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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 201 - Nr. 210 (29. August - 8. September)
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Nummer 210. H. Jahrgang.

Aene v

Samstag, 8. September M94

General- O Anzeiger



für Heidelberg und Umgegend
(Mürger-Zeitung).

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mit sseitigem illuftrirtem SountagSblatt: monatlich
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kür auswärtige Inserate 10 Pfg», bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
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Geleseirstes Blatt an Stadt m. AiMt HetdeMeVg and Bnrsegend. Gv'ötzteV füv Inserate.

DW" Erstes Blatt.
Ium 69. Geburtstag unseres
Großherzogs Friedrich.
Segne Gott den edlen Fürsten,
Unfern guten Großhcrzog!
Uebers bad'sche Land, das schöne,
Walt' er viele Jahre noch,
Friedrich der Deutsche, Freie,
Fürst des Friedens lebe hoch!
Segne Gott den edlen Fürsten,
Unfern guten Großherzog!
Wie ein lichter Garten Gottes
Ist sein herrlich Land zu schau'n;
Freiheit herrscht in seinen Grenzen,
Friede wohnt in seinen Gau'n.
Und der Fürst, das Volk, sie lohnen
Sich die Treue mit Vertrau'n.
Wie ein lichter Garten Gottes
Ist das Badner Land zu schau'n.
Wo man Reich und Raffer preiset,
Wird auch Friederichs gedacht,
Der für Deutschlands Ehr' und Größe
Freudig Vpfer hat gebracht.
Der mit schuf des Vaterlandes
Einigkeit und stolze Wacht.
Wo man Reich und Raffer preiset,
Wird auch Friederichs gedacht.
Segne Gott den edlen Fürsten,
Unfern guten Großherzog!
Uebers bad'schen Land das schöne,
Walt' er viele Jahre noch.
Friederich der Freie, Deutsche,
Fürst des Friedens lebe hoch!
Segne Gott den edlen Fürsten,
Unfern guten Großherzog!
L. r.
Der Graf vnn Paris.
Der in einigen Blättern schon todtgesagte Graf
von Paris befindet sich zwar noch am Leben, allein,
wenn sich auch die Ergebenen des Prätendenten
Mühe geben, den Zustand des Kranken als nicht

ganz hoffnungslos darzustellen, so würde die Tkat-
sache allein, daß alle Mitglieder der Familie Or-
leans nach England sich begeben haben, das Gegen-
theil bekunden.
Der Graf von Paris hat auf seinen eigenen
Wunsch hin die Sterbesakramente empfangen, seine
Gemahlin mit ihren Kindern, voran der Herzog von
Orleans und die Königin von Portugal, knieten um
das Schmerzenslager; der auf dem Sterbebette
liegende Graf wollte einige Worte an seine Ange-
hörigen richten, allein der Priester und die Gräfin
von Paris baten ihn, es nicht zu thun, um sich zu
schonen.
Auf Veranlassung des royalistischen Comitees
wurden in allen Pariser Pfarrkirchen, in der Basi-
lika zum heiligen Herzen Jesu und in der Kapelle
Sankt Ferdinand zu Neuilly, welche dem Andenken
des Vaters des Grafen von Paris geweiht ist,
Messen für die Genesung des Kranken gelesen.
Ueber die Krankheit lauten die Berichte verschieden.
Nach dem Einen leidet der „König" an einem
Magenkrebs, der Folge einer Operation, die er vor
zwei Jahren zu bestehen hatte, nach dem Anderen
an einer Darm-Lähmung, aber es ist sicher, daß
er keinerlei Nahrung mehr verträgt. Ueberdies weiß
man, daß Professor Guyon, Spezialist für Blasen-
und Nierenkrankheiten, noch kürzlich nach Stowe-
House gerufen wurde. Von jenem Augenblicke an
verbreiteten sich pessimistische Gerüchte über das Be-
finden des Verbannten. Vergeblich traten die
Getreuen denselben entgegen, und machte der Graf
von Paris selbst eine große Anstrengung und wahr-
scheinlich die letzte, indem er sich von dem Redakteur
eines südfranzösischen Parteiblattes interviewen ließ
und in dem Gespräche betonte, niemals habe die
Monarchie mehr Aussicht gehabt, als jetzt, die Re-
publik bald und vortheilhaft zu ersetzen.
Wie Eingeweihte versichern, hatte der Prätendent
sich seit geraumer Zeit der Kampfpolitik enthalten,
und war es seine Gemahlin, welche mit dem Grafen
d'Haussouville dieselbe betrieb, entschlossen, für ihren
Sohn womöglich den Thron ihres eigenen Groß-
vaters zurückzuerobern.
Es ist vorauszusehen, daß der Herzog von Or-
leans, der als „erster Rekrut Frankreichs" berübmt
geworden ist ganz andere Bahnen beschreiten wird,
als sein Vater, und auf kühne Streiche sinnt, die
in Frankreich immer Anklang finden. Daher
werden jetzt Stimmen laut, welche die Leiter der
Republik nahmen, daß sie die Augen offen halten,
weil zwei junge Prätendenten „kn äs sisvln",
wie „Prinz Gamelle" und „Prinz Toto" anar-
chistische oder andere Wirren wahrnehmen könnten,
um das Wasser der öffentlichen Unzufriedenheit
auf ihre Mühlen zu leiten.

