
nach Indien ging. Simon Biggs ist sein Name
und er war unglücklich, Herr Graf, und hat es zu
nichts gebracht, aber er ist ein sehr hübscher Bursche
und sehr verwendbar", fügte sie hinzu, den Vortheil
ihres Sohnes vor Augen habend, „wenn Eure
Gnaden einen braven Bedienten brauchen sollten?"
— »Er ist Ihr einziges Kind?« — „Das ein-
zige, das mir von sieben am Leben blieb", sagte
Frau Biggs weinerlich. „Ja, ich habe Schmerz und
Kummer genug gehabt. Die Großen und Reichen
wissen nichts von Leiden der Armen. Ich bin eine
Wittwe und konnte es nicht ertragen, wieder zu
heirathen, nachdem ich meinen armen Jakob Tho-
mas verloren habe. Und so stehe ich ganz allein in der
Welt, Herr Graf, mit Ausnahme meines Sohnes
Simon, der mich aber nicht ernähren und erhal-
ten kann.«
„In welcher Eigenschaft waren Sie in dem
Regimente in Sawnput beschäftigt?" fragte der
Graf. „Zn welcher Okfiziersfamilie waren Sie als
Kindsfrau bedienstet?" Frau Biggs starrte ihn an.
— Ich war in keiner Familie Kindsfrau", er-
klärte sie. „Ich war eine von den Regiments-
wäscherinen und ich glaube, daß auch das m'ch an
die Cisterne denken ließ, während des Gemetzels
und ich bin ganz unbewußt und unversehens hin-
eingeplumpst." f— „Sie war keine Kiudsfrau?"
— „Nein, Herr Graf." Sinda's Muth begann
zu sinken, aber er lebte wieder auf unter dem er-
munternden Drucke von Elliot's Hand. — „Ich
wollte mich nach einem kleinen Kinde erkundigen,
von dem man glaubte, daß es in einem allgemeinen
Gemetzel umgekommen ist," sagte der Graf nach
einer kurzen Pause; „nach einem kleinen Mädchen"
" „Ei ick habe selbst eines verloren", unterbrach
ihn Frau Biggs. „Ein so hübsches Kind, wie
man selten eines findet. Die Krillers haben fünf
Kinder in dem Gemetzel verloren und wurden selbst
getödtet; dann wurden die Thomas mit ihren Zwil-
lingen umgebracht u. Carter hat seinen Knaben verloren,
aber meiner Rhoda konnte sich keines vergleichen. Ei,
sie sah aus, wie^eine kleine Dame und wurde ost für
etwas Höheres gehalten, als sie war. Als ich da-
von lief, um mein Leben zu retten, dachte ich gar
nicht an sie und später wurden alle Kinder begraben,
und sie war unter ihnen begraben worden.
Es herrschte ein tiefes Schweigen in dem Ge-
mache. Sinda's Hand wurde von Elliot festgehal-
ten, Maya schaute mit lauernden Blicken zwischen
Kaiser noch Kiel zurück, wo in seiner Gegenwart
um 12 Uhr mittags die Vereidigung der Marine-
rekruten stattfinden wird. Der Vicepräsident des
Staatsministeriums Dr. v. Bötticher hat sich
ebenfalls nach Kiel begeben.
Weimar, 2. Dez. Der Großherzog hat
dem Präsidenten der französischen Republik da«
Großkreuz des Falkenordens verliehen. Der Groß-
herzog, die Großherzogin und die Erbgroßherzogin
erlassen öffentliche Danksagungen für die große
Teilnahme, die allenthalben beim Tode des Erb-
großherzogs zum Ausdruck gekommen ist.
Dresde«, 2. Dez. Die Nagelung, Weihe und
Uebergabe der zu verleihenden elf Fahnen an
die neu organisirten vierten Bataillone fand heute
Mittag durch den König im Residenzschlosse statt.
Der Feier wohnten die Prinzen des königlichen
Hauses bei. Bei der Uebergabe hielt der König eine
Ansprache an die Regimentscommandeure. Prinz
Georg brachte hierauf ein Hoch auf den König aus.
Die Königin wie die Prinzessinnen sahen vom
Balkon des Schlosses dem militärischen Schauspiel zu.
