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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 281 - Nr. 290 (30. November - 11. Dezember)
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Montag, 10. Dezember 18S4.


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Fsk?L«»AtzUend
werden von allen Postanstalten, LandbrreftrLgerr.
unseren Agenten und Trägerinnen «bonnemenrs
entg egen g enomm en.
VerfolguWswahtt.
Die Franzosen leben sich, wie es scheint, immer
mehr in eine Art Verfolgungswahn hinein. Der
ächte Franzose wähnt sich von einem Spionage-
netz umgeben, er sieht Jbsen'sche Gespenster am
Hellen Tage, er haßt das Fernrohr, weil man
mit Hülfe desselben Festüngsmauern erblicken
kann, er erschreckt vor jedem Notizbuch, weil es
zur Aufzeichnung verrätherischer Notizen dienen
kann, und sieht er erbleichend Jemanden in eine
Landkarte blicken, so hält er das alsbald für
ein „abgekartetes" Spiel, und ist der Leichtsinnige
gar ein Deutscher, dann wehe ihm!
Dieser chronische Verfolgungswahn war in
den letzten Tagen zu einem akuten Ausbruch ge-
diehen, der ärztlicherseits Bedenken erregen mußte.
Pariser Blätter, der Matin und der Figaro,
die in Frankreich ernst genonimen werden, er-
frechten sich, die fremden Militärattaches amtlich
geduldete Spione zu nennen. Besonders richtete
sich diese Flegelei, die natürlich dem Gaumen der
Leser schmeicheln und dem Abonnentensang dienen
soll, selbstverständlich gegen die deutsche und dann
auch noch gegen die schwedisch-norwegische Bot-
schaft.
Auf diese Keckheit hin mußte natürlich ein
kalter Wasserstrahl erfolgen. Wie sich jetzt be-
stätigt, hat die deutsche Botschaft aus Anlaß
jener Schmühartikel sehr ernste Vorstellungen bei
der französischen Regierung erhoben. Die Vor-
stellungen haben ihre Wirkung nicht verfehlt.
Der französische Minister des Auswärtigen, Ha-
notaux, hat alsbald dem deutschen Botschafter
Grafen Münster sein Bedauern über jene Artikel
ausgesprochen. Auch ist bereits eine weitere Wir-
kung des Vorgehens der deutschen Botschaft zu
verzeichnen. In Anknüpfung an jene Spionen-
hetze war von den erwähnten Blättern gefordert
worden, die französische Regierung solle die Ini-
tiative in Betreff der Abschaffung der Militär-
attaches ergreifen. Die Regierung hat darauf
nunmehr halbamtlich erklären lassen, sie denke
nicht daran, in der Einrichtung der Militärat-
taches eine Aenderung eintreten zu lassen.
Diplomatisch ist der Fall hiermit abgeschlossen,
genügend aufgeklärt und beigelegt aber noch nicht.
Der „Figaro" hat als den Gewährsmann seiner
Elaborate ausdrücklich den Kriegsminister Mer
ei er bezeichnet. Es wird gut sein, wenn dieser
Herr, der sich schon öfters durch eine unglückliche

Hand ausgezeichnet hat, seine Person offiziell von
jenem Verdachte reinigt. Wir zweifeln nicht
daran, daß die französische Regierung soviel
Taktgefühl besitzt, dies in Bälde zu veranlassen.
Der Figaro nimmt auch seinen Vorwurf be-
reits zurück, indem er allerdings gleich wieder
einen neuen erhebt. Er sagt nämlich, dem jstz
in Paris beglaubigten Personal der deutschen
Botschaft, sei keine Indiskretion vorzuwerfen, aber
der frühere Militär-Macho v. Vuillaume habe
Durchstechereien mit Subalternen des Krwgsmini-
steriums betrieben; er sei notorisch Chef der deuc-
schen Spionage in Frankreich gewesen. Seit dies
entdeckt und Herr v. Vuillaume nach Petersburg
versetzt wurde, sei die Leitung des deutschen Kund-
schaftcrdienstes dem Attache in Brüssel übertragen
worden, der „bekanntlich" jüngst auch mit Turpin
anzuknüpfen versucht habe. So viel Sätze, so
viel Lügen!

