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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 191 - Nr. 200 (17. August - 28. August)
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Hummer 196. H Jahrgang.

Ikeuev

Donnerstag, 23. August 18S4.


General-GAiyejger

für Heidelberg und Umgegend

Kxpeditiorr: Hauptstraße "Mr. 25.

Jnsertionöprcisr
die lspaltige Petirzeile oder deren Raum K Pf-.,
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für den Monat September kostet der
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General-Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
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fortwährend angenommen.

Die österreichische Landwehr.
Während der parlamentsfreien Zeit, der gegen-
wärtigen Saison inorto, macht sich in Oesterreich
auf dem militärischen Gebiete eine rege, organi-
satorische Thätigkeit geltend.
So hat eine soeben veröffentlichte Kabinets-
ordre die durch die „Landwehr-Novelle" vom Jahre
1893 normirte Reorganisation der cisleithanischen
Landwehr zum Abschluß gebracht. Es sind, nach-
dem bereits im Mai die Stäbe für die Landwehr-
Brigade formirt worden waren, nunmehr sieben
Feldmarschall-Lieutenants zu Kommandanten der
Landwehr-Divisionen ernannt worden. Ferner
sind aus den vorhandenen 92 Landwehr-Kadre-
bataillonen 26 Landwehr-Regimenter gebildet
worden, von denen jedes drei oder vier Bataillone
umfaßt, und denen sodann nunmehr noch ein
Kadre für ein Ersatzbataillon und eine Kadre
für ein Reserve-Bataillon zugetheilt worden sind.
Zum Verständniß sei bemerkt, daß die öster-
reichische Landwehr, welche nach wie vor die Be-
zeichnung k. k. führt, während dem stehenden
Heere als einer beiden Reichshülsten gemeinsamen
Institution das Prädikat k. und k. zukommt,
ebenso wie die k. ungarische Landwehr, die soge-
nannte Honvedarmee, selbstständige, ganz anders
als die Landwehr des deutschen Reichsheeres or-
ganisirte Armeekörper darstellen.

Unserer Landwehr entspricht in Oesterreich-
Ungarn der vor vier Jahren geschaffene Land-
sturm. Die k. k. österreichische Landwehr aber
besitzt nicht nur bereits im Frieden starke Kadres,
sondern bildet auch in den Jnfanterie-Kadre-
bataillonen selbstständig Rekruten, jährlich 10510
Mann, aus. Der Friedensstand jeder Landwehr-
kompagnie besteht aus 1 Hauptmann, 2 Lieute-
nants und 54 Mann. Die zur Landwehr direkt
ausgehobenen Rekruten gehören derselben neun
Jahre an, von denen im Frieden drei Jahre
auf die aktive Dienstzeit entfallen, welche aus
vier Ausbildungsperioden vertheilt sind. Da sür
die 7 Landwehr-Infanterie-Divisionen, welche,
abgesehen von den nicht in die Divisionsverbände
eingetheilten throler und dalmatiner Landwehr-
Truppentheilen, auf die cisleithanische Reichshälfte
entfallen, die höheren Stäbe nunmehr bis ein-
schließlich zur Division hinauf, bereits im Frieden
bestehen und durchweg mit aktiven Generalen,
Stabs- und Oberoffizieren besetzt sind, und da
ferner bereits im Frieden die Kadres für die
Landwehr-Ersatzbataillone aktiv vorhanden sind,
so wird sich voraussichtlich die Mobilisirung der
Infanterie der k. k. Landwehr sehr schnell und
leicht vollziehen.
Diese Landwehrdivisionen sind dazu bestimmt,
als dritte Infanterie-Divisionen zu den Corps
der activen Feldarmee zu stoßen. Auch im
deutschen Reichsheer sollen sich die mobilisirten
Armeecorps von 2 auf 3 Divisionen setzen. Für
diese dritten Divisionen sind aber in Deutschland
im Frieden nur die schwachen vierten Bataillone
und der etatsmäßige Staboffizier der Infanterie-
Regimenter activ vorhanden, währens alle son-
stigen Kadres, namentlich alle Stäbe, fehlen und
erst bei der Mobilmachung gebildet werden.
Oesterreich-Ungarn ist uns also auf diesem Gebiete
sehr weit voraus.
Des Weiteren ist soeben auch die Kavallerie
der österreichischen Landwehr umgeformt und ver-
stärkt worden. Sie besteht nunmehr, abgesehen
von 2 Eskadrons throler und 1 Eskadron dal-
matiner berittener Landesschützen, aus 6 Manen-
Regimentern zu je 6 Eskadrons und 1 Ersatz-
kadre. Jedes Regiment hat einen starken Stab,
darunter 3 Stabsoffiziere, jede Eskadron zählt
einen Cadre von 1 Rittmeister, 2 Lieutenants
und 39 Mann. Rekruten hebt die Kavallerie
der k. k. Landwehr nicht aus, sie ergänzt sich
vielmehr aus den Reservisten der Linienkavallerie.
Wohl aber reiten die Stammmannschaften jährlich
so viele Remonten zu, welche nach der Abrichtung
an Landwirthe verliehen werden, daß der Kriegs-
bedarf an durchgerittenen Pferden vollständig
gedeckt ist.