Kiel, 3. Dez. Bei der Eröffnung der Hoch-
brücke erwiderte der Kaiser auf eine Ansprache
des Eisenbahnministers, daß die Hochbrücke aus
deutschem Material gebaut, deutscher Arbeit und
deutscher Kunst zu danken sei und daß sie ein
bleibendes Andenken zum Ruhm des Reiches sei.
Der Kaiser besichtigte nach dem Gang über die
Brücke den Turm. Nach dem Frühstück im Schloß
fuhr der Kaiser um 12^ Uhr zur Rekruten-
vereidigung.
Kiel, 8. Dez. Der Kaiser traf um 12 Ubr
auf dem Kasernenhofe der Marine-Infanterie ein
und schritt mit dem Prinzen Heinrich, dem Reichs-
kanzler, sowie dem Gefolge die Front der Ehren-
kompagnie des 1. Seebataillons ab. Alsdann fand
im Exerzierhause die Vereidigung der Re-
kruten der 1. Matrosmdivision, der 160. Werft-
division, der 1. Torpedoabtheilung und des 1. See-
bataillons statt. Nach Ansprachen der Marine-
Oberpfarrer Langfeld und Woesmaun ermahnte der
Kaiser die Rekruten, dem Eide im Innern des
Reiches und im Auslande treu zu lein. Sodann
brachte der Admiral Frhr. v. d. Goltz ein Hoch auf
den Kaiser aus. Um 12»/^ Uhr begab sich der
Kaiser zum Frühstück nach dem Seeoffizier-Kasino.
Heute Nachmittag um 3^ Uhr fuhr der Kaiser
an Bord des Flaggschiffs „Kurfürst Friedrich Wil-
helm". Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe und
der Vicepräsident des Staatsministeriums Dr
v. Bötticher sind heute Nachmittag 21/4 Uhr nach
Berlin zurückgereist. Y
Levensau, 3. Dez. Bei der Eröffnungs-
feier der Eochbrücke hielt der Vizepräsident
des Staatsministeriums Dr. v. Bötticher eine An-
den Falten des Vorhanges hervor. Graf Tregaron
sah blaß und bekümmert aus. — „Hat ihr Kind
Ihnen ähnlich gesehen?" fragte er dann. — „Sie
hat mir mehr ähnlich gesehen, als ihrem Vater",
versetzte Frau Biggs. „Ich habe eine lichte
Hautfarbe und sie hatte sie auch. Sie hatte
blaue Augen und die meinigen sind auch blau
Ihr Haar war goldgelb und weich wie Seide —
fast so wie das der jungen Damen dort; bitte
vielmals um Vergebung." Sinda's Gesicht war
schneeweiß und ihre großen, brennenden Augen
leuchteten wie Sterne. Es lag ein Ausdruck grenzen-
loser Qual in diesen Augen, als sie sie zu Elliot
erhob, und er flüsterte ihr zärtlich zu: „Es wird
Alles richtig sein, Sinda. Du bist nicht dieses
Kind." Sie schüttelte den Kopf. Ihre Lippen
zuckten schmerzlich-
„Wie alt war Ihre Tochter?" fragte der Graf
di- Frau. — „Sieben Jahre, Herr Graf. Wenn
sie gelebt hätte, müßte sie jetzt zwanzig Jahre alt
sein und ungefähr so ein Gesicht haben und so
eine Gestalt, wie die junge Dame hier; bitte viel-
mals um Vergebung. Sie war schlank und an-
muthig und tanzte immer und hat manchen Penny
von den Soldaten für ihre hübschen Tänze be-
kommen. Und ihre Haut war weiß und zart,
wie die einer Lilie. Sie war sehr beliebt in den
Baracken, eine richtige kleine Schauspielerin, und
Jakob und ich kleideten sie immer sehr schön und
wie eine kleine Dame und vergötterten sie geradezu.
Und sie wurde mir entrissen. Wir hatten beab-
Ichtigt, Geld mit ihr zu verdienen, wenn sie groß
wäre. Sie hätte eine prächtige Ballettänzerin ab-
gegeben. Die andern sechs waren gewöhnlich.