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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 241 - Nr. 250 (15. Oktober - 25. Oktober)
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Mnrrmer 246. LL. Jahrgang.

Aeuev

Samstag, 2V. Oktober l«r>4.

General-WAnzeiger

für Heidelberg und Umgegend

Krpedition: ^Pcruptkrcrße Mr. 25.

SlbonnementSpreiö r
"vi 8s°ittgem tlluSrtrtem SountagSblatt: monatlich
*6 Ps«,ttig ftxj in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Expedition ^K>cruptltrcrße Mr. 25.

Jnsertionsprcisr
die lspalkige vetitzeile oder deren Raum 8 Pf-.,
iür auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
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§el«ss«stes Blatt irr Stadt Heldslberg und Amegsgend. Gvstzter Lrfslg für Inserate.

VW- Erstes Blatt. "WL
rkieP»-»-»nsDü« Nr. »or. -M,
FsutuȊtzneird
^kben von allen Postanstalten, Landbiiefträgern,
Östren Agenten und Trägerinnen Abonnements
-_ entgegengenommen.
Rne Siegesnachricht aus Teutsch-
SLdwestafrika.
h Der neue Landeshauptmann fürDeuts ch-S ü d-
s^stafrika, Major Leutwein, hat, wie
,Mn furz berichtet, die wichtigste und er-
^Ulichste Kunde in dieHeimalh gelangen lassen,^
ig Jahren aus unseren Kolonien gekommen
/ ? die Nachricht, daß Hendrik Witboi, der alte
^densstörer und Räuberhauptmann, sich nach
.^holten Niederlagen der deutschen Schutz-
schaft endlich bedingungslos unterworfen hat!
. Zwar fehlt noch jede nähere Mittheilung über
Unterwerfung, allein die Meldung genügt,
/"erkennen zu lassen, daß die Niederlage des
bah Rottenführers nunmehr eine vollständige
MdgEM ist. Der Vorgänger Leutweins,
^chor v. Francois, hat bekanntlich Jahre lang
o * „Macht" Mitteln arbeiten müssen, die von
^?drik Witboi einfach verlacht wurden und ihn
^t davon abhielten, den Hereros unter den
8en der sogenannten Schutztruppe ein Gefecht
Mern und das Vieh zu rauben. Als dann
dx.^otgi' des immer stärker werdenden Drängens
k/ öffentlichen Meinung die Schutztruppe ihre
-^Verstärkung erhielt, ging Herr v. Franllois
Offensive gegen Witboi über; allein der Er-
^^te, daß die Zahl und Tüchtigkeit seiner
f^te wohl ausreichend war, um den Gegner zu
liegen und seine festen Plätze zu stürmen, aber
ihn zu fassen und zu unterwerfen. Für
sj/ Niederlage wußte sich der verschlagene Banden-
s^r durch erfolgreiche Vorstöße gegen die uns
gebliebenen Eingeborenen, ja auch gegen
^mche Ansiedler schadlos zu halten, und schon
iOx^Nen die Hereros und Bastards schwierig zu
y/oen, als man sich endlich dazu entschloß, durch
Zweimaliges Nachsenden erheblicher Verstär-
i>/^n Truppe auf den Stand zu bringen,
ih° "en sie gleich beim ersten Erkennen der Ge-
Gefährlichkeit Hendrik Witbois hätte gesetzt
sollen.
sf, Major Leutwein im Mai und Juni d.
Witboi wegen des Friedens unterhandelte,
inerte er allerdings schon völlige Unterwerfung
Stammes, Ablieferung der Waffen und der
i^wtionsvorräthe und Anerkennung der deut-
>^sSchutzherrschaft, sicherte Hendrik und seinen

