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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 211 - Nr. 220 (10. September - 20. September)
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Nummer 217. H. Jahrgang

Aeirev

Montag, 17. September M4

General-G Anzeiger

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belesenstes Vlertt Ln Stadt rr. Anrt HeideWevg und Ltingegend. Grötzter Evfolg für? Insevcrte

Telepsion-Llnschlufr Nr 102. ^8«

die
der

der
Ad-
den

in den ersten Klassen des Gymnasiums „durch-
gefallene" junge Mensch ist noch immer kein ver-
lorener Mensch, derselbe hat noch immer Zeit,
einem aussichtslosen Streben zu entsagen, einem
anderen praktischen Lebensberufe sich zuzuwenden.
Am beklagenswerthesten sind vielmehr jene „guten"
Gymnasiasten, die sich durch die Mittelschulklassen
in leidlichen Ehren durchbeißen, am Ende auch
die Jahre des Universitätsstudiums noch bestehen
und dann erst, mit dem Doktorhut in der Hand,
vielfach ums tägliche Brod betteln müssen durch
das ganze Land!
Wie viele solche junge -Iuris oder Aoäieinao
Doktoren hört man auf Wegen und Stegen bitter
klägen: „Ach, hätte man mich doch ein ehrlich
Handwerk erlernen lassen, dann hält' ich seit
Jahren bereits mein körnig Brod, nun kann ich
als „Mann der Wissenschaft" verhungern oder
nach vieljährigem Studiren noch weitere Jahre
hungern!"
Der Staat leidet an Ueberproduktion
Intelligenz. Alle amtlichen Stellen sind von
spiranten umlagert und dasselbe gilt von
Privatämtern, welche die Gesellschaft zu verleihen
hat. Das Studiren ist zum gewagten Glücksspiel
geworden, bei welchem die Zukunft des Kindes,
dessen Glück und Existenz den Einsatz bilden.
Mögen die treuen Eltern klaren Blickes Umschau
halten, die gesellschaftlichen Verhältnisse mit Auf-
merksamkeit prüfen und wohl erwägen, ob sie
Treue üben ihrem Kinde gegenüber indem sie
dasselbe zu jenem Glücksspiele anleiten.

Deutsches Reich.
Berit«, 17. September.
— Bei der U e b e rg a b e der F a h n cn an
vierten Bataillone der Infanterie-Regimenter
Hessischen Division, die am 12. September in
Gegenwart des Großherzogs stattfand, wurde vom
Divisions-Kommandeur, Generallieutenant von
Bülow, folgender Tagesbefehl des Groß-
herzogs verlesen:
Am heutigen Tage, als dem Geburtstage
meines in Gott ruhenden Herrn Vaters, des
ruhmvollen Füheres der Großhcrzoglichen Division
während einer langen Reihe von Jahren, be-
sonders in dem ewig denkwürdigen glorreichen
Feldzuge von 1870.71, verleihe Ich, im Ein-
verständniß mit Seiner Majestät dem Kaiser
und König, unserm Allerhöchsten Kriegsherrn,
den vierten Bataillonen meiner Infanterie-Regi-
menter neue Fahnen. Indem Ich Euch, Sol-
daten der vierten Bataillone, die neuen Feld-
zeichen übergebe, lebe Ich in der gegründeten
Hoffnung, daß Ihr jetzt und in Zukunft in
der Uebung aller militärischen Tugenden d

für Heidelberg und Umgegend
(Mürger-ZeiLung).

