Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

DOI chapter:
Nr. 181 - Nr. 190 (6. August - 16. August)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44556#0125

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nummer 181. H. Jahrgang.

Aeuev

Montag, K. August 1894.


General-GAn^eiger

für Heidelberg und Umgegend

Abonnemcntspreiö r
mit Zeitigem tllustrirtem TonntagSblatt: monatlich
4V Pfennig frei in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Expedition: ^LaupMraße Mr. 26.

JnsertionSprciör
die lspaltige Petitzeile oder deren Raum 8 Pfg»,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
.... ..- >
Expedition: ^cruptstraße Mr. 23.

belesenstes Blntt in StndL n. Asnt HeldeWevs und Mugegend. Gr?'ötzteE G^sols für» Inserate.

NM- Telephorr-Anschlutz Rr. l«L. ^WW

ü'l Psz

für die Monate August u. Septemb. kostet der
rr e »r e
General -Anfeiger
für Heidelberg und Umgegend
(Bürger-Zeitung)
nebst Zllustr. Sountagsblatt am Postschalter
abgeholt.
(Vom Briefträger ins Haus gebracht 30 Pfg. mehr.)
In Heidelberg und den nächsten Orten der
Umgebung kostet der „Neue General-Anzeiger für
Heideberg und Umgegend"
monatlich nur 49 Pfg.
frei in s Haus.
Bestellungen werden von unfern Trägern und
Trägerinnen sowie von allen Po st an st alten
fortwährend angenommen.

Die verkrachte Freiland-Expedition.
Die mit großem Pompe in Szene gesetzte
Freiland-Expedition ist kläglich gescheitert. Wenn
Man sich vor drei Monaten untersangen hätte,
die Anhänger des sonderbaren Unternehmens auf
das Gefährliche und Bedenkliche der Sache hin-
Zuweisen, dann wäre man mindestens als Feind
jedweder humanen Bestrebung angesehen worden.
Es verlohnt sich auch jetzt noch, nachdem der
kn sich ideale Plan zu Wasser wurde, die Zwecke
^nd Ziele der Freilavd-Expedition zu beleuchten.
Was die Freiland-Expedition wollte, ist mit
Wenigen Worten gesagt: Gründung eines soziali-
"ischen Gemeinwesens im Innern des dunklen
Mlttheiles. Ein vielgenannter Publizist, Finanz-
bann und Agitator, Dr. Theodor Hertzka in
Men, hatte den Gedanken ausgebrütet, und er
'knd Anhänger genug, die sich durch seine Artikel
jNd Vorträge bethören ließen. Auch zur Grün-
ung eines idealen Freistaates gehört heutzutage
'k erster Linie Geld. Geld aber stand den
Mündern nicht viel zur Verfügung. Nur schöne
Mrte. Um das Geld herbeizuschaffen, wurde zu
"ein viel beliebten Mittel der Sammlung gegriffen,
!>ffd reiche Leute, die sonst gern ein Scherflcin
M humane Zwecke herg-.ben, zeichneten größere
Summen.
. Wir erfuhren dann eines Tages, daß die

