Nummer 264. H. Jahrgang.
Ne»re e
Samstag, 10. November 1894.
General-HAmeiger
»
Expedition: Hauptstraße Mr. 25.
GeLesenftes Blatt in Strrdt rr. AiMt HeideLberrs und Mnrgegend. Gvstztev EVsstg fiiv Inserate.
Jnsertionsprerör
die Is-altige Petitzetle oder deren Raum 5 Pfg«,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-
für Heidelberg und Umgegend
(Nürger-ZeiLung).
Abonnementspreis r
mit Sscitigem illukrirtem Souutagsblatk: monatlich
4« Pfennig ftei in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mar» ohne Bestellgeld-
Expedition: Kauptstraße Mr. 25.
NM- r-l-ph»»-«n!ch<utz Rk. I»L. "MU
NE" Erstes Blatt. "WU
Fsrtrvährettd
werden von allen Postanstalten, Landbriefträgern
Unseren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.
Tie Vorgänge m Fuchsmühl.
Mit der Überschrift „Zur Steuer der Wahr-
heit" veröffentlicht der „Regensburger Anzeiger"
eine Zuschrift aus Fuchsmühl, der wir folgenden
bemcrkenswerthen Passus entnehmen:
„Vielfach herrscht noch Unkenntniß darüber, ob
die Gemeinde denn auch alle Wege der Güte be-
schritten hatte, besonders, ob sie sich an den viel-
genannten Herr Baron Zoller gewendet hätte. Gewiß
der Herr weiß Alles. Im Frühjahr laufenden
Jahres war eine Deputation bei dem Herrn Baron,
welche in bescheidenster Weise um das rückständige
Holz für 1893 bat. Der Baron sagte: (jnoä
^vn! Er fühlte sich nicht bewogen.
Auch die Behörden scheinen sich nicht zu er-
innern, daß die Gemeinde alle mögliche Schritte
gethan hat. Das beweist, daß ans Montag vpr
dem Unglück der gleichfalls vielgenannte Bezirks-
vrntmann Wall von Tirschenreuth, der die Er-
wubniß zum Angriff gab, zu den Rechtlern sagte:
»Hättet Ihr Euch nur einmal an das Bezirks-
amt gewendet!" Und Herr Regierungskommissär
Adrian meinte in der Gemeindeversammlung:
»Hättet Ihr Euch doch einmal an die Regierung
gewendet!"
Antwort: Alles ist geschehen!
Am 3. September 1893 ging eine wohlmo-
"virte Eingabe an das Bezirksamt Tirschen-
reuth ab.
Am 1. November 1893 abermals an die
gleiche Amtsstelle.
. Am 19. Juni 1894 an die königl. Regierung
w Regensburg.
Am 13. Juli 1893 an das Ministerium
der Finanzen. Die Antwort erfolgte am
ÄUli 1894 (!)
Was will man mehr? Die Antwort kann
Wan sich ja denken. „Man" war nicht zuständig,
unan" verwies auf die ausstehende gerichtliche
Entscheidung. „Man" wundere sich also nicht,
wenn endlich die Geduld der Leute erschöpft wurde."
^ie „N. Münch." bemerken hierzu:
Wenn diese Angaben des „Reg. Anz." über
d>e amtliche Behandlung der Eingaben der Fuchs-
wühler richtig sind, da kann man nur noch
sagen: „Da hört doch Alles auf!!" Hierzu
kommt die Nachricht, daß nunmehr lt. „Frkftr.
Ztg." der Pfarrer von Wiesau eine Erklärung
gegen die offiziellen militärischen Darlegungen in
der Fuchsmühler Affäre veröffentlicht, worin er
sagt, es sei kein Widerstand mit den Werkzeugen
geleistet worden. Die Leute seien der Aufforde-
rung, die Werkzeuge wegzulegen, nachgckommen,
und erst als der Angriff erfolgte, hätten sie die
Werkzeuge wieder ausgenommen, um damit fort-
zugehen. Die beiden Getödteten hätten die Acxte
in der Hand gehabt, weil sie gehen wollten und
nicht, um sich zu wehren. Mit Steinen sei nicht
geworfen worden. Viele hätten nicht mehr laufen
können und den Soldaten zugerufen: „Wir können
nicht so schnell laufen", da hätten sie einen Stich
oder Stoß bekommen. Eine genaue gerichtliche
Obduktion der Leichen sei nicht erfolgt. Der
Pfarrer erklärt es für unwahr, daß die Fuchs-
mühler um Mitternacht einen Angriff auf das
Schloß hätten machen wollen. Der Briefträger
hatte eine Depesche hingetragen und dabei sei
auf ihn geschossen worden. Mehrere Holzhauer
haben ihr Weg Nachts 300 Schritte vom Schlosse
vorbeigeführt.__
Deutsches Keich.
Berlin, 10. November.
— Die aus der „Voss. Ztg." stammende
Meldung, daß des Kaisers „Sang an Aegir"
durch eine ministerielle Verfügung in den oberen
Klassen der höheren Lehranstalten zum Gegen-
stände einer Besprechung gemacht werden sollte,
ist, wie der „Kreuzztg." von bestuntcrrichteter
Seite versichert wird, unzutreffend.