Leuten dagegen das Leben zu und verlangte von
Ersterem nur, daß er sich so lange nach Wind-
hoek in eine milde Gefangenschaft begebe, bis
höheren Ortes eine Entscheidung über den ihm
zuzuweisenden künftigen Aufenthalt getroffen sein
würde. Da die jetzt erfolgte Unterwerfung eine
bedingungslose ist und jedenfalls gebührend aus-
genutzt werden wird, so ist zu erwarten, daß ihr
Eindruck auf die Eingeborenen noch stärker sein
wird, als es mit jenem Frieden der Fall gewesen
sein würde, und man darf sich der Hoffnung hin-
geben, daß die deutsche Herrschaft in Südwest-
afrika jetzt fest begründet ist und Friede und
Ordnung dauernd gesichert sind.
Deutsches Reich.
Berlin, 20. Oktober.
— Wie man bereits wiederholt mitgetheilt
hat, liegt dem Bundesrath der Entwurf
von Ausführungsbestimmungen zu dem Ge-
setz über den Schutz der Brieftauben und den
Brieftaubenverkehr im Kriege vom 28. Mai
d. I. vor. Das Gesetz bestimmt bekanntlich im
8 3, daß als Militärbrieftauben im Sinne des
Gesetzes Brieftauben gelten, die der Militär- oder
Marineverwaltung gehören oder derselben gemäß
den von ihr erlassenen Vorschriften zur Verfü-
gung gestellt und die mit dem vorgeschriebenen
Stempel versehen sind, ferner, daß Militärbrief-
tauben, die Privatpersonen gehören, den Schutz
des Gesetzes erst dann genießen, wenn in ortsüb-
licher Weise bekannt gemacht worden ist, daß der
Züchter seine Tauben der Militärverwaltung zur
Verfügung gestellt hat. Diese Bestimmungen des
Gesetzes sind es, die den Erlaß von AusführunW-
bestimmungen erforderlich machen.
— In dem Börfenrefor m-G esetzentwurf,
der der im Reichsamt des Innern zusammen-
tretenden Kommission unterbreitet wird, soll, wie
ein hiesiges Börsenblatt erfährt, eine Bestimmung
enthalten sein, daß die Emissionshäuser zehn Jahre
lang für ihre Emmissionen zu hafteu haben.
— Die Jury der Antwerpener Welt-
ausstellung hat dem Verbände derDeutschen
Berufsgenossenschaften, welcher mitUnter-
tützung des Reichs-Versicherungsamts daselbst die
Ausstellung beschickt und insbesondere die Wirksam-
keit der Arbeiterversicherung des Deutschen Reichs
zur Darstellung gebracht hatte, den höchsten, sog.
„großen Preis" zuerkannt. Die Ausstellungs-
gegenstände selbst werden der belgischen Regierung
überlassen werden, von welcher bald nach Eröffnung
der Ausstellung ein dahingehender Wunsch geäußert
worden war; der geschäftsführende Verbandsausschuß
hat in Folge dessen nicht nur beschlossen, insoweit
er an den in Antwerpen ausgelegten Gegenständen

bctheiligt ist, diesem Wunsche zu willfahren, sondern
auch wegen der dem Reichsversicherungs-
amt gehörigen Gegenstände einen diesbezüglichen
Antrag an das Amt zu richten. Dieses hat nach
eingeholter Genehmigung des Staatssekretärs des
Innern in die Uebereignung der geliehenen Druck
schriften und Einbände gewilligt und es wird dem-
gemäß die g a n ze A u s ste l lun g s gru p p e that-
sächlich in den Besitz der belgischen Regie-
rung übergehen.
Darmstadt, 16. Okt. Anläßlich der Anwesen-
heit Se. Maj. des Kaisers fand gestern
Nachmittag um 5 Uhr, wie schon gemeldet, Gala-
tafel im Großhexzoglichen Residcnzschlosse statt, zu
der 74 Gedecke aufgelegt waren. Zur Rechten des
Kaisers saß die Großherzogin Victoria Melita, dann
folgten Prinz Wilhelm von Hessen urd die Gräfin
Dönhoff, die Gemahlin des preußischen Gesandten.
Auf der linken Seite des Kaisers hatte der Groß-
herzog Ernst Ludwig Platz genommen, neben
ihm die Prinzessin Alir von Hessen und der Prinz
von Schleswig-Holstein. Während des Mahles
brachte der Großherzog einen Trinkspruch auf
den Kaiser aus, der laut „H. V." folgenden Wort-
laut hatte:
„Ich heiße Eure Majestät herzlichst will-
kommen und versichere, daß die alte Hessentreue
gegenüber dem hehren Reichsoberkaupt unwandel-
bar sein wird, daß wir in Ruhe und in Unruhen,
im Krieg und im Frieden jederzeit dem Rufe
Eurer Majestät folgen werden. Ich bitte die An-
wesenden, dies zu bekräftigen durch den Ruf:
Seine Majestät, unser allgeliebter Kaiser Wil-
helm Hurrah! Hurrah! Hurrah!"
Begeistert stimmten die Anwesenden in den Ruf
ein, worauf die Kapelle des Großherzoglich hessi-
schen Infanterie-Regiments Nr. 115 die National-
hymne spielte.
Nach kurzer Zeit erhob sich der Kaiser und
brachte folgenden Trinkspruch aus:
„Ich danke Eurer Königlichen Hoheit für die
freundlichen Worte, die Eure Königliche Hoheit
namens Ihres Volkes an mich gerichtet haben.
Ich bin tief gerührt beim Anblick dieser
Räume, an welche sich so viele schöne Erinnerungen
für mich knüpfen. Diese Räume, in welchen
wir unsere Vorfahren haben verkehren sehen.
Ich kann Dir meinen Dank nicht zu Füßen legen,
ohne Deines Vaters und Deiner ausgezeichneten,
mir ewig unvergeßlichen Mutter zu gedenken.
Ich fasse meinen Dank zusammen in die Worte:
Gott schütze Dich und Dein Haus, Gott
segne Dich, Dein Haus und Dein Volk! Seine
Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und
bei Rhein Hurrah! Hurrah! H rrah!"
An die Galatafel schloß sich um 7 Uhr eine