DrMches ReLL.
Berlin, 10. Dezember.
— Fürst Bismarck veröffentlicht in de» „Beri.
N. Nachr." seinen Dank für die anläßlich des
Todes seiner Frau ihm aus Deutschland und dem
Auslande zugegangencn Beileidskundgebungen. Der
Fürst bedauert, daß die verfügbaren Kräfte nicht
ausreichend gewesen seien, den Absendern einzeln
zu sagen, wie sehr ihre Teilnahme seinem Hirzen
wohlgethan.
— Etwa 800 Architekten, Maler, Bildhauer
und Ingenieure veranstalteten am Freitag bei Kroll
ein Fest zu Ehren Wallots. Aus 20 deutschen
Städten waren Vertret.r erschienen. Anton von
Werner eröffnete die Feier, u. A. sprachen Baurath
Thiersch - München und Stadtbauinspektor Wolff-
Frankfurt. Wallot dankte für die Anerkennung der
Fachgenossen und ermahnte, in Architektur, Malerei,
Bildhauerei und Jngenieurkunst gemeinsam auf
eine oolksthümliche Kunst hinzuwirken.
— Ein Theil der neuen deutsch-russischen Ver-
bands-Tarife, die Güterklassifikation, liegt nunmehr
im russischen Drte vor. Für den russischen Durch-
lauf wie für den Verbandsverkeyr wurden die Taren
des internen russischen Gruppentarifs angenommen.
Aus der neuen Güterklasstfikation geht hervor, daß
Rußland sich nicht dazu bewegen ließ, den Import
nach seinen Gebieten durch Einführung ermäßigter
Jmporttarife zu unterstützen. Dieselben Frachtsätze,
welche für den lokalen Verkehr Rußlands gelten,
haben auch für den internationalen Verkehr Gültig-
keit. Die „Spedit.- und Schiff-Ztg." bemerkt
hierzu: Es hat vule Mühen, große Anstrengungen
und sehr große Opfer der deutschen Handelswelt
gekostet, um in der schweren Zeit deö deutsch-russi-
schen Zollkrieges den russischen Markt zu behaupten.

Durch den neuen deutsch-russischen Verbandseinertarif
wird dieselbe in einen neuen Konkurrenz-Kamps
getrieben. Im russischen Gruppentarife, der auch
für den internationalen Verkehr Anwendung findet,
wurde zur vollkommenen Geltung das Prinzip ge-
bracht, daß die kürzeste Route auch die billigste sei.
In keinem anderen Lande als in Rußland ist eö
möglich, die Wirkung dieses Prinzipes zu studiren.
Für die an Rußland angrenzenden Länder, also für
Deutschland und Oesterreich, haben solche Eison-
-ahntarife stets eine nacktheilige Folge, da andere
Länder, denen der Seeweg zur Verfügung steht,
durch Benutzung der billigen Seefrachten in Ruß-
land bedeutend vortheilhaftere Frachtkonditionm er-
reichen können, als dies den direkt angrenzenden
Ländern, Deutschland und Oesterreich, möglich ist.
Es ist klar, daß der erste Theil der deutsch-russischen
Verbände, die Klassifikation, nicht nur alle Hoff-
nung auf eine Besserung der jetzigen Verhältnisse
zu Schanden machte, sondern der deutschen Handels-
welt auch die traurigste Perspektive in die Zukunft
eröffnet.
Karlsruhe, 8. Dez. Seine Königliche Hoheit
der Großherzog nahm heute Früh von 9 Uhr ab
den Vortrag deö Geheimerathö Freiherr» von
Ungern-Stcrnberg entgegen und ertheilte darnach
mehreren Personen Audienz. Nachmittags hörte
S. König!. Hoh. den Vortrag des Legationsraths Dr.
Freiherrn von Babo und nahm um 4 Uhr mit
dem Offizierscorps des 1. Badischen Leib-Dragoncr-
RegimentS Nr. 20 in dessen Kasino das Mittags-
mahl ein, an welchem sich auch frühere Angehörige
dieses Osfizierkcorpö in großer Anzahl betheiligten.
UrrsianL.
Wien, 8. Dez. Während die ungarischen Offi-
ziösen die kritische Lage des Ministe-
riums Wekerle neuerdings verhüllen, beharrt
man hier dabei, daß es abgewirthschastet habe, und
daß ein neues Ministerium in der liberalen Partei
gesucht wird, das nicht durch eine Verbindung mit
der Unabdängigkeitspartei bloßgestellt sei. Hiesige
hohe Kreise zweifeln nicht, daß diesmal die Bil-
dung eine« solchen Ministeriums gelingt, weil die
Vollziehung der Kirchengesetze zweifellos sei und
Parteigrunbsätze nicht berührt werden sollen, sondern
nur eine Personalkrisis bestehe, zumeist bezüglich
Szylagyis und Hieronymis, die dem Miß-
trauen begegnen, daß sie thcilweise gegen die In-
teressen der Krone regieren, die sie vertreten sollten.
Dies gilt hier als Kern der Krise. Ferner besteht
in hiesigen maßgebenden Kreisen die Auffassung,
daß die sofortige Vollziehung der Kirchengesetze nicht
ein dringendes Bedürfniß sei. Minister Wekerle
verlange sie, um dadurch einen Druck auf das
Magnatenhaus auszuüben behufs Durchdringung
der übrigen zwei kleineren Kirchengesetze, obwohl

