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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 281 - Nr. 290 (30. November - 11. Dezember)
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3. LVeihir<retztr-Aurg<rde.
Nrrmwer 288. H Jahrgang. 2kettep Samstag, 8. Dezember 1894.

General-H Anzeiger

*-——-»
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für Heidelberg und Umgegend
(AZürger-ZeiLung).

--«
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die Ispaltige Pctttzeile oder deren Raum 8 Pfg.,
für auswärtige Inserate 1v Pfg«, bei öfterer Wieder-
bolung entsprechender Rabatt-
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WetepHon-Anschluß: Wr. 102.

Erstes Blatt.
Die Umsturzvorlage.
Die Umsturzvorlage, das Hauptstück der bevor-
stehenden Session, ist dem Reichstag zugegangen.
In geschickter Weise trägt schon die Thronrede
der allgemeinen Ueberzeugung, daß mit Gesetzver-
schärfungen und Polizeimaßnahmen allein die um-
stürzlerischen und der bestehenden Gesellschafts- und
Wirthschafts-Ordnung feindlichen Bestrebungen nicht
zu unterdrücken sind, insofern Rechnung, als sie
der Ankündigung des sogenannten „Umsturzgesetzes"
als vornehmste Aufgabe des Staates vorausschickt,
die schwächeren Klassen der Gesellschaft zu schützen,
ihnen zu einer höheren wirthschaftlichen und sttt
lichen Entwickelung zu verhelfen, und die wirth-
schastlichen und sozialen Gegensätze zu mildern.
Auch das ist weniger durch Gesetze, als durch
Opfenvilligkcit einerseits und vernünftiges Bescheiden
anderseits zu erreichen. Zur Sicherung dieses Be-
strebens erklärt die Thronrede für geboten, „dem
Gebühren Derjenigen wirksamer als bisher ent-
gegenzutreten, welche die Staatsgewalt in der Er-
füllung ihrer Pflicht zu stören suchen." Da die
Erfahrung gelehrt habe, daß die Gesetzgebung nicht
die erforderlichen Handhaben hierzu biete, so er-
achten die verbündeten Regierungen eine Ergänzung
des gemeinen Rechts für nöthig.
Diese Ergänzung, welche vornehmlich durch Er-
weiterung der geltenden Strafvorschriften den Schutz
der Staatsordnung verstärken will, hat folgenden
Inhalt:
Artikel 1.
In dem Strafgesetzbuch werden die §8 111,
112, 128, 130 und 131 durch nachstehende ersetzt
und die neuen 88 111 re und 129 a eingestellt.
§ 111. Wer auf die im 8 HO bezeichnete
Weise zur Begehung einer strafbaren Handlung auf-
fordert, ist gleich dem Anstifter zu bestrafen, wenn
die Aufforderung die strafbare Handlung oder einen
Versuch derselben zur Folge gehabt hat. Ist die
Aufforderung ohne Erfolg geblieben, so tritt Geld-
strafe bis 600 Mk. oder Gefängnißstrafe bis zu
1 ^.ahr, und sofern es sich um die Aufforderung
zu einem Verbrechen handelt, Gefängnißstrafe bis
zu 3 Jahren ein. Die Strafe darf jedoch, der
Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein, als
die auf die Handlung selbst angedrohte.
§ 111 u. Gegen Denjenigen, welche auf die
im § 110 bezeichnete Weise ein Verbrechen oder
eines der in den 88 HO bis 115, 124, 125,
240, 242, 253, 305, 317, 321 vorgesehenen Ver-
gehen anprcist oder als erlaubt darstellt, finden die
Strafvorschriften Anwendung, die nach 8 Hl
Absatz 2 für den Fall der Aufforderung zur Be-
gehung einer solchen strafbaren Handlung gelten.

