Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

DOI Kapitel:
Nr. 191 - Nr. 200 (17. August - 28. August)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44556#0173

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stummer 183. H. Jahrgang.


Montag, 2«. August 1384.

General-GAnmger



»t--

für Heidelberg und Umgegend


Expedition: Hauptstraße "Ztr. 28.

Abonnem entspreiö r
mtt Sseitigem illustrirtcm SountagSblatt: monatlich
4V Pfennig frei in's Laus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Expedition: Hauptstraße iNr. 28.

Jnsertionöprcisr
die lspaltige Petitzetle oder deren Raum 5 Pf-.,
für auswärtige Inserate 1v Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
.... -- —»



Heleseirstes in Stcrdt rr. A-nt HeLdeWerg und Lturgegeud. Gvötzteir Lr*fslg für Jusevate.

Telephon-Anfchlutz Nr. 102. "WM
Ls^twähueHrd
werden von allen Postanstalten, Landbriefträgern
Unseren Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.

Die Wahlrechtsbewegung in
Oesterreich.
Dieser Tage hat in Wien auf der Feuerwerks-
biese im Prater wieder eine große, von nahezu
oll 000 Arbeitern besuchte Massenversammlung
stattgefunden mit der Tagesordnung: „Was ist's
*bit dem Wahlrecht?" Ebenso energisch wie laut
tburde von allen Rednern die Einführung des
^gemeinen Stimmrechtes gefordert. Ein Gleiches
geschah vor kurzer Zeit in Brünn in einer von
2Ü000 Personen besuchten Massenversammlung.
Diese Kundgebungen sollen nicht nur die
-Nacht der Arbeiter zeigen und agitatorisch wirken,
sondern vor Allem einen Druck auf Regierung
bnd Parlament ausüben. „Die Gegner", schrieb
Unlängst ein Wiener Arbeitcrblatt, „dürfen nicht
^«r Ruhe kommen und nicht einen Moment dem
"Vahne sich hingeben, sie könnten die Wahl-Reform
einschlften lassen.
. Seitdem Graf Taaffe mit seiner bekannten
^ahlreform-Vorlage: nahezu allgemeines Wahl-
echt mit Aufrechterhaltung des Curien-Systems,
die Welt überrascht hat, ist die österrcichWe so-
^aldemokratische Arbeiterschaft in der Wahlreform-
Mage überaus siegesbewußt, und dem neuen
Koalitions-Ministerium mag das Drängen der
Sozialdemokraten, hinter denen außerdem die
>wngczechen und die Antisemiten stehen, höchst
Unbequem sein. Bekanntlich hat dasselbe seiner
?.ftt „leitende Grundsätze" zur Wahlreform ver-
deutlicht. Darnach sollte das Wahlrecht be-
ichrünkt werden auf alle, die direkte Steuern
Mlen, und auf jene Arbeiter, welche seit zwei
fahren einer Krankenkasse ununterbrochen ange-
Mten. Die landwirthschaftlichen Arbeiter sollten
^nzlich ausgeschlossen bleiben und von den In-
dustrie-Arbeitern sollte nur die bestbezahlte seß-
Mfte Schicht das Wahlrecht erhalten. Diese
^ahlreform wurde selbst von den Liberalen im
^eichsrathe für verbesserungsbedürftig erklärt, wo-
^uf die Regierungerklärte, daß sie an Einzelheiten
Durchaus nicht sesthalte und mit dem „Studium"
?/r Wahlreform, sowie mit der Beschaffung von
Autistischem Material fortfahren werde.
, Seit Mitte März befindet sich nun die Wahl-
Msorm in dem Stadium, daß die drei CoalitionS-
jrUrteien, sowie die Regierung die Frage „studiren".
Jungczechen, die um ihren radikal-sozia-