diese letzteren an sich unbedeutend seien, zumal das-
jenige über die Noception der Juden, die schon
durch die EinfU-rung der Cwilehe thatsächlich
vollendet werke; verweigere doch die Krone eine
Einmischung zu deren Gunsten durch besonderen
Hochdruck, dem Magnatenhause überlassend, sich für
oder gegen das Ministerium zu entscheiden; die
Angriffe auf Graf Kalnocky sollen nur dis Auf-
merksamkeit hiervon ablenkrn. Kalnocky bekämpfte
keineswegs die vom Kaiser zugosazte Vollziehung
durch Jntriguen oder klerikal-feudale Konventikol.
Sinnlos sei auch, daß die Vollziehung, durch eine
nochmalige Verhandlung mit dem Papst verzögert
werde. Vielleicht werde die Sitzung des ungarischen
Parlaments am Montag Klarheit bringen, vielleicht
das Siechthum des ungarischen Ministeriums sich
noch länger hinziehen.
Pest, 8. Dez. Alle Blätter stellen fest, die
Unklarheit der Lage könne nicht andauern.
Die allgemeine Verstimmung sei bedenklicher als
eine tbatsächliche Krise. Minister Fejervary ist
aus Wien zurückgekehlt. Dem „Egyetertes" zufolge,
liegt der Grund der drohenden Krise darin,
daß Wekerle die Annahme der abgelehntcn Vor-
lage im Oberhause für unmöglich hält. Während
Wekerle und Szilagyi nicht nachgeben könnten in
der Frage der Konfessionslosigkeit, könne ein neues
Ministerium Verhandlungen eingehen.
Paris, 8. Dez. Nachdem das von dem Senat
und der Kammer angenommene Gesetz über Mada-
gaskar heute im Amtsblatt veröffentlicht worden
ist, wird die Regierung mit den Vorbereitungen für
die Bildung des Transports und die Versorgung
des Expeditionskorps beginnen. Dies wird Frank-
reich so rechtzeitig verlassen, daß es Ende April an
der Küste von Madagaskar am Schluffe der Regen-
zeit eintrifft. Dann wird sofort der Marsch auf
Tananarivo beginnen, von wo das Corps nach dem
bisherigen Plan im Oktober an die Küste zurückge-
langt sein dürfte.
Paris, 8. Dez. Die Meldung der Blätter,
die Grundlage für die Anklage des französischen
Hauptmann Alfred Dreyfus wegen Hochder-
raths bilde ein von Dreyfus an ein Mitglied der
deutschen Botschaft gerichtetes Schreiben, welches
später von einem französischen Geheimpolizisten
aus dem Papierkorbe der deutschen Botschaft ge-
stohlen worden sei, wird von maßgebender Seite für
eine dreiste Erfindung erklärt. sES ist die
höchste Zeit, daß dieser Widerruf von „maßgebender
Seite" ergeht, und daß „Matin" und „Siocle",
welche diese unglaublich Lhörichte Nachricht ver-
breitet hatten, als die „dreisten Erfinder" hingestellt
werden, für die man sie von vornherein gehalten
hatte. Die, französische Negierung hätte viel Auf-
regung verhüten können, wenn sie gleich zu An-
fang das gethan hätte, was sie jetzt thut.sj