8 112. Wer einen Angehörigen des deutschen
Heeres oder der kaiserlichen Marine auffordert oder
anreizt, dem Befehle des Oberen nicht Gehorsam
zu leisten, wer insbesondere eine Person, die zum
Beurlaubtcnstandc gehört, auffordert oder anreizt,
der Einberufung zum Dienste nicht zu folgen, wird
mit Gefängniß bis zu 2 Jahren bestraft. Diese
Strafvorschrift findet auch auf D-njenigen Anwen-
dung, der einen Angehörigen des Landsturms auf-
fordert oder anreizt, dem Aufrufe nicht Folge zu
leisten. Gefängniß von 1 Monat bis zu 3 Jahren
trifft Denjenigen, der es unternimmt, einen Ange-
hörigen des aktiven HrereS oder der aktiven Marine
zur Betheiligung an Bestrebungen zu verleiten,
welche auf den gewaltsamen Umsturz der bestehenden
Staatsordnung gerichtet sind. Hat der Thäter in
der Absicht gehandelt, ein bestimmtes, auf den ge-
waltsamen Umsturz der bestehenden Staatsordnung
gerichtetes Verbrechen zu fördern, so tritt Zucht-
hausstrafe bis zu fünf Jahren ein; auch kann auf
Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt »erden.
8 126. Wer fdurch Androhung eines Ver-
brechens den öffentlichen Frieden stört, wir» mit Ge-
fängniß bis zu einem Jahre bestraft. Hat der
Thäter in der Absicht gehandelt, auf den gewalt-
samen Umsturz der bestehenden Staatsordnung hin-
zuwirken, oder darauf gerichtete Bestrebungen zu
fördern, so tritt Zuchthausstrafe bis zu 5 Jahren
ein; auch kann auf Zulässigkeit unter Polizeiaufsicht
erkannt werden.
8 129 u. Haben Mehrere in der Absicht, auf
den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staats-
ordnung hinzuwirken, die Ausführung eines Ver-
brechens verabredet oder sich zur fortgesetzten Be-
gehung mehrerer, wenn auch im Einzelnen noch
nicht bestimmter Verbrechen verbunden, so werden
sie, auir ohne daß der Entschluß der Verübung
des Verbrechens durch Handlungen, welche einen
Anfang der Ausführung enthalten, bethätigt worden
ist, mit Zuchthaus bestraft.
8 130. Wer in einer den öffentlichen Frieden
gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevöl-
kerung zu Gewaltthätigkeiten gegeneinander öffent-
lich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu 600 Mark
oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
Dieselbe Strafe trifft Denjenigen, welcher in einer
den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise die
Religion, die Monarchie, die Ehe, die Familie oder
das Eigenthum durch beschimpfende Aeußerungen
öffentlich angreift.
8 131. Wer erdichtete oder entstellte That-
achen, von denen er weiß oder den Umständen
nach annehmen muß, daß sie erdichtet oder entstellt
ind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch
Ltaatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrig-
I'eit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe bis

zu 600 Mk. oder mit Gefängniß bis zu 2 Jahren
bestraft.
Artikel 2.
Im Militärstrafgesetzbuch »rhält 8 42 Abs. 2
folgende Form: Wird gegen eine Person des
Beurlaubtenstandes wegen einer im Strafgesetzbuch
Tbeil 2 Abschnitt 6 oder 7 vorgesehenen strafbaren
Handlung auf Gefängniß von mehr als 6 Wochen
erkannt, oder erfolgt die Verurteilung einer Person
des Bcurlaubtenstandcs während der Beurlaubung
wegen einer strafbaren Handlung der im 8 37
Absatz 2 Nr. 2 bezeichneten Art, so kann ein be-
sonderes Verfahren der Militärgerichte zur Entschei-
dung darüber angeordnet werden, ob auf Dienst-
entlassung oder Degradation zu erkennen ist.
Artikel 3.
Im Gesetz über die Presse wird Nr. 3 des
8 23 durch folgende Bestimmung ersetzt: „Wenn
der Inhalt einer Druckschrift den Thatbcstand einer
der in den 88 85, 95, 111, 111 u, 112, 128,
130 oder 184 des Strafgesetzbuches mit Strafe
bedrohten Handlungen begründet."
Artikel 4.
Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkün-
digung in Kraft.
Man kann also immerhin mit Befriedigung
konstatiren, daß von „Ausnahmegesetzen", wie das
frühere Gesetz gegen die Sozialdemokratie, wofür
übrigens auch eine Mehrheit im Reichstag nicht zu
haben gewesen wäre, nicht die Rede ist. Auf dem
von der Thronrede gezeichneten Wege läßt sich, ob-
wohl auch dieser Bedenken und Schwierigkeiten
genug biete», bei allseitigem guten Willen und
Maßhalten wohl eine Verständigung finden.