— Es verlautet, daß der Wortlaut der Vor-
lage zur Bekämpfung der U mstu rz b e str e-
bungen amtlich bekannt gegeben werden solle,
sobald sie die Zustimmung des Bundesraths ge-
funden haben wird, was nach den voraufgegangenen
Berathungen der einzelstaatlichen Minister binnen
Kurzem der Fall sein dürfte.
— Professor Lehden hielt gestern seine
erste Vorlesung nach der Rückkehr aus Livadia
und wurde von dem dicht gefüllten Auditorium
stürmisch begrüßt. Leyden dankte und führte aus,
er sei durch eine ernste und schwere Mission fern-
gehalten gewesen. Es sei das für ihn eine Zeit
tiefer Gemüthsbewegung und Aufregungen, ein
Stück Weltgeschichte und zugleich ein Stück Ge-
schichte in seinem Leben gewesen, welche unaus-
löschlich sein werde. Hierauf begann die Vor-
lesung.
— Nach einer von Herrn v. Bötticher, als
Stellvertreter des Reichskanzlers, unterzeichneten
Bekanntmachung im „Reichs- und Staats-Anz."
sind von Sr. Majestät dem Kaiser und König von
Preußen der Reichskanzler und preußische Minister-
präsident Fürst zu Hohenlohe-Schillings-
fürst und der Staatsminister und Minister des
Innern v. Köller zu Bevollmächtigten zum
Bundesrath ernannt worden.
— Ueber die bevorstehende Tagung des
Reichstages äußert sich ein parlamentarischer
Korrespondent der „Allg. Ztg.* folgendermaßen:
„Außer dem Gesetzentwurf, welcher die Verstärkung
der staatlichen Abwehrmittel gegen die sozialrevolu-
tionäre Propaganda bezweckt, wird dem Reichstag
auch der Etat sofort bei seinem Zusammentritt zu-
gehen. Die Fertigstellung des Reichshaushaltsvor-
anschlags seitens des R ichsschatzamtes ist diesmal
besonders früh bewirkt und damit einem Wunsche
entsprochen worden, der im Bundesrath zum Aus-
druck gekommen war. Was die sonst dem Reichs-
tag zu machenden Vorlagen betrifft, so stehen da-
rüber die definitiven Entscheidungen noch aus.
Sicher aber ist, daß die Novelle zur Strafprozeß-
ordnung und der Gesetzentwurf, betreffend die
stärkere Heranziehung des Tabaks auf dem Wege
der Fabrikatsteuer, kommen werden. Die Grund-
züge des Entwurfs des Tabakgesetzes, wie sie im
Rcichsschatzamt in Anlehnung an die Struktur des
vorjährigen ausgearbeitet worden waren, gingen zu-
nächst den bei einer Aenderung der Tabaksteuer am
meisten in Mitleidenschaft gezogenen Staaten zu.
Auf Grund der von diesen im einzelnen geltend
gemachten Wünsche und Bedenken finden auch jetzt
noch fortwährend neue Erhebungen und Erwägungen
im Reichsschatzamt statt, so daß die Schlußredaktion
des Gesetzentwurfs bisher noch nicht vollzogen
werden kounte. Die unlängst durch die Blätter
gegangene Meldung, Graf Posadowsky habe bereits
die allerhöchste Ermächtigung zur Einbringung der
Vorlage beim Bundesrath erwirkt, beruht also auf
einem Jrrthum. Aeußerem Vernehmen nach würden
es die einzelstaatlichen Finanzminister, und besonders
auch die der süddeutschen Staaten, entschieden lieber
gesehen haben, wenn der Reichsschatzsekretär sich
nicht begnügt hätte, nur 35 Mill. Mark mehr aus
dem Tabak herausholen zu wollen. Graf Posa-
dowsky scheint aber fest entschlossen zu sein, sich zu
Weiterem nicht drängen zu lassen. Die Wiederein-
bringung des Auswanderungsgesetzes wird von einem
Theil der Regierungen ebenso dringend befürwortet
wie von einem anderen als nicht sehr aussichtsvoll
widerrachen. Für die Wiedereinbringung der sog.
lex Heinze hat sich eigentlich nur Sachsen interessirt,
doch war auch dessen Interesse nur ein platonisches.
Das Binnenschifffahrtsgesetz ist im Reichsjustizamt
fertiggestellt. Von sozialpolitischen Gesetzen wird
mit Bestimmtheit ein Börsenreformentwurf und
eine Vorlage betreffend die Bekämpfung des unlau-
teren Wettbewerbs erwartet. Ob auch von den-
jenigen Entwürfen einer oder mehrere an den
Reichstag gelangen werden, welche eine Ausdehnung
der sozialpolitischen Fürsorge auf den Gebieten der
Industrie und des Handwerks in Aussicht nehmen,
steht noch dahin. Es handelt sich hierbei haupt-
sächlich auch um die große Prinzipienfrage, ob die
Zeitverhältnisse es rathsam erscheinen lassen, noch
weitere Belastungen des Unternehmerthums auf in-
dustriellem und gewerblichem Gebiete herbeizuführen.