Uniform und begleitet von dem Generalstab unter
großer Begeisterung der Bevölkerung.
London, 15. Sept. Der „Central News"
zu Folge marschirt nunmehr, nachdem Operationen
wieder möglich geworden sind, das ganze verfüg-
bare japanische Heer in drei Säulen concentrisch
auf das chinesische Hauptquartier Pinzyang. Die
erste über die Bergkette von Gensen, die zweite
behufs direkten Angriffs von Pongian und Trchung-
hiva, die dritte über Wangyn vordringend hat
eine zahlreiche chinesische Kavallerie-Abtheilung zu-
rückgeschlagen; sie erbeutete den Kriegsvorrath und
tödtete 300 Chinesen mit einem eigenen Verlust
von 100 Mann.
Londe«, 15. Sept. Der „Times" wird aus
Shanghai gemeldet: In Tientsin aus Pingyang
eingeiroffenen Nachrichten zu Folge griffen die
Japaner in der Nacht vom 12. September die
Chinesen bei Pingyang an, wurden aber zurück-
geschlagen. Das Gefecht war äußerst blutig.
Japanische Schiffe kreuzen im Golfe von Peschili.
London, 15. Sept. Nachrichten aus Shang-
hai bestätigen, daß in den chinesischen Pro-
vinzen ausgehobenen Truppen aus undisciplinirten
Horden bestehen, die ihren Weg nach der Küste
durch Raub, Mord und Brandstiftung bezeichnen.
Sie haben verschiedene Missionsstationen ange-
griffen und zahlreiche Kapellen verunreinigt und
verbrannt. Die Missionare schweben in großer
Lebensgefahr und fliehen. Sie erzählen schreckliche
Dinge von den ausgestandenen Leiden.
Petersburg, 15. Sept. Der Kaiser ist gestern
von Bjelowesch nach dem Jagdschloß Spala über-
gesiedelt, um dort, wenn die Witterung günstig ist
bis Mitte des Oktober zu verbleiben und zu jagen.
Als echter Waidmann liebt der Kaiser besonders
die Pirschgänge. Davon aber wollte Professor
Sachargin noch nichts wissen. Wegen der damit
verbundenen Strapazen gestattete er nur die weniger
anstrengende Jagd vom Anstand aus. Bei der
Rückkehr nach Moskau ließ Professor Sachargin in
Bjelowesch seinen ersten Assistenten zurück, dürfte
aber dieser Tage selbst wieder nach Spala kommen,
zumal der mit Sachargins Erlaubnis vom Kau-
kasus bei seinen Eltern eingetroffene kranke Groß-
fürst Georg sich während de: unfreundlichen Witter-
rung der letzten Woche eine Erkältung zugezogen
hat, hält man es hier nicht für ausgeschlossen, daß
die Herrschaften, da auch in Skiernewice einige
Jagden geplant sind, für die letzte Zeit ihres
Herbstaufenthalts nach dem dortigen sehr schön
eingerichteten Schlosse übersiedeln werden. Auch
wird behauptet, die Asrzte wünschten, daß die kaiser-
liche Familie diesen Winter nicht in Gatschina,
sondern in dem für besonders gesund geltenden
Zarskoje Selo zubringen. Professor Sachargin,

Fsrtrvähieeir-
werden von allen Postanstalten, Landbriefträgem
Uferen Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.

Kameraden der alten Bataillone es gleich thut.
— Treue, Gehorsam, Tapferkeit und Gottes-
furcht sind die wesentlichsten Eigenschaften eines
guten Soldaten. Lebt ihnen nach, dann werdet
Ihr auch in den schwierigsten Lagen die Ehre
Eurer Fahnen fleckenlos erhalten. Der Wahl-
spruch Meines Hauses „Gott, Ehre, Vaterland"
ist angebracht auf den flatternden Tüchern Eurer
Fahnen. Laßt den altehrwürdigen Spruch einen
Leitstern Eures Lebens sein, so werdet Ihr für
alle Zeit im Krieg und Frieden auf dem Wege
der Ehre und des Ruhms verbleiben.
Darmstadt, 12. September 1894.
Ernst Ludwig.
Saßnitz, 15. Sept. Der Kaiser ließ
gestern früh zwischen 10 und 11 Uhr einen An-
griff der Torpedobootflottille auf die
in Saßnitz ankernden Schiffe ausführen. Das
Manöver gelang vollständig. Heute früh halb
9 Uhr schiffte sich der Kaiser an Bord der
„Wörth" ein.
Karlsruhe, 15. Sept. Seine Königliche Hoheit
der Großherzog erledigte am Donnerstag in Straß-
burg im Laufe des Tages Regierungsgeschäfte, nahm
gegen Mittag militärische Meldungen entgegen und
machte darnach einige Besuche. Vor 6 Uhr Abends
erfolgte die Abreise von Straßburg nach Sulz
unter'm Wald. Hier wurde Seine Königliche
Hoheit am Bahnhof von dem Kommandeur der
31. Division, Generallieutenant von Jena, und
den anwesenden Generalen, sowie von dem Offiziers-
corps Höchstseines Württembergischen Infanterie-
Regiments empfangen. Am Rathhaus begrüßten
Seine Königliche Hoheit der Krcisdirektor, die Orts-
geistlichen und die Gemeindevertreter. Hier hatten
sich auch die Feuerwehr und Kriegervereine aufge-
stellt. — Sulz unter'm Wald war reich beflaggt
und beleuchtet. Seine Königliche Hoheit stieg bei
Herrn Binder ab, welcher sein Haus mit Lampions,
Kränzen und Fahnen festlich geschmückt hatte. In
diesem Hause hatte Kaiser Friedrich vor der Schlacht
bei Wörth sein Hauptquartier. — Nach der An-
kunft nahm Seine Königliche Hoheit mit dem
Offizierscorps Höchstseines Regiments das Abend-
brot» ein.

