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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 281 - Nr. 290 (30. November - 11. Dezember)
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1. Werhnachtr-Aurgabe.

Nummer 282. H. Jahrgang.

Neuer

Samstag, 1. Dezember 1884.


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Expedition: Karrptttraße Mr. 25.

für Heidelberg und Umgegend
(Mürger-Zeitung).

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Jnsertionspreisr
die Ispaltige Pelitzeile oder deren Raum 5 Pf-.,
für auswärtige Inserate 1v Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
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Expedition: Hauptstraße Mr. 2S.


GVZtzLeV EVfslg fÄv crte

zE Erstes Blatt. "WU
Vom ostafiatischen Kriegsschauplatz.
Die steten Waffenerfolge der Japaner können
in China kaum größere Besorgniß erregen als
in England. Wenn man in der englischen
Tagespreffe Umschau hält, so begegnet man überall
den deutlichsten Spuren des Mißbehagens. Ihre
Siege zu Lande würde man den Japanern zur
Noth noch gönnen; daß sie aber auch zur See
sich ihrer Aufgabe gewachsen zeigen, die chinesische
Flotte hinweggesegt haben, Flußmündungen blök-
kiren, Häfen observiren, überhaupt thun, als ob
sie im Golf von Petschili wie zu Hause wären,
das geht den Engländern, welche neben dem
eigenen nur äußerst ungern fremdes maritimes
Verdienst anerkennen, gegen den Strich. Nament-
lich die Einnahme von Port Arthur und der den
Japanern daraus erwachsene Machtzuwachs zur
See hat in England verstimmend gewirkt und
sehnsüchtiger als je vorher schauen die Londoner
Blätter nach chinesischen Friedensanerbietungen
aus. Wovor die englische Politik am meisten
Sorge hat, ist der völlige Zusammenbruch des
chinesischen Faktors in der ostasiatischen Konstella-
tion. Diese Eventualität aber rückt in dem Ver-
hältniß näher, als Japan dem chinesischen Koloß
schärfer zusetzt und dieser, unfähig, sich des
Gegners zu erwehren, der inneren Zersetzung an-
heimfällt. Noch wäre es, nach dem Dafürhalten
der englischen Presse, für China Zeit, freilich die
allerhöchste, einer Katastrophe zu entgehen, indem
es sich mit Japan ooüto gu« ooüto einigt.
Man nimmt nämlich an, Japan werde, selbst bei
noch so hochgespannten Forderungen, doch an den
besiegten Theil keine Zumuthungen stellen, die
dessen politischer Abdankung gleich zu erachten
wären, und zwar aus dem einfachen Grunde,
weil Japan materiell nicht in der Lage ist, das
ganze China als Siegesbeute zu verdauen. Aber
allerdings weiß man es sich nicht zu verhehlen,
daß die Bedingungen, deren China sich von dem
Sieger versehen muß, sehr harter und demüthigen-
der Natur sind, und man besorgt, daß China,
ehe es sich darauf einläßt, lieber das Risiko
einer Fortsetzung des Krieges läuft, so wenig
dies nach dem Geschmacke Englands ist. In
Japan scheint man den chinesischen Hochmuth
ebenfalls noch keineswegs für gebrochen zu halten,
da man es dort für ganz selbstverständlich ansieht,
daß Japan einen seinen Wünschen und Forderungen
genehmen Frieden nur in der Hauptstadt Chinas,
in Peking selber, diktiren könne. Auch dieGesammt-
anlage der japanischen Kriegsoperationen widerspricht
der Vermuthung nicht, daß ihr letztes Ziel die
Hauptstadt Chinas bilde. Sie nähern sich diesem

