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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 181 - Nr. 190 (6. August - 16. August)
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Rümmer 186. LL. Jahrgang.

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Samstag, 11. August l«S4.

General-GAn;ejger



für Heidelberg und Umgegend

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--
Vom ostasiatischen Kriegsschauplatz.
Die augenblicklich auf dem ostasiatischen Kriegs-
schauplätze eingetretene Ruhepause läßt sich vom
militärischen wie vom politischen Standpunkte aus
deuten. In ersterer Hinsicht liegt am nächsten die
Vermuthung, daß beide kriegführenden Theile durch
die bereits stattgehabten Engagements so stark mit-
genommen sind, um zeitweilig aktionsunfähig zu
sein. Es kommt hinzu, daß bei der Schwierigkeit
der Verbindungen der Nachschub von Mannschaften
Und Kriegsbedarf aller Art eine gewisse Frist be-
ansprucht, vor deren Ablauf an Fortsetzung der
Operationen in größerem Stil nicht füglich gedacht
werden kann. Da es scheint, daß weder Chinesen
Uvch Japaner mit einer nach europäischen Be-
griffen verwerthbaren Kavallerie hinreichend ausge-
stattet sind, um Fühlung am Feinde zu behalten,
sv ist es auch nicht ausgeschlossen, daß eben der
Mangel dieser Fühlung erschwerend in Bezug auf
die Continuität der Kriegführung wirkt. Was die
Erklärung der momentan herrschenden Ruhepause
aus politischen Motiven anlangt, so genügt der
Hinweis auf die dem Kriege von vornherein ab-
lehnend gegenüberstehende Gesammtheit der Mächte,
Um die Möglichkeit nicht ausgeschlossen erscheinen
?u lassen, daß fortgesetzte diplomatische Einwir-
tungen schon jetzt dämpfend auf die kriegerischen
Entschließungen der beiden nächstbetheiligten Staaten
gewirkt haben. Eben jetzt veröffentlichten Londoner
Blätter ein Schreiben des Bischofs Corse von
^orea, welches vom 13. Juni, also aus der Zeit
v°r Ausbruch des Krieges datirt ist, und in dem
der Bischof, ein genauer Kenner von Land und
Leuten, sich dahin ausspricht, daß Japan und
Ehina um Koreas Willen keinen Krieg beginnen
Werden. Der Krieg ist nun zwar dennoch gc-
t°mmen, aber nach einer durch die Blätter ge-
gangenen Version wäre Korea blos im Vorwand
Und der wahre Grund desselben das Bestreben der
iapanischen Regierung gewesen, ihre unhaltbar ge-
wordene innerpolitische Lage durch eine Ableitung
der Gährungsprodukte nach Außen zu gesunden,
jedenfalls wird der Krieg anscheinend nur mit
Halber Kraft geführt und vielleicht sind beide
theile froh, wenn sie unter Wahrung der Waffen-
öle und des nationalen Prestiges auf Grund-
lage eines annehmbaren Kompromisses Frieden
schließen können.

Die Verborgene Kcrnö.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von der Have.
(Fortsetzung.)
„Jertha," rief Hans, jedes Wort fiel schwer
dvn seinen Lippen, „vu — du hast es geglaubt,
I- nein, nein, das will ich nicht denken, — aber
du — Pu hast geschwankt, du hast es gefürchtet?"
Mit einem gellenden Aufschrei lag sie zu seinen
Füßen, umklammerte sie seine Kniee.
„Hans, Hans, o, vergieb, vergieb mir," jam-
merte sie, „nein, nein, geglaubt habe ich es nicht,
?der hie Furcht, die Furcht, — die namenlose
Furcht, — keine Worte schildern sie! Hans, be-
greife, verstehe das Entsetzliche! Und die Unter-
suchung, — die Fragen des Beamten, es war zu
surchtbar, zu entsetzlich! Und du warst nicht da —
Und der alte Johann — er ist ein alter Mann
er quälte mich auch hernach noch mit Fragen,
o, Hans, brause nicht auf, grolle ihm nicht,
er ist ein alter, treuer Diener, und der Schmerz
^rriß ihm das Herz, das sage ich dir! — Komm,
"Mm, jetzt," sie suchte sich mühsam aufzurichten,
»komm, du sollst sie sehen, die Mutter! O, all-
gerechter Gott!"
Und überwältigt von Schmerz und Thränen
Mach sie aufs neue zusammen.
Auf ihren Scheitel legte sich die Rechte des
Bruders, während er mit der Linken seine Augen
bedeckte.
„Das — das ist das Ende meines Leichtsinns!"
sugte er voll unsäglicher Bitterkeit. „Zum Mörder