Die Mobilisirung der Landwehr-Cavallerie
ist also ebenfalls auf's Beste vorbereitet. Für
jede Landwehr-Division iff endlich bereits im
Frieden ein Divisions-Artillerie-Regiment komplet
vorhanden. Durch diese nunmehr durchgeführte
Reorganisation ist die k. k. österreichische Land-
wehr der k. ungarischen Landwehr in ihrer Ent-
wickelung ziemlich nahe gekommen. Immerhin
steht die „Honvedarmee" noch auf einer höheren
Entwickelungsstufe, namentlich was die Kavallerie
betrifft. Denn diese ist vor einigen Monaten
auf 10 Honved-Husaren-Regimenter L 6 Eska-
drons gesetzt worden, deren Friedenskadres be-
deutend stärker sind, als die der cisleithanischen
Landwehr-Husaren, und deren jedes über 1400
zugerittene Pferde verfügt.
Auch die Organisation des gemeinsamen
Heeres, der k. und k. Armee, ist in der jüngsten
Zeit dadurch verbessert worden, daß die Zahl der
activen Sanitäts-Offiziere um 255 Stellen, fast
durchweg solche von höherem Range, vermehrt
worden ist, so daß die gemeinsame Armee jetzt
1236 Militärärzte zählt. Zugleich haben die
ärztlichen Institutionen, z. B. die Feld- und
Reservelazarethe, größere Selbstständigkeit erhalten.
Endlich sei erwähnt, daß der vierte Heereskörper
der österreichisch-ungarischen Wehrkraft zu Lande,
die außerhalb des Rahmens der k. und k. Armee
sowie der beiden Landwehren stehende selbstständige
bosnisch-herzogewinische Infanterie, welche vier
Regimenter zu je drei Bataillonen zählt, jetzt 4
neue Compagnien aufgestellt hat, welche sich mit
der Zeit zu vollen Bataillonen entwickeln werden.
Deutsches Keich.
Serliu, 23. August.
— In der gestrigen Sitzung der Ko Mis-
sion zur Vorberathung der Maß-
regeln gegen die Cholera sind sämmtliche
aus den einzelnen Bezirken eingegangenen Berichte
über den Stand der Cholera einer gründlichen
Durchberathung unterzogen worden. Nach dem
Eindrücke, den die Kommission aus denselben
empfangen hat, sind die einzelnen Beschlüsse ge-
faßt worden. Sie sollen jedoch vorläufig sekret
behandelt werden und sind nach Analogie der in
der ersten Konferenz am 1. August gefaßten
Entschließungen den Regierungen der Einzelstaaten
zur Begutachtung zugestellt worden.
— Der Landwirthschaftsminister hat von den
landwirthschaftlichen Zentralvereinen rc. eine gut-
achtliche Aeußerung darüber verlangt, ob sie die
Errichtung einer Zwangsversicherung
oder einer staatlichen Entschädigung für an der
Maul- und Klauenseuche gefallenes Rind-
vieh als nothwendig erachten.