Die neuen Männer dürften kaum geneigt sein,
diese Frage von vornherein zu bejahen."
Karlsruhe, 9. Nov. Seine Königl. Hoheit
der Großherzog von Sachsen ist heute Vormittag
10 Uhr 40 Min. von Baden-Baden abgereist.
Ihre Königlichen Hoheiten der Eroßherzog, die
Großherzogin und die Kronprinzessin Viktoria
gaben demselben das Geleite bis zum Bahnhof,
wo auch der Königlich Preußische Gesandte, Wirk-
licher Geheimerath von Eisendecher, der Geheime
Regierungsrath Haape und der Oberbürgermeister
Gönner zur Verabschiedung anwesend waren. Die
Großherzoglichen Herrschaften werden sich morgen
nach Karlsruhe begeben und den ganzen Tag
dort verweilen.
Karlsruhe, 9. Nov. Bei der Versicherungs-
anstalt Baden sind im Monat Oktober 1894 196
Rentengesuche (56 Alters- und 140 Invalidenrenten-
gesuche) eingereicht und 171 Renten (48 und 123)
bewilligt worden. Es wurden 26 Gesuche (8 und
18) abgelehnt, 111 (34 und 77) blieben unerler-
ledigt. Außerdem wurden im schiedsgerichtlichen
Verfahren 0 Alters- und 2 Invalidenrenten zuer-
kannt. Bis Ende Oktober sind im Ganzen 7610
Renten (4642 Alters- und 2968 Invalidenrenten)
bewilligt bezw. zuerkannt worden.ß tzDavon kamen
wieder in Wegfall 1887 (1038 und 849), so daß
auf 1. November 1894: 5723 Rentenempfänger
vorhanden sind (3604 Alters-und 2119 Invaliden-
rentner). Verglichen mit dem 1. Oktober 1894
hat sich die Zahl der Rentenempfänger vermehrt
um 101 (26 Alters- und 75 Jnvalidenrentner).
Die Rentenempfänger beziehen Renten im Ge-
sammtjahresbetrage von 715 968 Mk. 48 Pfg.
(mehr seit 1. Oktober 1894 12581 Mk. 85 Pfg.
Der Jahresbetrag für die im Monat Oktober be-
willigten 48 Altersrenten berechnet sich auf 6312
Mk. und für 125 Invalidenrenten auf 15 133 Mk.
80 Pf., somit Durchschnitt für eine Altersrente
131 Mk. 50 Pfg., für eine Invalidenrente 121 Mk.
7 Pfg. Für sämmtliche bis 1. Januar 1894 be-
willigten Renten betrug der durchschnittliche JahreS-
betrag einer Altersrente 128 Mk. 93 Pfg. einer
Invalidenrente 116 Mk. 13 Pfg.
München, 9. Nov. Der Reichskanzler
Fürst v- Hohenlohe empfing gestern die hier
beglaubigten Diplomaten. Vor der Tafel wurde
der Reichskanzler vom Prinzregenten in Privatau-
dienz empfangen. An der Tafel nahmen außer
Gesucht unö Gefunden.
Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)
, Das Mädchen war versucht, den Freier auf
. Stelle anzunehmen, in dem Verlangen, Sinda
M Anziehungskraft zu beweisen, und aus Grün-
Est, nur ihr allein bekannt waren. Aber
Übliche Klugheit ließ sie zögern. — „Ich habe
kein Verlangen, zu heirathen", erwiderte sie
„Und ich will mich noch nicht binden, ehe
A eine Saison in London durchgemacht habe."
^thurst sah, daß sie trotz dieser Behauptung noch
schlüssig war, und er drang inimer mehr und
^Ehr in sie und sagte ihr, wie theuer er Lord Tre-
war und daß er Erbe des Grafen sei, und
ähnliche Erfindungen, um sich in ihren Augen
erbeben. — „Aber Sie sagten mir einmal, baß
Uff Elliot der Erbe des Grafen sei", sagte das
Mdchen zweifelnd. — „Es ist wahr, daß ich
Wen das erzählte, aber es geschah in einer roman-
Anwandlung", versetzte Bathurst keck. „Ich
.Edjx Sie damals bereits und wollte Ihre Liebe
E mjH in der R"lle eines armen Mannes
k binnen. Es war des Grafen Wunsch, daß ich
8lü^ .^Ehter heirathen sollte. Nichts würde ihn
,/klicher machen als eine solche Verbindung. Hei-
den Sie mich hier in Kalkutta heimlich, und
Um" "'r w Belle Jslc ankommen, wollen wir
Verbindung bekannt machen und gefeiert
>i? Lsehrt werden. Wie erstaunt Sinda und El-
h- l^n würden! Wie entzückt nachher der Graf
Neunzehntes Kapitel.
Nachrichten von Kha'sar.
Bathurst konnte nicht ahnen, mit welcher Ge-
walt einige seine Argumente auf die selbstsüchtige,
berechnende Maya einwirkten. Wie wir bereits an-
deuteten, hatte sie ihre Gründe dafür, seinen Vor-
schlag ernstlich zu überlegen. — „Ich will mich
jetzt nicht entscheiden", sagte sie nach einigem Be-
sinnen. „Wir werden drei Tage in Kalkutta sein.