Ziele zwar langsam, aber sicher, und ungehindert
von den Einmischungsversuchen anderer Mächte.
Aller Voraussicht nach werden neue japanische Sieges-
nachrichten nicht lange auf sich warten lassen.
* -i-
*
Die Großmächte haben bisher den kriegerischen
Verwickelungen inOstasien ruhig ohne den Ver-
such eines Eingreifens gegenübergestanden. Wenn
sich in England eine Neigung zeigte, eine Art ge-
sammteuropäischer Intervention herbeizuführen, so
ist dieser Versuch nicht über einen schwachen An-
lauf hinausgekommen. Eine Art Vermittlerrolle,
welche Nordamerika, übernommen, hat ebenfalls noch
keine praktischen Folgen gehabt. Auf allen Seiten
herrscht Uebereinstimmung, daß man zunächst die
Chinesen und die Japanesen ihre Händel allein
ausfechtcn lassen soll. Keine der Mächte hat
irgend ein Interesse daran, China aus seinen Ver-
legenheiten herauszuhelfen und den Japanesen
Hindernisse in der Ausnutzung ihrer Siege zu be-
reiten. Japan hat unstreitig mehr Neigung und
Fähigkeit, europäische Kultur bei sich einzuführen
und in den Weltverkehr einzutreten, als das unheil-
bar erstarrte China, dessen oberster Grundsatz die
strengste Absperrung gegen alles Fremde ist. Es
dürfte schwerlich irgendwo bedauert werden, wenn
diesem Volk einmal ein ordentlicher Denkzettel ver-
abreicht wird. Was aus diesem Krieg Alles ent-
stehen wird, ist noch vollkommen unübersehbar.
Es können noch gewaltige Katastrophen entstehen,
welche die ganze ostasiatische Welt umwälzen und
dann natürlich auch stark auf die Interessen der
Mächte einwirken würden. Zunächst wird abge-
wartet werden, bis die Chinesen mürbe geworden
sind und sich durch erhebliche Zugeständnisse an die
Cultur und den Verkehr den Anspruch auf wirksame
Vermittlung der Mächte erworben haben, bis dahin
wird man ihnen ruhig überlassen müssen, die Ver-
legenheiten zu überwinden, in die sie durch die
Morschheit und Verlotterung ihres Staatswesens
wie durch ihre dünkelhafte Ueberhcbung gerathen
sind. Die Welt kann nur dabei gewinnen, wenn
diese dumpfe und versumpfte Masse einmal tüchtig
in Bewegung gesetzt wird.
Derrtsches Reich.
Berit», 1. Dezember.
— Die erste geschäftliche Sitzung des Reichs-
tages ist auf den 5. Dezember, Nachmittags 4 Uhr,
im alten Reichstagshause angesetzt. Abends 8 Uhr
findet im neuen Reichstagshause ein Bankett statt.
— In Gegenwart der Kaiserin und ihres
Hofstaates, der Gräfin Oriola vom Hofstaate der
verstorbenen Kaiserin Augusta, des Hausministers
v. Wedel, des Altministers Delbrück und anderer
fand gestern Nachmittag die Feier des 25jährigen

Bestehens des Au g u st a h o s p i ta ls mit Fest-
predigt statt. Die Kaiserin stiftete eine namhafte
Summe behufs Gründung eines Fonds für die in
den Ruhestand tretenden Schwestern. Großherzogin
Luise von Baden hat eine gleiche Summe gesandt.
— Der Heimstättengesetzentwurs
wird in der Fassung, wie sie von der Kommission
in voriger Tagung angenommen wurde, im Reichstag
wieder eingebracht werden. Eine Anzahl von Mit-
gliedern verschiedener Parteien hätten, wie hiesige
Blätter mittheilen, ihre Unterschrift bereits ge-
geben.
— Der „Reichsanzeiger" theilt mit: Am
Am 5. Dezember, Nachmittags 1 Uhr, findet
unter Betheiligung Ihrer Majestäten des Kaisers
und der Kaiserin, des Konprinzen, der Prinzen
und der Prinzessinnen des Königlichen Hauses
die Schlußsteinlegung des neuen Reichstags-
gebäudes statt in der großen Wandelhalle,
wo das Standbild Kaiser Wilhelm's I. errichtet
werden wird. Zu der Feier sind auch eingeladen
der Reichskanzler, Fürst Bismarck, Graf Blumen-
thal, Caprivi, die Kommandeure der Regimenter
des Garde-Korps und des 3. Armeekorps und
eine ganze Anzahl hoher Würdenträger, ferner
die Spitzen der Behörden, die Reichsbauverwaltung
und Mitglieder des Bundesraths und Reichtags.
Karlsruhe, 30. Nov. Der Stellvertreter des
Reichskanzlers, Staatssekretär Dr. von Boetticher,
erläßt folgende Bekanntmachung: „Mit Bezug-
nahme auf die in Nummer 41 des Reichsgesetz-
blattes verkündete Kaiserliche Verordnung vom 2.
d. M., durch welche der Reichstag berufen ist, am
5. Dezember d. I. in Berlin zusammcnzutreten,
wird hierdurch bekannt gemacht, daß die Eröffnung
des Reichstags an diesem Tage um 11 ^2 Uhr
Mittags im Rittersaale des hiesigen Residenzschlosses
stattfinden wird. Zuvor wird ein Gottesdienst,
und zwar für die Mitglieder der evangelischen
Kirche in der Dom-Jnterimskirche (Monbijou) um
KU/2 Uhr, für die Mitglieder der katholischen Kirche
in der St. Hedwigskirche um 11 Uhr abgehalten
werden. Die weiteren Mittheilungen über die Er-
öffnungssitzung erfolgen in dem Büreau des Reichs-
tags, Leipzigerstraße 4,Ham 4. Dez. von 9 Ubr Morgens
bis 8Uhr Abends und am 5 Dez. von 8 Uhr Vir-
mittags ab. In diesem Büreau werden auch die
Legitimationskarten für die Eröffnungssitzung aus-
gegeben und alle sonst erforderlichen Mittheilungen
gemacht werden. Wegen des beschränkten Raumes
im Rittersaals und Mangels an Tribünen können
Zuschauer zu dem Eröffnungsakte nicht zugelassen
werben."
Karlsruhe, 30. Nov. Heute Vormittag traf
der Geheimrath von Regenauer zur Vortrogserstattung
in Schloß Baden ein. Ferner stiegen daselbst ab