listischen Anhang in Böhmen besorgt sind, war
es nach vielem Drängen gelungen, den Wahl-
reform-Ausschuß zu einer Sitzung zu bewegen,
er vertagte sich aber sofort wieder, bis die Re-
gierung einen Gesetz-Entwurf und statistisches
Material vorlegen werde.
Inzwischen setzen die Arbeiter ihre Massen-
kundgebungen für das allgemeine Stimmrecht
fort und drohen zugleich mit Massenausstand, der
bekanntlich aus dem letzten sozialdemokratischen
Parteitag in Wien für den Fall beschlossen wurde,
wenn die Einführung des allgemeinen Stimmrechtes
ausbleiben sollte.
Jedenfalls wird der österreichische Reichsrath
gut thun, wenn er bei seinem Wiederzusammen-
tritt ernstlich an die Wahlreform geht und die
Zeit nicht wieder mit nationalen Zänkereien und
mit lächerlichen Katzbalgereien um das böhmische
Staatsrecht vertrödelt. Aus die Dauer geht es
nicht an, daß man in einem Lande mit allge-
meiner Wehrpflicht breiten Volksschichten jegliches
Stimmrecht vorenthält.

Deutsches Reich.
Berlin, 20. August.
— Bei der Berathung über die Ergebnisse der
Umfrage in Betreff einer gesetzlichen Regelung der
Arbeitszeit im Handelsgewerbe hat die Kommis-
sion für Arbeiter st ati st ik in ihrer Sitzung
vom 26. Juni d. I. in Anregung gebracht, den-
jenigen Verbänden und Vereinen, die sich üb r die
Frage der Einführung einer allgemeinen Laden-
schlußstunde noch nicht geäußert haben, nachträglich
Gelegenheit hierzu zu geben. Dieselben werden
jetzt, wie wir der „Bresl. Ztg." entnehmen, vom
Reichskanzler ersucht, sich zu folgender Frage zu
äußern: Empfieblt es sich — vorbehaltlich der
bei der ersten Umfrage gewünschten Ausnahme-
bestimmungen — an Stelle der Festsetzung einer
bestimmten Stundenzahl für die Ladenzeit eine
einheitliche Ladenschlußstunde — etwa 8 Uhr Abends
oder welche andere — einzuführen, oder welche
Bedenken sprechen etwa gegen eine solche Anordnung?
In Rücksicht auf den weiteren Fortgang der Unter-
suchung werden bis spätestens zum 20. d. M.
Aeußerungen in dieser Angelegenheit erwartet.
— Die Kommission zur Vorberathung der
Maßregeln gegen die Cholera war zum
ersten Male in diesem Jahre am 1. August unter
dem Vorsitz des Direktors am Reichsgesundheits-
amt Dr. Köhler zusammengetreten und hatte,
da die Cholera bis dahin nur geringe Verbreitung
gefunden, das vorliegende Material an einem
Tage bewältigt. Seit ihrem Auseinandcrgehen
hat sich die Situation aber verschärft und haben
sich weitere Choleraheerde entwickelt- Der Vor-