DeNtsches Reich.
Kerlia, 11. August.
— Der „Reichsanzeiger" meldet : Der Bundes-
rath beschloß am 9.Juli, daß inländische, vordem
1. Mai 1894 vorschriftsmäßig versteuerte Werth-
papiere einer weiteren Abgabe nicht unterliegen.
— Die Proben für das neue Kochgeschirr
aus Aluminium sind zur Ausgabe gelangt,
und die Beschaffung derselben durch die Truppen
ist angeordnet worden. In der Form weicht das
neue Kochgeschirr von dem alten nicht ab. Es ist
wie dieses als Einzelkochgeschirr eingerichtet, dessen
größerer Theil mit Merkstrichen des Litermaaßes
versehen ist, während der kleinere als Deckel dienende
Theil mittes eines im Geschirr selbst mitzusührenden
Handgriffes als kleine Bratpfanne benutzt werden
kann. Eine vollständige Umwandlung des Koch-
geschirrs hat aber das Aeußere durchgemacht, in-
dem dieses geschwärzt ist, und also beim Tragen
desselben auf dem Tornister jedes Blinken und
damit die Sichtbarkeit von weitem ausgeschlossen
ist. Das Innere des Kochgeschirrs zeigt aber die
Metallfarbe des Alluminiums. Wie es heißt,
werden die neuen Kochgeschirre bereits bei den
diesjährigen Kaisermanövern, jedenfalls bei der
Kaiserparade, in Gebrauch genommen werden, so-
daß die äußere Erscheinung der Truppen einen
veränderten Anblick gewähren wird. Bei Truppen-
theilcn der Straßburger Besatzung hat man die
schwarzen Kochgeschirre schon in Gebrauch.
— Auf einer im Februar abgehaltenen Ver-
sammlung des deutschen Herbergevereins wurde dar-
über Klage geführt, daß den Herberg en der zur
Aufrechterhaltung der Ordnung bisweilen der er-
forderliche polizeiliche Schutz überhaupt nicht
oder nicht mit dem nöthigen Nachdruck gewährt
werde. Die Polizeibehörden sind daher angewiesen
worden, den Bestrebungen der Herbergen zur Heimath
sich von schlechten Elementen zu befreien und ihre
Einrichtungen dem bestimmungsmäßigen Zweck zu
erhalten, volle Unterstützung zu Theil werden
zu lassen.
Karlsruhe, 10. Aug. Der Einladung Ihrer
Majestäten des Königs und der Königin von