Geben Sie mir bis morgen Zeit zur Ueberlegung."
Hocherfreut, daß er nicht auf der Stelle zurück-
gewiesen worden war, gewährte ihr Bathurst den
verlangten Aufschub, und Maya zog sich mit ge-
dankenvoller Miene auf ihr Zimmer zurück. Sie
beschäftigte sich nicht augenblicklich wieder mit ihren
Einkäufen. Der Vorschlag, den ihr Bathurst ge-
macht hatte, war ein ernstes Problem für sie ge-
worden. Was sollte sie am nächsten Tage dafür
erwidern ? — „Ich wollte, ich wüßte, was sch thun
soll", dachte sie. „Aber ich bin nicht genöthigt,
sogleich zu entscheiden. Ich habe einen ganzen Tag
vor mir. Ich vermuthe, daß ich etwas viel Bes-
seres thun könnte, als Bathurst zu heirathen, aber
ich könnte auch Schlechteres thun. Er ist Graf
Tregarons — Papas — Günstling, und wenn
Papa mich um meiner selbst willen nicht freund-
lich empfangen, mich, wie es doch auch möglich ist,
nicht lieb haben würde — ei, dann wäre ja Walter
Bathurst ein Schu- und ein Schirm für mich, um
meine Lage sicher zu machen."
Inmitten ihres tiefen Nachdenkens über diese
Frage kehrten Sinda und ihre treue Dienerin in
das Hotel zurück. Ein mit Schachteln und Packeten
beladener Träger folgte ihnen. Falls hatte einen
ungefaßten Diamanten, welcher ihrer jungen Herrin
gehörte, verkauft und Sinda hatte von dem Erlös
sich und ihre treue Dienerin mit einfacher, aber
vollständiger Reise-Ausstattung versehen. Maya
verlangte ihre Einkäufe zu sehen und nachdem sie
genügend von ihr gemustert worden waren, zogen
sich die beiden jungen Damen zu einer Siesta zurück.
Das Wetter klärte sich im Verlaufe des Nach-
mittags auf und die Sonne schien sogar. Maya
benützte die günstige Gelegenheit, um rasch noch
einige Toilette-Einkäufe machen zu lassen. Zur
gewohnten Promenadestunde erschien Herrn Bathurst's
Wagen und die jungen Damen wurden davon
verständigt. Sinda erschien zuerst im gemeinschaft-
lichen Salon. Europäisch gekleidet erschien ihre
herrliche, junge Schönheit von einem neuen be-
rückenden Glanze umflossen; ihre Haltung war von
unbewußter, angeborener Hoheit, ihr Gang leicht
und anmuthsvoll. Ihr zarter, thaufrischer Teint,
ihre klaren, tiefen blaugrauen, leuchtenden Augen,
ihr modern fristrtes, üppiges, goldblondes Haar ge-
wann ungemein durch ihr schwarzes, feines Hütchen,
das mit zarten, weißen Blumen garnirt war. Sie
trug ein langes schwarzes Seidenkleid und darüber
eine gestickte weiße Polonaise und einen Schmuck
von herrlich funkelnden Rubinen. Sie hatte ihre
mädchenhafte Majestät mit ihren Fürstenkleidern
nicht abgelegt, sondern trug sich wie eine junge
Kaiserin; dennoch verriethen das Lächeln ihres schön
geformten Mundes und der warme Blick ihrer
stolzen, sanften Augen ein warmfühlendes, hinge-
hendes und edles Herz — eine Natur, die allent-
halben nur Liebe erwecken konnte und alle Herzen
für sich gewinnen mußte.
Elliot trat auf sie zu, um sie zu begrüßen und
sein Herz erbebte vor Entzücken und Bewunderung,
und Bathurst fühlte ein lebhaftes Bedauern, daß
Sinda nicht die Tochter des Grafen und eine er-
wünschte Parthie für ihn war. Maya erschien
etwas später. Sie trug ihren neuesten Einkauf,
ein blaßblaues Seidenkleid mit eben solchem, mit
weißer Straußfeder geschmücktem Hute und weiße
Handschuhe. Ihr Haar war modern fristrt und
sie trug einen reichen Brillantschmuck, der sich unter
dem Geschmeide befunden hatte, das sie sich am
Tage ihrer Flucht von Putpur unrechtmäßig zuge-
eignet hatte. Mit ihrer weißroth blühenden Farbe,
ihren Toilettekünsten und dem ihr sehr gut stehen-
den Kleide sah sie ungewöhnlich hübsch aus; doch
neben der strahlenden, majestätischen Erscheinung
Sinda's erschien sie unbedeutend, kalt, leblos —
eine hübsche Wachspuppe. Sie schien eine Ahnung
davon zu haben, denn sie starrte die entthronte
junge Fürstin mit zornigen Blicken an und als sie
deren einfache, aber elegante Toilette betrachtete,
verrieth ein böser, neidischer Zug um ihren Mund
ihre Unzufriedenheit mit sich und Sinda.