sitzende der Kommission Direktor Dr. Köhler,
hat, obgleich er sich augenblicklich auf Urlaub be-
findet, sofort die Kommission zu einer neuen
Sitzung zusammenberustn. Außer dem Direktor
Köhler werden an der Sitzung Vortragende Räthe
aus dem Reichsgesundheitsamt und Kultusmini-
sterium sowie die offiziellen Vertreter der anderen
Einzelstaaten theilnehmen.
— Wie die „Allgem. Fleisch. Ztg." zuverlässig
erfährt, wird am 1. Oktober eine Verordnung in
Kraft treten, wonach Speck und Schinken von
Schweinen, die außerhalb Deutschlands geschlachtet
sind, erst dann in den Verkehr gebracht oder ver-
arbeitet werden dürfen, wenn diese Maaren inner-
halb des Deutschen Reiches von einem amtlich be-
stellten Fleischbeschauer auf Trichinen und Finnen
untersucht, trichinen- und finnenfrei befunden und
zum Nachweise hierfür deutlich kennbar abgestempelt
oder plomdirt worden sind.
— Gegenüber der »Voss. Ztg.", welche jed-
wede finanzielle und diplomatische Unterstützungen
Chinas als Versündigung an der Kultur be
zeichnet, betont die „National-Zeitung", daß es
für Deutschland in der koreanischen Streitfrage nur
eine vernünftige Politik gebe. Vollständige Unbe-
fangenheit gegenüber beiden kriegführenden Ländern.
Dies werde schon durch die Interessen unserer dort
ansässigen und dorthin Handel treibenden Lands-
leute erfordert, und nicht minder durch die Er-
wägung, daß der Verlauf des Krieges für die
deutsche Industrie Aussichten eröffnen könne, die
nach einer Richtung im Voraus zu verschenken
thöricht wäre. Die europäische Kultur Ja-
pans bestehe vor der Hand in einem Firniß an
der äußeren Oberstäche. Die Masse des japanischen
Volkes sei genau so wenig europäisch civilisirt
wie die chinesische. Die China-Anleihe
aber sei wie jede erotische Anleihe zu behandeln. —
Von den in der Wohnung des Anarchisten Schewe
gefundenen Granaten soll eine ungeladen, die an-
dere mit Sprengstoffe gefüllt und mit einem Zünder
versehen gewesen sein. Im Ofen hat man Flaschen mit
Chemikalien zur Bereitung von Zündstoffen ent-
deckt. Schewe und Dräger waren mit dem Anar-
chisten Kammin befreundet, dessen Vater wegen
politischer Verbrechen im Zuchthaus war. „Kam-
min" war das den Polizisten bekannte Losungswort,
dessen Nennung ihnen Drägers Wohnung anstand-
los öffnete.
— Von den Beförderungen des heutigen Tags
sind zu erwähnen: Generallieutenant v. Klitzing,
Kommandeur der 10. Division (Posen) zum Kom-
mandeur der 1. Garde-Jnfanterie-Diviston; General
v. Igel, Kommandeur der 50. Infanterie-Brigade
(2. großh. hessisches) zum Kommandeur der 10.
Division; Oberstlieutenant Frhr. v. Huene zum
Chef des Stabes des XVI- Armeekorps ernannt;

Hauptmann v. Süßkind, früherer Militärattache in
Paris zum Major befördert; Generallieutenant
Blecken v. Schmeling, bisher Kommandeur der
ersten Garde-Jnfanterie-Division, in Genehmigung
seines Abschiedsgesuchs und unter Verleihung des
Sterns und Kreuzes der Comture des Hausordens
von Hohenzollern zur Diposttion gestellt; Oberst
v. Bismarck, bisher Kommandeur aes 3. Garde-
regiments zu Fuß, zum Kommandeur der 50. Jn-
fanteriebrigade; Oberst v. Twardowski, bisher Chef
des Gneralstabs des XVI. Armeekorps, zum Kom-
mandeur des 3. Garde-Regiments zu Fuß ; Oberst
l'Oeillot de Mars, Kommandeur des Infanterie-
Regiments 131, zum Kommandeur der 18. Jn-
fanteriebrigade ernannt.
Karlsruhe, 18. Aug. Seine Königliche Ho-
heit der Großherzog von Oldenburg ist gestern
Abend gegen sechs Uhr mit dem Kursschiff in
Mainau eingetroffen. Höchstderselbe wurde am
Landungsplätze von Seiner Königlichen Hoheit dem
Großherzog empfangen und dann zum Großherzog-
lichen Schlosse geleitet, wo die Begrüßung durch
Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin stattfand.
Bei der gestrigen Tafel wareen außer den bereits
genannten Personen auch noch der Major im 1.
Garde Regiment zu Fuß Frhr. von Hornstein und Ge-
mahlin anwesend. Heute Vormittag traf Ihre König-
liche Hoheit die Prinzessin Therese von Bayern mit dem
Kursschiff aus Lindau in Mainau ein. Die Prinzessin
wurde am Landungsplätze von Ihren Königlichen Ho-
heiten dem Großherzog und der Großherzog und der
Großherzogin begrüßt und zu Wagen nach dem
Großherzoglichen Schlosse geleitet. Dieselbe ist von
der Hofdame Gräfin Oberndorf begleitet. Zur heu-
tigen Mittagstafel waren der Kaiserlich Königlich
Oesterreichische Bezirkskommissär bei dem Statt-
haltereirath zu Bregenz, Graf von Vetter, und Ge-
mahlin eingeladen.
Karlsruhe, 18. Aug. Die „Bad. Corresp."
hebt bei ihrer Zusammenstellung über die Be-
schränkung der Ladenzeit (auf Anregung der
Konferenz für Arbeiterstatiftik) hervor, daß" von der
Mehrzahl der Gutachten mehr Wert auf die Er-
haltung der früheren Morgenstunden als auf die
abendliche Ladenzeit gelegt wird. Viele erstreben
eine 14 stündige Ladenzeit mit entsprechenden Aus-
nahmen für die Lebensmittel und Cigarrengeschäfte
Bei Einführung einer festen Ladenschlußstund/
etwa abends 8 Uhr, würden sich die Ausnahmen
weit einfacher gestalten, als bei einer fest bestimmten
Stundenzahl für die ganze Ladenzeit. Diese von
dem Frankfurter Verband vertretene Anschauung soll
durch das der Reichskommission vorliegende Material
ihre Bestätigung finden.
— Nach einer in der Presse erschienenen, aller-
dings nicht officiellen Zusammenstellung treten aus
dem badischen Landtag für die nächste