Wüttemberg folgend, sind Ihre Königlichen Hoheiten
der Großherzog und die Großherzogin heute Vor-
mittag 11 Uhr 15 Minuten mit Ertraboot nach
Frtedriechshafen gefahren. Ihre Königliche Hoheit
die Herzogin-Mutter von Genua begleitete die
Höchsten Herschaften. Das gejammte Gefolge, da-
runter auch der Königlich Preußische Gesandte,
Wirkliche Geheime Raths von Eisendecher, ist
mit Ihren Königlichen Hoheiten eingeladen. Von
Friedrichshafen zurückgekehrt, begaben Sich die
Großherzoglichen Herrschaften gegen Abend mit
Dampfschiff nach Konstanz, um Ihre Maje-
gestempelt! Denn wenn auch dieses schuldlose, reine
Wesen nicht daran glaubt, die Welt wird es glauben
und mich verdammen, — mich das unglückseligste
Menschenkind unter der Sonne! O, Mutter, Mutter,
wie grausam rächt sich das Schicksal an deinem
Kinde!"
Es war so still in dem morgendämmerigen Ge-
mach, daß man einen Hauch hätte hören können.
Und wie ein Flügelschlag hallte es durch die Stille.
War es der Flügelschlag eines Engels, der leise sich
nahte, sanft seine Hände diesen beiden unglücklichen
jungen Menschenkindern auf die Stirn zu legen?
Jertha war die erste, die sich faßte. Sie richtete
sich von neuem auf, gewaltsam den Bann des
Schmerzes von sich abschüttelnd.
„Komm!" sprach sie, ihre Worte waren ein
bloßer Hauch. „Komm, du sollst sie sehen!"
Er folgte ihr, — schweigend. Auf den Fuß-
spitzen schlich er ihr nach, die Treppe hinab, schritt
er hinter ihr her über den Korridor, durch den Em-
pfangssalon nach dem Gemach, in welchem die
Todte, wie man sie aufgefunden, in ihrem Sessel
ruhte.
Langsam öffnete Jertha die Thür und ließ den
Bruder vor sich eintreten. Und zögernd überschritt
sein Fuß die Schwelle, machte er zwei, drei Schritte
vorwärts; dann mit einem dumpfen Wehlaut sank
er nieder, wo er stand.
„Mutter, — Mutter!"
Es war der einzige Laut, der sich ihm entrang.
Vier Sekunden war es lautlos in dem Raum.
Jertha sah starr auf die Todte.
„So fanden wir sie!" sprach sie, als das krampf-
hafte Stöhnen des Bruders sich etwas beruhigte.