Festvorstellung im Großherzoglichen Hoftheater,
bei der das Sardousche Lustspiel „Madame
Sans-G«ne" zur Aufführung kam. Als die
Allerhöchsten Herrschaften in dem im Festglanze er-
strahlenden Hause erschienen, brachte Oberbürger-
meister Morn ewcg ein lebhaft aufgenommenes Hoch
auf den Kaiser aus.
Ausland.
Wie«, 19. Okt. Eine zu Gunsten des allge-
meinen Wahlrechts abgehaltene Arbeiterverfamm-
lung beschloß, gegebenenfalls einen allgemeinen
Ausstand einzuleiten. Die Arbeiter wurden bei
dem Versuch, nach dem Parlamentsgebäude zu
ziehen, von der Polizei, welche mit flacher Klinge
vorging, zerstreut. Mehrere Arbeiter wurden ver-
letzt, ein Wachmann durch einen Messerstich ver-
wundet. Mehrere Ruhestörer wurden verhaftet.
Um 11 Uhr war die Ruhe vollständig wieder
hergestellt.
Paris, 19. Okt. Die traurigen Nachrichten
über den Zu st and des Zaren rufen hier große
Bewegung hervor. Alle Zeitungen besprechen die
Krankheit und ihre Folgen. Dem Bittgottesdienst
in der russischen Kirche wohnten die russische Bot-
schaft und Kolonie bei, sowie Vertreter des Prä-
sidenten der Republik und sämmtliche Mitglieder
der Regierung. Das Konsistorium der reformir-
ten Kirche hat für den 21. Oktober öffentliche
Fürbitten für den Zaren angeordnet, dessen Leben
für die Erhaltung des Friedens so kostbar sei.
Der Oberrabiner des israelitischen Konsistoriums
verfügt Gebete für den 20. Oktober und es heißt,
der Erzbischof werde ebenfalls Fürbitten anordnen.
London, 19. Okt. „Standard" bedauert den
irohenden Tod des Zaren im Interesse des Frie-
rens, besonders in Asien. Denn wie feindlich
ich auch die Interessen Englands und Rußlands
in der ostasiatischen Frage entgegenstehen möchten,
unter Alexander HI. wäre es nie zu offenem
Bruche gekommen.
Loudon, 17. Okt. Nach einem Bericht des
„Daily Telegraph" aus Petersburg herrscht dort
große Bestürzung im Auswärtigen Amt über die
Erkrankung des Emirs von Afghanistan Abdurrah-
man, da seinTod einen Bürgerkrieg Hervorrufen würde,
den Rußland gerade jetzt vermieden sehen möchte.
London, 19. Okt. In einer aus Regierungs-
kreisen stammenden Auslassung leugnet „Daily
News", daß der englische Cabinetsrath mit
dem Plane des Eingreifens in den chinesisch-japa-
nischen Krieg etwas zu thun gehabt habe. Erst
einige Tage später, als die Regierung erfahren,
daß sich China unter gewissen Bedingungen zum
Friedensschluß bereit zeige, seien Verhandlungen
mit auswärtigen Mächten angeknüpft und zugleich
bei Japan angefragt worden, ob die chinesischen Be-