Deutsches Reich.
Berlin, 8. September.
— Der Kaiser hat folgendes verfügt: „In den-
jenigen Fällen, in denen die Fl u r e n tsch äd i g-
ungen als besonders hohe sich Herausstellen, hat Mir
das Kriegsministerium Berichte der Divisions-
kommandeure darüber vorzulegen, welchen besonderen
Umständen dies zuzuschreiben ist und welche An-
ordnungen zur Verringerung der Flurschäden ge-
troffen waren."
— Für den mit Rußland in Geschäftsver-
bindung stehenden deutschen Handel ist eine jüngst
getroffene Entscheidung des russischen dirigirenden
Senats von großer Wichtigkeit. Diese bestimmt,
daß die Agenten ausländischer Firmen
den Inhabern von Kommissionsgeschäften nicht gleich
zu achten sind. Anderenfalls hätte jeder dieser
Agenten diese Genehmigung des Ministers des
Innern zu Beginn seiner Thätigkeit einholen und
eine hohe Kaution hint rlegen müssen.
— Die Ertheilung von Tanz-, Turn- und
Schwimmunterricht, der Trödelhandel, Kleinhandel
mit Textilerzeugnissen und der Handel mit Spreng-
stoffen unterliegt nach 8 35 der Gewerbe-
ordnung in der Weise der polizeilichen Ein-
wirkung, daß die Polizei unter bestimmten Vor-
aussetzungen die Einstellung des einzelnen Betriebes
anordnen kann. Mit dem einmaligen Verbot
des Betriebes ist, auch wenn die Gründe des
Verbots fortfallen, die Wiederaufnahme überhaupt
unmöglich geworden. Das ist eine Härte dem
Schankgewerbe gegenüber, wo das Verbot zurück-
gezogen werden kann. In der nächsten Novelle
zur Gewerbeordnung dürfte durch einen Zusatz
zum 8 35 dem jetzigen Zustand ein Ende gemacht
werden.
Königsberg, i. Pr., 7. Sept. Bei der
gestrigen Galatafel toastete der Kaiser zuerst auf
den König von Württemberg, welcher dankend er-
widerte, alsdann bewillkommnete der Kaiser die
Eingeladenen als Vertreter der Provinz; er dankte
für den warmen Empfang und sprach aus, es
werde sein stetes Bestreben sein, für das
Wohl der wirthschaftlichen Hebung Ostpreußens
angelegentlich zu sorgen. Dem Kaiser wollte
scheinen, als ob unter den Sorgen, welche die
Landwirthschaft betroffen haben, Zweifel über ein
vor vier Jahren von ihm gegebenes Versprechen
aufgestiegen seien, ja er habe bemerken müssen,
daß seine besten Absichten mißverstanden, theil-
weise bekämpft worden sind, ja sogar ein Wort
der Opposition verlautete. Die Opposition preu-
ßischer Adeliger gegen den König sei ein Unding
und hat nur dann Berechtigung, wenn sie den
König an ihrer Spitze wisse. Gleich s einem Groß-
vater vertrete auch er das Königthum von Gottes