— Der Cholera st and war in Deutschland
nach den Veröffentlichungen des kaiserlichen Ge-
sundheitsamts vom 18. bis 20. August mittags
folgender: 23 Todesfälle und 32 Erkrankungen,
davon im Regierungsbezirk Königsberg 5 Tote,
keine Erkrankten, Gumbinnen 6, bezw. 14, im
Weicbselgebiet und in Westpreußen 0, bezw. 12,
im Netze- und Warthgebiet 11, bezw. 4, in Ober-
schlesien 1, bezw. 0, im Rheingebiet 0, bezw. 1,
in Osnabrück 0, bezw. 1.
Wilhelmshaven, 22. Aug. Dem Vernehmen
nach wird außer den Kreuzern „Arcona", „Marie"
und „Alerandrine", welche sich bereits auf dem
Wege nach dem Ostasien befinden, noch ein vierter
Kreuzer nach Ostasien entsandt. In Betracht
gezogen sind hierfür „Irene" und „Gefion". An
Bord dieses vierten Kreuzers wird sich der Contre-
admiral einschiffen, der den Befehl über das ost-
asiatische Kreuzergeschwader übernimmt.
Karlsruhe, 22. Aug. Die Ausgaben des
badischen Staates betragen für die beiden laufen-
den Budgetjahre 123,7 Mill. Mk. im ordentlichen
und 8,8 Mill. Mk. im außerordentlichen Budget,
eine stattliche Summe für einen Staat von 1,6
Millionen Einwohnern. Die ordentlichen Ein-
nahmen sind berechnet mit 120,4 Mill. Die
außerordentlichen Einnahmen mit rund 2 Mill.,
wozu noch rund 5 Mill, verfügbare Überschüsse aus
früheren Budgetperioden kommen. Es steht schon
jetzt ziemlich fest, daß der Ausfall von weiteren
5,2 Mill-, der auf die Amortisationskasse ange-
wiesen ist, wohl nicht wird in Anspruch genommen
werden müssen. Von den Ausgaben entfallen auf
die Matrikularbeiträge 28,1 Mill-, welchen Ueber-
weisungen vom Reiche 24,4 Mill, gegenüberstehen.
Unter dem Titel Justiz beanspruchen für das Jahr
1894 die Landgerichte 790000 Mk., die Amts-
gerichte 2,1 Mill., die Strafanstalten 1,2 Mill.
Dem letzteren Posten stehen indes bedeutende
Spezialeinnahmen gegenüber, wie dem auch die all-
gemeinen Einnahmen aus Justiz- und Polizeige-
fällen mit 4,5 Mill, berechnet find. In den Ein-
nahmen des Finanzministeriums sind die direkten
Steuern mit 12,3, die indirekten mit etwas über
11 Mill, berechnet. Wie man hieraus ersieht,
sind die Einnahmen aus direkten Steuern immer
noch 1,2 Mill, jährlich höher als diejenigen aus
den indirekten. Einen beträchtlichen Zuschuß zu
den Staatseinahmen bietet noch besonders durch
den Waldbesttz mit jährlich rund 5 Mill, der
Domänenfiskus, namentlich seitdem die Holz-
erträgnisse wieder gestiegen sind.
Ausland.
Loudon, 22. Aug. Die „Times" meldet
aus Shanghai von gestern: General Tio tele-
graphirt, daß die Chinesen am Freitag die Japaner