hHesuchL und Gefunden.
Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)
^^üthurst speiste in seinem kühlen Salon und
«sO ""genommener Mahlzeit zog er sich in den
Pavillon zurück und rauchte eine Zigarre.
Tageslicht veMch. Die Sterne groß und
EN, begannen am Himmel zu leuchten. Der
schwebte wie eine zarte Silbersichel am
Himmel dahin. Als die Schatten um
dunkler wurden, und der Helle Sternen-
ha '"""er glänzender erstrahlte, fuhr Bathurst's
mit Kutscher und Kammerdiener besetzt,
Der Kaufmann stieg in den Wagen und
Älz/e zum Bahnhofe geführt. Der Zug stand zur
s>r,stxf bereit und die Lokomotive dampfte und
he L Bathurst löste eine Karte für eine ganz
hs.- tation und stieg dann in den Wagen erster
Sein Kammerdiener bestieg ein einfaches
iy ?Ee. Wenige Sekunden später dampfte der Zug
Hf/ ^rrliche Tropennacht mit ihrem seltsamen
"nlf Glanz hinaus. Bathurst stieg nicht aus
/ Station, für welche er die Karte genom-
ssah^hatte. Sein Diener brachte ihm eine andere
dyz arte, welche er auf der Station gelöst hatte
hm ^hren weiter mit dem Zuge. Sein Be-
kthg !^"gsort war Monghyr, eine Stadt am Ganges,
h hundert Meilen von Kalkutta entfernt. Er
nächsten Abend bei einbrechender Däm-
^"g an.
Hht den Bahnhof verließen, eilte er vor die
Hy ^.hinaus zu einem einsamen Hause, in welchem
Bruder seines Kammerdiners wohnte. Dort

nahmen sie Erfrischungen, verschafften sich Pferde
und gleich darauf ritten Herr und Diener weiter,
eine Straße entlang die nach Osten führte. Sie
ritten die ganze Nacht hindurch, bis etwa zwei
Stunden nach Sonnenaufgang am folgenden Mor-
gen. Dann machten sie Halt mit ihren Pferden,
während der Mittagöhitze zu rasten. Spät am
Nachmittage saßen sie wieder in die Sätteln. Sie
ritten auch diesmal die ganze Nacht hindurch und
kamen endlich in eine ungemein wilde Gebirgs-
gegend, die einen trostlosen, düsteren Charakter
hatte. Sie befanden sich jetzt zwischen den sogen.
„Hügeln." Einen Hohlweg zwischen den Bergen
entlang uehmend, fingen sie an, eine steile, nur
dürftig bewachsene Anhöhe zu ersteigen. Etwas
nach Sonnenaufgang gelangten sie zu einem wil-
den und düsteren Punkte. Chaotisch thürmten sich
hier Felsblöcke über einander. Zwergbäume streckten
hie und da gleichsam wie im wilden Trotz ihre
verkümmerten Zweige empor. Die Natur schien
diesen Ort zum Aufenthalt für finstere Stim-
mung geschaffen zu haben. Es schien, als ob kein
menschlicher Fuß je diese Wildniß betreten hätte —
als ob sie von Gott und aller Welt verlassen
wäre.
Und dennoch, hier verborgen hinter dichten
Baumgruppen und einer Steinmauer, so daß man
selbst zehn Schritte entfernt davon seine Eristenz
noch nicht ahnen konnte, und auf einer schwindeln-
den Höhe erbaut, welche einen schauerlichen Ab-
grund überblickte, stand ein schönes Sommerhaus.
Bathurst und sein Diener hatten ihre Pferde unten
in einem Dickicht zurückgelassen und die Anhöhe
mit einigen Schwierigkeiten erstiegen. „Alles steht