stäken den König und die Königin von Rümänien
zu empfangen und zu Schiff nach Schloß Mainau
zu geleiten. Morgen Samstag Vormittag treffen,
einer Einladung Seiner Königlichen Hoheit des
Großherzogs folgend, der Staatssekretär des Aus-
wärtigen Amts, Wirklicher Geb. Rath Frhr. von
Marschall, und Gemahlin von ihrem Landsitz bei
Freiburg auf Stzloß Mainau ein.
Ausland.
Paris, 10. Aug. Anarchistenprozeß.
Duplats vertheidigt Sebastian Faure und bittet,
seinem Clienten einige Bemerkungen zu gestatten.
Der Generaladvokat macht die Journalisten da-
rauf aufmerksam, daß er die Veröffentlichung
von Faures Verteidigung verbieten könne. Se-
bastian Faure legt in sehr gemäßigter Form
seine Anschauungen dar; er sei kein wilder Mann,
dessen Herz von Haß geschwellt sei, er sei auch
kein Führer, er habe nur seine Ansichten vorge-
tragen, weil er ein überzeugter Anhänger seiner
Philosophie sei. Niemand aber habe er zur
Propaganda durch die That aufgefordert. Die
Geschworenen möchten ihn freisprechen oder auf
den Bagno schicken, das sei ihm gleich, aber er
vertraue auf ihren Gerechtigkeitssinn und hoffe,
daß sie einem Manne die Freiheit wiedergeben
würden, der ihrer nicht hätte beraubt werden
sollen. Als Faure sich wieder setzt, wird unter
den Zuhörern beifälliges Gemurmel laut. Der
Rechtsanwalt Chapelain vertheidigt alsdann Ledot,
der Anwalt Aubain den Angeklagten Chatel.
Paris, 10. Aug. Das Schwurgericht der
Cote d'Or verurtheilte die A nar ch i stenMonot
zu 5 Jahren Zwangsarbeit und Ausweisung, Puej-
net zu 3 Jahren Gefängniß, Gaillard zu 2 Jahren
Gefängniß wegen Billigung der Ermordung Cacnots,
Aufreizung zum Mord, Aufforderung von Soldaten
zum Ungehorsam und Theilnahme an einer ver-
brecherischen Verbindung. DieVertheidigung Monots
wurde untersagt.
London, 10. Aug. Der „Times" wird aus
Tientsin vom 8. August gemeldet: Die Nach-
richt, daß Rang und Vorrechte des Vicekönigs Li-
Hung-Tschang vom Kaiser von China be-
schränkt worden seien, entbehrt der Begründung.
Ebenso unbegründet sind die Nachrichten, daß der
chinesische General Aeh vor Asan getötet worden
und daß der chinesische Dampfer „Kwangui" unter-
gegangen sei Die englische Colonie hat um Ent-
sendung englischer Kanonenboote ersucht, um einer
Panik vorzubeugen. Die chinesische Regierung hat
die Behörden angewiesen, die Angehörigen fremder
Nationalitäten und die Missionäre zu schützen.
Demselben Blatte zufolge machen Agenten Japans
größere Ankäufe von Kriegsmaterial in England.
Der „Central News" zufolge hat der chinesische
Er antwortete ihr nicht. Schwer erhob er sich,
näherte er sich der Todten, kniete er nieder an
ihrer Seite.
„Todt," ächzte er, „todt, gestorben ohne einen
Segen für mich, gestorben ohne einen Segen für
ihr Kind!"
Und er vergrub sein Gesicht in die Falten ihres
Gewandes.
Plötzlich richtete er sein Antlitz auf; seine Augen
glühten in einem seltsamen Licht.
„Jertha," sprach er, das Gesicht zu dem jungen
Mädchen zurückwendend, „du bist rein wie ein Engel,
da kannst es, — segne du mich an der Todten
Stelle! Segne mich, o, segne mich an ihrer Statt,
— ich kann nicht leben ohne ihren Segen, ohne
der Mutter Segen!"
Und sein Blick fesselte, bannte sie, wie er jetzt
auf die Schwester sah. Sie erhob sich schwankend,
sie trat an die Todte heran, sie griff nach deren
eiskalten Händen, und — ein frostiger Schauder
durchrieselte sie — sie legte sie ihm aufs Haupt.
Und dann öffnete sie die Lippen, aber kein Wort
kam über dieselben. Da war sie wieder, die grauen-
hafte Vorstellung, die sie gebannt geglaubt hatte
für immer. Es war ihr, als sollte sie den Segen
sprechen über den Mörder der Mutter.
Und mit einer Schwere, daß es ihm war, als
wollten die Finger der Todten sich in sein Haupt
krallen, fühlte er die Hände derselben auf seinem
Kopfe ruhen, und von einer undefinierbaren Angst
ergriffen, flehte er mit keuchenden Lauten:
„Sprich — sprich — den Segen, Jertha,
— den Segen — den Segen,-sprich ihn
aus!"