Die verborgene Kcrnö.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit
Von E. von der Have.
15) (Fortsetzung.)
Es lag eine unverkennbare Erwartung in ihren
Worten, welche nur zu deutlich verriethen, daß sie um
alles in der Welt gern gewußt hätte, was ihre Frage
zu erfahren verlangte.
Der alte Herr, so scharfsichtig er im allgemeinen
war, bemerkte nichts vou alledem. Er war so ganz in
seine Verzweiflung versunken, daß er für nichts sonst
Raum hatte in seinen Gedanken, als für die Trauer
und die Schmach, die sein Haus betroffen hatten.
Trübe schüttelte er den Kopf.
„Es ist nicht das," sprach er, und seine Stimme
klang entsetzlich monoton. „Aber — was wollten Sie
mir sagen? Reden Sie immerhin. Ich habe so viel
ertragen; die Last kann nicht größer werden, als sie es
schon ist!"
Er nickte mehrere Male mit dem Kopf. Das Un-
glück hatte bereits für ihn das Uebermaaß erreicht.
In Nachdenken versunken sah er plötzlich jäh auf.
Vor ihm stand die schwarzgekleidete Frauengestalt und
mehr denn alles andere erinnerte das ihn an den
Jammer, der über sein Haus hereingebrochen war.
„Was - was ist es?" stieß er aus
Sie hatte ihm Zeck gelassen, sich zu fassen. Ahnte
sie, was sturmesgleich seine Seele durchraste?
„Herr Volkheim," hob sie mit einer Stemme an,
die so zart und sanft wie die eines Kmdes klang, „vrtte,
verzeihen Sie mir im voraus, wenn ich Ihren Schmerz
noch erhöhe. Am liebsten sagte ich es Ihnen jetzt nicht,
aber Sie selbst fordern es und so mag es sein. Ich
dachte mir, es sei bester, wenn ich es Ihnen zeigte, als
irgend sonst Jemand. Es ist im Grunde nichts von
Belang, aber es könnte Sie doch sehr erregen, wenn es
Ihnen zu unrechter Zeit mitgetheilt würde."
Sein Blick hatte sich angsterweitert, und derselbe
verkündete, daß ein schlechter gewählter Augenblick sür

eine aufregende Mittheilung sich kaum finden ließ als
der gegenwärtige.
„Was — was — ist es?" wiederholte er keuchend.
Die Hausdame zog eine Zeitung aus der Tasche
hervor.
„Es ist nur eine Notiz in der heutigen Morgen-
zeitung," sagte sie. „Ich hielt es für das beste, die-
selbe Ihnen zu zeigen, damit Sie Schritte thun können,
den Schändlichkeiten, welche in derselben enthalten
sind, die Spitze zu bieten."
Damit reichte sie ihm die Zeitung, mit dem Zeige-
finger der rechten Hand auf eine Stelle unter dem Be-
richt der Tagesereignisse deutend. Dieselbe lautete:
„Eine tragische Katastrophe hat sich in einem der
angesehensten Häuser unserer Stadt vollzogen. Der
mit seiner Tochter aus einer Gesellschaft zurückkehrende
Großhsndelsherr V. fand seine Fran durch Gas er-
stickt im Salon vor. Eine gerichlsseitige Untersuck-
ung, welche ein des Wegs kommender Kriminal-
beamter sofort anstellen konnte, ergab bislang Dinge,
die sich vor der Hand noch der Oeffentlichkeit ent-
ziehen. Jedenfalls umschwebt diesen Mord oder
Selbstmord — wer kann das sagen? — ein Dunkel,
wie selten einen Kriminalfall, welcher in unserer
Stadt sich ereignete. Die Untersuchung ist im vollen
Gange und wird, da sehr gravierende Umstände vor-
liegen sollen, bald Licht in das Mysterium bringen."
Mit erweiterten Augen hatte der alte Herr, sich
aufraffend, die Notiz gelesen; er hatte sich erhoben,
während er das that. Jetzt hatte er geendet, das Blatt
entfiel seinen Händen, es flatterte zur Erde.
Groß richteten seine Blicke sich auf die vor ihm
Stehende, die unverkennbar angstvoll der furchtbaren
Veränderung in seinem ganzen Wesen folgte. Und in-
stinktiv ertrug sie seinen Blick, sah sie, wie derselbe
gleichsam erstarrte, wie seine Arme, sich hoben, ins Leere
griffen und dann —
„Die Ehre — die Ehre!"
Es war mehr ein Stöhnen, als ein Ausruf,
der sich seiner Brust entrang, und ehe die erschreckte
Frau vor ihm es sich versah, war er mit schwerem Fall
vorübergestürzt und lag am Boden vor ihr hingestreckt.