Walter Bathurst beeilte sich, Maya mit
Schmeichelworten über ihr Aussehen zu überhäufen.
Unter seinen andauernden Schmeicheleien erlangte
das Mädchen seine Zufriedenheit und sein Selbst-
bewußtsein wieder. — „Man möchte nicht glauben,
daß Sinda und ich der europäischen Tracht so un-
gewohnt sind!" rief sie aus. „Wir sehen aus,
wie dazu geboren. Bist Du bereit, Sinda?" —
Sinda bejahte und warf einen prachtvollen, indi-
schen Shawl über ihre Schultern, den einzigen, den
sie von Putpur mitgebracht hatte. Maya wurde
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„Vielfach herrscht noch Unkenntniß darüber, ob
die Gemeinde denn auch alle Wege der Güte be-
schritten hatte, besonders, ob sie sich an den viel-
genannten Herr Baron Zoller gewendet hätte. Gewiß
der Herr weiß Alles. Im Frühjahr laufenden
Jahres war eine Deputation bei dem Herrn Baron,
welche in bescheidenster Weise um das rückständige
Holz für 1893 bat. Der Baron sagte: (jnoä
^vn! Er fühlte sich nicht bewogen.
Auch die Behörden scheinen sich nicht zu er-
innern, daß die Gemeinde alle mögliche Schritte
gethan hat. Das beweist, daß ans Montag vpr
dem Unglück der gleichfalls vielgenannte Bezirks-
vrntmann Wall von Tirschenreuth, der die Er-
wubniß zum Angriff gab, zu den Rechtlern sagte:
»Hättet Ihr Euch nur einmal an das Bezirks-
amt gewendet!" Und Herr Regierungskommissär
Adrian meinte in der Gemeindeversammlung:
»Hättet Ihr Euch doch einmal an die Regierung
gewendet!"
Antwort: Alles ist geschehen!
Am 3. September 1893 ging eine wohlmo-
"virte Eingabe an das Bezirksamt Tirschen-
reuth ab.
Am 1. November 1893 abermals an die
gleiche Amtsstelle.
. Am 19. Juni 1894 an die königl. Regierung
w Regensburg.
Am 13. Juli 1893 an das Ministerium
der Finanzen. Die Antwort erfolgte am
ÄUli 1894 (!)
Was will man mehr? Die Antwort kann
Wan sich ja denken. „Man" war nicht zuständig,
unan" verwies auf die ausstehende gerichtliche
Entscheidung. „Man" wundere sich also nicht,
wenn endlich die Geduld der Leute erschöpft wurde."
^ie „N. Münch." bemerken hierzu:
Wenn diese Angaben des „Reg. Anz." über
d>e amtliche Behandlung der Eingaben der Fuchs-
wühler richtig sind, da kann man nur noch
sagen: „Da hört doch Alles auf!!" Hierzu
kommt die Nachricht, daß nunmehr lt. „Frkftr.
Ztg." der Pfarrer von Wiesau eine Erklärung
gegen die offiziellen militärischen Darlegungen in
der Fuchsmühler Affäre veröffentlicht, worin er
sagt, es sei kein Widerstand mit den Werkzeugen
geleistet worden. Die Leute seien der Aufforde-
rung, die Werkzeuge wegzulegen, nachgckommen,
und erst als der Angriff erfolgte, hätten sie die
Werkzeuge wieder ausgenommen, um damit fort-
zugehen. Die beiden Getödteten hätten die Acxte
in der Hand gehabt, weil sie gehen wollten und
nicht, um sich zu wehren. Mit Steinen sei nicht
geworfen worden. Viele hätten nicht mehr laufen
können und den Soldaten zugerufen: „Wir können
nicht so schnell laufen", da hätten sie einen Stich
oder Stoß bekommen. Eine genaue gerichtliche
Obduktion der Leichen sei nicht erfolgt. Der
Pfarrer erklärt es für unwahr, daß die Fuchs-
mühler um Mitternacht einen Angriff auf das
Schloß hätten machen wollen. Der Briefträger
hatte eine Depesche hingetragen und dabei sei
auf ihn geschossen worden. Mehrere Holzhauer
haben ihr Weg Nachts 300 Schritte vom Schlosse
vorbeigeführt.__
Deutsches Keich.
Berlin, 10. November.
— Die aus der „Voss. Ztg." stammende
Meldung, daß des Kaisers „Sang an Aegir"
durch eine ministerielle Verfügung in den oberen
Klassen der höheren Lehranstalten zum Gegen-
stände einer Besprechung gemacht werden sollte,
ist, wie der „Kreuzztg." von bestuntcrrichteter
Seite versichert wird, unzutreffend.
— Es verlautet, daß der Wortlaut der Vor-
lage zur Bekämpfung der U mstu rz b e str e-
bungen amtlich bekannt gegeben werden solle,
sobald sie die Zustimmung des Bundesraths ge-
funden haben wird, was nach den voraufgegangenen
Berathungen der einzelstaatlichen Minister binnen
Kurzem der Fall sein dürfte.