Gnaden. „Ich weiß sehr wohl, daß wir durch
schwere Zeiten gehen, täglich sinne ich darauf,
ihnen abzuhelfen. Sie müssen mich dabei unter-
stützen, nicht durch Lärm, nicht durch die Mittel
der gewerbsmäßigen Oppositionsparteien; nein
durch Vertrauen. Willig leihe ich jedem Gehör,
um mich zu vergewissern, ob ich meinen Ver-
sprechungen nachgekommen, ließ ich zusammenstellen,
was für die Provinz unter meiner Regierung bis-
her geschehen ist. Seit vier Jahren sind für
Eisenbahnen, zum Erlaß von Darlehen an Deich-
Meliorationsverbände, für die Weichselregulirung,
den Seekanal für Ostpreußen 85 000000 Mk.,
für Westpreußen 24 250 000 Mk. aus allgemeinen
Staatsmitteln aufgewendet worden. Ich habe
mein Wort gehalten, aber noch mehr, ich werde
fortfahren, stets für dieses Land zu sorgen. Der
Druck der Zeiten sei als eine von Gott auferlegte
Prüfung zu betrachten. Die vorgestrige Feier der
Enthüllung des Denkmals mahnt uns an den
ernsten Kampf wider die Bestrebungen gegen die
Grundlage unseres staatlichen, gesellschaftlichen
Lebens. Auf zum Kampfe für Religion, Sitte
und Ordnung gegen die Parteien des Umsturzes.
Möge der Adel zum leuchtenden Vorbild für den
noch zögernden Theil des Volkes werden! In der
Hoffnung, daß Ostpreußen als erste Provinz in
der Linie in dieses Gefecht gehen wird, trinke
ich auf das Gedeihen Ostpreußens und seiner Be-
wohner !"
Karlsruhe, 7. Septbr. Heute Mittag um
3/4I2 Uhr trafen zu Schiff von Lindau aus Ihre
Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prin-
zessin Ludwig von Bayern nebst den Prinzessinnen-
Töchtern und dem Prinzen Wolfgang zum Be-
such auf Schloß Mainau ein. Höchstdieselben
nahmen an der Mittagstafel Theil und fuhren
mit dem Schiff um lU/z Uhr wieder nach Lindau
zurück.
Ausland.
Paris, 7. Sept. Das S ch w u r g er i ch t der
Vogesen hat jetzt ebenfalls einem Anarchisten,
der die Ermordung Carnots gepriesen hatte, mil-
dernde Umstände bewilligt und ihn nur zu drei
Monaten Gefängniß verurtheilt. — Neuerer Be-
stimmung nach findet wegen Rückkehr Dupuys
der nächste Ministerrath schon morgen in Pont-sur-
Seine statt. — In Rive-de-Gier wurde gestern
eine Versammlung der ausständischen Glasarbeiter
ohne Zwischenfall aufgelöst.
Amsterdam, 7. Sept. Laut einem Telegramm
des „Telegraaf" aus Batavia sind gestern in
Ampeman Hauptmann Lindgreen, der Arzt
Ajlaki, der Lieutenant Blank und 60 Soldaten
mit Freigeleite nach Radja zurückgekehrt. Der
Feind ist durch Artillerie ans Arum vertrieben.

Aie verborgene Kcrnö.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von der Have.
29) (Fortsetzung.)
Der alten Lina traten noch jedesmal die Thränen
in die Augen, wenn sie an jene dunkle, schwere Zeit
dachte. Das große Geschäft mußte liquidiert, der glän-
zende Haushalt aufgelöst werden und nur durch die
Umsicht eines im Unglück als selbstlos sich bewährenden
Freundes des Herrn Wilsemann, des jetzigen Unter-
suchungsrichters Dr. Rogge, war der Wittwe ein
schmaler Rest des einst kolossalen Vermögens und dieses
Haus verblieben. Frau Wilsemann aber fühlte sich zu
sehr gebrochen, um die Hände in den Schoß legen zu
können. Sie empfand es instinktiv, daß sie sich damit
ganz und gar willenlos dem Schmerze preisgab, der sie
zu überwältigen drohte. Auch sie besaß eine treue
Freundin in der Frau des als Millionär stadtbekannten
Großhandelsherrn Hans Volkheim, und eine Last nahm
es von ihrem Herzen, als diese ihr den Vorschlag machte,
in ihrem Hause gleichsam wie eine liebe Schwester die
nominelle Stellung einer Hausdame einzunehmen, indes
der einzige Sohn der Wittwe seinem Rechtsstudium im
alten Bonn am Rhein oblag.
Die gebeugte Frau willigte nur zu gern in diesen
Vorschlag und trat als die würdigste Mitrepräsentaein
der Hausfrau in das Volkheim'sche Haus ein. Sie
fand die Ablenkung in ihrem neuen Beruf, welche sie
suchte. Sie erfüllte treu ihre Pflichten und die gut-
müthige, der Freundin von Herzen zugethane Frau
Volkheim machte ihr diese Stellung gewiß leicht. So
gingen die Jahre hin. Da eines Tages erkrankte die
Hausdame, die inzwischen der oft kränklichen Hausfrau
unentbehrlich geworden war. Sie hatte sich eine Er-
kältung zugezogen, und der Arzt konstatierte ein Ner-
venfieber, welches in Typhus auszuarten drohte. Mit
Entsetzen vernahm es der Großhandelsherr und be-
stand darauf, daß die Erkrankte m derselbe Stunde noch
aus seinem Hause zu schaffen sei. Man mußte selbst-