Gesucht und Gefunden.
Roman von Hermine Frankenstein.
60) (Fortsetzung.)
Fünfunddreißigstes Kapitel.
Die Trennung.
Das unerwartete Erscheinen Frau Biggs in
Sinda's Boudoir brachte Maya vollständig außer
Fassung. Sie sprang zurück, die blühende Röthe
wich vollständig aus ihrem Gesichte und ihre Züge
wurden plötzlich scharf und verfallen. Sinda stand
auf, kaum weniger aufgeregt, und Frau Biggs
schaute die beiden jungen Mädchen abwechselnd mit
Neugierigen und verwunderten Blicken an. — „Ich
wollte nur kommen, um meine Tochter zu schm,"
sagte Frau Biggs zu Maya, welch- glaubte, einen
höhnenden Ton in ihrer rauhen, derben Stimme
zu vernehmen. — „Ich war so überrascht, sie zu
finden, daß ich von dem, was ich sagen wollte, gar
nichts gesagt habe. Es war ja ganz unerwartet,
denn ich glaube, es handle sich um eine Pension
für mich. Ich war schon einmal hier, wie es einer
Mutter ziemt, aber meine Tochter war in dem
Salon, und es war nur eine alte Heidin da und
deren Anblick kann ich seit der Revolution nicht
mehr ertragen."
Sie machte einen tiefen Knir vor Maya und
beobachtete sie larurnd von der Seite. — „Gehen
Sie mir azis dem Wege, Weib!" — sagte Maya
hochmühtig. „Ich wünsche das Zimmer zu verlas-
sen." Frau Biggs rührte sich jedoch nicht von der
Stelle. „Bleiben Sie dcch lieber noch einige Mi-
nuten, gnädiges Fräulein", rief sie aus. „Ich
möchte Ihnen für Ihre Güte gegen Rhoda danken.

Ich hatte eines der Dienstmädchen den gan-.en Abend
bei mir und sie hat mir all' die romantischen Um-
stände Ihres Lebens in Indien mit Rhoda erzäblt.
Ich bin Ihnen sehr verbunden. Ich freue mich,
daß Sie ein solches Glück gemacht haben — ich
freue mich wirklich!" — „Wenn Sie wirklich dank-
bar sind", sagte Maya, die sich nun vollständig
gefaßt hatte, und schlau und berechnend wie immer
war, „können Sie mir leicht einen Gefallen thun."
— „Wie so, mein Fräulein?" — „Rhoda hat
eine große Menge von Diamanten", sagte Maya,
mit dem Kopfe nach Sinda deutend. „Sie hat
besonders eine Garnitur, welche in Khalsar als die
„Kleinen Sonnen" bekannt war. Ihre Bcsttz-
thümer gehören jetzt rechtmäßig Ihnen, ihrer Mut-
ter. Sic könnten mir diese Garnitur leicht geben.
Sie würden sie nicht vermissen, denn Sinda hat
eine enorme Menge anderer Juwelen."
Die Augen der alten Frau funkelten vor Hab-
gier und Geiz. „Ist das wahr? fragte sie, sich
hastig an Sinda wendend. Diese nickte bejahend.
„Sie sehen", sagte Maya, einen munteren Ton an-
schlagend, „daß Sie ein großes Vermögen gewon-
nen haben, indem Sie ihre Tochter fanden. Sinda
war in Indien eine Fürstin. Ich armes Ding war
dort nur eine Art Ehrendame. Dafür werde ich
hier wenigstens sehr reich sein, wenn Papa einst
stirbt. Aber Sinda ist jetzt schon sihr reich; ein
Schatz für sich selbst und durch ihre Besitzungen."
— „Sie haben also auch genug ohne Rhoda's
Diamanten, Fräulein?" fragte Frau Biggs mit
gierig funkelnden Blicken. „Was sie hat, gehört
mir. Ich werde nicht mehr arbeiten. Simon wird
jetzt gute Zeiten haben, der arme, unglückliche