sich gut an," sagte der Kaufmann, wie er leichtert
aufathmend, „Seit dem letzten Monatsberichte ist
nichts vorgefallen. „Er blieb einen Augenblick
unter einem Baume stehen, um das Haus zu be-
trachten und nach dem mühsamen Aufstieg zu
Athem zu kommen. Das Haus war langgestreckt
und niedrig, nur stockhoch mit einem weitvorsprin-
genden Dache erbaut, welches auch eine breite Ve-
randa überwölbte, die um das ganze Haus herum-
lief. Auf der Veranda befanden sich Schaukel-
stühle, einige Bücher, ein Arbeitskorb mit Näh-
arbeiten gefüllt — Anzeichen von der Anwesen-
heit einer Dame, aber cs war keine Dame im
Hause sichtbar.
„Dem Himmel sei Dank, ich sehe, daß sie
wohl ist!" sagte der Kaufmann mit sich aufhel-
lender Miene. „Ah, Ganto, ich hoffe, ich werde
sie gänzlich hergestellt finden!" Ich hoffe, die Luft
dieser Berge — wie rein und frisch und kühl sie
ist! — hat ihre Vernunft hergestellt! Es ist etwas
Schreckliches, eine wabnsinnige Frau zu haben,
Ganto! Etwas Entsetzliches!" Der Hindu ant-
wortete mit einem theilnahmsvollen Seufzer. —
„Sie war ganz vernünftig, als ich sie heirathete,"
fuhr der Kaufmann fort. „Aber ihr Kopf wurde
von dem ungewohnt heißen Klima krank und ich
mußte sie ihrer Gesundheit halber hierher bringen.
Und hier lebte sie alle diese Jahre hindurch als
Wahnsinnige." Wieder seufzte er heuchlerisch und
trat dann auf das Sommmerhaus zu.
Er stieg die zur Veranda führenden Stufen
hinauf. Die Fenster waren alle offen. Die zur
breiten Hausflur führende Thüre stand gleichfalls
offen, ebenso die gegenüberliegende Thüre, so daß

eine wohlthuende Kühle durch's ganze Haus wehte.
Der Kammerdiener wartete unter den Bäumen.
Als Bathurst's Schritte in der Hausflur ertönten,
kam eine Frau aus einem Zimmer zur Linken
herbeigeeilt und blieb vor ihm stehen.
Sie war eine Jndierin, groß und hager, mit
widerwärtigem Gesichte. Sie sah hart und grau-
sam aus. Ihre Augen waren klein und katzen-
baft, lautlos und schleichend. Sie erschrak bei dem
Anblick des Besuches und machte eine tiefe Ver-
beugung. „Ist der Herr gesund?" fragte ste.
„Vollkommen Manetta," antwortete der Kaufmann.
„Ist ihm Hause alles wohl?" — „Alles ist wohlauf,
Herr," antwortete sie mit einer zweiten tiefen Ver-
beugung. „Es ist lange her, seit die Augen un-
seres Gebieters uns begnadeten!" »Ja es ist ein
halbes Jahr her. Aber ich erhielt Ihre Berichte
und wußte, daß alles sicher sei," erwiderte Bathurst
in indischer Sprache, da die Dienerin keiner anderen
kundig war. „Haben Sie Spuren wiederkehrender
Vernunft bei meiner theuren Gattin bemerkt?"
Die Frau schüttelte ernst und verneinend den
Kopf. — „Sie verharrt also noch immer in ihrer
Täuschung?" — Daß sie nicht die Gattin des
Herrn ist? Ja, sie verharrt darin." — „Liest si-
die Bücher, die ich ihr geschickt habe?" — „Ja
Herr." — „Und sie näht auch die Stoffe, wie ich
sehe," und er blickte nach dem Arbeitskorbe, aus welchem
er einen gestickten Streifen hervorzog. — Sie näht d-e
billigen Stoffe, aber die kostbaren weist sie zurück.
Diese Stickerei macht sie selbst. Sie will weder
die Juwelen, noch die Seidenstoffe, noch die kost-
baren Shawls berühren, außer denen, die schon
früher ihr Eigenthnm waren." — Grämt ste sich
 
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