der Minister von Brauer mit Gemahlin und der
Oberstkammerherr Freiherr von Gemmingen, welche
Beide zur Abschiedsaudienz des bisherigen Kaiser-
lichen und Königlichen Oesterreichisch-Ungarischen
Gesandten gekommen waren. Heute Nachmittag
5 Uhr trifft Ihre Königliche Hoheit die Erbgroß-
herzogin aus Freiburg und gleichzeitig Seine König-
liche Hoheit der Erbgroßherzog aus Weimar in
Baden-Baden ein. Abends findet eine größere
Hoftafel statt, zu welcher auch der bisherige Oester-
reichisch-Ungarische Gesandte mit seiner Gemahlin
geladen ist. Morgen Früh begibt sich Seme König-
liche Hoheit der Großberzog nach Karlsruhe und ver-
weilt dort bis zum Abend.
Karlsruhe, 30. Nov. Zur ständigen öffent-
lichen Ausübung kirchlicher Funktionen, sowie zur
Erlangung von Kirchenämtern wurden zugelassen
a) die evangelisch-protestantischen Geist-
lichen: Bender, Wilhelm, von Mannheim, Größte,
Theophil, von Wagenstadt, Haag, Friedrich, von
Neckarbinau, Herrmann, Adolf, von Adelsheim,
Metzler, Theodor, von Sandhaufen, Barner, Eugen
von Karlsruhe, Bechdolf, Wilhelm, von Gemmingen,
Dörr, Friedrich, von Plankstadt, Hack, Hellmuth,
von Bettingen, Hagmaier, Otto, von Meßkirch,
Hesselbacher, Karl, von Mückenloch, Hofmann,
Wilhelm, von Donkenheim, Kühlewein, Julius,
von Neunstetten, Manz, Friedrich, von Karlsruhe,
Maurer, Kannst, von Emmendingen, Noll, Karl,
von Diedelsheim, Prod, Karl, von Mannheim,
Ziegler, Wilhelm, von Niederweiler, Ziller, Arthur,
von Emmendingen, Zimmer, Heinrich, von Frank-
furt, Zipperer, Karl, von Bretten; st) katholische
Geistliche: 1) zur ständigen öffentlichen Aus-
übung kirchlicher Funktionen: Kohler, Joh. Baptist,
von Stetten, (Hohenzollern); 2) zur ständigen
öffentlichen Ausübung kirchlicher Funktionen, sowie
zur Erlangung von Kirchenämtern: Grabherr,
Markus, von Lustenau, Lintz, Johann Baptist, von
Gumbrechtshofen.
Arrslimd.
Paris, 30. Nov. Die Agence Havas veröffent-
licht folgende Note: „Gewisse Zeitungen fahren
fort, in die die militärische Spionage be-
handelnden Artikel die fremden Botschaften
und Gesandtschaften in Paris in diese
Angelegenheit hineinzuziehen. Wir sind zur Er-
klärung ermächtigt, daß die betreffenden Angaben
völlig unbegründet sind."
Paris, 30. Nov- Mehrere Blätter bringen
unter scharfen Angriffen aus den Kriegsminister
Mercier die Meldung, daß die französische Re-
gierung eine Anzahl Schnellfeuerkanonen bei der
englischen Firma Maxim-Nordenfeldt bestellt habe.
Ein Blatt behauptet sogar, daß ein im aktiven
Dienst befindlicher Schiffslieutenant, der Agent