„Freiland - Gründer" über die nöthigen Geld-
mittel, über Waffen, Munition, ein Schiff und
kundige „Afrika-Führer" verfügten, und daß die
Sache losgehen werde. Der eigentliche Gründer,
Hertzka, ging aber nur bis Hamburg mit. Er
erklärte, daß man cs nur mit einer Pionier-
Expedition zu thun habe, und daß er mit dem
Hauptkorps nachfolgen werde. Diese Pionier-
Expedition bestand aus 26 Mann und hatte
über eine Baarschaft von einigen Tausend Mark
zu verfügen. Erst auf dem afrikanischen Boden
erhielt sie weitere 4000 Mark. Ihr Führer,
ein Wiener Spediteur, Wilhelm, hatte sich aber
vorsichtiger Weise für seine Person 20 000 Mark
mitgenommen, und er hatte sehr weise daran ge-
than. Die Gesellschaft war zusammengesetzt aus
den verschiedensten Persönlichkeiten: junge Aerzte,
unfertige Studenten, einige passionirte Bergsteiger,
freiwillige Naturforscher und überhaupt junge
Männer, die zu jedem Abenteuer aufgelegt sind.
Zu ihnen stieß ein ehemaliger englischer Käpitän,
„berühmter Afrika-Reisender" und Jäger und ein
österreichischer Hauptmann. Der Letztere war aber
keineswegs Mitglied der Expedition ; er schloß sich
derselben freiwillig an, und die Vermuthung hat
etwas für sich, daß derselbe von der österreichischen
Regierung den Auftrag hatte, das Unternehmen
im Auge zu behalten und Bericht über dasselbe
zu erstatten.
Dieser Hauptmann ist denn auch kürzlich
nach Wien zurückgekehrt und hat das vollständige
Scheitern der Sache melden können. Schon
Mitte Juli langten von der afrikanischen Ost-
küste die ersten Briefe ein, welche die wirkliche
Sachlage darthaten, und seit einigen Tagen laufen
die Briese aus Laniu und Zanzibar, geschrieben
von den bedrängten Expeditionsmitgliedern, in
beängstigender Menge ein. Zunächst erkennt man
aus denselben, daß die Expedition thatsüchlich auf-
gelöst ist, daß die Mehrzahl der Theilnehmer
sich in einer sehr unerquicklichen Lage befindet,
und daß sie sich für ein völlig kopfloses und aus-
sichtsloses Unternehmen hatten anwerben lassen.
Die meisten Theilnehmer scheinen auch die dunklen
Andeutungen über einen in der Vorbereitung
begriffenen Aufstand der Araber und Neger gegen
die Fremden, Engländer und Deutsche, nicht sehr
ernst zu nehmen, weil sie sich bemühen, bei den
Engländern und Deutschen ein Unterkommen zu
finden.
Aus allen Nachrichten und Aufklärungen geht
hervor, daß eine mit so geringen Mitteln von
vorn herein hülfsbedürftige Expedition nach dem
Innern Afrikas scheitern mußte an dem Wider-
stände jener Mächte, die im Lande die Gewalt
haben: neben dem Sultan von Zanzibar die
Engländer und Deutschen. Wenn Oesterreich,

ähnlich wie Italien, mit einigen Kriegsschiffen,
mit Truppen und guten Führern, ein solches
Unternehmen hätte in die Hand nehmen wollen,
dann hätte die Sache eine andere Gestalt ge-
winnen können. Aber dreißig junge Leute msi
mangelhafter Ausrüstung und nahezu ohne Geld!
Die harte Kritik erscheint jetzt zwar leicht und
billig, wo das Ergebniß vorliegt, aber sie if
schon vor Monaten gemacht worden, als die Re-
kruten für Freiland angeworben wurden.

Die Lehren der Lyoner BlutthaL.
Die „Straßburger Post" schreibt in einem
Leitartikel vom 4. ds. Mts. Das entsetzliche Er-
eigniß des blutigen Johannisfestes in Lyon hat
am 40. Tage nach der That seine vorläufige
Sühne gefunden. Das Schwurgericht von Lyon
hat gestern das Todesurtheil über den Mörder
des französischen Staatsoberhauptes gefällt — wer
Blut vergießt, deß Blut soll wieder vergossen
werden.
Dieser Ausgang des Prozesses ist wohl für
Niemand überraschend gekommen, denn wenn man
auch schon die größten Überraschungen von fran-
zösischen Geschworenen erhalten hat, so war doch
in diesem Falle alles so sonnenklar, daß eine
Ucberraschung ausgeschlossen werden mußte. Der
Thäter war auf frischer That ertappt worden,
er leugnete nicht nur nicht, sondern rühmte sich
mit lästernder Zunge des feigen Meuchelmordes
an einem der sittenreinsteu, gütigsten Menschen;
und die That selbst stand in ihrer ganzen schauer-
lichen blutigen Größe noch vor den Augen der
Geschworenen. Es gab keine andere Entscheidung
als diejenige, welche sich die Menschen als äußersten
Schutz gegen die verworfensten Mitglieder der
Menschengemeinschaft Vorbehalten haben, den ent-
ehrenden Tod durch Henkershand.
Die Leute, die sich noch hier und da zugunsten
des Mörders geregt hatten und die vererbte Krank-
heit und die Jugend geltend machen wollten,
werden — abgesehen von den anarchistischen Mit-
schuldigen — wohl verstummen, wenn sie ver-
nehmen, mit welch kaltblütiger Ruhe und schranken-
loser Frechheit sich der neuropathisch belastete,
jugendliche Verbrecher vor Gericht geführt hat.
Mit größtem Eifer hat Caserio selbst erklärt, daß
er vollkommen geistesklar und zielbewußt gehandelt
habe, und die Untersuchung hat ergeben, daß er
bisher nicht eine Spur von geistiger Erkrankung
gezeigt hat, trotzdem die Familie krank veran-
lagt ist.
Mag sein, daß seine geistige Thätigkeit durch
Mängel der Erziehung oder durch spätere ver-
derbliche Einflüsse auf die verbrecherische Bahn
gelenkt worden ist und infolge eines geringeren