Die verborgene Kcrnö.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von -er Have.
(Fortsetzung.)

die

.^..Gesiegt, gesiegt! Ja, sie hatten gesiegt,
Dister der Finstcrniß, sagte Hans. Sie hatten ihn
Verderben gelockt und ibn vernichtet, zerschmettert!
blieb ihm jetzt ncch als nur das eine: —
Tod, der alle Schuld auf Erden zum Ausgleich
t'ngt?
ix. Alle Schuld? Auch die des Selbstmordes?
Selbstmord nicht Feigheit, so viel Muth auch
Vu gehört, Feigheit zum Weiterleben?
. Da — mit einem Ruck vielt der Wagen, Hans
mtk sich auf, — mechanisch.
Der Kutscher öffnete den Schlag.
Hof," sagte er. „Soll ich warten?"
2-, Hans nickte nur. Er drückte dem Mann einen
Xoler die Hand und eilte an ihm vorüber, auf
Schwibbogen zu, der unter dem Vorderhause
^ssturch auf einen langgestreckten Hof mit alter-
m^llchen Häusern führte. Fast am Ende des-
k .kn führte ein zweiter Schwibbogen in eine Seiten-
welche zwei Hauptstraßen mit einander ver-
und in welcher Sünde und Laster ihr Quar-
t aufgeschlagen hatten.
Hart neben dem Ausgang in diese Seitengasse
^iand wie meisten Gebäude dieser
^aße altgiebliges Haus von vielen Stockwerken.
In das Erdgeschoß dieses Hauses trat der junge
2>^n durch die mit kleinen Glasscheiben versehene
Hinter dem ebenfalls kleinscheibigen Fenster

zur Seite des Eingangs hingen einige alte Klei-
dungsstücke und standen einige kleine Möbel, zum
Zeichen, daß man es hier mit einem Kleiderseller
zu thun hatte. Eine Frau trat dem Eintretenden
entgegen, eine nicht gerade unansehnliche Frau in
mittleren Jahren, aber durch ihr wirres Haar und
ihr unsauberes Aeußeres von abschreckender Häß-
lichkeit.
„Ist Herr Kranz zu sprechen?" fragte Hans
in unverkennbar fieberhafter Erregung.
„Bitte, ja," antwortete die Frau, den jungen
Mann mit verglasten Augen anslierend. „Markus,
da ist Jemand!" rief sie die Treppe hinauf. „Bitte,
wollen Sie nur hinaufgehen!"
Hans hatte schon Fuß auf die Treppe gesetzt;
im Nu war er oben, hatte die Glasthür geöffnet
und stand er dem Meister Kranz gegenüber, der
eben damit beschäftigt war, einen fadenscheinigen
Rock aufzubügeln. Bei dem Anblick seines Be-
suchers zog er devot die Mütze.
„Ach/ gnädiger Herr!" rief er. „Was ver-
schafft mir tue Ehre? Sie kommen wohl, um nur
persönlich die Bestätigung zu geben, daß Sie das
Geld richtig gekriegt haben?"
Hans "hatte kaum Ruhe genug, den anderen
ausreden zu lassen.
„Nein," stieß er aus, „nichts von dem, —
ich komme-zeigen Sie mir das Billet,
von dem Sie schreiben, — ich — ich muß es sehen,
— schnell — schnell!"
Meister Kranz gerieth ordentlich in Aufregung,
es überkam ihn beinahe wie Angst.
„Gnädiger Herr", wiederholte er, indem er an
ein kleines Pult trat und daraus ein Blatt Papier