Junge. Ja, ich habe in meiner Tochter einen
Schatz gefunden." Sie drehte sich um und näherte
sich Sinda mit ausgebreiteten Armen.
Daö arme Mädchen wich vor ihr zurück und
ihr Abscheu malte sich in ihrem bleichen G-sicht-
aus. „Was!" rief Frau Biggs, „Du verachtest
Deine eigene Mutter?" — „Rein, nein", sagte
die arme Sinda, die Hand auf's Herz pressend.
-.Bitte, setzen Sie sich, Frau. Ich bin nicht hoch-
müthig, aber ich bin heute ganz verwirrt." —
»Frau! Zu Deiner eigenen Mutter?" keifte Frau
Biggs. „Welche Undankbarkeit! Ich fürchte sehr,
Du wirst zu vornehm sein, um Deine Muttzr und
Deinen Bruder mit gehöriger Achtung und Liebe
zu behandeln. O, es ist schrecklich, ein undank-
bares Kind zu haben!" Und sie drückte ihr bun-
tes Taschentuch auf die Augen.
„Ich kann Sie nicht Mutter nennen —wenig-
stens jetzt noch nicht", sagte Sinda. „Haben Sie
einstweilen Geduld mit mir. Ich will mit Ihnen
gehen —" — „Natürlich wirst Du mit mir
gehen", sagte Frau Biggs wild. „Wenn Du Dich
weigern würdest, möchte ich Dich einfach zwingen.
„Wo sind Deine Juwelen?" — „In meinen
Koffern." — „Wenn wir nach Hause kommen, werde
ich sie in meine Verwahrung nehmen", sagte Frau
Biggs drohend. „Da ich Deine Mutter bin, ge-
hört Alles, was Du besitzest, mir. Ich bin die
geeignete Hüterin für Dich und Deine Besitztümer.
Ist einer der jungen Herren in Dich verliebt?" —
„Ja Madame," sagt- Maya. „Sie wissen, daß
Sinda in ihren Juwelen ein großes Vermögen be-
sitzt, und Herr Ellivt ist entschlossen, sie trotz -ihrer
Herkunft zu heirathm." — „Das wollen wir erst

noch sehen!" unterbrach sie Frau Bigs. „Rhoda's
Geld gehört jetzt mir. Und was einen Freier be-
trifft, kann sie jedenfalls erst in einem Jahre hei-
raten. Ich will mein Kind, meine einzige Tochter
wenigstens ein Jahr lang für mich haben. Merk
Dir das gleich im Anfänge, Rhoda!"
Sinda senkte den Kopf- — „Laß von Deiner
Heidin die Koffer packen," befahl Frau Biggs.
„Wir reisen mit dem Frühzuge morgen ab. Die
Hindu darf aber nicht mit uns geben." — Sinda's
stolzes, bleiches Gesicht röthete sich unwillig. —
„Falla ist die beste Freundin, die ich in der ganzen
Welt habe," rief sie. „Ich kann ohne sie, die
Pflegerin und Hüterin meiner Kindheit, nicht gehen.
Ich will sie nicht verlassen !" — Die grauen Augen
blitzten, und eö schwebte ein Zug von Entschlossen-
schlossenheit um den Mund rer Ex-Fürstin, der
Frau Biggs warnte, nicht zu weit zu gehen. —
Sie überlegte. — „Ich kann ja Falla", so dachte
sie bei sich, „später einmal fortjagen, und es wäre
nicht gut, Sindas Wiedersetzlichkeit gleich zum Be-
ginn ihrer Bekanntschaft bera-szufordern. „Meinet-
wegen", sagte sie, „Du kannst sie für den Anfang
noch behalten, wenn sie Dir so viel mehr ist als
Deine Mutter — die häßlichste Heioin, die ich je ge-
sehen. habe, und die mir völlige Wuthblicke zu-
schleuderte, als ich sie über meine Tochter befragte.
Gegen mich darf sie nicht hochmüthig sein, das
kann ich Dir sagen!"
Sinda sank matt auf den Sitz herab, von dem
sie sich erhoben hatte. — „Erinnerst Du Dich jetzt
an mich?" fragte Frau Biggs mit einem hämischen
Lächeln. „Du warst sieben Jahre alt, als Du
gestohlen wurdest. Wie der Graf sagte, sollest
 
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