Gehaltes dem Verbrechen nichi hat genügend
Widerstand leisten können. So weit darf aber
die Rechtspflege nicht gehen, daß sie die viel
mißbrauchten „mildernden Umstünde" auf solche
Fälle anwendet. Die später etwa möglich werdende
krankhafte Entwicklung eines Gehirns kann nicht
den Untergrund bilden für die Zubilligung mil-
dernder Umstände für eine That, welche aus diesem
Gehirn erfließt, so lange es noch keine krankhafte»
Erscheinungen geäußert hat. Was hätte geschehen
müssen, wenn die Geschworenen mildernde Um-
stände, die doch nur durch jene neuropathische
Belastung zu begründen gewesen wären, anerkannt
hätten? Der Mörder hätte in das Irrenhaus
gebracht werden müssen, und dort würde man
nicht gewußt haben, was mit ihm anfangen.
In diesem Falle gab es nur eine Wahl:
Irrenhaus oder Hinrichtung! Das Gericht hat
sich für das letztere entschieden und stärkt dami das
Rechtsbewußtsein im Volke in der geeignetsten
Weise. Wird man sich in Frankreich einst dafür
entschieden haben, daß nicht mehr der Tod durch
Henkershand das „höchste Strafmaß" sein soll,
dann wird ja auch Niemand mehr nach blutiger
Rache für so blutige Greuelthaten verlangen
dürfen. Vorderhand aber hat die sranzösische
Republik noch die Hinrichtung als äußerste Strafe,
und ihre Rechtshüter müssen dafür sorgen, daß
diese Waffe nicht roste.
Vornehmlich nicht in der gegenwärtigen Zeit!
Die Gesellschaft, die Gesammtheit aller friedlichen
und rechtlichen Staatsbürger, Arbeiter und Ar-
beitnehmer im weitesten Sinne, wird bedroht von
einer Schar wilder Gesellen, welche den „Mord
uw jeden Preis" als Loosung «umgeben, indem
sie unter dieser blutigen Fahne die Menschheit zu
einer besseren Gestaltung führen wollen. Das
ist eine Lehre, gegen welche es keine Gegenlehre
gibt, die sich austoben muß. bis der letzte ihrer
Anhänger verblutet ist. Die Lehre ist viehisch
roh; sie drückt den Menschen auf den Stand-
punkt des wilden Thieres zurück, von dem er sich
nach Jahrtausende langer Arbeit losgerungen hat.
Ihre Anhänger führen sie buchstäblich aus; sie
kennen keine Unterschiede und suchen alles zu ver-
nichten, was zu vernichten eine augenblickliche Ein-
gebung als Vernichtenswerth erscheinen läßt.
Die ganze Menschheit ist von diesen Mord-
gesellen bedroht; die Menschheit hat demnach das
Recht, diese Leute, die sie des Rechtes auf die
Eigenschaft als Mensch freiwillig begeben, wie
wilde Thierc zu behandeln und sie zu vernichten,
wo sie sie findet. Die Sache liegt da sehr klar.
Die Anarchisten haben den Kampf auf Leben und
Tod angefangen, sie werden es nun Hinehmen
müssen, wenn ihnen auf gleiche Weise begegnet
wird.