- --- ———
Jttsertionsprkisr
die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum 5 Pfg.,
iür auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.

Zie Verborgene Kcrnö.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von der Havc.
(Fortsetzung.)
K . »Herr Wörner, Sie erinnern sich meiner," hob
fPwinal-Beamte an. M""* 'ch c
zMare Zeit in Anspruch nehmen? Ich
nssSclegenheit, welche die Familie betriff!
*°ssen Sie vertreten."

gebannt auf ihm ruhten, indeß jener mit scharfer Be-
tonung jedes Wortes sprach:
„Wer? Der Mörder seiner Mutter!"
Wie von einer Tarantel gestochen fuhr der im all-
gemeinen so gleichmüthige und stoisch seine Fassung
behauptende Prokurist von seinem Sessel auf.
„Der Mörder — seiner Mutter!" wiederholte er.
.So glauben Sie-"
„Daß ein Verbrechen verübt worden ist, — ja,
das glaube ich, so wahr ich und Sie hier stehen! . . .
Herr Wörner, Sie sind ein Ehrenmann und Sie wer-
den geheim halten, was ich Ihnen sage. Es sind Ge-
walten im Spiele, welche ich fühle und ahne, aber noch
nicht greifen kann. Ich weiß manches, ich habe vieles
erforscht, aber wie ein Schleier liegt es mir noch vor
den Augen und ich sehe noch nicht klar. Das eine aber
weiß ich, daß es nicht mit rechten Dingen zugmangen
ist, was in dem Hause Volkheim geschah. Bereuen Sie also
nie, mir irgend einen Aufschluß zu geben, zu welchem
Sie nur im stände sind. Ich diene der Sache, der rch
mich gewidmet habe, — in höherem Maße aber noch
der Gerechtigkeit und der Menschheit- Das ist meine
Lebensaufgabe. Es giebt Individuen, welche mit einer
divinatorischen Begabung ausgestattet find und mehr
sehen als im großen und ganzen Sterbliche. Ich
schmeichle mir, zu diesen zu gehören, nicht aus Ueber-
hebung, sondern einzig im Interesse der Allgemeinheit. —
Vertrauen Sie mir Herr Wörner. Sie dürfen es...
Und nun noch eine letzte Frage» rst Ihnen nichts aus-
gefallen an Personen in, dem Hause Volkheim in den
Tagen der Katastrophe?"
Der Prokurist senkte leicht den Kopf, wie sinnend.
„Ich wüßte eigentlich nicht," sagte er, „doch halt!
— Als rch die Wechselaffaire meinem Chef mitgetheilt
hatte und darauf das Vorzimmer kreuzte, sah rch da-
selbst den jungen Herrn Volkheim und die Hausdame
bei einander stehen. Sie entfernte sich, als der erstere
mich um um eine Unterredung bat."
„Darf ich wissen, was er Ihnen sagte?"
„Daß er der Hausdame nicht traue, — daß er sie
für unwahr halte!"