— Professor Lehden hielt gestern seine
erste Vorlesung nach der Rückkehr aus Livadia
und wurde von dem dicht gefüllten Auditorium
stürmisch begrüßt. Leyden dankte und führte aus,
er sei durch eine ernste und schwere Mission fern-
gehalten gewesen. Es sei das für ihn eine Zeit
tiefer Gemüthsbewegung und Aufregungen, ein
Stück Weltgeschichte und zugleich ein Stück Ge-
schichte in seinem Leben gewesen, welche unaus-
löschlich sein werde. Hierauf begann die Vor-
lesung.
— Nach einer von Herrn v. Bötticher, als
Stellvertreter des Reichskanzlers, unterzeichneten
Bekanntmachung im „Reichs- und Staats-Anz."
sind von Sr. Majestät dem Kaiser und König von
Preußen der Reichskanzler und preußische Minister-
präsident Fürst zu Hohenlohe-Schillings-
fürst und der Staatsminister und Minister des
Innern v. Köller zu Bevollmächtigten zum
Bundesrath ernannt worden.
— Ueber die bevorstehende Tagung des
Reichstages äußert sich ein parlamentarischer
Korrespondent der „Allg. Ztg.* folgendermaßen:
„Außer dem Gesetzentwurf, welcher die Verstärkung
der staatlichen Abwehrmittel gegen die sozialrevolu-
tionäre Propaganda bezweckt, wird dem Reichstag
auch der Etat sofort bei seinem Zusammentritt zu-
gehen. Die Fertigstellung des Reichshaushaltsvor-
anschlags seitens des R ichsschatzamtes ist diesmal
besonders früh bewirkt und damit einem Wunsche
entsprochen worden, der im Bundesrath zum Aus-
druck gekommen war. Was die sonst dem Reichs-
tag zu machenden Vorlagen betrifft, so stehen da-
rüber die definitiven Entscheidungen noch aus.
Sicher aber ist, daß die Novelle zur Strafprozeß-
ordnung und der Gesetzentwurf, betreffend die
stärkere Heranziehung des Tabaks auf dem Wege
der Fabrikatsteuer, kommen werden. Die Grund-
züge des Entwurfs des Tabakgesetzes, wie sie im
Rcichsschatzamt in Anlehnung an die Struktur des
vorjährigen ausgearbeitet worden waren, gingen zu-
nächst den bei einer Aenderung der Tabaksteuer am
meisten in Mitleidenschaft gezogenen Staaten zu.
Auf Grund der von diesen im einzelnen geltend
gemachten Wünsche und Bedenken finden auch jetzt
noch fortwährend neue Erhebungen und Erwägungen
im Reichsschatzamt statt, so daß die Schlußredaktion
des Gesetzentwurfs bisher noch nicht vollzogen
werden kounte. Die unlängst durch die Blätter
gegangene Meldung, Graf Posadowsky habe bereits
die allerhöchste Ermächtigung zur Einbringung der
Vorlage beim Bundesrath erwirkt, beruht also auf
einem Jrrthum. Aeußerem Vernehmen nach würden
es die einzelstaatlichen Finanzminister, und besonders
auch die der süddeutschen Staaten, entschieden lieber
gesehen haben, wenn der Reichsschatzsekretär sich
nicht begnügt hätte, nur 35 Mill. Mark mehr aus
dem Tabak herausholen zu wollen. Graf Posa-
dowsky scheint aber fest entschlossen zu sein, sich zu
Weiterem nicht drängen zu lassen. Die Wiederein-
bringung des Auswanderungsgesetzes wird von einem
Theil der Regierungen ebenso dringend befürwortet
wie von einem anderen als nicht sehr aussichtsvoll
widerrachen. Für die Wiedereinbringung der sog.
lex Heinze hat sich eigentlich nur Sachsen interessirt,
doch war auch dessen Interesse nur ein platonisches.
Das Binnenschifffahrtsgesetz ist im Reichsjustizamt
fertiggestellt. Von sozialpolitischen Gesetzen wird
mit Bestimmtheit ein Börsenreformentwurf und
eine Vorlage betreffend die Bekämpfung des unlau-
teren Wettbewerbs erwartet. Ob auch von den-
jenigen Entwürfen einer oder mehrere an den
Reichstag gelangen werden, welche eine Ausdehnung
der sozialpolitischen Fürsorge auf den Gebieten der
Industrie und des Handwerks in Aussicht nehmen,
steht noch dahin. Es handelt sich hierbei haupt-
sächlich auch um die große Prinzipienfrage, ob die
Zeitverhältnisse es rathsam erscheinen lassen, noch
weitere Belastungen des Unternehmerthums auf in-
dustriellem und gewerblichem Gebiete herbeizuführen.
Die neuen Männer dürften kaum geneigt sein,
diese Frage von vornherein zu bejahen."
Karlsruhe, 9. Nov. Seine Königl. Hoheit
der Großherzog von Sachsen ist heute Vormittag
10 Uhr 40 Min. von Baden-Baden abgereist.
Ihre Königlichen Hoheiten der Eroßherzog, die
Großherzogin und die Kronprinzessin Viktoria
gaben demselben das Geleite bis zum Bahnhof,
wo auch der Königlich Preußische Gesandte, Wirk-
licher Geheimerath von Eisendecher, der Geheime
Regierungsrath Haape und der Oberbürgermeister
Gönner zur Verabschiedung anwesend waren. Die
Großherzoglichen Herrschaften werden sich morgen
nach Karlsruhe begeben und den ganzen Tag
dort verweilen.