DeMches Reich.
Vertin, 8. Dezember.
— Das Ergebniß der vorgestrigen mit Stimm-
zetteln vollzogenen Wahl der acht Schriftführer
ist folgendes: Aus der konservativen Partei
wurden gewählt Dr. Kropatscheck und v. Hol-
lenser, aus der Rcichspartei v. Mirbach, aus dem
Zentrum Krebs und Braun, von den National-
liberalen Dr. Pieschel, aus der freisinnigen Vols--
partei Schmidt-Bingen, ferner der Pole Cegielski.
Der von den Sozialdemokraten vorgeschlagene
Abgeordnete Fischer wurde nicht gewählt.
Karlsruhe, 7. Dez. Ihre Königlichen Ho-
heiten der Großherzog und die Großherzogin nahmen
heute Vormittag um halb 10 Uhr am Gottesdienst in
der Schloßkirche zum Schluß der General-Synode
Theil und empfingen sodann deren Mitglieder im
Marmorsaale des Großherzoglichen Schlosses. Um
halb 1 Uhr meldete sich der Generalmajor z. D.
von Liers und Wilkau, bisher Kommandeur der
29. Kavalleriebrigade, und der Oberst Kuhlmay

ä la suite des Ulancn-Regiments Kaiser Alcrande
III. von Rußland (Ostpreußischen Nr. 1. und
Kommandeur der 29. Kavallerie-Brigade.
München, 7. Dez. In der gestrigen Sitzung
des Bismarckdenkmal-Ausschusses wurde der An-
kauf der Rottmanshöhe am Starnberger See für
2400 Mk. bekannt gegeben. Der Major Hornig
schenkte den weiteren Grundbesitz hinzu. Für
den 1. April ist eine großartige Künstlerhuldi-
gung vor dem Propyläen geplant. Am selbigen
Tage erfolgt die Grundsteinlegung des Bismarck-
thurmes auf der Rottmanshöhe.
Ul«, 7. Dez. Gutem Vernehmen nach wird
das Fußartilleriebataillon Nr. 13 von hier nach
dem Elsaß, und zwar, wie verlautet, nach Mols-
heim verlegt. Das Ulmer Bataillon ist bereits
jetzt dem Fußartillerie-Regimcnt Nr. 10 in
Straßburg attachirt.
Auslemd.
Pest, 7. Dez. Die scharfe amtliche Zurück-
weisung, die Kalnoky den liberalen Blättern ertheilte,
weil sie ihn der Einmischung in ungarische und in
ihre Angelegenheiten beschuldigten und die Betonung
des Einvernehmens mit Wekerle, macht hier den
Eindruck, daß der allgemein verkündete bevorstehende
Rücktritt deS Kabinets Wekerle auf willkürlicher E*»
findung beruhe. Der Honvedminister Fejervary ist
nach Wien berufen und mit dem Fürsten Windisch-
grätz uno Plener heute vom Kaiser empfangen
worden, was mit den Krisengerüchten in Verbin-
dung gebracht wird.
Paris, 7. Dez. Dem Minister des Aeußern
wird aus Madagaskar gemeldet, daß dem Regie-
rungskommissar Myre de VilersTrup-
oen zur Verfügung stehen, die ein Kriegsschiff cms
La Rounion übergesetzt hat. Diese Truppen werden
wahrscheinlich Tamatave und Majunga besetzen und
durch die Garnison von Diego Suarez verstärkt
werden. Diese letztere ist nämlich infolge der Credite,
die dafür im Februar d. Js. bewilligt wurden, ver-
mehrt worden. Die Regierung hat inzwischen Le
Myre de Vilcrs mitgctheilt, daß die Credite für
den Feldzug genehmigt seien. Dieser wird nun die
Entscheidung des Parlaments der Regierung der
Hovas bekannt geben und darauf Hinweisen, daß
Frankreich jetzt Gewalt anwcnden werde.
Konstantinopel, 7. Dez. In der armeni-
chenFrage soll England vorgeschlagen haben,
die Konsuln in Erzerum und Bitlis nach dem
Schauplatz zu schicken. Auf Bitten des Sultans
willigte der Botschafter, dem eine unparteiische
Untersuchung versprochen wurde, in die Entsendung
einer türkischen Kommission ein. Hierauf erfolgte
mit der Ernennung der Kommission die erwähnte
Fassung ihres Auftrags. England erhob Einspruch
darüber und drohte der Pforte mit der Uebergabe