H e s ü H n L.
Roman von H. von Gabain.
(Schluß.)

- »Ja, Georg, ich liebe Dich unaussprechlich,"
>)te Olga, und dennoch müssen wir scheiden!
^fsis köstliche Widersehen will ich als eine süße
^'dnerung mit mir nehmen auf den rauhen Lebens-
der mir vom Geschick beschieden ist, zu wan-
sM Oh, laß mich fort — fort! stöhnte sie, sich
N^r Umarmung entziehend. „Siehst Du denn
das Brandmal der Schuld auf meiner Stirn?
mich im Frieden ziehen und bete für mich wie
eine Gestorbene!" Sie wollte sich erheben.
»Nein, Olga, bleibe! Du bist rein wie eine
iMMe, Deine Stirn ist klar wie die Sonne; der
,^k>sre Druck, der auf Deiner Seele liegt, wird
finden, wenn Du alles, was Dein Herz be-
mir anoertraust. Sieh nach an, Geliebte,
Nyx in die Augen, dann wirst Du die rechten
^te finden und wenn Du geendet, dann wird es
beisen Trennung, sondern Vereinigung für's
Zeigte sich tief, tief zu ihr nieder und
§lle einen sanften Kuß auf die goldblonden
er flehte und bat so innig, bis das Herz
öffnete und die reinen Lippen befangen, ver-
Ii< ' die Schuld der Mutter bekannten. Ob, wie
^^sammenschauderte vor Scham und Trauerund
^.."lische Erregung sich in ihren Augen, auf dem
i^kten Antlitz spiegelte. Georg beobachtete sie
^,'üthig; die erschütternden Schilderungen be-
Ä ihn tief und mit keinem Laut wagte er das
! tüllniß zu stören. Als Olga geendet batte und

sie den verzweifelten Blick zu ihm aufschlug, indem
die Frage so deutlich stand: „Wirst Du mich nun
noch lieben? Wirst Du mich Arme von Dir
stoßen?" ja, da zog Georg die Geliebte fest an seine
breite Brust, da strich er über ihre erhitzten WaNgen
und küßte ihr die Thräncn aus den überströmenden
Augen. Er sprach tröstende Worte, er redete von
seiner großen Liebe, die den Sckmwz aus ihrem
Herzen bannen und die tiefe Wunde heilen würde.
„Weine nicht mehr, meine Olga," bat er sanft.
„Deine unglückliche Mutier wird in dem sturmbe-
wcgten Meer Les Lebens zur Erkenntniß kommen,
daß sie schwer geirrt, und Gott, der ein Beschützer
der Schwachen und Verirrten ist, wird ihr den Weg
zu Deinem Herzen zeigen. Sei getrost, Geliebte
sie kehrt einst zu Dir, zu ihrem Kinde zurück."
Eine rührende Weichheit breitete sich bei diesem
sanften, gütigen, von Liebe durchwehten Zuspruch
über das holde, edle Antlitz dec so bart Geprüften.
Das Licht der zaubervollen Sommernacht
fluthete wie flüssiges Silber über das Meer und
webte lange Silderstreifen hinüber zu dem glück
lichen Paar. Ein Weben und Flüstern zog durch
die weiche, laue Luft; wie eine Ahnung kommen-
den Glückes zog es in die Herzen der Beiden ein,
die nun schweigend, weltvergessen in zairischer Um-
armung Herz an Herz rubten.
Mit leuchtendem Blick trat Liza, am Arm des
Gatten, hinzu. Sonnige Heiterkeit sprach aus
ihren lachenden Augen, als sie die Freundin um-
armte und ihr Glück wünschte und alsdann dem
Beispiel des Grafen folgend, Georg schweigend,
herzlich die Hand reichte. In ihrer unverwüstlichen
Heiterkeit plauderte die kleine Frau von Allem