Geistiges Proletariat.
Bei Beginn der Mittelschulen strömen die
Mer und Mütter alljährlich in großer Zahl,
Am jugendlichen Sohn an der Hand, zum Rek-
:°rat der Gymnasien oder Realschulen, um mit
Audigem Stolz die guten Zeugnisse vorzulegen,
der Sprößlin g in der Volksschule sich erobert,
Ad für denselben Einlaß zu begehren in den
Vorhallen der Mittelschulen.
Alle diese Väter und Mütter meinen cs so
A mit ihrem Kinde, für dessen Zukunft sie sich
^ühen und Plagen, dem sie ihr ganzes Dasein
^weiht. Herrliche Hoffnungen bewegen das treue
Mernherz dort auf dem Rektorate! Das treue
Fernauge erstrahlt freudighell in der Vorahnung
Ar hohen Ehren, der Macht und Größe, zu
Ascher das theure Kind nunmehr sicher empor-
Agen werde, nachdem es demselben gelungen,
At der Einschreibung ins Gymnasium oder die
Aalschule auf der ersten Sprosse der Leiter
Men Fuß zu fassen, die zum Tempel der Musen
Aanführt. Die Wenigsten haben eine Ahnung
-flbon, wie sehr diese Leiter in schwindliche Höhen
A empordehnt! Die Wenigsten denken daran,
sehr beschwerlich und gefahrvoll der Aufstieg
A Und den Wenigsten auch fällt es ein, zu
senken, daß dort hoch oben auf der Sprosse
Ar sehr wenigen Gottbegnadeten die Verwirk-
Allng ihrer schönen Jugendträume winkt, daß
Aßegen weitaus die Meisten als Lohn ihres ehr-
"Hen, mühsamen Strebens Kummer und Sorgen
Aten, am Endpunkte der Studienbahn erst zu
Aem Entsetzen gewahren, daß sie den Ausgangs-
punkt ihrer Lebensbahn verfehlt haben.
Die treuen Eltern haben es so gut gemeint
At ihrem Kinde und müssen es erleben, daß
Asts, zum Manne gereift, in seinem Busen den
Men Vorwurf gegen seine Eltern nährt, daß sie
An verfehltes Leben verschuldet. Denn das ist es,
As vielen Tausenden, selbst hochbegabten und
Aebsamen Jünglingen — ja diesen zumeist —
der Einschreibung für die sogenannte Gelehrten-
^nfbahn droht, daß dieselben den Fehlgriff erst
M Ende der Bahn erkennen müssen.
Nicht jene jungen Leute sind die unglücklichsten,
A aus Mangel an Befähigung für die wiffen-
-Aftliche Laufbahn schon bei den ersten Schritten
Mucheln oder selbst noch auf halbem Wege ihr
^vermögen erkennen, weiter vorzudringen. Der

, > der
„Darf ich einige Minuten Ihre
komme in der
st, deren In-
Herr Wörner maß den Sprecher scharf.
u- „Bitte nehmen Sie Platz," sagte er, selbst auf
MM Sessel sich wieder niederlastend. „Ich gestehe,
dj ° .Ihre Worte mich einigermaßen befremden. So
jA ich Mch erinnere, ist es Herrn Volkheim's Wille,
? Ereignisse abgeschlossen zu sehen."
Der Beamte ertrug fest den Blick des Sprechers.
„"Ja," sagte er. „Wenn ich dennoch es wagte, Sie
L belästigen, so geschah es einzig im Jutereffe dieses
hAles, dessen Ehre Ihnen am höchsten steht. Ich habe
tz N Jhmn gegebenes Wort gehalten. Der junge Herr
M'heim ist fort, zwar nicht nach China, aber doch
der neuen Welt;" er kommt nicht ungerufen zu-
AM Davon hält ihn schon sein Stolz zurück. Er ist
vMlwrk der Heimath eben so fern wie in Hongkong
vM Shanghai. Mein heutiges Kommen betrifft einen
ff,Arn Gegenstand. Ja, Herr Volkheim hat die Unter-
im?ung gewissermaßen niedergeschlagen, aber das läßt
fin, " Eifer nicht, erlahmen. Herr Wörner, im Ver-
H.?M, — es ist etwas geschehen! Das ist meine feste
tz„.brzeugung. Der junge Herr Volkheim war ein
splelball in fremder Hand. Es wäre fast sein Verder-
tz'-Leworden. Ich komme zu Ihnen jetzt, weil Herr
m mich abgewiesen hat. Ich möchte von Ihnen
txlMluß haben über einige Punkte, welche mich in-
e„Mren. Sind Sie bereit, mir einige Fragen zu be-
Wvorten?"
Prokurist machte eine zustimmende Bewegung
e der Hand.

Abonnementspreiö r
Mit Zeitigem tllustrirtrm Sountagsblatt: monatlich
40 Pfennig frei in's Hauö, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Expedition-. Kauptltratze Mr. 26.