Kaiser den Vicekönigen einen Kriegstribut auferleg
auch wird von einer auswärtigen Anleihe gesprochen.
Die Soldaten, welche die Japaner auf dem enlischen
Dampfer „Chungking" mißhandelten, sind geknutet
worden. Eine Menge alter Soldaten, die im französi-
schen Kriege kämpften und meistens.aus der krieger-
ischen und fanatischen Provinz Hunau kommen, bietet
der chinesischen Regierung ihre Dienste an. Aus
Jokohama und Nagasaki wird gemeldet, es seien
japanische Transportflotten, eine für Chemulpo,
die andere mit unbekannter Bestimmung abge-
gangen. China und Japan haben große Aufträge
auf Mehl und andere Nahrungsmittel in Amerika
vergeben. Japan hat dort eine Million Bouillon-
kapseln bestellt, deren jede einem Pfund Rindfleisch
gleichkommen soll. Die Absendung chinesischer
Truppen nach der mandschurisch-koreanischen Grenze
wird beschleunigt, doch sollen schon jetzt Schwierig-
keiten im Verpflegungswesen fühlbar werden. Die
Truppen werden von europäischen Offizieren be-
fehlig^_
Aus Wcry und Jern.
* Mannheim, 10. Aug. Das zweite Auftreten
Heinrich Dowe's fand gestern Abend im Cirkus
Schumann statt. Wie am Abend vorher, so hatte
auch diesmal der Name des Erfinders genügt,
Herrn Schumann ein volles Haus zu bringen.
Bereits gestern Mittag waren sämmtliche Karten mit
Ausnahme der Logen- und Sperrsitzplätze vollständig
ausverkauft und auch diese waren an der Abend-
kasse in so kurzer Zeit vergriffen, daß wieder sehr
Viele keinen Einlaß sanden. Wie am Abend vor-
her, so erntete auch gestern der Kunstschütze Herr
Frank Western mit seinen Leistungen und
seiner unübertrefflichen Sicherheit die bald den
Glauben an „den Freischützen und die Freikugeln"
in dem Zuschauer aufkommen lassen konnten, wieder
reichsten Beifall. Mit brausendem Beifall begrüßt,
betrat Dowe die Manege und bot seine Brust ohne
Zittern den Kugeln dar. Der Eichenblock wurde
in seiner Länge von 80 Ctm. von der Kugel durch-
schlagen, während die Patrone machtlos und unwirk-
sam gegenüber dem Panzer sich erwies. Es muß
wirklich das felsenfeste Vertrauen des Erfinders in
seine Erfindung sein, das Herrn Dowe bewegen
kann, sich selbst als lebende Zielscheibe den mörder-
ischen Geschossen darzubieten. Kein Zittern, keine
Miene läßt irgend ein beängstigendes Gefühl an
Herrn Dowe wahrnehmen, obwohl oft der Zufall
eine große Rolle spielen kann. Die übrigen
Leistungen des Cirkus Schumann sind die bekannt
Vortrefflichen. Zum Schluffe erregte ein Spring-
Entree, ausgeführt von 14 großen und kleinen
Clowns stürmische Heiterkeit.
" Bühl, 10. Aug. Heute Vormittag findet im
Und mit Allgewalt schüttelte sie ihn ab, den
Bann, der auf ihr lag, raffte sie sich auf und
sprach sie mit ersterbender Stimme, indeß ihre
Hände über denen der Todten auf seinem Haupte
zitterten:
„Der Herr segne und — behüte dich,-F
der Herr — lasse sein Antlitz leuchten über dir
und sei dir gnädig, — der Herr erhebe sein An-
gesicht — auf dich — und — gebe dir den
Frieden!"
Das letzte Wort erstarb in einem Auf-
schluchzen, in einem wilden, konvulsivischen Auf-
schluchzen , und wider ihren Willen wankte sie
zurück.
„Nimm — nimm — die Hände von meinem
Kopfe!"
Die Worte, die ächzend steh ihm entrangen,
brachten sie zu sich selbst zurück. Mit Ueberwmdung
erfaßte sie die starren Todtenhände und legte sie auf
die Lehnen des Sessels-
Bebend am ganzen Körper erhob der junge
Mann sich.
Schritt für Schritt wich er gegen die Thür zu-
rück. Angstvoll verfolgte Jertha jede seiner Be-
wegungen.
„Komm — komm!" raunte er ihr zu.
„Sie trat mit ihm hinaus und fast überhastig
drehte er den Schlüssel im Schlosse hinter sich zu.
Im selben Moment bemerkte er ihren forschenden,
fragenden Blick.
„Verzeih' mir", stammelte er und sein Gesicht
war kaum wieder zu erkennen, als sie ihn jetzt an-
sah, «es war zu viel!" Komm, — komm !"
 
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