unter anderen hervorsuchte, „gnädiger Herr erschrecken
mich ja förmlich! Was ist denn mit dem Billet?
Ich bin ein ehrlicher Mann und leiste gerne Hilfe,
wo ich kann, gegen — das muß der Herr doch
zugeben — nur schmalen Verdienst. Was ist also
mit dem Billet? Es ist Ihre Handschrift, darauf
will ich jeden Eid leisten!"
Hans hatte ihm das verhängnißvolle Papier aus
der Hand gerissen und es überlesen. Ein Schrei
brach sich jetzt von seinen Lippen und vollends
vernichtet sank er auf einen Stuhl.
„Es ist — es ist meine Handschrift," stieß er
keuchend aus, „aber gefälscht — gefälscht!"
Er verharrte minutenlang regungslos, düster
vor sich hinstarrend, indeß der Meister Kranz sich
den Schweiß von der Stirn wischte. Plötzlich fuhr
Hans auf, mit flammendem Blick stand er vor dem
erschrockenen Manne.
„Dieses Blatt ist gefälscht!" sprach er, und
jedes seiner Worte fiel wie ein Schwertstreich von
seinen Lippen. »Ich habe es nicht geschrieben.
Es ist also ein Betrug, der sich entdecken lassen
muß, — entdecken lassen muß durch Sie! Reden
Sie nun — bei Gott und allem, was Ihnen
heilig ist, — sprechen Sie die Wahrheit: — wer,
wer brachte Ihnen das zweite Brillantkollier und
diesen Brief, — diesen gefälschten Brief?
Entweder war der Mann, dem die Frage Hans
Volkheim's galt, der ehrlichste Mensch auf der Welt,
oder er war der größte Schurke, den die Erde trug.
„Sie erschrecken mich, gnädigster Herr!" stieß
er aus, und jedes Wort preßte er hervor, als
kostete es ihn furchtbare Anstrengung, es zu sprechen.

»Ick fasse es noch gar nicht! Gefälscht, — ge-
fälscht der Brief von Ihrer Hand?"
Und er streckte die Rechte nach dem Billet aus,
es fast überhastig Hans aus der Hand reißend.
Und an sein Pult tretend und ein zweites Papier
daraus entnehmend, hielt er das erstere vergleichend
daneben.
„Jeden Eid schwöre ich darauf," sagte er, und
seine Augen glichen denen einer Katze, welche die
Maus zwischen ihren Krallen hält/ „j-den Eid
schwöre ich, daß das Ihre Handschrift, Zug für
Zug eine und dieselbe Handschrift ist!"
Der Ernst der Situation hatte den jungen
Mann so überwältigt, daß diese Worte ihn nicht
einmal zornerregten; er sann nur dem neuen Räthsel
nach, welches ihn voll und ganz beschäftigte.
„Meine Handschrift, ja," sprach er, „und den-
noch gefälscht! Ich habe die,es Blatt nicht ge-
schrieben !"
Eine dumpfe Pause entstand, eine Pause, so
lautlos, daß man einen Hauch hätte hören können.
„Herr Kranz," h°b Hans dann an und seine
Stimme schwankte leicht, sagen Sie mir, wer
Jknen dieses Billet und das zweite Kollier brachte?
Es ist ein Verbrechen, ein Betrug verübt worden,
also sinnen Sie nach und sagen Sie mir alles so
gencku, wie Sie es nur vermögen. Von Ihrer Aus-
sage — das sehen Sie ein — hängt dieses ab!"
Hätte Hans Volkheim die Wirkung dec Worte
vorhergesehen, er würde sie nicht gesprochen haben. List
hätte diesem Manne gegenüber vielleicht zu einem Ziele
geführt, — vielleicht, wenn sie größer gewesen wäre,
als seine eigene List. Der gerade Weg, wie ehrlicher
 
Annotationen