Karlsruhe, 9. Nov. Bei der Versicherungs-
anstalt Baden sind im Monat Oktober 1894 196
Rentengesuche (56 Alters- und 140 Invalidenrenten-
gesuche) eingereicht und 171 Renten (48 und 123)
bewilligt worden. Es wurden 26 Gesuche (8 und
18) abgelehnt, 111 (34 und 77) blieben unerler-
ledigt. Außerdem wurden im schiedsgerichtlichen
Verfahren 0 Alters- und 2 Invalidenrenten zuer-
kannt. Bis Ende Oktober sind im Ganzen 7610
Renten (4642 Alters- und 2968 Invalidenrenten)
bewilligt bezw. zuerkannt worden.ß tzDavon kamen
wieder in Wegfall 1887 (1038 und 849), so daß
auf 1. November 1894: 5723 Rentenempfänger
vorhanden sind (3604 Alters-und 2119 Invaliden-
rentner). Verglichen mit dem 1. Oktober 1894
hat sich die Zahl der Rentenempfänger vermehrt
um 101 (26 Alters- und 75 Jnvalidenrentner).
Die Rentenempfänger beziehen Renten im Ge-
sammtjahresbetrage von 715 968 Mk. 48 Pfg.
(mehr seit 1. Oktober 1894 12581 Mk. 85 Pfg.
Der Jahresbetrag für die im Monat Oktober be-
willigten 48 Altersrenten berechnet sich auf 6312
Mk. und für 125 Invalidenrenten auf 15 133 Mk.
80 Pf., somit Durchschnitt für eine Altersrente
131 Mk. 50 Pfg., für eine Invalidenrente 121 Mk.
7 Pfg. Für sämmtliche bis 1. Januar 1894 be-
willigten Renten betrug der durchschnittliche JahreS-
betrag einer Altersrente 128 Mk. 93 Pfg. einer
Invalidenrente 116 Mk. 13 Pfg.
München, 9. Nov. Der Reichskanzler
Fürst v- Hohenlohe empfing gestern die hier
beglaubigten Diplomaten. Vor der Tafel wurde
der Reichskanzler vom Prinzregenten in Privatau-
dienz empfangen. An der Tafel nahmen außer
Gesucht unö Gefunden.
Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)
, Das Mädchen war versucht, den Freier auf
. Stelle anzunehmen, in dem Verlangen, Sinda
M Anziehungskraft zu beweisen, und aus Grün-
Est, nur ihr allein bekannt waren. Aber
Übliche Klugheit ließ sie zögern. — „Ich habe
kein Verlangen, zu heirathen", erwiderte sie
„Und ich will mich noch nicht binden, ehe
A eine Saison in London durchgemacht habe."
^thurst sah, daß sie trotz dieser Behauptung noch
schlüssig war, und er drang inimer mehr und
^Ehr in sie und sagte ihr, wie theuer er Lord Tre-
war und daß er Erbe des Grafen sei, und
ähnliche Erfindungen, um sich in ihren Augen
erbeben. — „Aber Sie sagten mir einmal, baß
Uff Elliot der Erbe des Grafen sei", sagte das
Mdchen zweifelnd. — „Es ist wahr, daß ich
Wen das erzählte, aber es geschah in einer roman-
Anwandlung", versetzte Bathurst keck. „Ich
.Edjx Sie damals bereits und wollte Ihre Liebe
E mjH in der R"lle eines armen Mannes
k binnen. Es war des Grafen Wunsch, daß ich
8lü^ .^Ehter heirathen sollte. Nichts würde ihn
,/klicher machen als eine solche Verbindung. Hei-
den Sie mich hier in Kalkutta heimlich, und
Um" "'r w Belle Jslc ankommen, wollen wir
Verbindung bekannt machen und gefeiert
>i? Lsehrt werden. Wie erstaunt Sinda und El-
h- l^n würden! Wie entzückt nachher der Graf
Neunzehntes Kapitel.
Nachrichten von Kha'sar.
Bathurst konnte nicht ahnen, mit welcher Ge-
walt einige seine Argumente auf die selbstsüchtige,
berechnende Maya einwirkten. Wie wir bereits an-
deuteten, hatte sie ihre Gründe dafür, seinen Vor-
schlag ernstlich zu überlegen. — „Ich will mich
jetzt nicht entscheiden", sagte sie nach einigem Be-
sinnen. „Wir werden drei Tage in Kalkutta sein.
Geben Sie mir bis morgen Zeit zur Ueberlegung."