Gesucht und Gefunden.
59) Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)

Das Hinduweib sah ganz erschüttert aus. Fall«
wußte, daß ihre junge Herrin ein geradezu fürst-
liches Vermögen in den kostbaren Steinen besaß,
die sie von Khalsar mitgebracht hatte, und gezwun-
gen werden zu können, Frau Biggs diese Juwelen
auszuliefern, erschien ihr fast noch schlimmer, als
diese Frau als Mutter anerkennen zu müssen. Ihr
braunes Gesicht verdüsterte sich und ein eigentüm-
licher Ausdruck malte sich in den Zügen desselben.
„Wo immer Sie hingehen, Missy, gehe ich mit
Änen", rief sie aus. „Die alteFalla wird Missy
lste verlassen — „niemals!" — „Niemals?"
Wiederholte Sinda. „Du sollst mein Loos theilen,
Älla, was immer auch sein mag!" Die Thüre
des Boudoirs öffnete sich langsam und Maya's
^°ckenkopf wurde rasch hereingesteckt. — „Darf ich
°»imen?" fragte sie mit ihrer Hellen Stimme und
dat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. „Ich
^ß Dich auf einige Minuten sehen, um Dir zu
ldgen, wie leid mir um Dich ist."

, Sie glitt hinein in einem weißen Kaschmir-
!chlafrocke, mit weißen Lederpantöffelchen, die blon-
Haare aufgelöst, das hübsche Gesicht am Halse
einer Tüllkrause umrahmt, ihre lichtblauen
schgen von lauernder Neugierde erfüllt und ohne
geringste Spur von Theilnahme oder Bedauern
ihren hübschen Zügen. Die alte Falla zog sich
."genblicklich in das Ankleidezimmer zurück. Sie
rurte Maya nicht leiden und murmelte etwas von

einer „Schlange", als sie sich entfernte. Sinda
erhob sich halb. Bei dem sanften Schimmer der
Wachskerzen waren die Spuren ihrer Aufregung
deutlich sichtbar. — „Ich habe mit Papa über
diese unglückliche Geschichte gesprochen", sagte Maya.
„Und es ist ihm so leid um Dich, Sinda! Wa
rum hast Du seinen Rath nicht befolgt, Deine Ver-
wandten in ihrer Dunkelheit zu lassen? Denn
Papa meint nun, daß Du ganz Recht hättest,
Armand Elliot ganz auftugeben. Er hält Dich für
sehr edel und noch alles Mögliche, aber er sagt, es
sei rein unmöglich, daß Armand eine Tochter dieser
entsetzlichen Frau Biggs heirathe."
Eine dunkle, brennende Röthe übergoß Sinda's
Wangen, aber sie antwortete nichts. — Du weißt
ja Sinda, daß Papa Armand wie einen Sohn be-
trachtet", fuhr Maya fort, „und er will eben, daß
er eine Dame heirathet; eine Dame, die als Her-
rin von Belle-Jsle an ihrem rechten Platze wäre.
Er sagte es Armand bereits; aber Du weißt, El-
liot denkt immer nur an die Ehre und wird sein
Wort halten, was immer es ihn kosten mag. Es
betrübt ihn ties, daß Du einer solchen Familie an-
gehören sollst und er wird Dich in Deinem Kum-
mer nicht verlassen, Sinda, dessen magst Du sicher
sein. Er wird sein Dir gegebenes' Versprechen
halten — er wird sogar in Dich dringen, ihn zu
heirathen, da er sich in seiner Ehrenhaftigkeit dazu
verpflichtet fühlt — obgleich er die Schmach einer
solchen Verbindung gar tief empfindet." Sinda
fühlte, daß Maua sie abscheulich belog; aber ein
hochmüthiger Ausdruck flammte in ihren Augen
auf. — „Hat Herr Elliot Dich gebeten, mir bas
zu sagen, Mayafragte sie kalt.