Möglichen, von dem Gatten darin unterstützt und
es gelang ihr ganz vortrefflich, die etwas drückende
Situation durch diese zarte Rücksichtnahme aus dem
Wege zu räumen. Es versteht sich natürlich ganz
von selbst", sagte Liza nach einer Weile, sich er
hebend, „daß Du nun bei uns bleibst. Mein
lieber Mann hat neben unserem Zimmer eins für
Dich bestellt, dahin werde ich Dich begleiten und
die Rückreise machst Du in unserer Begleitung.
Mich hat die Nacht mit ihrem geheimnißoollen
Flimmern ganz melancholisch gestimmt; Du bist
auch der Ruhe dringend bedürftig, so ist es am besten,
wir ziehen uns zurück." Sie nahm, als verstände
es sich ganz von selbst, Olga bei der Hand, nickte
den Herren verständnißinnig zu und zog die Freun-
din mit sich. In ihrem weiblichen Taktgefühl,
das eine gebildete, feinfühlige Frau niemals im
Stiche läßt, hatte Gräfin Kork das Richtige ge-
wählt und wohl noch eine Stunde saßen die beiden
Freundinnen im traulichen Gespräch bei einander.
Was hatten sie sich nicht olles zu sagen und anzu-
vertrauen !
Vier Jahre sind seitdem vergangen. Aus dem
Schloß des Grafen Kork, bei dem Olga liebevolle
Aufnahme gefunden batte, ist sie nun schon seit
länger denn 3 Jahre übergesiedelt in dos grünum-
sponNene Waldhaus, als Gattin des Oberförsters
Lendang.. Ein stilles, herrliches, vollkommenes
Glück wäre diese Ehe zu nennen gewesen, wenn
nicht ein düsterer Schatten di- Augen der jungen
Frau oft trübte. Es ist die Erinnerung an die
Mutter, die den Weg noch immer nicht gefunden
hatte, der ihr allein den Frieden bringen würde.
Olga wußte nicht einmal, wohin sie die Gedanken

lenken sollte, um der bethcrten Frau auf ihrem
düsteren Lebenspfad im Geiste nabe zu sein. Das
allein war es, woran sie so unsäglich schwer zu
tragen hatte. Wie oft legte sie die Hände an-
dächtig zusammen, um für die Arme ein Gebet zu
sprechen, um eine Fürbitte für ihre verirrte Seele
zu thun! Wie sehnte sich Olga danack, ihre
Arme um den Nacken der Unglücklichen schlingen
zu dürfen und Worte der Versöhnung zu sprechen!
Sollte sie ewig darauf verzichten? Sollte die
Mutter auf dieser Welt, ohne des Himmels Ver-
gebung erfleht zu haben, geschieden sein? Oh,
wie das kindlich reine, fromme G-müth bei diesem
grausamen Gedanken zusammenzuckte! wie sie sich
alsdann Trost holen mußte von dem Gatten, der
stets bereit war, sie gütig, liebevoll zu empfangen
und durch seinen milden Zuspruch Hoffnung in
ihre bange, verzagte Seele zu senken.
Es war an einem sonnigen Sommertage. Olga
saß vor der Thür unter dem großen, schattigen
Lindenbaum; süß betäubender Vluthenduft durch-
webte die Luft. Die Bienen summten, Schmetter-
linge zogen lautlos vorbei und melodische Vogel-
stimmen belebten den stillen Wald. Zu Füßen
der jungen Frau spiest ein zweijähriger, blonder
Knabe. Ihr Kind, ihr herziger Bube war es, der
sie mit seinen lieben, lustigen Aeugelein anblickte,
der nun schon den, Namen Mutter lallen konnte
und jubelnd dem Papa die drallen Aermchen ent-
gegenstrcckte, wenn er heimkehrte vom Dienst.
Olga legte den bunten Kleiderstoff, an dem
sie so emsig gearbeitet hatte, bei Seite und
hob den Knaben auf ihren Arm. Sie
spielte und kostete mit ihm, sie war so
 
Annotationen