Hocherfreut, daß er nicht auf der Stelle zurück-
gewiesen worden war, gewährte ihr Bathurst den
verlangten Aufschub, und Maya zog sich mit ge-
dankenvoller Miene auf ihr Zimmer zurück. Sie
beschäftigte sich nicht augenblicklich wieder mit ihren
Einkäufen. Der Vorschlag, den ihr Bathurst ge-
macht hatte, war ein ernstes Problem für sie ge-
worden. Was sollte sie am nächsten Tage dafür
erwidern ? — „Ich wollte, ich wüßte, was sch thun
soll", dachte sie. „Aber ich bin nicht genöthigt,
sogleich zu entscheiden. Ich habe einen ganzen Tag
vor mir. Ich vermuthe, daß ich etwas viel Bes-
seres thun könnte, als Bathurst zu heirathen, aber
ich könnte auch Schlechteres thun. Er ist Graf
Tregarons — Papas — Günstling, und wenn
Papa mich um meiner selbst willen nicht freund-
lich empfangen, mich, wie es doch auch möglich ist,
nicht lieb haben würde — ei, dann wäre ja Walter
Bathurst ein Schu- und ein Schirm für mich, um
meine Lage sicher zu machen."
Inmitten ihres tiefen Nachdenkens über diese
Frage kehrten Sinda und ihre treue Dienerin in
das Hotel zurück. Ein mit Schachteln und Packeten
beladener Träger folgte ihnen. Falls hatte einen
ungefaßten Diamanten, welcher ihrer jungen Herrin
gehörte, verkauft und Sinda hatte von dem Erlös
sich und ihre treue Dienerin mit einfacher, aber
vollständiger Reise-Ausstattung versehen. Maya
verlangte ihre Einkäufe zu sehen und nachdem sie
genügend von ihr gemustert worden waren, zogen
sich die beiden jungen Damen zu einer Siesta zurück.
Das Wetter klärte sich im Verlaufe des Nach-
mittags auf und die Sonne schien sogar. Maya
benützte die günstige Gelegenheit, um rasch noch
einige Toilette-Einkäufe machen zu lassen. Zur
gewohnten Promenadestunde erschien Herrn Bathurst's
Wagen und die jungen Damen wurden davon
verständigt. Sinda erschien zuerst im gemeinschaft-
lichen Salon. Europäisch gekleidet erschien ihre
herrliche, junge Schönheit von einem neuen be-
rückenden Glanze umflossen; ihre Haltung war von
unbewußter, angeborener Hoheit, ihr Gang leicht
und anmuthsvoll. Ihr zarter, thaufrischer Teint,
ihre klaren, tiefen blaugrauen, leuchtenden Augen,
ihr modern fristrtes, üppiges, goldblondes Haar ge-
wann ungemein durch ihr schwarzes, feines Hütchen,
das mit zarten, weißen Blumen garnirt war. Sie
trug ein langes schwarzes Seidenkleid und darüber
eine gestickte weiße Polonaise und einen Schmuck
von herrlich funkelnden Rubinen. Sie hatte ihre
mädchenhafte Majestät mit ihren Fürstenkleidern
nicht abgelegt, sondern trug sich wie eine junge
Kaiserin; dennoch verriethen das Lächeln ihres schön
geformten Mundes und der warme Blick ihrer
stolzen, sanften Augen ein warmfühlendes, hinge-
hendes und edles Herz — eine Natur, die allent-
halben nur Liebe erwecken konnte und alle Herzen
für sich gewinnen mußte.
Elliot trat auf sie zu, um sie zu begrüßen und
sein Herz erbebte vor Entzücken und Bewunderung,
und Bathurst fühlte ein lebhaftes Bedauern, daß
Sinda nicht die Tochter des Grafen und eine er-
wünschte Parthie für ihn war. Maya erschien
etwas später. Sie trug ihren neuesten Einkauf,
ein blaßblaues Seidenkleid mit eben solchem, mit
weißer Straußfeder geschmücktem Hute und weiße
Handschuhe. Ihr Haar war modern fristrt und
sie trug einen reichen Brillantschmuck, der sich unter
dem Geschmeide befunden hatte, das sie sich am
Tage ihrer Flucht von Putpur unrechtmäßig zuge-
eignet hatte. Mit ihrer weißroth blühenden Farbe,
ihren Toilettekünsten und dem ihr sehr gut stehen-
den Kleide sah sie ungewöhnlich hübsch aus; doch
neben der strahlenden, majestätischen Erscheinung
Sinda's erschien sie unbedeutend, kalt, leblos —
eine hübsche Wachspuppe. Sie schien eine Ahnung
davon zu haben, denn sie starrte die entthronte
junge Fürstin mit zornigen Blicken an und als sie
deren einfache, aber elegante Toilette betrachtete,
verrieth ein böser, neidischer Zug um ihren Mund
ihre Unzufriedenheit mit sich und Sinda.
Walter Bathurst beeilte sich, Maya mit
Schmeichelworten über ihr Aussehen zu überhäufen.
Unter seinen andauernden Schmeicheleien erlangte
das Mädchen seine Zufriedenheit und sein Selbst-
bewußtsein wieder. — „Man möchte nicht glauben,
daß Sinda und ich der europäischen Tracht so un-
gewohnt sind!" rief sie aus. „Wir sehen aus,
wie dazu geboren. Bist Du bereit, Sinda?" —
Sinda bejahte und warf einen prachtvollen, indi-
schen Shawl über ihre Schultern, den einzigen, den
sie von Putpur mitgebracht hatte. Maya wurde