KefuchL und Gefunden.
53) Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)
Elliot's schönes, dunkles G.sicht erglühte und
seine blauen Augen leuchteten auf, als er ausrief:
„Ich halte Sinda für das edelste und herrlichste
Geschöpf in der ganzen Welt. Wenngleich ihre
Verwandten niedrig, gemein und unwissend find,
wird sie deßhalb meiner Verehrung doch nicht minder
werth sein. Sie wird jedem Rang oder Namen,
wie stolz derselbe auch sein mag, Ehre machen!"
Der Mann seufzte, aber er machte keinen Versuch
mehr, den jungen Mann von seinem Vorhaben ab-
zubringen. Etwas später begab sich Elliot arC sein
Zimmer. Graf Tregaron blieb allein, im Salon
zurück, stützte den Kopf nachdenklich in die Hand
und sagte für sich: „Da< ist wahre Liebe! Solche
Liebe, wie er sie kür Sinda fühlte, fühlte ich für
meine arme Agnes. Ich wollte, er hätte meine
kleine Katharine so lieben gelernt, wie er Sinda
liebt; aber das Geschick verweigert mir die höchste
Gunst. Nun, wir wollen sehen, wie seine Liebe
vor den schweren Prüfungen besteht, die offenbar
ihrer harren, das die Feuerprobe aushält! Wir
werden sehen!"
Einunddreißigstes Kapitel.
Der Aufruf wird beantwortet.
Vs erfolgte weder am nächsten noch am zweiten
Tage eine Antwort auf Graf Tregarons Aufruf,
wie di ser erwartet hatte. Eine oanze Woche ging
vorbei, ehe eine Antwort von dem Rechtsanwalt des
Grafen kam, oder ein Lichtstrahl das Geheimniß
von Sinda's frühester Kindheit erhellte. Während

jener Woche verbitterte Maya, zu Haß, Eifersucht
und Neid aufgestachelt, ihrem jungen Gaste so viel
als möglich das Leben. Sie sand häufig Gelegen-
heit, sie heimlich mit ihrer niedrigen Herkunft zu
quälen. Sie befahl der Dienerschaft, Sinda nur
Fräulein Biggs zu nennen und ging selbst mit dem
Beispiele voran, indem sie sie Besuchen bei diesem
Namen vorstellte und denselben überdies in mög-
lichst verächtlichem Tone aussprach. Sie besuchte
Sinda oft auf ihren Zimmern, um das edle Herz
nur noch tiefer zu verwunden, das sie viele Jahre
hindurch so geliebt hatte und um das Mädchen de-
müthigen zu versuchen, dessen vornehmer Stolz in
ihrem Charakter lag und nicht zu demüthigen war.
Sinda erzählte nie etwas von diesen feigen An-
griffen gegen sie und Maya heuchelte vor den An-
deren eine Liebe für die enttbronte Fürstin, die
sich Alle, mit Ausnahme der alten Falle über ihre
Gefühle täuschten. Die Hindudienerin war jedoch
machtlos, ihre geliebte junge Herrin zu schützen,
denn sie war eins Ausgestoßene in der großen Haus-
haltung und von den übrigen Dienern in furcht-
samer Scheu gemieden, da Maya durch ihr fran-
zösisches Kammermädchen die gruseligsten Dinge
über Falla's Vorleben in Indien hatte in Umlauf
setzen lassen, so daß die leichtgläubige, unwissende
Dienerschaft ihr angstvoll so viel als möglich aus-
wich. Sinda wußte von dieser Behandlung, die
ihrer Dienerin zu Theil wurde, und begann der
Trennung von Maya wie einer angenehmen Befrei-
ung von so manchen Widerwärtigkeiten entgegen zu
sehen. Maya war beständig in unzufriedener, reiz-
barer Stimmung. Sie war mürrisch und launen-
haft gegen Jedermann. Maya haßte Bathurst,