verständlich dem Befehl Rechnung tragen und über-
führte die Leidende in das Marienkrankenhaus, wo sie
lange daniederlag.
Es war gerade zu der Zeit, da dem Sohne seine
Ferien gestatteten, herbeizueilen, als sie genesen, das
Hospital wieder verlassen durfte.
Er bestürmte die Mutter, da die Stelle der Haus-
dame im Volkheimschen Hause inzwischen durch eine
andere besetzt worden war, den eigenen Hausstand
wieder zu gründen, wenn auch ine bescheidensten Maß-
stabe. Um die folgenden Ostern hoffte er sein Examen
zu bestehen und bei dem Gerichtswesen der alten Han-
sastadt Anstellung zu finden.
Die Mutter gab dem Drängen des Sohnes nur
zu gern nach. So sehr auch im Anfang des schweren,
über sie verhängten Schicksals die Stellung in dem
Volkheim'schen Hause ein Balsam für ihr armes Herz
gewesen, so war dieselbe doch mit der Zeit zu einer
Kette für sie geworden, welche sie zuweilen geradezu
niederorückte, und zwar durch den Umgang mit dem
geldstolzen Großhandelsherrn Hans Volkheim, der sie
die Abhängigkeit, in welcher sie seiner Anschauung nach sich
befand, nur zu deutlich fühlen ließ. Herr Volkheim
war ein Charakter, der die Seelenweichheit seiner engel-
guten Gattin nie verstanden hatte. So sehr sie die
Herzen anzog und aufrichtige Sympathien selbst in
Fremden erweckte, so stieß er alle ab, die mit ihm in
Berührung kamen, es sei denn, sie waren irgendwie
mächtiger als er selbst; nur da beugte er sich, — ganz
der kleinliche Geist, der den Werth eines Menschen nach
dem Goldlot abwägt.
Frau Mutter hatte dem Sohne den Willen gethan.
Sie hatte die Komptoire in der zweiten Etage ihres
Hauses in dem alten Kaufmannsstadttheil gekündigt
und sich bescheiden, aber in der allertraulichsten Weise,
die sich nur denken läßt, von neuem eingerichtet Zu
Ostern hatte der Sohn dann richtig das Examen be-
standen. Er war nach seiner Vaterstadt mit dem Dok-
tortitel zurückgekehrt, war Referendar, dann Assessor
beim Gericht geworden und hatte nun die gute Aus-
sicht, in immerhin absehbarer Zeit,'zu Höherem zu
avancieren, um so mehr, da der junge Doktor Wikse-