Der Beamte nickte mehrmals hintereinander, —
Antwort genug.
„Weiter fiel Ihnen nichts auf, Herr Wörner?"
Dieser schüttelte den Kopf.
„Nein," sagte er, „ich weiß überhaupt nicht, wie
Sie den Anknüpfungsfaden zu irgend welchem Verdacht
gefunden haben können."
Roderich Falb zuckte leicht die Achseln.
„Es thut mir leid, Herr Wörner, Ihnen darüber
keinen Aufschluß geben zu könuen," sprach er, „auein
unser Prinzip ist, daß ein wirkliches Geheimmß nur
in einer Seele wahrhaft aufgehoben ist. Sn dürfen
mir das also nicht verübeln, so unbedingt rch -ötznen
auch vertrauen möchte. Darf ich das hoffen.
Der Prokurist streckte dem Sprecher die Hand ent-
gegen. . „
„Gewiß," sagte er mit Wärme als un allgemeinen
im geschäftlichen Verkehr, „gewiß, rch schätze Sre
nach Verdienst."
Der Beamte verneigte sich. „ „
„Ich danke Ihnen, Herr Wörner, sprach er. „Ich
habe die Ehre mich Ihnen zu EWhffn.
Seine Schritte klangen ^^r dris Parkett des
saalartigen Komptoirs. Die Thur schloß sich hinter
dem sich Entfernenden. m , ..
„Sonderbar," murmelte der Prokunst, an das
Fenster tretend und der straffen Gestalt des Geheim-
polizisten nachblickend, während dieser quer über den
Platz vor dem Hause der nach dem Mittelpunkt der
Stadt führenden Hauptsnatze zuschrstt, „sonderbar!
Und doch, — wenn er recht hatte!"
Der Tag war zur Neige gegangen, nicht nur der
Helle Tag, sondern der Tag nach Stunden überhaupt.
Es war sehr spät als Falb seine Wohnung be-
trat. Die zahllosen Falle, welche ihn wechselnd, bald
dieser, bald jener, unablässig beschäftigten, ließen ihn
doch endlich wieder einmal an eine Nachtruhe denken.
Total abgeschlagen, betrat er seine Wohnung, — zwei
äußerst geniüthnch eingerichtete Rüumc in der lebhaf-
testen Gegend der Stadt, wo keiner auf den andern
achtet.


Expedition: „Knuptstraße Mu. 25.

Ausland.
London, 15. September. Der Feldmarschall
Damagatta ist auf dem Kriegsschauplatz an-
gekommen. Er übernimmt den Oberbefehl, um
vor Beginn des Winters einen vernichtenden
Schlag zu führen. Demnächst soll ein zweites
Armeecorps in Hiroschima eingeschifft werden.
Der japanische Kaiser hat daher das Hauptquar-
tier der Armee von Tokio nach Hiroschima ver-
legt, um vor der Einschiffung das Armeekorps „ ....
zu besichtigen. Er verließ Tokio in Generals- wenn auch sonst mit dem Zustand des Kaisers zu-
„Wenn ich dazu imstande bin, gewiß," sagte er. vor dem Prokuristen, dessen Augen unwillkürlich wie
„Stellen Sie Ihre Fragen!" " ' " "" " ' "---
Falb zögerte minutenlang, ehe er anhob:
„Ich mache von Ihrer gütigen Erlaubniß Gebrauch,
mein Herr. Zuerst also: dürfte ich das Accept ein-
sehen, durch welches der junge Herr Volkheim in die
Hände eines gewissen Herrn Robert Feilscher siel?"
Herr Wörner überlegte.
„Ich sehe keinen Grund, weshalb ich Ihnen das
Verlangen abschlagen sollte, da Sie doch einmal um
die Sache wissen." Er erhob sich, trat an einen Eisen-
schrank, der geöffnet stand, und entnahm einem Fach
in demselben einen Stoß Papiere, aus welchem er mit
sicherer Hand das gewünschte Blatt hervorzog.
Er reichte es schweigend dem Beamten, der es
ebenso entgegennahm und mit rascher Hand sich einige
Bemerkungen in sein Notizbuch schrieb.
„Ich danke Ihnen," sagte er, dem Prokuristen das
Papier zurückgebend. „Sie wissen nicht, welchen Dienst
Sie damit mir und der Sache leisten, welcher meine
Ausgabe gilt . . . Herr Wörner, es ist Ihnen bekannt,
daß durch die Polizei die vermißten Kolliers entdeckt
wurden und daß Herr Volkheim durch uns erfuhr, wo-
hin sie gerathen waren. An dieser Stelle sind sie jetzt
eingelöst worden. Geschah es durch Sie?"
Der Prokurist nickte einfach.
„Ja, durch mich," sagte er.
„Und Sie zahlten dafür?"
„Den vollen Preis, der durch Schuldschein festge-
stellt war, — zwanzigtausend Mark zusammen."
„Ein Schuldschein existiert meines Wissens nur
betreffs der zuerst versetzten Kolliers."
„Für das zweite reicht zweifellos das von dem
jungen Herrn Volkheim selbst geschriebene Billet aus,
welches sich auf den ersten Schuldschein bezog und unter
gleichen Bedingungen ein zweites Kollier versetzt
wünschte."
„Sie glauben also ebenfalls, daß der junge Herr
Volkheim auch das zweite Kollier versetzte?"
„Wer sollte es sonst gethan haben?"
Eine minutenlange Pause folgte; der Kriminal-
beamte hatte sich langsam aufgerichtet. Er stand jetzt
 
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