weil er sie bezüglich seiner wahren Stellung und
Aussichten betrogen und Vortheil aus ihrer Unwis-
senheit gezogen hatte, um sie unauflöslich an sich
zu binden. Sie sprach kaum mit ihm und sann
fortwährend auf Pläne, sich seiner gänzlich entle-
digen zu können ohne ihre geheime Heirath mit
ihm bekannt zu geben.
Ihre frühere Vorliebe für Elliot wachte wieder
auf. Sie konnte gar nicht begreifen, wie Elliot
an ihr mit all ihrem Reichthum und Range hatte
vorbeigehen können, um Sinda zu freien, die er
doch für so niedrig geboren halten mußte. — „Ich
bin wie ein mit Stricken gebundener Mensch, der
an einem KampfeTheil nehmen will," sagte Maya
für sich. „Ich wollte, ich hätte Armand Elliot
heirathen können. Waltet Bathurst ist in meinen
Augen häßlich. Meine Stellung hier ist sicher.
Niemand macht mir meinen Platz streitig. Ich
war thöricht, mich an Bathurst wegzuwerfen, denn
wenn Jemand meine Ansprüche bestritten hätte,
hätte er meine Stellung nicht befestigen können, da
er nicht der Erbe des Grafen ist. Oh, ich hasse
ihn. Ich will mich seiner entledigen. Er hält
mich für sanft und hübsch, für ein kindisches Geschöpf.
Er kennt mich nicht. Ich will frei sein, um eine
große Partie machen zu können. Ich will Sinda
und Bathurst zusammen zerschmettern." Sie ersann
unzählige Pläne zu diesem liebenswürdigen Zwecke,
verwarf sie aber alle als unausführbar wieder.
Mit bitterem Verdruss- sah sie, wie Sinda Tag für
Tag nicht nur bei Elliot, sondern auch bei Graf
Tregaron innige Liebe und Verehrung erregte. Neben
Sinda's sanfter, mädchenhafter Würde, neben ihren
klaren, ruhigen Blicken, ihrem ernsten, vornehmen

Wesen verfehlten Mayas gemachte kindliche Manieren
ibre gewohnte Wirkung.'
Der Graf hatte seine Befürchtungen bezüglich
des Erscheinens von Sindas vermeinten Verwandten
aufgegeben und Elliots Wunsch auf eine baldige
Vereinigung herzlichst beigestimmt. Und so war
eine Woche vergangen. Da wurde die Ruhe in
Belle Jsle plötzlich unterbrochen durch einen Brief
von Herrn Scharf, dem Londoner Rechtsanwälte
des Grafen, welcher die Mittheilung enthielt, daß
der Aufruf an Rhoda Biggs endlich beantwortet
worden sei. — „Ein Weib kam diesen Nachmittag
zu mir," schrieb er, „und legitimirte sich vor mir
selbst als Rhoda Biggs. Die Beweise sind ihrer
unzweifelhaft. Sie wird mit dem Postzuge, der
di-sen Jndentität-Brief bringt, ankommen und trifft
vielleicht noch vor demselben bei Ihnen ein." Herrn
Scharf's Vermuthung bezüglich Rhoda Biggs war
Ne, daß sie in Indien eine Dienerin von Frau
Elliot gewesen war und daß der Graf beschlossen
hatte, das Weib um seiner verstorbenen Gattin
willen ausfindig zu machen, um ihr eine Pension
zu geben. Deshalb hatte er es auch nicht für
nöthig gefunden, dem Grafen zu telegraphiren, was
er ihm ebenso gut in einem Briefe mittheilen konnte.
Der Brief traf bei Einbruch der Dämmerung
ein und man hatte eben im Schlosse die Lichter
angezündet. Der große Salon erstrahlte im milden
Glanze zahlloser Wachskerzen und durch die geöffneten
Fenster drang die erfrischende Abendluft herein.
Die Schubthüren, die in den großen Winter-
garten führten, waren weit geöffnet und die blü-
henden, bunten Blumen und die dunkelgrünen
hohen Staudenpflanzen gewährtem dem Auge einen
 
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