Mit einem gellenden Schrei wich sie zurück vor dem
Anblick, aber dann beugte sie sich resolut über den Da-
liegenden. Er war starr und steif wie ein Lebloser und
Blut rieselte von seinem Gesicht-
Mit einem erneuten Schrei prallte sie zurück, wankte
der Thür zu, riß sie auf und rief laut um Hilfe, sich
schwer gegen den Thürpsosten lehnend.
Und über die Treppe stürzten fliegend eilige Schritte
heran, an ihr vorüber floh Jertha, die Tochter des
Hauses, und niedersinkend auf die Kniee neben dem
Leblosen, schrie sie auf, so wild, so gellend, daß er der
bleichen Frauengestalt an der Schwelle durch Mark und
Seele schnitt, und gewaltsam sich aufraffend aus dem
Entsetzen, welches sie erfaßt hatte, entfuhren ihr die
Worte, die bannbrechenden Worte:
„Gott — Gott, ist er todt — todt?"
Hatte er wie gelähmt dagestanden, wie ein Zauber-
schlag auch lösten diese Worte der Erstarrung, m
welcher Hans an der Schwelle seines Zinimers stand,
im Begriff, wie ein Ahasver das Haus zu verlassen.
Und heftig riß er die Thür auf, schleuderte sie zu-
rück und stürzte wie ein Rasender die Treppe hinunter
ins erste Stockwerk.
Die offene Thür, unter derem Eingang die Haus-
dame halb ohnmächtig gegen den Pfosten lehnte, zeigte
ihm die Richtung, die er zu nehmeu hatie, und ohne
die sichtlich zitternde Frau nur eines weiteren Blickes
zu würdigen, stürzte er an ihr vorüber, in das Zimmer
hinein und auf die am Boden hingestreckte Gestalt sei-
nes Vaters zu, neben welcher Jertha kniete.
„Vater — Vater!"
Es war kaum eine menschliche Stimme zu nennen,
nut welcher er die Laute ausstieß.
„ „, beugte sich tief über den Daliegcnden, er vcr-
fuchte chu aufzuheben, seinen Kopf emporzurichten; der
alte ^ohann kam ihm dabei zu Hilfe und es war ihnen
eben gelungen, den Regungslosen so zu plazieren, daß
er mit dem Gesicht nach oben lag, als hastige Schritte
draußen sich vernehmen ließen und gleich darauf, ge-
folgt von dem jüngeren Diener Karl, ein ältlicher, jo-
vial aussehender Herr ins Zimmer trat.
Ohne Zeremoniell legte er Hut und Handschuhe

war

schnell bei Seite und machte sich an die Untersuchung
Er prüfte den Puls und zog die goldene Uhr hervor
um daran die Sekunden abzuzählen. Dann prüfte er
die Wunde seitens der Stirn.
„Hm, hm," machte er leise, mehr für sich selbst als
für die anderen, „eine Betäubung mit starker Blutung
im Gefolge." Mit Karl's uud Johannas Hilfe hob er
eigenhändig den Bewußtlosen auf die Ottomane. Kurz
und bündig gab er feine Befehle, stellte er seine Be-
mühungen an, die ein schneller Erfolg krönte. Der Da-
liegende begann leise zu atmen. Der Arzt nickte, schein-
bar befriedigt, und wandte sich den übrigen zu.
„Wie geschah das?" .
Bei dieser Frage schweifte sein Blick durch das
Gemach von einem zum andern. Auf der Hausdame,
die von der Thür um einige Schritte naher getreten
war, blieb sein Blick haften, denn er erkannte, daß sie
etwas sagen wollte. . , ,
„Bitte, Madame!" sprach rr.resolut.
„Der Herr hatte wohl einen schwindelaiifall, Herr,
Sanitätsrath," berichtete sie stockend, abn ihr zögern-
der Ton ließ sich ebenso gut ans das Entsetzen über
den Fall zurückzuführen. -AW er sich erhob, taumelte
er und stürzte jählings ZU dspi Gesicht vorn-
überschlagend. Ich fürchtete schon, er sei todt!"
Ihre scharfen Ohre" hatten die halblauten, wie an
sich selbst gerichteten Worte deo Arztes wohl vernom-
men und dieselben hatten sie eben bewogen, den Platz
an der Thür zu verlassen, wobei ein förmlich befreien-
der Athemzug ihre Brüll hob.
„Waren Sie dabei zugegen?" fragte der Arzt mit
festem Blick. . ,
„Ich kam eben ins Zimmer."
„Und sahen ihn vornüberstürzen?'
"War Penn niemand bei ihm?"
Daß ich nicht wüßte
„Sie wissen es doch!"
.Herr Sanitätsrath!"
,,^ich meine, daß jemand zuvor bei ihm war. Wer
das?,,
Die Hausdame zögerte-
 
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