„Er? O nein. Er wird sein Wort gegen Dich
halten, Sinda. Er bat Dich um Deine Hand,
ehe er etwas von Frau Biggs wußte, und er würde
es für unehrenhaft halten, Dir jetzt den Rücken zu
kehren. Aber es trifft ihn sehr schwer. Du hast
bemerkt, daß Papa heute Abend auf der Brücke
sehr wenig sagte. Die Wahrheit ist die, daß er
Armands Heirath mit Frau Biggs Tochter für ein
schreckliches Opker von Seite Armands betrachtet.
Weißt Du auch, daß Papa Dich jetzt für keine
paffende Gesellschaft für mich hält?" fuhr Maya
klagend fort. „Und das thut mir so leid. Ich
sehe nicht ein, daß die Entdeckung von Frau Biggs
einen Unterschied in Dir hervorbringen soll, Liebste,
aber Papa spricht von Vererbung der Eigenschaften
und Züge, von edlem Blute und all diesen Dingen,
als glaubte er, Du müßtest so sein, wie diese
schreckliche Frau, weil sie Deine Mutter ist. Ich
möchte Dich gewiß sehr gerne hier behalten, Sinda —"
— „Aber Graf Tregaron zieht es vor, daß ich
gehe? unterbrach sie Sinda ruhig- — „Das habe
ich doch nicht gesagt!" rief Maya in geheuchelter
Unruhe. „Ich wollte nichts verrathen — Papa
ermahnte mich zur Vorsicht — o, ich bin solch'
ein thörichtes Ding, Sinda, eine einfältige Plauder-
tasche? Sieh mich nicht so hochfahrend an, Liebe.
Sei nicht böse mit mir. Aber Du mußt doch ein-
sehen, daß hier Niemand so arm ist, um Dir jetzt
noch zu huldigen. Ich glaube, daß in England
die Tochter einer Waschfrau zur niedrigsten Sphäre
herabsinkt, und daß nicht einmal mein Kammer-
mädchen sich mit Dir verbinden möchte. Das ist
sonderbar, Liebe, nicht wahr?"
Mayas Wesen war ganz harmlos, aber ihre

Worte verwundeten Sindas stolzes Herz tausendfach,
wie es ^uch Mayas Absicht war. — „Ich gehe
morgen Früh von hier fort," sagte die junge Ex-
Fürstin stolz; „Du wirst also die Befleckung meiner
Gegenwart nicht länger erdulden müssen." —
„Glaubst Du, ich hielte Deine Gegenwart für be-
fleckend, Sinda? O nein, nein. Es war Papa,
welcher sagte — aber wie konntest Du errathen,
daß Jemand das dächte?" fragte Maya. „Du
bist sehr scharfsinnig, Sinda. Es wird mir leid
thun, Dich zu verlieren. Du warst sehr gut gegen
mich drüben in Indien, und so lange ich Dich für
wohlgeborgen hielt, schätzte ich Dich wirklich wie
eine Schwester. Aber Du bist klug genug, um
einzuseben, daß wir nicht gleichgestellt sind, daß ich
Dich nicht in die Gesellschaft einführen könnte,
und daß Deine Anwesenheit hier uns Allen peinlich
ist. Ich wußte, daß Du die Sache in diesem Lichte
auffassen werdest, Sinda und ich wußte, daß Du
nicht länger in einem Hause bleiben würdest, wo
selbst die Diener auf Dich herabsehen müßten —"
— „Halt!" unterbrach sie Sinda stolz. „Du sollst
nicht so zu mir sprechen, Maya. Ich bin noch
dieselbe, die ich immer war. Die Entdeckung, daß
Frau Biggs meine Mutter ist, macht mich weder
gemein, noch verwerflich." — „Nicht! O, Du
kennst die Welt noch nicht, Sinda," sagte Maya
mit überlegener Miene. „Du sagst, ich'soll nicht
so zu Dir sprechen. Ich werde einfach zu Dir
sprechen, wie es mir beliebt. Ich bin Herrin dieses
Schlosses. Und was bist Du? Ein niedriggeborencs
Geschöpf, das hier nur geduldet wird. Du zwingst
mich, Dir so die Wahrheit zu sagen. Trage
gegen mich keine fürstlichen Manieren zur Schau.
 
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