mann seiner wirklich gediegenen Kenntnisse und Eigen-
schaften halber eine ganz besondere Auszeichnung sei-
tens seiner Vorgesetzten genoß.
Der Mutter ging, so zu sagen, das Herz auf, als
ihr Alex wieder ins Haus kam. Tagelang weinte sie
vor lauter Glück und Seligkeit, sobald sie nur allein
war, ihre heißen Thränen, welche auch der Schmerz um
alles Geschehene und darum, daß dem theuren, geliebten
Gatten diese Freude nicht mehr vergönnt war, ihr er-
preßte. Aber überwiegend waren es doch die Thränen
des Glückes.
Mit Stolz durfte sie auf ihren Sohn sehen. Er
war der flotteste, dabei der solideste Student der alten
Universität am Rhein gewesen und die Herren Pro-
fessoren hatten ihm in jeder Hinsicht das Prädikat „aus
gezeichnet" ertheilen müssen.
Das mochte schon stimmen, denn keinen prächtigeren
Menschen konnte man sich denken, als den jungen Asses-
sor Alex Wilsemann. Selbst seiner Mutter im allge-
meinen tiefernstes Gesicht strahlte in Hellem Glanze,
sobald nur er ins Zimmer trat; so lebte und lachte
gleichsam alles an ihr.
Seit Tagen war das freilich ein klein wenig anders
geworden, und daran hatte ein drittes Wesen schuld,
welches ganz unerwartet in den stillen Haushalt ein-
getreten war.
Es war ein junges Mädchen, von geradezu über-
irdischer Schönheit, welche die tiefe Blässe ihres Ge-
sichts nur noch interessanter erscheinen ließ. Alles an
ihr war dunkel, — Augen, Haar, Brauen. Ihre ganze
Erscheinung war von Mer königlichen Anmuth, welche
selbst den stolzesten Mann in den Staub zwingt zu
ihren Füßen.
Es war eine mysteriöse Geschichte, woher sie kam
und wer sie war. Alex erfuhr von seiner Mutter nur,
als er eines Nachmittags vom Gericht nach Hause kam,
daß ein junges Mädchen, die Tochter einer verstorbenen,
theuren Freundin, unerwartet angelangt und hinfort
ihre Hausgenossin sein würde. Sie fügte hinzu, daß
er keine weitere Fragen stellen sollte, welche zu beant-
worten sie außer Stande sei. Und er hätte eher seine

merspw^ o-,ira: sie von ihm
Furcht vor sich selbst. Was ging in ihr

rechte Hand geopfert, ehe er seiner Mutter Wunsch nicht
ohne weiteres respektiert haben würde.
Dann aber sah er sie und auf den ersten Blick
schlug sein Herz ihm zum Zerspringen. ,
„Die oder keine!" ries es in ihm mit Ungestüm,
und doch wußte er nicht einmal, wer sie war.
Aber die Liebe erkundet nicht die Wege der Menschen.
Sie kommt, sie sieht und sie siegt; sie kennt keine Standes-
unterschiede; sie fragt nicht nach dem Woher und dem
Wohin; sie liebt allein, unwiderstehlich, wie sie sAber
ist, die heiligste Himmclsmacht, von Gott auf die Erde
und in die Herzen der Menschen verpflanzt.
Wie ein Sturmwind mit Wucht berelnbricht und
mit sich fortführt, was sich in seinen Weg stellt, so er-
faßte Alex mit Allgewalt die Liebe, welche Meere über-
brückt und Himmel und Erde Zy ^ns verschmilzt.
Wer sie war, was galt es lhm - Er lMte sie auf
den ersten Blick. Sie war sür rhy^m Engel, umflossen
von dem Strahlenschein einer höheren Welt, und er
Wußte es, wie deutlicher nichts wtzsi- baß in dieser
schönen Hülle sich die Seele barg, welche Gott, Herr,
ihm fürs Leben bestimmt h«"e, " datz dieses Mädchen
sein Schicksal war, welchem ^ verfallen mußte.
lind zitternd, errötend und erbleichend in der nächsten
Minute stand sie vor ihm, als dw Mutter sie ihm vor-
stellte, wagte sie seine ihm entgegenstreckende Hand kaum
mit ihren FlngerfP-tzen zu berühren, trat sie von ihm
zurück, wie in Furcht vor sich selbst. Was ging in ihr
vor! ...
„Fräulein Norberg wird unsere Hausgenossin sein,"
tönte wie die liebüthste Verkündigung der Mutter
Stimme au sei» »«le hat ihre Eltern verloren;
es ist eine tragische Geschichte; du hörst sie später ein-
mal. Für jetzt, klebe Kinder, kommt zu Tische. Die
alte Lina klappert schon ganz ungeduldig mit den
Tellern; lassen wir sie nicht länger warten!"
Sie nahm den Arm des jungen Mädchens, und
wie von einem Magnet angezogen, folgte Alex den
Voranschreltenden.
Seiten war es anders geworden, — wunderbar
anders. Er lachte wohl noch, aber sein Lachen klang
nicht mehr ungezwungen wie zuvor. Er ward sogar
 
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